Ueber einen
griechisch-arabischen Codex rescriptus der
Leipziger Universitäts - Bibliothek
von II. Ei. Fleischer.
Unter den von Prof. Dr. Tischendorf aus dein Morgen¬
lande zurückgehrachten Handschriften ist eine derjenigen,
welche an die Leipziger Universitäts-Bibliothek übergegangen
sind '), von einer Beschaffenheit, die sofort die volle Auf¬
merksamkeit des Orientalisten erregt. Prof. Tischendorf
selbst hat sie vorläufig beschrieben in der Bechenschaft über
die auf seiner Reise gemachten handschriftlichen Studien,
Wiener Jahrb. d. Lit. Bd. CX. Anz. -Bl. S. 6. Sie rührt
aus dem palästinensischen Kloster des heil. Saba her, ist auf
Pergament in kl. - Fol. geschrieben und leider nur Bruchstück,
bestehend aus 22 •) theils noch zusammenhängenden, theils
einzelnen Blättern, welche an der vordem Seite, wie es
scheint durch das Messer eines Buchbinders, der sie zum
Einbinden benutzen wollte, etwa um einen Zoll verkürzt
worden sind, wodurch auch ein Theil der Schrift verloren
1) S. Wiener Jahrb. der Lit. Bd. CXII. Anz.-Bl. S. 40.
2) Von den im Anz. - Iii. der Jahrbücher angegebenen 24 Blättern sind zwei noch vor der l'ebergabe an die l'niversitäts - Bibliothek abhanden gc kommen.
._ i4i) —
gegangen ist. Uebrigens ist die Substanz, der Blätter, bis auf
einige ausgerissene und durchlöcherte Stellen, unbeschädigt.
Blatt 15 und 17 — 22 sind der Breite nach aus zweien zu¬
sammengenäht, offenbar erst von den arabischen Mönchen,
da die griechische Schrift bei den Nähten abbricht, die ara¬
bische hingegen darüber hinweg läuft. Die Farbe des Per¬
gaments ist, abgesehen von den hier und da stark hervortre¬
tenden Ueberresten der griechischen Grundschrift, noch ziem¬
lich weiss, stellenweise, in Folge äusserer Einwirkungen, mit
schmutzig braunen und schwärzlichen Flecken gemischt. Auf
der Bückseite des 14. Blattes hat ein dort angewendetes che¬
misches Reagens den Raum der ersten 4 bis 5 Zeilen theil-
weise grün gefärbt, eine Stelle aber durchäzt.
Die griechische Grundschrift, zwei Columnen auf jeder
Seite, zeigt noch völlig accentlose, von der rechten zur
Linken geneigte Uncialen, welche nach Prof. Tischendorf
dem achten Jahrhundert anzugehören scheinen. Es sind Bruch¬
stücke eines Codex der LXX; die von Prof. Tischendorf in
seiner Beschreibung angeführten Stellen sind der Reihe nach
folgende: 1) von avunmoirmivrj bis roig, Bl. VIII r. , Z. 2 —
11, aus 4. Mos. 28, 20 u. 21. 2) von ntpi bis tvdtXtXh ebend.
Z. 16—21, aus 4. Mos. 28, 22 u. 23. 3) von uv ano&avt)
bis vpwv, Bl. XII v., Z. 2 — 14, aus 4. Mos. 35, 28 u. 29.
4) von rov ßaXax bis rov, Bl. XVI v., Z. 11 —14, aus Rieht.
11, 25. Natürlich lassen sich nun, mit dem Texte der LXX
in der Hand, noch mehrere andere Stellen lesen ; doch der¬
gleichen nachzuweisen , liegt nicht in der Bestimmung dieses
Aufsatzes. Nur das ist noch zu bemerken, dass auf Bl. 17 und
19 — 22 in je zwei quer laufenden Columnen mit etwas
kleinern, übrigens ganz eben so geformten Uncialen, eine
Abhandlung steht, welche sich durch einzelne noch lesbare
Wortgruppen (z. B. avri X rov g, Bl. XX r. am innern Rande
rechts; toi vov v, Bl. XX v. linke Columne Z. 16; vulog'
vuxog — o oixog' tv 3t iw, Bl. XX v. am innern Rande links;
— 150 —
to t tv xaiu — io yug uiyto&ug, Bl. XXI r. am innern Hundt-
rechts; xui ag/iag u öiduaxaXog — it u rQvifiof, Bl. XXII v.
am innern Rande rechts) als eine grammatische ausweist.
Zwei Randbemerkungen Bl. XXII v. unten, mit kleinen
gerade stehenden Uncialen, sind ebenfalls grammatischen In¬
haltes.
Ueber diese griechische Grundschiift nun läuft, auf Bl.
1 - 16 und 18 mit ihr parallel, auf Bl. 17 und 19 — 22 sich
mit ihr kreuzend, eine arabische Schrift hinweg, welche weit
weniger durch ihren Inhalt und durch dessen sprachliche
Form, als durch die alterthümliche Gestaltung ihrer Buch¬
staben und Züge merkwürdig ist.
Was den Inhalt betrifft, so finden wir hier Bruchstücke
einer legendenartigen Lebensbeschreibung von vier Kloster-
heiligen der griechischen Kirche, des h. Euthymius, des h.
Saba, des h. Abraniius und des h. Theodosius. Theils die
am obern Rande nach innen zu stehenden coptischen Colum-
nenziffern mit den links daneben ausgeschriebenen arabischen
Zahlwörtern , theils — da jene auf einigen Blättern wegge¬
schnitten sind — der Inhalt und die Folge der Capitel haben
es möglich gemacht, die durch einander geworfenen Rlätter
zu ordnen. Freilich bilden sie auch so keine ununterbrochene
Reihe, doch schliessen sich wenigstens die meisten unmittel¬
bar an einander, nämlich: 1) Bl. I — V, sonst 153— 157.
2) Bl. VI —X, sonst 161—165. 3) Bl. XI —XVI, sonst
177—182. 4) Bl. XVII-XXII, sonst 191 — 196. Die
Lebensbeschreibung des h. Euthymius ') in 53 Capiteln, mit
deren 27 s ten das erste Blatt ex abrupto anfängt, reicht bis
Bl. IX v., die des h. Saba in 72 Capiteln von da an bis Bl.
1) Da dieser Name gewöhnlich geschrieben ist , so denkt
wohl jeder zunächst an Ev(prj/iios\ aber die etymologisch getreue Schreibarl
Bl. X r. Z. i und Bl. XVIII r, Z. 9 zeigt, dass das in
L/*ri»f>S^ • wie iin russischen Feodor u. s. w., das & vertritt.
— 151 —
XVII r., die des Ii. Abraniius ohne Capiteleintheilung von
Bl. XVII v. bis Bl. XX r., und die des h. Theodosius,
ebenfalls ohne Capiteleintheilung, von da bis Bl. XXII v.,
wo sie abgebrochen ist. Die rothen Ueberschriften der Ca-
pitel (ljJj mit dem ausgeschriebenen arabischen Zahlwort)
in den beiden ersten Lebensbeschreibungen bilden nicht be¬
sondere Zeilen, sondern stehen mitten im Texte. Die grössern
Redesätze sind durch rot Ii umzog-ene— schwarze Punkte von
einander getrennt; die Capitelüberschriften haben deren rechts
und links zwei, und zwischen beiden folgende Figur: (
Diese stärkere Interpunction , hier und da noch mit verzie¬
renden Zusätzen, steht auch am Ende ganzer Abschnitte.
Das Leben des h. Saba, Bl. IX v., ist roth überschrieben:
»j^Jt j% ,j~JA»n UU. aus* y~Äi Läj'j L*
&»**^j 5 o'Jjj er fc»aÄ»j Sj+iJCi. Diess ist was wir beschlos¬
sen haben auseinanderzusetzen ') von der Geschichte des h.
Mar Saba, des Sternes der Wüste, und von seinem löblichen
Lebenswandel, zum Nutzen derer, welche es lesen und hören
werden. Die Unterschrift, Bl. XVII r. : ^Xf s
Ijä er # ^ÄJI jJJI _>*i 2 ) «-Vj.'ö
3 ) *f*£> ^-»1 er »yUUllj *J !> c -Xj ei' a^wJI ti\*
rjv^l t-SÜÖ A.«i er r_r E »W • ^>^*rs Geschrieben
hat es der arme Sünder David, Gott preisend, der ihm ge-
1) Oder: zu übersetzen , niiinlicli aus dein griechischen Original in das Arabische.
2) Nach der griechischen Aussprache des Namens JnßiS , mit gelispet- tem doppelten Delta. Vom König David steht Bl. XX r. Z. 16 die arabische Form i>.l>>.
3) So steht oft das Dhamma , das einzige Vocalzeichen welches über¬
haupt vorkommt, weit links von dem Buchstaben zu dem es gehört, wie Bl.
, y * o i , ,
I r. Z. 7 L>l st. Iy>l (^5_jS>!) und (j»ki! st. (j*Lji; doch auch ebend.
> >
Z. 1 und Z. 9 u£UJI ; seltener ebensoweit rechts zurück , wie Bl.
> >
VII r. Z. 17 v^saä" st. c^*>.
1 1
152
halfen und wohlgethan hat. und jeden, der dienen Code.»
lesen wird, billend, dass er für ihn um Barmherzigkeit und
Vergebung flehe um der Liebe Christi, unser» Gottes und
Herrn, willen. Gott sei gnädig dem, welcher das Ihun wird,
Amen, lieber dem darauf folgenden Leben des h. Abraniius:
,s\>\ s »II .(j*XSJl .£«;5 -o-^ • * ) I" 1 N ame » 'Irs
Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, des einen Got¬
tes. Dieselbe rothe Ueberschrift bat das Leben des beil.
Theodosius Bl. XX r. , und darunler noch die Worte:
.yS,L*.'t . u ^j lXaJ! . (^jU .U^jI . a>*ai »l\5> Diess ist
die Geschichte unters Vaters Mar Theodosius , des gebene-
deilen Heiligen. Im letzten Capitel der Lebensbeschreibung
des Ii. Euthymius, Bl. VIII v. — IX v., bezeichnet sich der
Verfasser selbst als einen griechischen Mönch mit Namen
Cyrillus, der im 6. Jahrh. in der vom h. Euthymius etwa 100
Jahre früher gestifteten palästinensischen Laura(Zellengallerie)
lebte (s. Bl. I r. Z. 19 u. 20, u. Bl. IV r. Z. 15). Diese
Laura , östlich von Jerusalem in der Wüste gelegen, ist nun
auch der Mittelpunkt und Hauptschauplatz des geistlichen
Ilerocnthums, dessen Kämpfe und Siege hier schon ganz im
Geiste und Tone der naiv-gläubigen Legende gefeiert wer¬
den; in ihm grösstenteils leben und wirken Euthymius, sein
Zögling Saba und wiederum dessen Zögling Abramius; Theo¬
dosius hingegen stiftet ein Kloster westlich nach Jerusalem hin
gelegen. — Nach dem angeführten Capitel erweckte der An¬
blick so vieler wunderbaren Heilungen , die von dem Grabe
des h. Euthymius ausgingen, in unserem Cyrillus den Wunsch,
der Biograph des Heiligen zu werden, von dessen Tode an,
nach Bl. X r. Z. 4 u. 5, bis auf jene Zeit gegen 80 Jahre
1) Ganz wie bei den mohammedanischen Arabern, z. B. im Anfange des Korans, mit einein zur Höbe des Lnm verlängerten lie, zur Ersetzung des verloren gegangenen Vorschlags - Alif von ; s. Keidhnwi. I. S. 4 Z. 15 tind 16.
- 153
verflossen waren. Kr fing an , ans dem Munde der alten
Mönche jener Wüste, der jungern Zeitgenossen des h. Euthy¬
mius und des h. Saba, den Stoff zur Lehensbeschreibung bei¬
der zu sammeln und das Gehörte in bunter Mischung aufzu¬
schreiben. Als einige Zeit nachher, in Folge des von der
„fünften Kirchenversamnilung zu Constantinopel" (J. 553)
über die Ketzereien des Origenes ( fj^ii»^ ) ausgesproche¬
nen Verdammungsurfhcils , die in der neuen Zellengallerie
( jo.\i>- wohnenden Mönche als Anhänger jener Leh¬
ren daraus vertrieben und durch andere ersetzt wurden, kam
auch Cyrillus mit seinen Sammlungen dahin. Das Folgende
wollen wir — zugleich als Sach - und Stylprobe — mit seinen
eigenen, möglichst treu übersetzten Worten erzählen'): „Ich
blieb nun zwei Jahre in der neuen Laura und las eifrig in jenen
Papieren, konnte sie aber nicht gehörig in Ordnung bringen
und ihnen keinen rechten Anfang geben; denn ich war arm
an Kenntnissen, weil ich die Weisheit nicht gelernt hatte
und keine Einsicht in Gottes Wort besass; auch war ich
von unbeholfener Sprache. Aber der Gott der Wunder, der
das Haube geebnet hat und die Zunge der Stummen zum
Heden tüchtig macht, that auch an mir Schwachen Wunder
durch die beiden Heiligen Mar Euthymius und Mar Saba.
Da ich nämlich weder Sprachgabe noch Kenntnisse hesass,
um jenes Geschäft ordentlich zu verrichten, dachte ich nach,
was ich mit den Papieren thun sollte, und betete und flehte
desswegen mit Herzensinbrunst. Eines Tages, als ich so,
die Papiere in der Hand, auf meinem Sitze sass, — es war
in der zweiten Stunde des Tages, — nickte ich ein und ent¬
schlief. Da erschienen mir Mar Euthymius und Mar Saba
in priesterlicher Kleidung, und ich hörte Mar Saba zu Mar
Euthymius sagen: „Da ist Cyrillus, die Papiere in seiner
1) Die mit dem äussern Rande weggeschnittenen Wörter lassen sich in der Hegel, wenigstens dem Sinne nach, mit Wahrscheinlichkeit ergänzen; wu diess nicht möglich war, sind kloine Kürzungen eingetreten.
_
— 154 —
Hand! Er hat grossen, brennenden Eifer, und ist eifrig be¬
müht gewesen, unserer Geschichte einen Anfang zu geben, hat
es aber nicht vermocht." Da sagte Mar Euthymius der Starke
(t^ejä.'t): ,,Wie sollte er vermögen über uns zu schreiben,
da er noch nicht durch Oeffnung des Mundes die Gnade be¬
kommen hat?" Mar Saba der Heilige antwortete: „So gieh
du ihm die Gnade, mein Vater!" Mar Euthymius willigte
ein, zog aus seinem Aerniel eine silberne Büchse («JL<vC«)
und eine Sonde (o^-c) , dann steckte er die Sonde dreimal
in die Büchse und darauf jedesmal in meinen Mund. Es
sah das (was er mir eingab) aus wie — (fehlendes Wort)
und sein Geschmack war süsser als Honig, aber seinem wirk¬
lichen Wesen nach war es die Gabe der Rede; wie der
Prophet sagt: Dein Wort ist meinem Gaumen süsser als
Honig dem Munde. — Ich schmeckte die Süssigkeit in
meinem Munde und auf meinen Lippen, erhielt die Gnade,
fing an, die Geschichte von Mar Euthymius dem Starken zu
schreiben, und die Gnade hiess mich davon nicht ablassen,
bis ich jene Geschichte zu Ende geschrieben hatte. Darauf
schrieb ich auch die Thaten (LaLa!_jj, nohrila) und den Le¬
benswandel (,Ajjkj) von Mar Saba dem Trefflichen." Der
Inhalt dieser Biographien nun unterscheidet sich, insoweit sie
erhalten sind, durch nichts von dem der gewöhnlichen „Leben
der Heiligen" und zunächst der Klosterheiligen, ausser durch
die individuellen Beziehungen besonders des h. Euthymius
und des h. Saba zu der Kirchengeschichte ihrer Zeit und
durch die ungewöhnlich starke Thätigkeit, welche nament¬
lich der letztere in der Anlegung neuer Colonien des beschau¬
lichen Lebens entwickelt. Eine nähere Beschreibung ist um
so weniger nöthig, da, wie ich so eben während des Satzes
dieser Seite entdecke, das griechische Original der beiden
ersten Lebensbeschreibungen in Cotelier's Ecclesiae grae-
cae Monumenta, Bd. II S. 200 ff. und Bd. IV S. 1 ff.,
abgedruckt ist. Als Verfasser erscheint dort, übereinstim-
155
mend mit der obigen Namensangabe, Cyrillus aus Scy-
thopolis.
Die Sprache dieser Bruchstücke, wiewohl nach dem
Schriftcharakter wenigstens 800 Jahr alt, zeigt schon die
meisten der einfachem Formen, die bald nach der Verbrei¬
tung des Arabischen über seine ursprünglichen Grenzen hinaus
zunächst in den Ländern, wo man sonst aramäisch und grie¬
chisch sprach, im gewöhnlichen Leben, und besonders bei
Nicht -Muhaniinedanern, welche der muslimischen philologi¬
schen Schulbildung mehr oder weniger entbehrten, bald auch
in der Schriftsprache Geltung gewannen. So bildete sich die
xoivr\ StüUxxog des Arabischen, während die durch Koran
und Sünna geheiligten Formen der alten Beduinensprache,
gleichsam der uT&lg des Arabischen, in den Slädten nur noch
unter den höher Gebildeten mehr künstlich als natürlich fort¬
lebten, nach Gesetzen, denen sich keine Sprache des täglichen
Verkehrs entziehen kann, auch aus diesen Kreisen immer mehr
verschwanden und endlich nur noch in den Schulen und der
Literatur gepflegt wurden. Wie in der Tausend und Einen
Nacht sind auch hier einzelne jener ältern Formen mit den
neuern gleichsam noch im Kampfe begriffen; willkürlich tritt
bald die eine, bald die andere ein. So die Pluralendungen
des Imperfectums auf ^.j5 neben denen auf t. , der Dual des
Zeitw. neben dem ihn verdrängenden PI., das Dualpronomen L*S>
neben ^P. Wie sehr das Gefühl für den Bedeutungsunter¬
schied dieser Formen schon abgestumpft war, zeigt das l*f*e
Bl. IX r. Z. 5, welches, gleichsam des vollem Lautes wegen,
geradezu für »Aic steht, wie gewöhnlich umgekehrt ;? statt
lȣ>. Von Declinationsendungen keine Spur mehr; selbst die
Accusativendung der indeterniinirten Masculin - Singulare auf
\ kommt nur noch in adverbial gebrauchten Adjectiven vor.
wie lj».> sehr, L*»:> gut ; denn .das ti\=»l, welches sich
mit einer vorhergehenden Negation zu dem Begriff niemand
verbindet, ist eine im Nom. und Acc. gleichlautende Vulgär-
11* "
— 156 —
form, auch noch heutzutage !ju>. Die im Stamm selbst fle-
xionsfähigen Wörter i_>' ? und y> erscheinen im St. constr-
unveränderlich in der Form , und Ii! (sie). Für aj
steht (id). Die regelmässigen Masculin - Plurale endigen
sich schon durchaus auf .,j , die Duale auf ..j . Häufiger
> {J.. o
noch als bei den Nennwörtern, — st. ^ßjs» Julius,
S\~\j=~\ st. u5U.!_y.=- deine Sinne, einmal st. zehn,
— ist des Vorschlags - Alif bei dem Perfectum der ersten
Form der Zeitwörter, welche dadurch äusserlich zur vierten
wird: er las bis zu Ende, U£l er heilte, J ^ t ~c\
er bebaute , L_i_cl er meinte , L_i_jj._j| wir beabsichtigten,
er fand, jv.cjl er verhiess (Gutes). Die Verba primae
Hamzae lassen nach Präfixen den Spir. len. oder den daraus
entstandenen langen Vocal ausfallen und verdoppeln dafür
' • * *■c
den folgenden Consonanten : uAj (spr. «jiAj) st. «uJ»j er
> O i> Cl » £
züchtigt ihn , ( I. oU*i't ) st. ich bin betraut
' \ -«*' > „
worden, rj *^l\ (!• ^*Ä»Jl) st. ^»i^.Jj ^«.i^l, rfer Betraute.
Der Imperativ der vierten Form der Verba med. Waw und
o ß
Je verliert sein Alif: ^i^c st. ^icl hilf mir, st.
B
»jjiAöi} wwrf gehorcht ihm. Die Verba ult. Hamzae und Waw
gehen unterschiedslos in Verba ult. Je über: c^v,*-^' du hast
geweissagl , du hast mich gerufen. Die Verba ult.
Je mit Kesre in der zweiten Sylbe behalten dieses vor dem
« der dritten Pluralperson des Perfectums: I.aäj,
! t AöJ, eben so vor dem i des Masculin - Plurals des Partie.
Act.: y>-wa!c Ungehorsame. In dem Imperat. und Iniperf. der
beiden letzten Verbalclassen bleibt der lange Vocal überall :
v_*_^su:~.t erhöre, ^.jJ^t leite mich, Löjj jJ er willigte nicht
ein, \j\ ich sah nicht, J-Löli' ^ du trafst mich nicht. Nur
c) jjC; jJ er war nicht wechselt mit ^Xj jJ, Die beiden Verba
»la. und erleiden nach Verlust ihres Harnza starke Ver-
— 157 —
kiirzungen: ^ er sah (einmal UY, ?j. sie sahen, sie
kam zu mir, \y>- sie kamen, ^^j^i sie kommen, *^jL=» seine
Ankunft. Auch jL, hat im Impf, stets J»**.> u. s. w. Von
ist die vierte Form im Perf. Act. immer (1. ^jl);
5 5 ) J
im Impf, und Pass. wechseln und mit und ^t
ab. Eine mir sonst noch nicht vorgekommene Umstellung
des u im Perf. Pass. der Verba med. Waw und Je findet
sich in (1. j^Sl) st. J.aä ? A.yOjt ( Script, plena für
| > I U > OC, T-.|
<A.u^l) st. ^Xa* 3 » <J^**°; l***»' (»• UL»f) st. LU~. Eben so
eigenthümlich ist es, dass vor Imperfecten mit Futurbe-*
deutung stets als besonderes Wort und mit langem Vocal
erscheint: jlUi' L» du wirst kommen, A*2 L~s so wirst du er¬
kennen. — In der Syntax tritt als charakteristisches Zeichen
der gesunkenen Sprache vor allem der fast durchgängige Ge¬
brauch des Pluralverbums vor dem Pluralsubjecte und der
häufige Gebrauch des J statt des einfachen Accusativs nach
unmittelbar transitiven Zeitwörtern hervor. In lexikalischer
Hinsicht bemerkt man die eigenthümlichen Wörter und Wort¬
bedeutungen des christlichen Arabismus, Entlehnungen aus
dem Aramäischen und Griechischen oder Nachbildungen von
Wörtern dieser Sprachen; darunter einiges wenigstens mir
Neue: ^^aä*.! (JTi/og Vers, ßlog Lebensbeschreibung,
oLx-o »»..=>- yrjQoxofiita Greisen-Hospitale, JJuS xiyxXig, (neugr.
xäyxtXlu ) Giller. Ausser allgemeinen und gewöhnlichen
Wörtern, Wortformen und Bedeutungen des Neuarabischen
>
sind mir aufgefallen: *f t Mundvorrath; u^UjÖ Plur v. u£tj
st. u5LJji jene; 5JU1 (1. }!Ld, eig. wenn irgend nicht) wenig-
&
stens, mitten im Satze: (jJ»\aJ( &>LiA.j SUl Jss» da¬
mit er ihnen wenigstens den Messbedarf brächte ; j.^u (j^J
(eis;, nicht genug) nicht nur, mit folgendem ^i. sondern
11 "
— 15S -
auch; ^lA st J.:>^ wegen; U»i gut, sehr, tüchtig, ■/.. B.
U«j jojä> er schlug ihn tüchtig, U*i L$j c^~.äi' »<?A betrach¬
tete sie sehr aufmerksam, au-Uc Jaa*=\.j L«j JUä er lernte
ordentlich, seine Augen zu bewahren. In der Orthographie
weicht die durchgängige Setzung des | am Ende der Nomina
und Verba statt (_j (8^_j.«^ä< v_aJ!) von der Begel und Weise
der östlichen Araber ab; in maghrehinischen Handschriften
habe ich dasselbe bemerkt, s. meinen Catalog der arab. pers.
und türk. Handschr. d. Leipz. Stadtbibl., S. 510 Col. 2 Anm.
In unserem Manuscripte kann man darin, wie in manchen
grammatischen Eigentümlichkeiten des syrischen und palä¬
stinensischen Arabisch , eine Anlehnung an das Aramäische
erkennen. Ausser dem schon S. 151, Anm. 3, angeführten
Dhamma erscheint kein einziger Vocal noch ein anderes Le¬
sezeichen , wie Hamza, Madda, Wasla, Taschdid. Die dia¬
kritischen Puncte des s stehen nie, die übrigen Consonanten-
punete aber so vollständig, dass die Weglassung derselben
nur als zufällige Ausnahme gelten kann. Zur Unterscheidung
des _ von den _ und ^. steht unter demselben häufig ein
O (i* o
kleineres _.
c
Diese Bemerkungen über die Orthographie führen uns
nun endlich zu der merkwürdigsten Seite dieser Bruchstücke :
zu dem Charakter ihrer Schrift an und für sich, welchen
das diesem Hefte beigegebencO O Facsimile veranschaulicht. Es
enthält die ersten sieben Zeilen von Bl. VII r. Oben siebt
man die Ueberreste der halb weggeschnittenen coptischen Fo¬
lioziffer 162 (nicht Columnenziffer , wie ich S. 150 Z. 17 u.
18 aus Versehen geschrieben habe) und des links daneben
stehenden ^üuj rj**^ H^*' ^ er Text enthält Folgendes:
» {. » — — i ol^j^U . m.Z~<\ lKc^
j >
Cr u*if^'iji (*J JLüj) -äj ^jAJI & ^ . C . ejh*^;'i K^iLS
(tfc 3 * J*i) *a • a^*; ^* o^ 3 *^ ^ c& • **^ £
— 159 —
> >
Jws**j jji»y.^' »5 *>M UU . (J. ji-l «j
^i^jj IiAjI *>Cj*aj ^Uo . ^ 5_jJ! u^Ji yd (j^^aaa;^ ((_5jL« jaSj)
J->; »Lää? ,j«.JL\.ßit . Li«* ^1'— r x^yij 5Jj («.iL«*.!)
, j^,*«L>UI ^«j l -)'-= :35 j?.^ ( iS ^Utj ) si 5 . *öL~ 5
Die ersten Worte gehören noch zur Erzählung von einer
am Grabe des h. Euthymius geheilten Besessenen; mit den
unmittelbar vorhergehenden jj^xJI &.\ Jj*J oolf öU<3 <A*j
bedeuten sie: Und nachher kam sie in jedem Jahre zum
Klotier, küssle die Thürschwelle und bereitete den Vätern
ein Liebesmahl.
Acht und vierzigstes Capitel.
Ks war im Kloster ein Bruder (Mönch), der hiess Pro-
copiiis aus Galalien. In ihm war seil längerer Zeit ein
verborgener Teufel gewesen, der ihn jeden Augenblick schüt¬
telte und noch andere Dinge mit ihm that. Als man ihn
aber in das Kloster aufnahm und er kam und sich vor
dem Grabe des Mar Euthymius niederwarf, da zeigte sich
jener Geist offen: er warf ihn beständig zur Erde, band
seine Zunge und Hess ihn nicht mit uns reden. Der Hei/ige
aber heilte ihn und löste das Band seiner Zunge. Darauf
blieb er im Kloster bis er zur Buhe ging (starb) und war
immer rein (gesund) am Körper ').
Die Schrift ist, wie man sieht, ein dem Kufischen in der
Gestalt der einzelnen Buchstaben noch sehr ähnliches Neschi;
diess, zusammengenommen mit der Grösse und Stärke der
Züge, giebt ihr einen so alterthümlichen Charakter, dass ich
sie nicht unter das 10. Jahrhundert heruntersetzen möchte,
um so mehr, da nach der bekannten Entdeckung de Sacy's
(s. sein Memoire Sur quelques papyrus ecrits en arabe et re-
cemment trouves en Egypte) das Nesclli schon in der Mitte
i) Diese und die vorhergehende Erzählung fehlen hei Colelier.
— 160 —
des 8. Jahrh. eine so abgerundete Gestalt gewonnen hatte,
dass die Schrift dieser Bruchstücke dagegen gehalten sogar
noch weniger entwickelt erscheint. Doch ist bei dieser Ver-
gleichung nicht zu übersehen, dass unsere Schrift eine dem
Neschi jener Passfragmente zukommende wesentliche Aehn-
lichkeit mit dem Kufischen nicht mehr hat: die regelmässigen
grossen Absätze nach gewissen Buchstaben innerhalb dessel¬
ben Wortes; im Gegentheil ist die für das neuere Neschi
und die ihm verwandten Schriftgattungen charakteristische
Zusammenfassung aller Elemente eines Wortes hier schon
vollständig vorhanden. Ferner lässt sich wohl denken, dass
der christliche Schreiber dieser Biographien zu einer Zeit,
wo man auch in seinen Kreisen für den gewöhnlichen Ge¬
brauch schon ein leichteres Neschi hatte, für diese heiligen
Geschichten auf Pergament eine mehr alterthümliche und
gewichtige Schrift — gleichsam ein Kanzlei-Neschi — angemes¬
sen fand. Indessen, Alles wohl erwogen, glaube ich mit der
obigen Zeitbestimmung von der Wahrheit wenigstens nicht
allzuweit abzuirren, und würde mich freuen, wenn erfahrene
orientalische Paläographen sie durch ihre Zustimmung be¬
stätigten.
Bemerkungen zu Genesis C. 14.
von D. Fried. Tuen.
Obwohl es niemandem entgehen kann, dass die Geschichts-
erzählung in Gen. c. 14., wie sie jetzt vorliegt, vorzugsweise
nur soweit benutzt ist, als sie Abrahams Heldenmut!) zu ver¬
herrlichen vermag, und es ursprünglich nicht Zweck war, über
kanaanitische Zustände und Verhältnisse zu Landesinsassen
und auswärtigen Machthabern Bericht zu erstatten : so ent¬
hält doch dieses, wie jetzt als bewiesen vorausgesetzt wer¬
den darf, uralte geschichtliche Document eine Anzahl von
Andeutungen, die uns willkommene Blicke in jene Zeit fast
erloschenen Andenkens werfen lassen. Sie alle hier zusam¬
menzufassen, ist nicht die Aufgabe dieser Zeilen, nachdem
das, was wir im Commentare über die Genesis beigebracht
haben, nachmals durch Bertheau (z. Geschichte d. Israel.)
und besonders v. Ewald (Geschichte des Volks Isr., Th. I.)
weitere Bestätigungen , Berichtigungen und Erweiterungen
erhalten hat. Wohl aber bleibt noch ein Rest von Fragen,
zum Theil über die in Betracht kommenden Ortsverhältnisse,
übrig, dessen Erörterung, womöglich Erledigung hier in Kürze
versucht werden soll.
Fragen wir zunächst nach dem geschichtlichen Verhält¬
nisse, welches überhaupt Abrahams Heereszug bedingt, so