Der Akzent im Türkischen und Mongolischen
Von K. Grenbech, Kopenhagen
In allen älteren türkischen Grammatiken und Lehr¬
büchern wird von der Betonung in der Regel nur so viel
gesagt, daß mit gewissen Ausnahmen der Akzent a"*" der
letzten Silbe des Wortes ruht. So weit sind sie alle völlig
einig, und nur über die Ausnahmen gehen die Meinungen
etwas, aber unwesenthch auseinander; die Ausnahmen be¬
treffen hauptsächlich einige Fremdwörter und eine ganze
Reihe von grammatischen Formen, sowie einige wenige stets
unbetonte Enklitika. Doch fügen die meisten noch hinzu,
daß die Druckunterschiede gering sind, und daß in fließender
Rede der Wortakzent oft vom Satzakzent verwischt oder
gar verdrängt wird. Seitdem aber Ignacz Kunos kurz nach
dem Jahre 1900 die ganz überraschende Meinung äußerte,
daß das Osmanische normalerweise den Hauptdruck auf der
ersten Silbe habe und auf der letzten Silbe nur einen Neben¬
druck, ist der türkische Akzent der Gegenstand einer ständigen
Diskussion gewesen und muß noch heute wegen der anschei¬
nend unüberbrückbaren Verschiedenheiten der im Verlaufe
dieser Diskussion geäußerten Anschauungen als eine offene
Frage gelten. Doch scheint mir, das Problem hat sich so
weit geklärt, daß es mir erlaubt sein dürfte, im Lichte der
in der Diskussion angeführten Tatsachen eine eigene Meinung
vorzutragen. Ich werde daher zunächst über die wichtigsten
Behauptungen in der Diskussion kurz referieren.
Die Reihe eröffnete der norwegische Lappologe Konrad
Nielsen, der 1906 als Resultat eines achtwöchentlichen
Studienaufenthaltes in Stambul eine ganz neue Akzent¬
theorie veröffentlichte, zuerst norwegisch^), dann auch 1907
1) Akcentueringen i tyrkisk (osmanisk). Christiania Videnskabs- Selskabs Forhandlinger for 1906. No. 9. Christiania, 1906.
2 5
376 K. Gb0iibech, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen
in ungarischer Übersetzung^). Er beschäftigt sich nur mit dem
exspiratorischen Akzent und hat sich hauptsächhch mit den
zweisilbigen Wörtern abgegeben. Nach ihm ruht der Akzent
auf der zweiten Silbe, außer wenn die erste Silbe durch
Klangfülle oder Dauer ein Übergewicht erhält; es tritt dies
stets ein, wenn die erste Silbe geschlossen und die zweite
offen ist, und bei den anderen möglichen Kombinationen von
Silbentypen dann, wenn der Vokal der ersten Silbe größere
Klangfülle besitzt als der der zweiten : ein langer Vokal siegt
über einen kurzen, ein offener über einen geschlossenen,
a und e über o und ö (also z. B. QÖrba, ddlu, doläb). In mehr¬
silbigen Wörtern ruht der Akzent bei ungleichem Silbenbau
auf der letzten geschlossenen Silbe, sonst auf der Ultima.
Kurz gesagt, der osmanische Akzent sei eine bloße Funktion
des phonetischen Aufbaus des Wortes.
Gegen diese Anschauung opponierte Wilhelm Pröhle.
Nach einer erneuten Überprüfung seiner schon früher ge¬
wonnenen Überzeugung an Ort und Stelle bestand er*) auf der
Richtigkeit der herkömmlichen Meinung der älteren Gramma¬
tiker, deren er selbst einer war. Als neues Argument führte er
die türkischen Texte in griechischer Schrift, die durchgehend
akzentuiert sind, ins Feld: die von den türkisch sprechenden
Griechen angegebenen Betonungen stimmen im großen
Ganzen erstaunlich gut zu den unabhängig von ihnen postu¬
lierten der europäischen Grammatiker. Übrigens enthält
seine Abhandlung viele wertvolle Bemerkungen über ver¬
schiedene Ausnahmen von den sonst allgemein angenommenen
Regeln.
Dann geschah vorläufig weiter nichts. Die in den nächsten
zwanzig Jahren erschienenen Grammatiken nehmen von den
soeben besprochenen Arbeiten keine Notiz, sondern spiegeln
die herkömmliche Auffassung treu wider. Nicht einmal
Dbnt geht in seiner sehr umfangreichen Grammatik auf die
neueren Arbeiten näher ein.
1) Nyelvtudom&nyi Közlem^nyek XXXVI.
2) Zur Frage des Wortakzents im Osmanisch-Türkischen. Keleti
Szemle XII, .1911/12, S. 199—216.
K. GB0NBECH, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen 377
Da betraten endlich schwedische Forscher den Schauplatz,
und mit ihnen ^urde ein neuer Faktor in den Vordergrund
gerückt. Zuerst G. Raquette, der nach einem Aufenthalt
von zehn Wochen in Konstantinopel eine Studie über den
osmanischen Akzent veröffentlichte*). Seine Ausführungen
können kurz dahin resümiert werden, daß der exspiratorische
Akzent in allen echttürkischen Wörtern auf der ersten Silbe
ruht (in Fremdwörtern zieht ihn ein langer Vokal auf sich);
jedoch sind die Verbalsuffixe -maz, -ar (aber nicht -ir und -ur),
-cak und -äma- betont, und das Fragesuffix -ml, das Negativ¬
suffix -ma, die Partikel -da und auffälligerweise das Kausativ¬
suffix -dir- verlegen den Akzent auf die ihnen unmittelbar
vorhergehende Silbe. Im übrigen widmet er dem musikali¬
schen Akzent sein Hauptinteresse; nach Raquette hat die
Endsilbe stets Hochton, die akzentuierte Silbe dagegen Tief¬
ton. In attributiven Zusammensetzungen bleibt das letzte
Glied unverändert, das erste erhält Tiefton auf der betonten
Silbe. Seine Darstellung macht keinen Anspruch auf Voll¬
ständigkeit ; nur aus einigen Beispielen erhellt es, daß er die
Kopula als enklitisch betrachtet.
Den neuesten Beitrag lieferte Björn CoiiLiNDER"). Auch er
rückt den musikalischen Akzent sehr in den Vordergrund;
nach ihm hat, Von wenigen Ausnahmen abgesehen, die letzte
Silbe aher Wortstämme Hochton; ausgenommen sind haupt¬
sächlich einige Lehnwörter, alle Vokativa und in der Regel
auch zu Enklitika gewordene Wörter. In attributiven Zusam^
mensetzungen haben häufig beide Glieder Hochton, iri
enklitischen nur das erste Glied, jedoch mit Ausnahmen.
Aber auch den exspiratorischen Akzent behandelt er, und
zwar viel eingehender als Raquette; die erste Silbe ist stets
betont, wenn sie hochtonig ist; in zweisilbigen Wörtern mit
der normalen hochtonigen Endsilbe ist der Druckakzent neben¬
sächlich; aus seinen langen Wörterlisten, in denen nebenbei
1) The Accent Problem in Turkish. Lunds Universitets Arsskrift
N. F. Avd. 1. Bd. 24. Nr. 4. Lund-Leipzig (1927).
2) Reichstärkische Lautstudien. Uppsala Universitets Arsskrift
1939: 1. Uppsala-Leipzig (1939, S. 26—94.
ZeltacbrUt d. DMO Bd. M (Naa« Folg« Bd. 1») 36
378 K. Gr0nbech, Der Akzent im Türkisclien und Mongolischen
bemerkt die Grenzfälle einen breiten Raum einnehmen, und
aus seinen Statistiken erhellt, daß er dieselben Faktoren als
entscheidend annimmt wie seinerzeit Konrad Nielsen,
obwohl er sich in Einzelheiten vielfach für uneinig mit ihm
erklärt.
Ich habe hier nur die wichtigsten Beiträge erwähnen
können und zum Beispiel alle Rezensionen beiseite lassen
müssen, aber über Mangel an Abwechslung kann man sich
nicht beklagen. Die darin vertretenen Auffassungen haben
eigentlich nur das gemeinsam, daß sie sich ahe mit derselben
Sprache befassen, was man übrigens bei einer oberflächlichen
Betrachtung nicht für möglich halten sollte. Alle legen sie
aus praktischen Gründen ihren Untersuchungen das Os¬
manische zugrunde; selbst Raquette nützt leider das Ost¬
türkische in seiner Darstellung gar nicht aus. Auch ich werde
mich im folgenden auf das Osmanische beschränken müssen.
Bei solchen Divergenzen in der Auffassung der Akzent¬
verhältnisse einer und derselben Sprache, und zwar bei so
hervorragenden Forschern und Sprachkennern, kann es nicht
anders sein, als daß die Problemstellung falsch ist. Alle Be¬
obachter haben einen Akzent gefunden, eben weil sie einen
solchen suchten. Keiner der bisherigen Forscher hat mit der
Frage angefangen, ob es im Türkischen einen Akzent gibt,
sondern sie haben gleich die Frage aufgeworfen, wo er liegt.
Die Anschauung, die sich mir während zwei Reisen in der
Türkei aufnötigte, war aber diese: Es gibt im Türkischen
keinen Akzent. Es sei damit natürlich nicht gesagt, daß im
Türkischen alle Silben mit gleicher Stärke und in gleicher
Tonhöhe artikuliert werden ; im Gegenteil, in fließender Rede
wie auch bei isoherter Aussprache einzelner Wörter werden
die Silben oft mit verschiedener Intensität und ganz besonders
in verschiedener Tonhöhe gesprochen. Aber das, worauf es
vom linguistischen Standpunkt aus ankommt, ist, daß im
Türkischen die Betonungsünterschiede phonologisch irrelevant
sind. In fast allen europäischen Sprachen ist der Akzent ein
inhärierendes Element jedes Wortes oder jeder Wortform;
K. QBeRBBCB, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen 379
im Türkischen dagegen gehört die jeweihge Betonung der
einheimischen Wörter nicht mit zum Wortbilde und kommt
deshalb den Türken als konstitutives Wortelement ebenso¬
wenig zum Bewußtsein wie einem Dänen oder einem Deut¬
schen die relative Tonhöhe der Wortsilben. In türkischen
Wörtern kann man im allgemeinen den Druck wechseln
lassen, ohne daß das Wort deshalb den Türken selbst fremd¬
artig oder nur andersartig anmutet, vieheicht ohne daß sie
es überhaupt bemerken. Der Akzent ist also, wie bei uns die
Tonbewegung, zunächst ein frei handhabbares emotionelles
Ausdrucksmittel.
Höchst wahrscheinlich werden im Türkischen gewisse
Wörter gewohnheitsgemäß mit einer bestimmten Betonung
gesprochen, genau wie bei uns gewisse Wörter in bestimmten
Situationen eine bestimmte Tonbewegung haben; aber das
heißt nicht, daß diese Betonung ein phonologischer Bestand¬
teil des betreffenden Wortes geworden wäre, sondern nur, daß
man in bestimmten Situationen eine bestimmte emotionelle
Reaktion erwartet. Das gehört also nicht in die Phonetik,
sondern höchstens in die Völkerpsychologie. Die Beobach¬
tungen der früher erwähnten Forscher können also an und
für sich zum guten Teil vollkommen richtig sein, haben aber
zunächst nur relative Geltung. Ausschlaggebend für die Er¬
kenntnis des wahren Sachverhalts ist also nicht, was irgendein
Beobachter gehört hat, sondern genau so wichtig ist das, was
er ebensogut hätte hören können.
Aber, wie gesagt, die Druckunterschiede sind da, und ob¬
wohl sie in sehr vielen türkischen Wörtern eine bloße Begleit¬
erscheinung sind, so sind doch die Türken sehr wohl imstande,
in Entlehnungen aus anderen Sprachen die aus dem Munde
der Fremden gehörten Betonungen festzuhalten und bewußt
wiederzugeben: efendi, bdnka, Avröpa usw.
Aber die Hauptmasse aller türkischen Wörter hat keine
bestimmte Betonung; bald tritt eine Silbe, bald eine andere
am meisten hervor, und es ist ganz begreiflich, daß Forscher
wie KoNRAD Nielsen und Björn Collinder, die von vorn¬
herein davon überzeugt waren, daß es einen Akzent geben
5 • «6*
380 K. Gb0mbbch, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen
müsse, diejenige Silbe, die sich durch Schallfülle oder Vokal¬
bzw. Silbenlänge auszeichnete, als betont auffaßten. Im
Prinzip sind sie einig, aber es ist bezeichnend, daß ihre Be¬
obachtungen in Einzelheiten oft sehr stark voneinander ab¬
weichen; und ebenso bezeichnend sind bei Collindkr die
zahlreichen Grenzfälle und die Häufigkeit, mit der annähernd
gleichstarker Nebendruck auftritt. Vollkommen zutreffend
sind die in allen Grammatiken feststellbaren Bemerkungen,
daß sich in zusammenhängender Rede der Wortakzent häufig
verschiebt, schwebend wird, sich dem Satzrhythmus unter¬
ordnet und ähnhches. Es gibt eben keine Regeln dafür,
welche Silben der einen Satz ausmachenden Wörter akzen¬
tuiert werden; das hängt lediglich davon ab, welche Begriffe
besonders betont werden sollen, und bleibt im übrigen dem
Stilgefühl des individuellen Sprechers überlassen.
Ich betrachte es also als verfehlt, für die Betonung von
sonra feinsinnige Regeln herausklügeln zu wollen, etwa so,
daß es als Adverb anfangsbetont, als Postposition endbetont
wäre. Die Betonung steht mit der Funktion in keinerlei Ver¬
bindung, sondern ist lediglich von Silbenzahl und Silbenauf¬
bau der umgebenden Wörter abhängig. Ferner glaube ich
a priori auch nicht, daß Wörter wie artlk ,, endlich", yalniz
,,nur" und degil „ist nicht" stets anfangsbetont sind, sondern
bloß, daß sie es häufig sind, und zwar wegen der größeren
Schallfülle der ersten Silbe. Genau so belanglos ist die Mei¬
nungsverschiedenheit der Grammatiker in bezug auf den alten
Imperativ PI. auf -In. Der Akzent ist eben frei, und man hört
deshalb bald gidin, bald gidin.
Für die Betonung der attributiven Nominalgruppen haben
Raquette und Collinder versucht, bestimmte Regeln auf¬
zustellen, die aber zum Teil in direktem Widerspruch mit¬
einander stehen. Es ist vergebliche Mühe; die einzelnen
Glieder "vverden genau so betont, wie es die Deutlichkeit er¬
fordert und wie es das rhythmische Gefühl dem Sprecher in
den Mund legt.
Dagegen gibt es eine andere Art von Wortgruppen, in denen
die Betonung oft zu einem wirklichen Faktor wird. Es sind
K. GB0NBECH, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen 381
solche Nominal- oder Verbalgruppen, deren erstes Glied ein
entschiedenes begriffhches Übergewicht hat. Ich denke hier an
Verbindungen von Nomina mit Postpositionen oder Adver¬
bien und von Gerundia mit Hilfsverben: bunun gibi „wie
dies(er)", baka kallr „er schaut zu". Hier liegt der begriffhche
Schwerpunkt auf dem ersten Ghed, während das zweite mehr
oder weniger den Charakter eines grammatischen Formans
hat, weshalb das letztere überaus häufig ganz unbetont bleibt.
Aus rein praktisch-artikulatorischen Gründen fällt dann in
den weitaus meisten Fällen ein starker Druck auf die dem
unbetonten Glied unmittelbar vorangehende Silbe, d. h. das
erste Glied wird endbetont. Beispiele: bü kadar „so viel",
karisiyle „mit seiner Frau", bulmdk igin ,,um zu finden",
gelmezden evel „bevor man kommt", gidä bilir „er kann gehen".
Aber dies ist kein Gesetz; in langsamer Rede erhält auch das
letzte Glied eine fühlbare Betonung: gidi bilir, bundän sonra
,, danach", aylardän berl „seit Monaten", kuovetlyU „mit
seiner Kraft". Im übrigen hängt die Betonung von der be¬
grifflichen Wichtigkeit der Gheder unter sich ab.
Einige ursprünglich selbständige Wörter sind heute zu
Enklitika herabgesunken und zugleich lauthch reduziert
worden, und grammatische Formen, die solche Enklitika
enthalten, sowie Nomina, denen sie nachgestellt werden,
haben festen Akzent. Es handelt sich hier zunächst um die
Kopula, deren 3. Person -dir eine gerade unter dem Einfluß der
Drucklosigkeit entstandene Reduktion von turur „steht" ist,
während die anderen Personen {-Im, -sin; -Imiz, -slniz) unter
teilweiser Angleichung an die Possessivsuffixe aus den ent¬
sprechenden Personalpronomina hervorgegangen sind; die
weiteren kopulativen Enklitika, und zwar Präteritalformen,
Konditionalis und Gerund {-dl, -mls, -sa, iken, -ken), sind die
letzten Überreste des alttürkischen Verbs är- ,,sein". Nach
Collindkr sollen aber auch solche Enklitika noch ab und zu
betont werden können: z. B. kaürdl ,,er blieb".
Die Drucklosigkeit der Kopula hat dann analogisch auf
gewisse deiktische Verbformen eingewirkt; oft werden für
den Optativ-Voluntativ die Betonungen bakdyim „ich möchte
382 K. tiB0HBBCH, Der Akzent im Türkischen und IVIongoIischen
schauen", bakättm „wollen wir schauen" angegeben; hierzu
ist aber zu bemerken, daß ein einmal gehörtes - - keine
Beweiskraft hat; nur wenn ein Individuum konsequent so
betont, darf man festen Akzent feststellen. Es scheint, daß der
Imperativ 2. Person PI. festen Akzent hat, ebenfalls unter
Anlehnung an die kopulativen Verbformen: bäJänlz, nach
einigen Angaben auch die dritte Person: bäksln.
Schheßlich gibt es einige Enklitika, die seit der ältesten
Zeit nur als solche bekannt sind: -Ät, -mX, die Partikel -da
und -ca (zum letzteren ist zu bemerken, daß es auch als De¬
minutivsuffix fungiert und dann freien Akzent hat, in grie¬
chischer Schrift also mit Ultimabetonung auftritt: ihti-
yarcd bir kadin ,,eine ältliche Frau" gegenüber giizilce „auf
nette Weise". Beide Beispiele sind den von Pröhle 1. c. mit¬
geteilten Texten entnommen). Zu diesen gesellt sich das dem
Persischen entlehnte ki als Konjunktion. Alle diese Partikeln
zeichnen sich durch Drucklosigkeit aus, und hier läßt sich
also wirkhch ein Akzentgesetz formulieren, etwa: Die enkli¬
tischen Partikeln sind stets unbetont, und man kann dann
hinzufügen: Die einer solchen Partikel vorangehende Silbe
ist normalerweise betont. Aber strenger formulierte Akzent¬
regeln als diese werden sich für das Türkische kaum je auf¬
stellen lassen.
Infolge der soeben geschilderten Akzentverhältnisse haben
Flexionsformen, die aus alten Zusammensetzungen hervor¬
gegangen sind, festen Akzent. Es sind dies hauptsächlich
folgende:
Das Durativum auf -iyor, entstanden aus dem Gerund auf
-a, -l, -u, von welchen Formen heute in dieser Verbindung die
auf -l verallgemeinert worden ist, + yorlr:
alle anderen finiten Verbformen mit der Kopula als Per¬
sonalendungen: bakärlm, bakmtslm, bakacdglm, bakmaUylm;.
die Unmöglichkeitsform auf -dma-, entstanden aus dem¬
selben Gerund wie die Form auf -lyor, plus dem Negativstamm
des im Alttürkischen noch lebenden Verbs u- „können";
aus küu-umaz wurde Jdlümaz „kann nicht tun", aus baka-
K. GB0NBBCH, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen 383
umaz entstand bakdmaz „kann nicht sehen", und schheßhch
setzte sich die Form mit a bei allen Verben fest.
In allen diesen Fähen ist der Ursprung mit den Händen
zu greifen. Aber auch das Verbum negativum, für dessen
Ursprung wir keinen Fingerzeig haben, hat festen Akzent:
bäkmadl „er schaute nicht hin", und daraus kann man viel¬
leicht schheßen, daß diese Form ebenfahs aus einer Zusammen¬
setzung entstanden ist. Freien Akzent hat im Verbum nega¬
tivum nur die Usualform auf -maz, weil hier zwischen Negativ¬
formans und Tempusformans nicht klar zu unterscheiden ist.
Aber die 1. PL, bei der das Negativformans wieder klar hervor¬
tritt, hat, jedenfalls bei vielen Individuen, feste Betonung:
bäkmaylz. In Anlehnung an das negative Gerund bäkmadan
,,ohne zu schauen" hat das gleichbedeutende bdkmaksMn
ebenfalls feste Betonung.
Auch Stammwörter, die aus derartigen Zusammensetzun¬
gen hervorgegangen sind, haben zunächst festen Akzent.
Beispiele sind: klmse „jemand" aus kim ise „wer immer es
sei"; niyse „irgend etwas" aus ne ise „was es auch sei"; ifte
„ecce" aus if, älterem of mit derselben Bedeutung -f -da;
Syle „so" aus dem Pron. dem. o(l) -f ile. Ebenfalls wird für
die attributiv gebildeten Ortswörter orada, oraya, burada
usw., die aus Pronomina demonstrativa + ara gebildet
sind, in vielen Grammatiken feste Anfangsbetonung ange¬
geben, was auch durch die so überaus häufigen Formen
orda, burda usw. gestützt wird; hier ist ja die Grundbe¬
deutung des zweiten Gliedes („Zwischenraum; die zurück¬
zulegende Strecke zwischen zwei Punkten") sehr verblaßt.
Man nehme aber diese Regeln ja nicht zu buchstäblich.
Tatsächlich neigen manche Wörter und Formen mit festem
Akzent dazu, zu freier Akzentuierung überzugehen; es sind all¬
zu viele Faktoren im Spiel, die auf das oben dargestellte schöne
System auflösend wirken, als daß es sich intakt erhielte. Zum
Beispiel wird eine sonst unbetonte Schlußsilbe vor einem En¬
klitikon betont, z. B. höyUdir „so ist es", öyUmi „ist dem so?
wirklich?", seviyörmus „er hat geliebt", diyorümki „ich sage
daß ...". Danach hört man auch sonst böyle, seoiyör. Und der
384 K. Gb0nbbch, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen
Rhythmus wirkt mit: in efendilerim „meine Herren", Itdlyadd
„in Itahen", lokdntayd „ins Restaurant", §imdiden „von
jetzt an", seviyorldr „sie lieben" ist es sehr schwer zu ent¬
scheiden, welche der beiden betonten Silben das Übergewicht
hat. Ebenfalls rhythmisch bedingt ist die Akzentverschie¬
bung in Fällen wie z. B. öteki ev „das andere Haus, das Haus
drüben", kimse wird in Texten in griechischer Schrift nur
in Verbindung mit einer Negation so akzentuiert ; als richtiges,
deklinierbares Nomen wird es kimse geschrieben. Das Dura¬
tivum ist offenbar im Begriff, sich in bezug auf den Akzent
den übrigen Tempora anzupassen, wie das ja schon im Turk¬
menischen (-jär), Azerbajdschanischen {-ir) und Stambulischen
(-ör) geschehen ist. Die 1. und 2. Personen seviyorum, seoiyor-
sun, seviyoruz, seviyorsunuz mit ihren enklitischen Personal¬
endungen wirken hier stark ein. Meine eigene Aussprache
dieser Form mit starker Betonung des i wurde von mehreren
türkischen Freunden als unidiomatisch gerügt und es wurde
eine gleichmäßigere Druckverteilung verlangt.
Zusammenfassend kann man also sagen, daß der türkische
Druckakzent phonologisch belanglos, oder mit anderen Wor¬
ten frei ist. Die einzige allgemeine Akzentregel ist die, daß
gewisse Wörter oder Partikeln häuhg bzw. stets unbetont
bleiben, und in diesen Fällen ist das vorhergehende Wort
normalerweise endbetont. Festen Akzent haben die aus
solchen Verbindungen hervorgegangenen Flexionsformen und
Stammwörter.
Ist diese meine Auffassung richtig, so versteht man auch,
daß jedermann so ungefähr das heraushören kann, worauf
sein Ohr, sei es durch die Muttersprache sei es durch vorge¬
faßte Meinungen, von vornherein eingestellt ist. Es ist gewiß
kein Zufall, daß es der Ungar Kunos war, der einen Druck¬
akzent auf der ersten Silbe hörte, oder daß das Verdienst,
mit dem Prinzip des starren Akzents endgültig gebrochen zu
haben, einem Norweger gebührt, der ja von Kindheit an
gewöhnt ist, Druck und Ton als getrennte Erscheinungen zu
K. GB0NBBCH, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen 385
betrachten. Und fast unvermeidbch erscheint es, daß die
beiden schwedischen Forscher, die durch ihre Muttersprache
mit einem primären musikahschen Akzent vertraut waren,
ohne Zögern die Tonbewegung in den Vordergrund rückten.
Aber bei ah dem bleibt uns doch die Tatsache bedenkenswert,
daß sehr viele naive, d. h. von ahen Theorien freie Beobachter
sich einstimmig für Endbetonung erklärt haben. Ich denke
dabei an die unzähligen, oft gründlichen Kenner des Osma¬
nischen, die in älterer Zeit mehr oder weniger wissenschaft¬
liche Grammatiken verfaßt haben.
Daß sie einen Akzent hörten, ist an und für sich kein
Wunder, denn sie waren fast alle mit Sprachen aufgewachsen,
die einen bestimmten Druckakzent hatten, dessen Platz in
den meisten Fällen durch feste Regeln gebunden war. Der
Gedanke, daß es eine akzentlose Sprache geben könnte,
lag ihnen zu fern; sie verlangten eben von jeder Sprache einen
Akzent und fanden ihn deshalb auch. Aber weshalb fanden sie
alle, fast einstimmig, das Gesuchte an derselben Stelle?
Diese Einstimmigkeit kann kein bloßer Zufall sein; sie ist
eine Tatsache, die einer Erklärung bedarf. Gestützt wird sie
überdies noch von den türkischsprechenden Griechen, die,
wenn sie Türkisch mit griechischem Alphabet schreiben,
ebenfahs die Endsilbe betonen. Natürlich sind die Akzent¬
zeichen nur dem graphischen Wortbilde zuliebe da, aber
in ihrer Anwendung stimmen die Griechen mit den An¬
gaben der westeuropäischen Grammatiker erstaunlich gut
überein. Es kann dies kein Zufall sein.
Ich glaube, die Erklärung ist in der Tonbewegung des
Türkischen zu suchen. Die älteren Grammatiker unterschei¬
den nicht zwischen Druck- und Tonakzent, was übrigens
keine leichte Sache ist. Es kann kein Zweifel darüber bestehen,
daß dem Türkischen eine charakteristische Tonbewegung
eigen ist; wohl in allen Sprachen sind intersyllabische Ton¬
unterschiede bekannt; im Vergleich z. B. mit dem Eng¬
lischen, wo sie besonders ausgesprochen, aber doch immer
stark individuell ausgeprägt sind, wirkt die türkische Ton¬
bewegung sehr stereotyp.
386 K. OB0MBECH, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen
Die die Sprachforschung zunächst interessierende Frage
ist aber die, ob diese Tonbewegung, wie die beiden schwedi¬
schen Forscher meinen, phonologisch relevant ist. Ist dies
der Fah, so haben wir die interessante Feststehung zu machen,
daß während bei uns der exspiratorische Akzent gebunden
und die Tonbewegung frei ist, im Türkischen der Druckakzent
innerhalb gewisser Grenzen frei wäre, der musikalische
Akzent hingegen gebunden. Ich glaube das nicht, aber erst
eine neue, auf diese Frage direkt zielende Untersuchung an
Ort und Stelle kann die Antwort geben. Selbst bin ich geneigt
anzunehmen, daß die Tonbewegung im Türkischen keines¬
wegs bestimmten Gesetzen unterworfen ist; sie ist, besonders
gegen Satzende, recht stereotyp und vielleicht zum Teil vom
Druckakzent abhängig, aber doch noch immer vielfach
emotionell bestimmt.
In dieser Auffassung hat mich das Abhören einer kasanta¬
tarischen Lautplatte des Instituts für Lautforschung ') bestärkt.
Man hört hier einen schön gesprochenen Prosatext mit starker
Tonbewegung, aber sowohl Druck als auch Ton sind mit den
bekannten Ausnahmen frei. Es wäre von höchstem Interesse
zu wissen, ob das Osmanische in bezug auf den Akzent mit
den anderen Türksprachen übereinstimmt, aber da ich deren
Akzentverhältnisse nicht aus eigener Erfahrung kenne, kann
ich mir darüber nur ein paar vorsichtige Bemerkungen er¬
lauben.
Die mir zu Gebote stehenden Grammatiken sind zum
großen Teil von Russen (oder russisch vorgebildeten Personen)
verfaßt, und ihre Angaben müssen mit dem sich daraus ergeben¬
den Vorbehalt aufgenommen werden. Ihre Angaben stimmen
alle sehr gut zu dem, was in den osmanischen Grammatiken zu
lesen ist; sie sind alle für Endbetonung mit Ausnahme von
Asmarin, der die halbgeschlossenen tschuwaschischen Vo¬
kale ä und e als unbetont bezeichnet. Wo sonst Ausnahmen
verzeichnet sind, stimmen sie immer gut zum Osmanischen;
1) Das Textheft ist betitelt: Lautbibliothek. Texte zu den Sprach¬
platten des Instituts für Lautforschung an der Universität Berlin.
Nr. 147: Tatari.sch, bearbeitet von G. R. Rachmati. Leipzig, 1935.
K. GB0HBBCH, Der Akzent im Türkischen und IVIongolischen 387
Katanov's Behauptung!), daß im Sojonischen ein „logischer"
Druck auf jede beliebige Silbe fallen kann, darf nicht über¬
sehen werden. Und wichtig ist Melioranskij's abschheßende
Bemerkung über das Kirgisische"), daß der Akzent auf der
letzten Silbe viel schwächer ist als in anderen Türksprachen
(er denkt wohl an die Angaben in den osmanischen Gramma¬
tiken), so daß der Hauptdruck sehr häufig auf der ersten Shbe
ruht. Übrigens kann man letzten Endes, fügt er hinzu, die
vollkommen richtige Aussprache erst auf praktischem Wege
erlernen. Der einzige, der meines Wissens zwischen Akzent
und Tonbewegung klar sondert, ist Jarring; in der von ihm
beschriebenen uzbekischen Mundart') hat die letzte Silbe
eines Wortes oder einer Wortgruppe Hochton, während die
letzte Silbe jedes Satzes tieftonig ist. Starker Druckakzent
ist nur in gewissen zusammengesetzten Verbformen Regel;
sonst sind alle Wörter im Satze als unbetont zu betrachten,
da die gelegentliche Betonung einer bestimmten Wortsilbe
rein fakultativ ist. In ahen seinen Beispielen hat die betonte
Silbe a oder e, und die vorhergehende Silbe ist engvokalisch
und offen. Ich muß mich mit diesen Andeutungen begnügen,
die am ehesten auf eine grundsätzliche Übereinstimmung
mit dem Osmanischen hinzuweisen scheinen.
Es ist meine Hoffnung, mit den obigen Ausführungen eine
brauchbare Grundlage für eine osmanische, vielleicht auch
eine gemeintürkische Akzentlehre geschaffen zu haben. Trotz
den zahlreichen feinen Beobachtungen über das Osmanische,
die in den eingangs erwähnten und in vielen nicht erwähnten
Arbeiten enthalten sind, werden noch viele ergänzende
Detailstudien erforderlich sein, bis man die Rolle der Tonbe¬
wegung klar definiert hat und ahe diejenigen grammatischen
1) N. Th. Katanov: Opyt izslödovanija urjanxajskago jazyka.
Kazan 1903, S. 35.
2) P. M. Mbliobansku: Kratkaja grammatika kazak-kirgizskago
jazyka I, St.-Petersburg, 1894, S. 72.
3) GoKNAB Jabbinq: The Uzbek Dialekt of Qilich. Lunds Uni-
versiteU Arsskrift. N.F.Avd. 1. Bd. 33. Nr. 3. Lund-Leipzig (1937),
S. 18 f.
388 K. Gbombbch, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen
Formen umgrenzen kann, die stets in derselben Weise betont
werden, also festen Akzent baben. Und erst wenn man so
weit ist, kann die Theorie auch der praktischen Grammatik
zunutze kommen. Ferner muß man innerhalb des osmanischen
Sprachgebiets auf weitgehende Dialektunterschiede vorberei¬
tet sein. Die türkischen Texte in griechischer Schrift können
eine wertvolle Stütze sein, müssen aber mit Vorsicht benutzt
werden; ein Akzentzeichen auf der Ultima bedeutet wohl in
der Regel, daß das betreffende Wort freien Akzent hat,
aber es kann auch besagen, daß dies Wort festen Akzent
auf jener Silbe hat. Sicheren Aufschluß geben die griechischen
Akzentzeichen also nur dort, wo sie auf einer nichtletzten
Silbe stehen. Ob die Akzentlehre auch der Metrik zugute
kommen wird, ist wohl zweifelhaft; ausgeschlossen ist es
jedoch nicht, daß in einigen Versformen die Enklitika nur in
der Thesis, die fest betonten Silben nur in der Arsis vorkom¬
men können.
Daß eine Sprache wirklich akzentlos (im phonologischen
Sinne) sein kann, dafür liefert auch das Mongohsche ein
gutes Beispiel. Aus eigener Erfahrung kenne ich nur einige
südmongolische Dialekte etwas gründlicher, und nur einer
davon ist mir einigermaßen geläuhg; aber die an diesen
Dialekten gewonnenen Ergebnisse wurden von dem, was ich
von vereinzelten Kalmücken und den zahlreichen Flücht¬
lingen aus der Nordmongolei hörte, vollauf bestätigt.
Alle Grammatiken lehren, daß im Mongolischen die erste
Silbe des Wortes einen exspiratorischen Akzent hat ; nur ein¬
mal, und zwar in einem populär gehaltenen Buch *), habe ich
die überraschende Behauptung gelesen, daß, während die
Mongolen nördhch der Wüste Anfangsbetonung haben, die
Südmongolen die letzte Silbe jedes Wortes betonen. Das ist
unter allen Umständen falsch.
Mit der Regel von der betonten ersten Silbe kommt man
in der Praxis gut aus, aber erschöpfend ist sie nicht. Nicht
1) Fbbdinaiid Lbssiuo: Mongolen. Berlin (1935), S. 210.
K. GBeNBBCH, Der Akzent im Türkisclien und Mongolischen 389
daß alle Wörter nicht so betont werden können, aber sie
werden es nicht immer. Nun muß man ja den eigenartigen
phonetischen Aufbau des Neumongohschen in Betracht
ziehen, der der Spielweite des Akzents enge Grenzen zieht.
Um ungewährleistete Verallgemeinerungen zu vermeiden,
halte ich mich an einen Dialekt, und zwar an den von
Tschachar. Alle kurzen Vokale in nichterster Silbe sind mit
Ausnahme von i in einen schwach artikulierten Mittelzungen¬
vokal zusammengefallen, der unter Umständen vom Stamm¬
vokal eine leichte Färbung annimmt. Diese kurzen Vokale
können beliebig elidiert werden, wodurch manchmal recht
schwerfällige Konsonantengruppen entstehen. Die früher
langen Vokale, die meistenteils durch Kontraktion zustande¬
gekommen sind, werden heute entweder lang oder kurz aus¬
gesprochen, aber stets voll artikuliert, und darin besteht ihr
hauptsächliches Kennzeichen gegenüber den alten Kürzen;
z. B. mayu sanayataj ,, übeldenkend" wird zu mü sanäte oder
mü sanate. Selbstverständlich kann bei dieser lautlichen Struk¬
tur nur die erste Silbe oder eine Silbe, die einen langen Vokal
enthält, einen Druckakzent tragen ; auslautende Vokale können
behebig in die Länge gezogen werden. Am häufigsten ist die
erste Silbe betont, aber der Akzent kann beliebig wechseln ; z. B.
ädüöin, ädudin — adüöin „Pferdehüter; Name einer Stammes¬
abteilung der Tschacharen". ujaD — üpD „sehend", düläxan,
dülaxan — duläxan — duläxan, dulaxan „warm". miDkwa —
maDkwi, m3Dkw$ „weiß nicht", dli/ — alfj — alijd, alijä
„laßt uns nehmen!", bdjna — hän — bajnä ,,ist". dwägw» —
awägw9 — awägwd, „hat nicht genommen". dwäöäD — awäöäD
„nehmend" (< abuyad oöiyad). önSdar — önSdor „heute"
(< ene edür). Wie man sieht, wird ein langer Vokal nicht
gekürzt, wenn er betont ist, außer im Auslaut und vor aus¬
lautendem -n, das mit Nasalierung des Vokals wechselt.
Der Akzent wird gewöhnlich von einer leichten Tonerhöhung
begleitet, aber einen musikalischen Akzent bat das Mongolische
ebensowenig wie Dänisch oder Deutsch, und die Tonintervalle
sind im allgemeinen klein.
390 K. Gbonbech, Der Akzent im Türkischen und Mongolischen
Das Problem des türkischen Akzents ist für mehrere Ge¬
biete der Sprachwissenschaft von Interesse. Seine Bedeutung
für die praktische Grammatik brauche ich wohl nicht näher
zu erörtern. Für die türkische Sprachgeschichte ist es von
größter Wichtigkeit. Nur ein besonders hervortretender Punkt
sei erwähnt: der Akzent ist ein wichtiges Mittel für die Er¬
kennung alter Komposita; eine endgültige Bestimmung der
Betonung des negierten Verbs erhebt es fast zur Gewi߬
heit, daß das Negativsuffix aus einem alten Hilfsverb ent¬
standen ist. Auch das alttürkische Adverbsuffix -eß*)
wäre nach osm. fimdi ,, jetzt" von Hause aus ein Enklitikon,
wogegen die meisten Kasusendungen sich als wirkliche Suffixe
herausstellen würden.
Aber auch für die allgemeine Linguistik ist das Akzent¬
problem von größtem Interesse; so halte ich es gar nicht für
ausgeschlossen, daß eine richtige Auffassung der Akzentver¬
hältnisse des heutigen Türkischen den Indogermanisten An¬
regungen bieten könnte für eine neue Betrachtung des ur¬
indogermanischen Sprachzustandes, aus dem sich der freie
musikalische Akzent des Gemeinindogermanischen heraus¬
kristallisiert hat.
1) Z. B. ädgüti, qatiydt, qattyti usw. Der Wechsel zwischen ( und d
im Runentürkischen und Uigurischen beweist, daß wir es hier weder
mit t noch mit ä, sondern mit einem richtigen d zu tun haben.
Tschuwaschische Forschungen (II)
Von Johannes Benzing, Berlin
Tschuwaschisch r || alttürkisch d
§ 1. Nachstehend sollen zunächst die hierher gehörigen
tschuwaschischen Wörter aufgezählt werden, die schon Paa-
Bonen*) richtig zu den entsprechenden türkischen Formen
gestellt hat:
ura „Fuß" || alttürk. uig. adaq, soj. adaq, äor. koib. azaq,
jak. alaxy osm. usw. ayaq.
Suran „zu Fuß" |{ alttürk. uig. yaday, osm. yayan.
Xur^n „Birke"||alttürk. *qadin> soj. qad'iv, äor. koib. usw.
qaz'it», jak. x'^^^j osm. usw. qay'in.
karä „Schwiegersohn" || uig. kädägü, äor. koib. usw. küzä,
jak. kätüö, usb. kiyää, osm. gävey.
erne „Woche" || tat. atna < pers. ädina.
jar- „schicken" || alttürk. uig. id-, Sor. koib. usw. is-,
jak. It-.
tSar- „zurückhalten, hemmen" || uig. tld-, sag. fis-, tat. tiy-^).
Dgran- „aufwachen" || gtü. uyan-, vgl. uig. udyur- „wecken".
t%ran- „satt werden" ||uig. tod-, sag. koib. tos- „satt sein".
pr^x .»ein böser Geist" || uig. iduq „heilig", sag. koib. usw.
üziy „Gott geweiht, Opfer", jak. iXiq „geachtet, ge¬
ehrt, heilig". — Diese Etymologie scheint nicht ganz
sicher, denn erstens hätte man vielleicht Abfall des -q
erwartet (vgl. ura!)*), und zweitens fragt man sich,
1) H. Paasonkh, Csuvas Sz6jegyz6k, Budapest 1908.
2) Zu t} II ( vgl. z. B. Has „schnell" < tat. tiz, usb. Uz < pers. tU. — tiarak „Strebe, Stützpfahl || g^ü. tiräk = osm. direk.
3) Die Erhaltung bzw. der Abfall des auslautenden -k, -q sind noch nicht geklärt. Beides kommt vor.
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