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Brandbekämpfung in Straßentunneln unter besonderer Berücksichtigung

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Academic year: 2022

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BRANDSCHUTZ- FORSCHUNG

DER BUNDESLÄNDER BERICHTE

Maßnahmen und taktische Vorgehensweise bei der

Brandbekämpfung in Straßentunneln unter besonderer Berücksichtigung

von Gefahrstoffen 163

Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, Arbeitskreis V, Ausschuss für Feuerwehrangelegenheiten,

Katastrophenschutz und zivile Verteidigung

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(3)

Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder Arbeitskreis V

Ausschuss für Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung

Forschungsbericht Nr. 163

Maßnahmen und taktische Vorgehensweise bei der Brandbekämpfung in Straßentunneln unter besonderer Berücksichtigung von Gefahrstoffen

von

Prof. Dr. Elke Jahn Dr. Horst Starke Dipl. Chem. Ursula Seliger

Institut der Feuerwehr Sachsen-Anhalt

Heyrothsberge November 2013

FA-Nr. 65 (3/09) IdF ISSN 0170-0060

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B ERICHTS -K ENNBLATT

Nummer des Berichtes: Titel des Berichtes ISSN:

163

Maßnahmen und taktische Vorgehens- weise bei der Brandbekämpfung in Straßentunneln unter besonderer Berücksichtigung von Gefahrstoffen

0170-0060

Autoren: durchführende Institution:

Prof. Dr. Elke Jahn, Dr. Horst Starke,

Dipl. Chem. Ursula Seliger

Institut der Feuerwehr Sachsen-Anhalt Biederitzer Straße 5

D-39175 Heyrothsberge Direktor: Dr. Horst Starke

Nummer des Auftrages: auftraggebende Institution:

54(4/2006)H Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder, Arbeitskreis V –

Ausschuss für Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung

Datum des Berichtes:

November 2013

Seitenzahl: Bilder: Tabellen: Literaturverweise:

88 22 13 50

Kurzfassung:

In der vorliegenden Arbeit werden Charakteristika von Bränden betrachtet, in die große Brandlasten oder Gefahrgüter involviert sind. Dieses betrifft die Parameter Wärmefreisetzungsrate, Gastemperaturen und Feuerübersprung. Weiterhin wird ein Modell veranschaulicht, das einerseits auf der Grundlage bisheriger Tunnelbrände eine Klassifizierung dieser Brände beinhaltet und davon abgeleitet verschiedene Brandszenarien für Einsatzstrategien der Feuerwehr vorschlägt. Andererseits diskutiert dieses Modell die Gruppierung von Straßentunneln in Abhängigkeit unterschiedlicher Gefährdungspotentiale wie Gefahrgutaufkommen, Tendenz zur Staubildung, Zeit zwischen Brandentstehung und Eingreifen der Feuerwehr. Das Modell korreliert die Gruppierung der Straßentunnel mit den Brandszenarien.

Im Abschnitt 2 der Arbeit wird untersucht, wie sich die Wirkungen von Gefahrgütern, die die Durchfahrtbeschränkung entsprechend ADR für bestimmte Tunnelkategorien begründen, in den Nummern zur Kennzeichnung der Gefahr der jeweiligen Gefahrgüter abbilden. Die Gefahrnummern stellen bei einem Gefahrunfall eine wichtige Informationsquelle für die Feuerwehr dar. Diese Analyse soll weiterhin die Risiken aufzeigen, die für die Tunnelkategorien gegeben sind, für die die entsprechende Durchfahrtbeschränkung laut ADR nicht gilt.

Schlagwörter:

Brandbekämpfung, Straßentunnel, Gefahrgut, ADR

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INHALTVERZEICHNIS

T E I L I

1 Einleitung 1

2 Präsentation von Tunnelbrandversuchen mit großen Brandlasten 2 2.1 Wärmefreisetzungsraten, Gastemperaturen und Feuerübersprung

bei großen Tunnelbränden 2

2.2 Risikobetrachtungen für Straßentunnel bei Transporten mit großen

Brandlasten oder Gefahrgütern 10

2.3 Wirksamkeit der Rauchabsaugung bei Tunnelbränden 12

3 Mobile Brandbekämpfung von Tunnelbränden 16

3.1 Taktische Vorgehensweise und Ausrüstung der Feuerwehr

bei Tunnelbränden 16

3.2 Klassifizierung von Bränden in Straßentunneln für Feuerwehreinsätze 19 3.3 Einteilung von Straßentunneln als Grundlage für Feuerwehreinsätze 25 3.4 Schlussfolgerungen für die mobile Bekämpfung von Tunnelbränden 28

T E I LII

4 Einleitung 30

5 Grundlagen 31

5.1 Kriterien der Tunnelkategorisierung 31

5.2 Der Tunnelbeschränkungscode 34

5.3 Die Gefahrstoffklassen im ADR und die Nummern zur Kennzeichnung

der Gefahr mit Erläuterungen 37

5.4 Der Gefahrendiamant 37

5.5 Informationen zur Gesamtmenge an transportierten Gefahrgütern

in Deutschland 37

5.6 Unfälle von Güterkraftfahrzeugen im Straßenverkehr 40 6 Durchfahrtbeschränkungen für Gefahrgüter durch Tunnel verschiedener

Kategorien in Abhängigkeit von der Nummer zur Kennzeichnung der Gefahr 42

6.1 Methodisches Vorgehen 42

6.2 Zuordnung der Nummern zur Kennzeichnung der Gefahr

zu den Tunnelbeschränkungscodes 43

6.3 Schlussfolgerungen für Gefahrguttransport in Tunneln 53

LITERATUR

ANLAGEN

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(9)

T T E E I I L L I I

1 E

INLEITUNG

Die Intensität eines Fahrzeugbrandes ist abhängig vom Fahrzeugtyp und insbesondere von der Ladung. Der Einfluss der Ladung wird insbesondere dann signifikant, wenn sie Gefahrgüter beinhaltet. Entwickelt sich ein Fahrzeugbrand in einem Tunnel, können weitere Parameter über den Brandverlauf entscheiden. Einerseits können auch in Tunneln viele Brände auf Grund der geringen Brandlasten vergleichsweise schnell gelöscht werden.

Andererseits zeigen die Brandkatastrophen im Mont Blanc-, Tauern- und St. Gotthard-Tunnel jedoch, dass das Zusammentreffen von großen Brandlasten mit anderen kritischen Faktoren, wie zum Beispiel eine nicht optimale Steuerung der Tunnellüftung, verheerende Folgen haben kann.

In der vorliegenden Arbeit werden Charakteristika von Bränden betrachtet, in die große Brandlasten oder Gefahrgüter involviert sind. Daraus werden grundlegende taktische Hinweise für die Einsatzkräfte der Feuerwehr abgeleitet.

(10)

2 P

RÄSENTATION VON

T

UNNELBRANDVERSUCHEN MIT GROßEN

B

RANDLASTEN

Im Bericht wird wiederholt auf reale Brandereignisse Bezug genommen. Aus diesem Grund sind in den Anlagen die Brände im

 Mont Blanc-Tunnel 1999

 Tauern-Tunnel 1999 und

 St. Gotthard-Tunnel 2001

beschrieben. Diese Ereignisse wurden ausgewählt, weil aus dem Brandverlauf und aus dem taktischen Vorgehen Schlussfolgerungen gezogen werden können, die für die Weiterentwicklung von Einsatzmaßnahmen der Feuerwehr bei ähnlich gelagerten Ereignissen herangezogen werden können.

2.1 Wärmefreisetzungsraten, Gastemperaturen und Feuerübersprung bei großen Tunnelbränden

Wenn ein Brand auf das Fahrzeug begrenzt werden kann, das den Brand verursachte, wird die Intensität des Brandes derartig limitiert, dass die Maßnahmen der Einsatzkräfte der Feuerwehr sich nicht unterscheiden vom Vorgehen bei Bränden außerhalb von Tunneln. Die gleiche Meinung wird von Stampfli [STAMPFLI 2011] und Thon zum Ausdruck gebracht [THON 2011]. Wenn eine frühzeitige Detektion am Fahrzeug erfolgt und somit die Möglichkeit eines sofortigen Eingreifens bei der Brandbekämpfung von Tunnelnutzern besteht sowie ein langsamer Brandablauf, wie z. B. bei einem PKW, stattfindet, kann ein Brand sogar ohne Feuerwehr unter Nutzung der Löscheinrichtungen in Tunneln gelöscht werden. Eine Studie zeigt, dass rund 40 % aller Brände in Tunneln in Frankreich auf diese Weise gelöscht werden [STUVA 2000].

Ein insgesamt überproportionaler Anteil von LKW an Brandereignissen in Tunneln wird von Bandmann am Beispiel des Elbtunnels in Hamburg beschrieben [BANDMANN 2003]. Der Elbtunnel gilt als der meist befahrene Straßentunnel in Deutschland und zählt zu den höchst frequentierten Tunneln in Europa. Für die Jahre 1990 bis 1999 war im Durchschnitt nahezu monatlich ein Brandereignis innerhalb des Tunnels zu verzeichnen. Besonders auffällig ist der mit fast 25 % überproportionale Anteil der LKW an den Brandereignissen, deren Anteil am Verkehrsaufkommen insgesamt aber lediglich bei etwa 15 % liegt. Die Statistik des Elb- tunnels verweist damit darauf, dass nicht nur auf Grund der erheblich höheren Brandlast, sondern auch auf Grund der im Verhältnis zum Verkehrsanteil überproportionalen Ereignis-

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häufigkeit eine wesentlich größere Gefahr vom LKW-Verkehr ausgeht, verglichen mit dem PKW-Verkehr.

Zur Beschreibung der Dimension eines Brandes wird vorrangig die Wärmefreisetzungsrate (englisch: heat release rate HRR) verwendet, z.B. [INGASON 2004]. Für PKW werden für die Wärmefreisetzungsrate Werte in einem Bereich zwischen 1,5 und 8 MW ermittelt, wobei jedoch für die überwiegende Anzahl der PKW-Typen Werte unter 5 MW gefunden werden.

Wenn am Brand zwei PKW beteiligt sind, steigen die HRR-Werte auf 3,5 bis 10 MW. Ingason und Lönnermark leiten aus den experimentellen Werten einen linearen Zusammenhang zwischen der Wärmefreisetzungsrate und dem Brennwert der PKW`s ab. Es ist ein durch- schnittliches Anwachsen von 0,7 MW pro GJ zu verzeichnen. Diese Beobachtung ist wesentlich, da eine französische Studie zeigte, dass der Brennwert der PKW in den vergan- genen Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Experimentell gefunden werden auch große Un- terschiede bei der Zeit, die für das Erreichen der maximalen Wärmefreisetzungsrate ver- streicht: Sie variiert zwischen 10 und 55 Minuten.

Ingason schätzte auf der Grundlage der dazu vorhandenen Informationen die Wärmefreiset- zungsraten von verschiedenen großen Tunnelbränden in Europa ein [INGASON 2003].

Analoge Betrachtungen liegen von Bettelini vor [BETTELINI 2003]. Für die geschätzten Wärmefreisetzungsraten geben beide einen Bereich von 100 bis 400 MW an, wobei an allen in Betracht gezogenen Bränden mindestens zehn LKW beteiligt waren.

Ein Wert von 20 MW für die Wärmefreisetzungsrate eines LKW galt lange Zeit als repräsen- tativ und wurde auch in verschiedenen Richtlinien als Bewertungsgrundlage angewendet [PIARC 1999], [NFPA 2001], [LACROIX 2001]. Diese Angabe scheint aber zu niedrig be- messen bei Beachtung der Tatsache, dass bei den großen Tunnelbränden der vergangenen Jahre wesentlich höhere Wärmefreisetzungsraten auch für die LKW auftraten, deren Ladung nicht als Gefahrgut entsprechend der in Deutschland gültigen Gefahrgutverordnung für Tunneltransporte einzustufen ist.

Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wurde im Jahr 2003 eine Versuchsreihe mit dem Ziel initiiert, die Wärmefreisetzungsrate von Lastkraftwagen mit unterschiedlicher Fracht zu bestimmen [INGASON 2005], [LÖNNERMARK 2005], [LÖNNERMARK 2006]. Die Experimente wurden in einem - außer Funktion gesetzten – asphaltierten Tunnel der Länge 1600 m in Runehamar (Norwegen) durchgeführt. Der Tunnel war 6 m breit und 9 m hoch, wies eine Längsneigung zwischen 1 bis 3 % auf und hatte eine gering ausgeprägte Kurve.

Eine Längslüftung in der Tunnelröhre wurde mit Hilfe eines mobilen Ventilators erzeugt. Die Strömungsgeschwindigkeit betrug mehr als 3 m/s vor Beginn der Brandversuche. Das Brandgut befand sich 560 m entfernt vom Portal auf der Abströmseite und 1040m entfernt vom Portal auf der Anströmseite (Abbildung 2.1). Die Gastemperaturen wurden an

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verschiedenen Positionen entlang des Tunnels gemessen, von 100 m in Anströmrichtung des Brandes (bezeichnet mit -100 m) und 458 m in Abströmrichtung (bezeichnet mit +458 m). Die Messpunkte befanden sich 0,3 m unter der Tunneldecke. Der Versuchskomplex umfasste vier Versuche mit jeweils unterschiedlichen Materialien als Fracht. Das Versuchsprogramm wird in der Tabelle 1 veranschaulicht.

Abbildung 2.1: Tunnel in Runehamar mit Versuchsaufbau [INGASON 2005], [LÖNNERMARK 2005]

Abbildung 2.2: Beschreibung des Versuchsaufbaus in der Runehamar-Versuchsreihe [INGASON 2005], [LÖNNERMARK 2005]

Holzpaletten und Polyurethanmatten

6,9 Tonnen

Eingang Ostseite

Eingang Westseite

Seitenansicht

Draufsicht

Brand Versuchsobjekte

Ventilator

Ventilator

Kabine

Kabine

(13)

Tabelle 2.1: Programm der Runehamar-Versuchsreihe [INGASON 2005], [LÖNNERMARK 2005]

Versuchs-

nummer Brenngut Masse

Brenngut (kg)

Gesamtenergie- inhalt (GJ) T1 Paletten aus Holz und Polyethylen 10.160 247 T2 Holzpaletten und Polyurethanmatten 6.390 135

T3 Möbel und Autoreifen 7.530 179

T4 Polystyrolbecher in Pappkartons auf

Holzpaletten 2.850 62

In der Tabelle 2.2 sind die Versuchsparameter und die ermittelten Wärmefreisetzungsraten zusammengefasst und die Abbildung 2.3 veranschaulicht die Wärmefreisetzungsraten der vier Tests in Abhängigkeit von der Zeit. Weiterhin können aus der Abbildung 2.4 die Gastemperaturen entnommen werden, die über dem Zentrum des jeweiligen Brandes auftraten. Der Beginn der Datenaufnahme ist die Entzündung des Brandes.

Tabelle 2.2: Versuchsparameter und Wärmefreisetzungsraten der Versuchsreihe in Runehamar [INGASON 2005], [LÖNNERMARK 2005]

Versuchs-

nummer Brenngut Gesamtenergie- inhalt (GJ)

Maximale HRR (MW)

Zeit von Zündung bis max. HRR (min) T1 Paletten aus Holz

und Polyethylen 247 201,9 18,5

T2 Holzpaletten und

Polyurethanmatten 135 156,6 14,1

T3 Möbel und Auto-

reifen 179 118,6 10,0

T4

Polystyrolbecher in Pappkartons auf

Holzpaletten

62 66,4 7,4

In der Runehamar-Versuchsreihe wurden unterschiedliche Materialien als Brandgut ausge- wählt, um sowohl verschiedene Brandentwicklungen als auch unterschiedliche Wärme- freisetzungsraten zu bewirken. Die Verwendung von Paletten aus Holz und Polyethylen war durch den größten Energieinhalt der Brandmasse charakterisiert und verursachte auch die höchste Wärmefreisetzungsrate im Rahmen dieser Tests. Der Wert lag bei 202 MW. Bedingt durch die große Brandlast wurde auch die längste Branddauer verzeichnet mit einer maximalen Gastemperatur von 1365 °C. Vor der Durchführung der Runehamar-Versuche bestand die Meinung, dass Wärmefreisetzungsraten in den hier gefundenen Dimensionen nur von Tanklastwagen verursacht werden können.

Für die Holzpaletten und Polyurethanmatten als Brandmasse wurde mit 17 MW/min die größte Geschwindigkeit der Brandentwicklung gemessen.

(14)

Abbildung 2.3: Wärmefreisetzungsraten der Versuchsreihe in Runehamar [INGASON 2005]

Die Temperatur verlief in Abhängigkeit von der Zeit beim Einsatz von Holzpaletten und Poly- urethanmatten (T2), Möbeln und Autoreifen (T3) und Polystyrolbechern in Pappkartons auf Holzpaletten (T4) (vgl. Tabelle 2.2) als Brandgut sehr analog (Abbildung 2.4). Einer anfänglichen Verzögerung folgte ein sehr steiles Anwachsen der Temperatur. Kurz nach diesem sehr schnellen Temperaturanstieg war in allen drei Experimenten das Temperaturmaximum erreicht. In allen drei Fällen dauerte die Phase von Zündung bis Temperaturmaximum weniger als 15 Minuten.

Abbildung 2.4: Gastemperaturen über dem Brandherd in der Versuchsreihe in Runehamar [LÖNNERMARK 2005]

Zeit [min]

Temperatur [°C]

Gastemperaturen

Paletten aus Holz und Polyethylen (T1) Holzpaletten und Polyurethanmatten (T2) Möbel und Autoreifen (T3)

Polystyrolbecher in Pappkartons auf Holzpaletten (T4)

x

Zeit [min]

Wärme- freisetzungs- rate [MW]

(15)

Als Vergleich zu den vorgestellten Ergebnissen der Runehamar-Versuche werden in der Abbildung 2.5 Wärmefreisetzungsraten aus anderen Tests präsentiert.

Abbildung 2.5: Gemessene Wärmefreisetzungsraten bei Verwendung von großen Brandlasten [LÖNNERMARK 2005]

Das EUREKA 499-Tunnel-Versuchsprogramm beinhaltete einen Test, der den Runehamar–

Versuchen in der Versuchskonzeption vergleichbar war [EUREKA 1995], [FRENCH 1994].

Ein LKW trug eine Ladung mit der Masse von 1994 kg, die zu 75 % aus Materialien auf Zelluloesebasis und zu 25 % aus Polymerwerkstoffen bestand. Der gesamte Energieinhalt, der in Form von Wärme freigesetzt werden konnte, wies einen Wert von 87,4 GJ auf. Die Strömungsgeschwindigkeit der Längsströmung wurde zu Versuchsbeginn bei 5 – 6 m/s eingestellt. 13,5 Minuten nach Zündung bewirkte der LKW bei Vollbrand eine Wärmefreisetzungsrate von etwa 120 MW. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Längslüftung eingestellt für die Dauer von drei Minuten. Anschließend wurde die Strömungsgeschwindigkeit der Längslüftung auf dem verringerten Niveau von 2 – 3m/s gehalten. Die Wärmefreisetzungsrate wuchs sehr schnell wieder bis 128 MW.

In der Benelux-Tunnel-Testserie wurde im Unterschied zu den bisher beschriebenen Versuchsreihen eine Variation der Strömungsgeschwindigkeit vorgenommen [LEMAIRE 2002]. Als Brandlast wurden Holzpaletten ausgewählt. Unter den Bedingungen der natürlichen Tunnelbelüftung wurde eine Wärmefreisetzungsrate von 13,5 MW verzeichnet.

Bei der Strömungsgeschwindigkeit der Längslüftung von 4 – 6 m/s stieg sie auf 19 MW und Zeit [min]

Wärme- freisetzungs- rate

[MW]

Wärmefreisetzungsraten von großen Fahrzeugen

EUREKA 499 – LKW

EUREKA 499 – simulierte LKW-Beladung Benelux – 36 Holzpaletten – 0 m/s – (T8) Benelux – 36 Holzpaletten – 4-6 m/s – (T9) Benelux – 36 Holzpaletten – 6 m/s – (T10) Benelux – 72 Holzpaletten – 1-2 m/s – (T14) Runehamar - Paletten aus Holz und Polyethylen (T1) Runehamar - Holzpaletten und Polyurethanmatten (T2) Runehamar - Möbel und Autoreifen (T3)

Runehamar - Polystyrolbecher in Pappkartons auf Holzpaletten (T4)

x + Δ

■♦

(16)

verblieb bei 16,5 MW bei 6 m/s. Somit war die Wärmefreisetzungsrate bei Längslüftung um den Faktor 1,4 bzw. 1,2 erhöht gegenüber dem ermittelten Wert bei natürlicher Lüftung.

Andererseits steigerte sich die Wachstumsgeschwindigkeit des Brandes sogar um den Faktor 4 – 6 bei Längslüftung im Vergleich zur natürlichen Belüftung.

In die Versuchsreihe von Runehamar waren Untersuchungen zu den Ursachen und Bedin- gungen zum Auftreten eines Feuerübersprungs bei Tunnelbränden eingeschlossen [LÖN- NERMARK 2006]. Zu diesem Zweck wurden auf der Abströmseite des Ursprungsbrandes in definierten Entfernungen Gegenstände aus Polymermaterial oder aus Holz auf der Fahr- bahnoberfläche platziert. Mit Hilfe einer Videokamera wurde der Zeitpunkt der Entzündung dieser Gegenstände aufgezeichnet. In der Tabelle 2.3 sind die Ergebnisse im Überblick dar- gestellt.

Tabelle 2.3: Ergebnisse zu den Untersuchungen des Feuerübersprungs in der Runehamar- Versuchsreihe [LÖNNERMARK 2006]

Entfernung zum Brand

(m)

T1 T2 T3 T4

Polymer Holz Polymer Holz Polymer Holz Polymer

20 verbrannt

25 verbrannt

27 verbrannt

35 verbrannt verbrannt

42 verbrannt verbrannt unveränd. verbrannt

50 verbrannt verbrannt

52 verkohlt verbrannt

53,5 verbrannt

57 unveränd. verbrannt

62 verkohlt

67 unveränd. verformt

70 verrußt verbrannt

Die Untersuchungen zum Feuerübersprung in der Runehamar-Versuchsreihe brachten zum Ausdruck, dass bei ansteigender Wärmefreisetzungsrate eines Brandes die Distanz wächst, bei der Objekte noch vom Brand erfasst werden können. Lönnermark und Ingason nutzten die Gesamtheit der Ergebnisse aus den Versuchen T1 bis T4, um den Zusammenhang zwi- schen der Wärmefreisetzungsrate und der Reichweite des Feuerübersprungs mathematisch

(17)

zu modellieren. Diese Betrachtungen bildeten die Grundlage für die Aussage, dass unter den Bedingungen der Reihe T1, d.h. bei einer Wärmefreisetzungsrate von 202 MW Gegenstände aus Holz in einer Entfernung von 70 m und Gegenstände aus Polymermaterial in einer Entfernung von 95 m entzündet werden könnten. Damit nahm die Länge der Flammen unter diesen Bedingungen den dreifachen Wert an, verglichen mit der Flammenlänge eines 202 MW-Brandes im Freien. Da sich die Gegenstände bei den Experimenten auf der Fahrbahnoberfläche befanden, muss die Entzündung durch Wärmestrahlung ausgelöst worden sein, die als Folge des großen Temperaturunterschiedes zwischen den oberen Luftschichten im Tunnel und der Fahrbahnoberfläche auftrat. Für die Entzündung durch Wärmestrahlung ist sowohl für Holz [DRYSDALE 1992] als auch für die Entzündung von natürlichen oder synthetischen organischen Materialien [KANURY 2002] eine Temperatur von 600 °C notwendig. Wärmekonvektion und direkter Kontakt der Gegenstände mit den Flammen spielten unter den beschriebenen Bedingungen eine untergeordnete Rolle.

Entsprechend der Videoaufzeichnungen der Versuche fand der Feuerübersprung bei T1 nach 6 Minuten nach Zündung, bei T2 nach 3,3 bis 3,4 Minuten und bei T3 nach 4,5 Minuten statt. Das bedeutet, dass die Wärmefreisetzungsrate zwischen 20 MW bis 40 MW lag bei einer Strömungsgeschwindigkeit der Längslüftung von 2-3 m/s.

Im Unterschied dazu kommen bei Objekten mit einer großen Höhe wie Lastkraftwagen die beiden Komponenten des Wärmeflusses zur Geltung, d.h. Wärmefluss durch Strahlung und Konvektion. Auf der Basis der Messwerte der Runehamar-Versuche kann kalkuliert werden, dass bei angenommener vollständiger Gasvermischung im Tunnel ein 220 MW-Brand eine Gastemperatur von ca. 760 °C verursachen würde. Bei einer Strömungsgeschwindigkeit der Gase von 3 m/s und einer Außentemperatur von 10 °C würde der Anteil, den die Konvektion zur Wärmefreisetzungsrate beisteuert, bei 70 % liegen. Weiterhin kann bei hohen Objekten die direkte Flammeneinwirkung zum Entstehen des Feuerübersprungs beitragen. Daher muss davon ausgegangen werden, dass Gegenstände, die sich in noch größeren Entfernungen zum Brandherd befinden im Vergleich zu den in den Runehamar-Versuchen angewendeten Dimensionen, entzündet werden können.

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2.2 Risikobetrachtungen für Straßentunnel bei Transporten mit großen Brandlasten oder Gefahrgütern

Stoffe und Gegenstände, die beim Transport Risiken in sich bergen können, müssen entsprechend des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter als Gefahrgüter eingestuft werden. Im Zuge der Kategorisierung der Tunnel werden die Gefahrgüter Tunnelkategorien zugeordnet. Die Kriterien für dieses Konzept sind die Arten der Gefährdungen, die die Stoffe beinhalten. Im Einzelnen sind dies:

 sehr große Explosionen

 große Explosionen

 Freiwerden giftiger Stoffe

 große Brände [ADR 2007].

Wie jedoch in den Anlagen dieses Berichtes dargestellt wurde, können auch Brände ohne Beteiligung von Gefahrgütern im klassischen Sinn extreme Dimensionen annehmen.

Frachten, die unter diesem Aspekt zu betrachten wären, sind zum Beispiel Kunststoffprodukte, Holz oder allgemein Stoffe, die hohe Brandlasten oder toxische Rauchgase entwickeln können [STUVA 2000]. Parallel zu dieser Feststellung gehen ebenfalls die Ergebnisse der Versuchsreihe zu großen Bränden in Runehamar (siehe Tabelle 2.3). Auch kann die Kombination von Stoffen, die einzeln als absolut ungefährlich zu bewerten sind, im Brandfall katastrophale Wirkungen haben, wie der Brand im Mont Blanc- Tunnel 1999 zeigte. Dies bedeutet, dass eine Beurteilung des Risikos dann schwieriger wird, wenn der Begriff Gefahrgut entsprechend der Gefahrgutverordnung nicht mehr anwendbar ist.

Einerseits sollten Gefahrgüter und Frachten mit hohen Brandlasten nicht generell von einem Transport ausgeschlossen werden, andererseits muss das Risiko minimiert werden. Es ist auf der Basis einer Risiko-Abschätzung zu entscheiden, in welchem Umfang und unter Einhaltung welcher Randbedingungen, Gefahrguttransporte durch Tunnel zugelassen werden [STUVA 2000]. Bei der Risikobetrachtung sind Strecken mit und ohne Tunnel einander gegenüberzustellen unter Einbeziehung folgender wichtiger Faktoren:

 Gefahrgüter bzw. hohe Brandlasten

 Gegenverkehr oder Richtungsverkehr

 Verkehrsaufkommen im Tunnel

 Lage des Tunnels

 Tunnelauslastung

 Verkehrsregelung.

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Wenn die Risikobeurteilung zu der Entscheidung gelangt, dass der Gefahrguttransport durch den Tunnel gar nicht oder nur eingeschränkt zugelassen werden kann, gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Kontrolle oder Begleitung der Bestimmungen. Hier soll nachfolgend nur auf zwei Maßnahmen eingegangen werden, die für Einsatzkräfte im Fall eines Brandes oder Unfalls im Zusammenhang mit Gefahrstoffen wesentliche Informationen zur Verfügung stellen können: Es sind dies die Begleitung von Gefahrguttransporten bei der Tunneldurchfahrt sowie die automatische Gefahrguterkennung.

Eine systematische Begleitung von Gefahrguttransporten sollte insbesondere bei mit Wasser unverträglichem Frachtgut vorgeschrieben werden. Die Kommunikation mit der Tunnelüberwachung kann in Situationen, die eine Beregnung des Tunnels erforderlich machen, gewährleisten, dass der Bereich mit dem Gefahrgutzug von der Beregnung ausgenommen wird.

Am Beispiel des Tunnels Allach auf der A 99 wurde die automatische Gefahrguterkennung vor den Tunnelportalen mit Hilfe der Laser-Scanner-Technologie getestet [FELDGES 2010].

Das Erkennen und Registrieren der Gefahrgut-LKW erfolgte über das Scannen des UN- Codes. Dieses wird in den Abbildungen 2.6 und 2.7 veranschaulicht. Im Rahmen dieses Tests wurden Aussagen zum Umfang und zur zeitlichen Verteilung der transportierten Gefahrgüter ermöglicht. Darüber hinaus konnte eine Differenzierung der Gefahrgüter vorgenommen werden. Im gewählten Beispiel nahmen Treibstoffe den größten Anteil am Gesamtvolumen der Gefahrgut-Fracht ein (Abbildung 2.8).

Abbildung 2.6: Automatische Gefahrguterfassung mit Hilfe der Laser-Scanner-Technologie [FELDGES 2010]

(20)

Abbildung 2.7: Scannen des UN-Codes bei der automatischen Gefahrguterfassung [FELDGES 2010]

Abbildung 2.8: Anteile verschiedener Gefahrgüter am gesamten transportierten Gefahr- gutaufkommen [FELDGES 2010]

2.3 Wirksamkeit der Rauchabsaugung bei Tunnelbränden

Die Rauchentwicklung eines Fahrzeuges ist von der Brandleistung abhängig. Beim Brand eines Personenwagens wird eine Rauchmenge von 20 m3/s freigesetzt [PIARC 1999]. Beim typischerweise für die Dimensionierung von Lüftungsanlagen vorausgesetzten Brand eines Lastwagens ohne brennbare Ladung wird von einer Rauchleistung von 80 m3/s ausgegangen [BETTELINI 2003a]. In der Abbildung 2.9 sind die Brand- und Rauchleistungen dargestellt, die bei einem Fahrzeugbrand zu erwarten sind.

Die Lüftungssysteme von Tunnelanlagen werden in natürliche und in mechanische Lüftungen unterteilt, wobei mechanische Lüftungen mit und ohne Rauchabsaugung unterschieden werden. Bei Lüftungsanlagen mit Rauchabsaugung besteht die Möglichkeit,

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große Rauchmengen mit Hilfe einzeln steuerbarer Abluftklappen gezielt in der Nähe des Brandes aus dem Fahrraum des Tunnels abzusaugen und über einen Abluftkanal abzuführen.

Abbildung 2.9: Maximale Brand- und Rauchleistung beim Brand unterschiedlicher Straßenfahrzeuge [SCHWEIZERISCHER FEUERWEHRVERBAND 2005]

Die Wirkung der unterschiedlichen Tunnelbelüftungsarten auf die Temperatur- und Rauchgasausbreitung war das primäre Ziel einer umfangreichen Versuchsreihe, die in den Jahren 1993 bis 1995 im Memorial Tunnel, einem stillgelegten Straßentunnel im US- Bundesstaat West Virginia durchgeführt wurde [SCHULER 2005]. Der Memorial Tunnel wies eine Länge von 850 m und eine Steigung von 3,2 % auf. Ohne Zwischendecke hatte er eine Querschnittsfläche von etwa 60 m2. Es wurden insgesamt 98 Versuche mit Brandlasten von 10, 20, 50 und 100 MW durchgeführt. Gemessen wurden in der gesamten Tunnellänge an verschiedenen Positionen die Temperatur, die Luftgeschwindigkeit, die CO2- und CO- Konzentration sowie die Sichttrübung.

(22)

Abbildung 2.10: Temperatur- und Rauchausbreitung bei Anwendung der Rauchabsaugung (links) und bei natürlicher Tunnellüftung (rechts) [SCHULER 2005], Erläuterungen im Text

Bei Anwendung der Rauchabsaugung wurde im Tunnel eine Zwischendecke mit einem Abluftkanal eingebaut. Es liefen Tests mit verschieden großen und unterschiedlich platzierten Absaugöffnungen. Weiterhin wurden die Absaugleistung und die Zeitspanne bis zum Anlaufen der Lüftung variiert. Die Abbildung 2.10 zeigt die Temperatur- und Rauchausbreitung eines Versuchs mit einer Brandleistung von 50 MW. Die Rauchabsaugung erfolgte in diesem Fall über eine einzelne 18 m2 große Öffnung, die etwa 50 m vom Brandherd stromabwärts angeordnet war. Die Absaugmenge betrug in diesem Beispiel 400 m3/s. Die Lüftung lief zwei Minuten nach Brandausbruch an. Aus der Abbildung 2.10 ist ersichtlich, dass die Temperatur- und Rauchausbreitung unter den beschriebenen Bedingungen auf eine Länge von 100 bis 200 m begrenzt werden konnte. Als Vergleich sind

(23)

in der Abbildung 2.10 die Ergebnisse eines Versuches enthalten, bei dem nur die natürliche Tunnellüftung wirksam wurde. Es ist zu erkennen, dass bereits nach drei Minuten der gesamte Tunnelquerschnitt mit Rauch erfüllt war. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Rauches betrug 4 m/s.

(24)

3 M

OBILE

B

RANDBEKÄMPFUNG VON

T

UNNELBRÄNDEN

Die Erfahrungen aus den schweren Straßentunnelbränden in den letzten zwei Jahrzehnten haben zu der Erkenntnis geführt, dass für die Bekämpfung von Tunnelbränden der Grundsatz „Löschen um zu retten“ gelten sollte [EGGER 2002], [GRUBER 2010], [KIM 2010], [STAMPFLI 2011]. Egger beschreibt den Kern dieser Taktik als „Verzögerungs- konzept“. Stampfli sieht die Notwendigkeit für dieses Vorgehen darin begründet, dass alle weiteren Maßnahmen wesentlich wirksamer werden, je schneller der Brand unter Kontrolle gebracht wird:

 Die durch den Brand verursachte extreme Hitze- und Rauchentwicklung behindert sowohl die Selbstrettung der Tunnelnutzer als auch die Aktionen der Einsatzkräfte der Feuerwehr

 Das Tunnelbauwerk wird sehr schnell in Mitleidenschaft gezogen.

Die frühzeitige Brandbekämpfung muss zwingend koordiniert werden mit einer unterstützenden Lüftungssteuerung und entsprechenden Rauchableitung. Dieses wiederum erfordert eine Abstimmung der Maßnahmen zwischen Tunnelzentrale und Feuerwehr bzw.

eine exakte Kenntnis der Lüftungstechnik durch die Feuerwehr selbst.

Die Fokussierung der Einsatzmaßnahmen auf eine schnellstmögliche Brandbekämpfung wird unterstützt durch die Ergebnisse von Versuchsreihen, die sich auf die Charakterisierung von LKW-Bränden mit verschiedener Ladung in Tunneln konzentrierten. Diese Untersuchungen veranschaulichten sehr deutlich die Unterschiede zwischen LKW-Bränden im Freien und in Tunneln.

3.1 Taktische Vorgehensweise und Ausrüstung der Feuerwehr bei Tunnelbränden

Die Erfahrungen aus den großen Tunnelbränden in den vergangenen zwei Jahrzehnten und die Ergebnisse aus den Versuchsreihen mit großen Brandlasten haben vorherrschend zu der Entscheidung geführt, insbesondere auch Tunnelbrände mit erheblichen Dimensionen mit einer „2-Seiten-Taktik“ zu bekämpfen [FISCHER 2011], [GRUBER 2010], [KIM 2010], [SCHWEIZERISCHER FEUERWEHR-VERBAND 2005], [STAMPFLI 2011]. Dies bedeutet, dass die Feuerwehr den Angriff an beiden Tunnelportalseiten gleichzeitig einleitet. [KIM 2010] bezeichnet diese Vorgehensweise auch als eine offensive Strategie. [FISCHER 2011]

begründet sie mit folgenden zwei Argumenten:

 Verringerung des Angriffswegs

 Größere Flexibilität durch situative Anpassung des Angriffswegs.

(25)

Jedoch muss auch in diesem Zusammenhang an wesentliche Informationen aus der Runehamar-Versuchsreihe erinnert werden. Es wurden die Temperaturen sowie die Werte für die Wärmestrahlung in Abhängigkeit von der Entfernung zum Zentrum des Brandes auf der Anströmseite gemessen. In den Abbildungen 3.1 und 3.2 sowie in der Tabelle 3.1 sind die entsprechenden experimentellen Daten zusammengefasst [LÖNNERMARK 2004], [LÖNNERMARK 2005], [LÖNNERMARK 2005 a] (T1 bis T4 vgl. Tabelle 2.2).

Tabelle 3.1: Maximale Werte der Wärmestrahlung auf der Anströmseite in Abhängigkeit der Entfernung zum Brandzentrum in der Runehamar-Versuchsreihe [LÖNNERMARK 2004], [LÖNNERMARK 2005], [LÖNNERMARK 2005 a]

Versuchs- nummer

Wärmestrahlung - 5 m Entfernung zum Brand (Anströmseite) (kW/m2)

Wärmestrahlung - 10 m Entfernung zum Brand (Anströmseite) (kW/m2)

Wärmestrahlung - 20 m Entfernung zum Brand (Anströmseite) (kW/m2)

T1 80 14 2

T2 35 18 3

T3 20 9 2

T4 40 10 4 (15 m)

Die Messungen zeigen, dass nach einer anfänglichen Verzögerung die Wärmefreisetzungsraten und die Gastemperaturen sehr steil ansteigen. Dieser Befund unterstreicht nachdrücklich, dass alle Maßnahmen zur Brandbekämpfung, die in diesem Zeitraum eingeleitet werden können, über das Ausmaß der Brandentwicklung entscheiden.

Die hohen Temperaturen und die Wärmestrahlung, die sogar auf der Anströmseite bei einem voll entwickelten Brand auftreten, verhindern, dass die Einsatzkräfte der Feuerwehr sich ausreichend dem Brand nähern können, um ihn effizient zu löschen. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Wärmestrahlung von 5 kW/m2 nach etwa fünf Minuten Einwirkzeit bei Einsatzkräften in Schutzkleidung Schmerzen verursacht [LÖNNERMARK 2005 a]. Für länger andauernde Einsatzzeiten sollte daher die Intensität der Wärmestrahlung bei niedrigeren Werten liegen. Unter den Bedingungen der Runehamar-Versuchsreihe würde diese Forderung bei einer Entfernung von 20 m zum Brandherd auf der Anströmseite erfüllt sein.

Es liegen bisher nicht ausreichende Erfahrungen vor, ob ein intensiver Brand aus dieser Entfernung erfolgreich bekämpft werden kann.

(26)

Abbildung 3.1: Wärmestrahlung auf der Anströmseite in Abhängigkeit von der Zeit und der Brandlast bei den Runehamar-Versuchen [LÖNNERMARK 2004]

Abbildung 3.2: Gastemperaturen auf der Anströmseite in Abhängigkeit von der Zeit und der Entfernung zum Brand bei den Runehamar-Versuchen [LÖNNERMARK 2004]

Gastemperaturen auf der Anströmseite (T 1)

Zeit [min]

Temperatur [°C]

Zeit [min]

Wärme- strahlung [kW/m2]

Wärmestrahlung auf der Anströmseite in einer Entfernung von 10 m zum Brand

(27)

3.2 Klassifizierung von Bränden in Straßentunneln für Feuerwehreinsätze

In der Arbeit „Effective Firefighting Operations in Road Tunnels“ [KIM 2010] werten Kim, Lönnermark und Ingason 69 Brände in Straßentunneln hinsichtlich der Brandursachen, des Brandverlaufs und der Einsatzmaßnahmen der Feuerwehr aus. Im Anhang sind diese Daten in Tabellenform zusammengefasst. Eine Auswahl dieser Ereignisse ist in Tabelle 3.2 enthalten.

Tabelle 3.2: Brände in Straßentunneln [KIM 2010]

Jahr

Tunnel Name

Land Länge (km)

In Brand geratenes

Fahrzeug

Mögliche Brandursache oder Stelle des Brandes

Ereignisart Brandbekämpfung

2005

Frejus Frankreich/

Italien(12,9)

LKW Ladung Reifen

Motorbrand Einzelbrand,

Brandausbreitung

Brand gelöscht vor Übergriff auf Klebstoffladung im 4. LKW

2004

Frejus Frankreich/

Italien (12,9) LKW Bremssystem Einzelbrand Brand war leicht zu

löschen

2003

Fløyfjell Norwegen

(3,1) PKW Kollision mit der Wand

und Brand

Kollision (Wand) und Brand, keine Brandausbreitung

Eintreffen der FW nach 6 min, Fahrzeugbrand schnell gelöscht Locica

Slovenien (0,8)

LKW

Fracht Alu-Träger - Einzelbrand

FW löschte Brand bei Ankunft

2002

Tauern Österreich (6,4)

LKW defektes Antriebssystem Einzelbrand

FW konnte Brand schnell unter Kontrolle bringen

2001

Gleinalm (7. August) Österreich (8,3)

PKW Frontalzusammenstoß

zwischen LKW und PKW

Kollision und Brand, keine

Brandausbreitung

Brand wurde in kurzer Zeit von der FW erfolgreich gelöscht St. Gotthard

Schweiz (16,9)

2 LKW einer hatte Gummireifen geladen

Frontalzusammenstoß zweier Lkw

Kollision und Brand, Treibstoffaustritt, Brandausbreitung

im Erstangriff konnte die FW den Brand im Frühstadium nicht löschen

Tauern Österreich

(6,4) 2 PKW Frontalzusammenstoß

Kollision und Brand, keine

Brandausbreitung

Brand schnell gelöscht vom Fahrer eines der Autos

2000

Lærdal Norwegen (24,5)

Bus mit ungefähr

50 Passagieren - Einzelbrand

Brand war klein und leicht vom Busfahrer zu beheben

Saukopf Deutschland

(2,7) PKW - Einzelbrand FW konnte den Brand

leicht löschen

Cross-harbour Hong Kong (1,9)*

PKW - Einzelbrand

Notfallhilfe traf innerhalb von 3 min ein, war aber nicht in der Lage, den Brand unter Kontrolle zu bringen, FW traf 2 min später ein

Tauern Österreich (6,4)

LKW - Einzelbrand

Brand wurde schnell unter Kontrolle gebracht und innerhalb einer halben Stunde von beiden Seiten des Fahrzeugs aus durch die FW gelöscht

(28)

1999

Candid Deutschland (0,252)

PKW Motorraum Einzelbrand

Bedingt durch den Verkehrsstrom benötigte die FW eine lange Zeit, um den Brand zu erreichen, löschte dann schnell Tauern

Österreich (6,4)

LKW mit einer Fracht Spraydosen mit Farben

Auffahrunfall von 4 PKW und 2 LKW

Kollision und Brand, Kraftstoffaustritt, Brandausbreitung

der voll entwickelte Brand konnte bis zu einem sehr späten Zeitpunkt nicht gelöscht werden Mont Blanc

Frankreich/

Italien (11,6)

LKW mit Mehl und Margarine

Dieselkraftstoff lief aus und traf auf heiße Oberflächen des Motorraumes

Öl-Leckage und Brand, Brandaus- breitung

die FW konnte sich im Erstangriff dem Brand nicht einmal nähern

1990

Mont Blanc Frankreich/

Italien (11,6)

LKW mit 20 Tonnen

Baumwolle Motor Einzelbrand

Franz. FW traf innerhalb von 10 min ein, trotz des Umstandes, dass der Brand sich zu diesem Zeitpunkt ausge- breitet und alle Fahrzeuge erfasst hatte, konnte die FW das Feuer kontrol- lieren und löschen

1988

Mont Blanc Frankreich/

Italien (11,6)

1 LKW - Einzelbrand

als die französi- schen FW-Kräfte eintrafen, konnten sie das Feuer löschen

1986

Herzogberg Österreich

(2)

LKW Bremsen überhitzt Einzelbrand

obwohl die FW über 20 min benötigte, um einzutreffen, wurde der Brand schnell gelöscht

1976

San Bernardino

Schweiz (6,6)

Bus mit 33 Insassen

Überhitzung im

Motorraum Einzelbrand

Rettungsmaßnah- men begannen 4 min nach der Alarmierung, Angriff der FW war sehr schnell, Brand breitete sich nicht aus

1974

Mont Blanc Frankreich/

Italien (11,6)

LKW Motor Einzelbrand

die französische FW traf schnell vor Ort ein, trotz dichtem Rauch konnte der Brand schnell gelöscht werden

* Angabe wurde nach eigener Recherche hinzugefügt [CROSS-HARBOUR]

Die aufgelisteten Brände können in erster Linie in zwei Kategorien gruppiert werden:

Einzelbrände

In diese Kategorie fallen Brände, bei denen bei der Brandentstehung und -entwicklung nur ein Fahrzeug betroffen ist. Aus der Übersicht zu den Bränden ist zu entneh- men, dass diese Brände sich vergleichsweise langsam ausdehnen, wenn nicht ein zusätzli- cher Faktor wie ausgelaufener Kraftstoff oder eine Explosion hinzukommen. Oftmals sind bereits zu Beginn Rauch oder Flammen zu beobachten, so dass Fahrer benachbarter Fahr- zeuge in geeigneter Weise reagieren können.

(29)

Kollisionsbrände

Zu dieser Kategorie zählen Brände, an deren Brandentstehung bereits mehrere Fahrzeuge beteiligt sind auf Grund eines Verkehrsunfalls, z.B. durch Kollision zweier Fahrzeuge. Diese Brände entwickeln sich in der Regel sehr schnell und können in ein Ausmaß münden, das schwer zu kontrollieren ist. Oftmals verursachen sie panische Reaktionen der anderen Tunnelnutzer.

Unter den in Tabelle 3.2 betrachteten 69 Tunnelbränden sind 48 (69,6 %) als Einzelbrände und 21 (30,4%) als Kollisionsbrände einzustufen.

Eine vergleichbare Analyse, die von der STUVA/STUFAtec GmbH angefertigt wurde, führt zu dem Ergebnis, dass ca. 62 % der untersuchten Brände durch technische Defekte am Fahr- zeug ausgelöst wurden, während weitere ca. 34 % der Brände durch Auffahrunfälle in Straßentunneln verursacht wurden [STUVA 2000]. In der letztgenannten Arbeit wurden 29 Brände in Straßentunneln ausgewertet.

Im Zuge einer weiterführenden Untergliederung der bewerteten Tunnelbrände ziehen Kim, Lönnermark und Ingason einen Feuerübersprung zu anderen Fahrzeugen als Klassifizierungskriterium heran.

Es resultieren nun vier Klassen von Tunnelbränden:

Klasse 1 (K1)

Der Brand wird von einem einzelnen Fahrzeug verursacht und greift nicht auf andere Fahrzeuge über.

Klasse 2 (K2)

Der Brand geht von einem einzelnen Fahrzeug aus und pflanzt sich auf weitere Fahrzeuge fort.

Klasse 3 (K3)

Der Brand entsteht als Folge der Kollision von mehreren Fahrzeugen, bleibt aber auf diese Fahrzeuge beschränkt.

Klasse 4 (K4)

Der Brand wird verursacht durch die Kollision mehrerer Fahrzeuge und dehnt sich auf andere Fahrzeuge aus.

(30)

Die Zuordnung der von Kim u. a. analysierten Tunnelbrände in die vier Klassen kann aus Tabelle 3.3 entnommen werden. Die Fokussierung auf den Feuerübersprung als Unterscheidungsmerkmal dieser vier Klassen von Bränden resultiert aus der entscheidenden Wirkung des Feuerübersprungs auf die räumliche Ausdehnung eines Brandes und der damit verbundenen Erhöhung der Wärmefreisetzungsrate.

Tabelle 3.3: Klassifizierung der Brände in Straßentunneln [KIM 2010]

Typ (%) Klasse Anzahl der Brände (%)

Anzahl nach Ort des ursprünglichen

Brandes

Opfer

Einzelbrand a) (69,6 %)

K1 43

(63,3 %)

LKW: 25 Bus oder Reisebus: 14

PKW: 3 Autokran: 1

Opfer: 11 keine Opfer: 32

K2 5

(7,3 %) LKW: 5 bei allen Bränden traten Opfer auf

Kollisionsbrand (30,4 %)

K3 7

(10,1 %)

Motorrad + 2 PKW: 1 LKW + Bus o. PKW: 2

PKW + Wand: 2 PKW + PKW o. Bus: 2

in 5 Fällen traten Opfer auf

K4 13

(18,8 %)

LKW + LKW: 1 LKW + PKW (Bus): 3

LKW (s) + PW: 5 LKW + Wand: 1 nicht bekannt: 3

bei allen Bränden traten Opfer auf

nicht bekannt 1

(1,5 %) nicht bekannt nicht bekannt

a) Ereignisse, bei denen nur Rauch ohne Flammen entstanden, wurden in die Einzelbrände integriert

Ausgehend von diesen 4 Klassen werden bei [KIM 2010] 6 verschiedene Brandszenarien für Einsatzstrategien der Feuerwehren in Abhängigkeit von dem zeitlichen Verlauf der Wärmefreisetzungsrate (HRR) diskutiert. Abbildung 3.3 zeigt die charakteristischen Verläufe dieser 6 Szenarien, die anschließend erläutert werden. Dabei werden hinter der Bezeichnung des Szenarios in Klammen die Kategorie (Einzelbrand oder Kollisionsbrand) und die Brandklasse/n (K1 bis K4) angegeben, bei denen ein solches Szenario auftreten kann.

Zunächst noch eine allgemeine Bemerkung. Beginnt die Feuerwehr den Löscheinsatz bzw.

wird eine stationäre Löschanlage ausgelöst, so kommt es zunächst häufig noch zu einem Anwachsen der HRR. Eine Ursache hierfür ist, dass mit dem Löschmittel durch die Luftströmung auch Sauerstoff dem Brand zugeführt wird. Ist die Löschintensität groß genug, so fällt die HRR jedoch wieder ab und der Brand wird begrenzt und kann gelöscht werden.

Wie stark und wie lange der Effekt auftritt, hängt von der konkreten Situation und von dem eingesetzten Löschverfahren ab. Er ist allgemein nicht quantifizierbar (vgl. Abbildung 3.2, Szenario A).

(31)

Abbildung 3.3: Abhängigkeit der Wärmefreisetzungsrate von der Zeit für verschiedene Tunnelbrandszenarien entsprechend der Klassifizierung von Kim u. a. [KIM 2010]

Szenario A (Einzelbrand, K1, K2)

Der Brand ist dadurch charakterisiert, dass er sich langsam entwickelt. Die weitere Ausbreitung kann durch das Eingreifen der Feuerwehr oder durch die Tunnelnutzer selbst grundlegend unterdrückt werden.

Die Brandbekämpfungsmaßnahmen müssen jedoch spätestens zum Zeitpunkt

„letztmöglicher Beginn des Löschangriffs“ begonnen werden. Hat die Brandleistung eine gewisse Grenze überschritten, wird durch eine mobile Brandbekämpfung dieser Brand nicht zeitnah zu löschen sein.

Erfolgt der Löschangriff rechtzeitig, so überschreitet das Maximum der HRR nicht den Grenzbereich. Die Feuerwehr kann den Brand unter Kontrolle bringen.

Ein Beispiel hierfür ist der in Tabelle 3.2 aufgeführte Brand im Mont Blanc-Tunnel im Jahr 1990.

Szenario a (Einzelbrand, K1)

Im Unterschied zu A ist maximal ein Fahrzeug beteiligt. Die HRR ist nicht groß genug, um einen Feuerübersprung zu ermöglichen bzw. es sind keine weiteren

̴̰ ̴̰ ̴̰ ̴̰

   ̰̰ 

20 30

a

A D

C c

B

Zeit (min) HRR

(MW)

Grenz- bereich

defensive Strategie

kombinierte Strategie offensive Strategie Beginn des

Löschangriffs

letztmöglicher Beginn letztmöglicher Beginn des Löschangriffs des Löschangriffs

für C und D für A und B

(32)

Brandlasten/Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe. Das Eingreifen der Feuerwehr ist nicht immer erforderlich.

Diese Situation ist typisch für die meisten kleinen Brände.

Szenario B (Einzelbrand, K2)

Zwei typische Situationen sind hier zu betrachten. Als Beispiel wird der Mont Blanc- Tunnelbrand von 1999 herangezogen. Aufgrund der schnellen Brandentwicklung hatte die Feuerwehr keine Chance aktiv zu werden, obwohl 5 Minuten nach der Detektion ein Fahrzeug auf der französischen Seite mit vier Einsatzkräften in den Tunnel einfuhr.

Wegen der starken Verrauchung und der Wärmeentwicklung konnten sie nicht an den Brand herankommen und die Brandbekämpfung aufnehmen (s. Anlage A).

Es kann aber auch die Situation eintreten, dass die Feuerwehr zwar aktiv werden kann, jedoch die zum Einsatz kommende Löschintensität nicht ausreicht und der Brand sich weiter ausdehnen und nicht kontrolliert werden kann. Eine derartige Situation ist gegeben, wenn sie sich zwar auf der „upstream“ Seite nähern kann, jedoch auf der

„downstream“ Seite die Brandausdehnung nicht unterdrücken kann. Der Zeitpunkt

„letztmöglicher Beginn des Löschangriffs“ ist in beiden Fällen überschritten.

Szenario C (Kollisionsbrand, K3)

Bei diesem Szenario kommt es zu keiner weitere Brandausbreitung. Die Feuerwehr nimmt vor dem Zeitpunkt „letztmöglicher Beginn des Löschangriffs“ die Brandbekämpfung auf und verhindert, dass die HRR den Grenzbereich überschreitet.

Szenario c (Kollisionsbrand, K3)

Bei diesem Szenario kommt es zu keinem Feuerübersprung. Der Einsatz der Feuerwehr ist nicht immer erforderlich.

Szenario D (Kollisionsbrand, K4)

Dieses Szenario ist mit einer sehr schnellen Brandentwicklung verbunden. Der Brand bleibt nicht begrenzt. Das Energiepotential ist so groß, das es zu weiteren Feuerübersprüngen kommt. Dieses Szenario ist durch mobile Einsatzkräfte allein nicht beherrschbar.

(33)

3.3 Einteilung von Straßentunneln als Grundlage für Feuerwehreinsätze

Zusätzlich zur Kategorisierung von möglichen Brandszenarien in Straßentunneln nehmen Kim, Lönnermark und Ingason [KIM 2010] eine Einteilung der Straßentunnel selbst vor, um das Gefährdungspotential eines Straßentunnels aus der Sicht der Feuerwehr einschätzen zu können und dieses mit geeigneten Maßnahmen zu reduzieren. So kann zum Beispiel das Gefährdungspotential eines Straßentunnels, der einerseits durch ein hohes Brandrisiko charakterisiert wird und andererseits sich durch eine erhebliche Bedeutung für das Transportwegesystem auszeichnet, durch den Einbau einer stationären Löschanlage verringert werden.

Für die Klassifizierung der Straßentunnel ziehen Kim u.a. die folgenden vier Kriterien heran:

LKW-Aufkommen und Fahrzeuge, die Gefahrgüter transportieren

Bei der Klassifizierung der Brände in Tunneln war festgestellt worden, dass bei Bränden, in denen nur PKW oder Busse involviert waren, kein Feuerübersprung auftrat.

Typ des Tunnels

Unfälle in Straßentunneln zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für Kollisionsbrände oder Feuerübersprünge in Gegenverkehrstunneln höher ist als in Richtungs- verkehrstunneln. Weiterhin ist bei Bränden in Gegenverkehrstunneln eine höhere Anzahl von eingeschlossenen Personen zu erwarten, so dass die Feuerwehr sich im Anfangsstadium ihres Einsatzes auf Rettungsmaßnahmen konzentrieren muss.

Letzteres führt wiederum zu einem Anwachsen der Dimension des Brandes.

Tendenz zur Staubildung im Tunnel

Im Brandfall werden die Fluchtmöglichkeiten bei gleichzeitigem Verkehrsstau stark behindert. Weiterhin ist das Vordringen der Einsatzkräfte der Feuerwehr zum

Brandherd signifikant eingeschränkt, was das Ausmaß des Brandes vergrößern kann.

Zeit zwischen Brandausbruch und Eingreifen der Feuerwehr

In Auswertung von Brandereignissen in Straßentunneln werden drei Zeitintervalle festgelegt:

 Innerhalb von 8 Minuten

 Zwischen 8 und 20 Minuten

 Mehr als 20 Minuten

(34)

In Abhängigkeit von den aufgelisteten Kriterien werden in der Arbeit [KIM 2010] vier Gruppen von Straßentunneln etabliert. Diese Gruppeneinteilung ist in der Tabelle 3.4 veranschaulicht.

Zu den vier Gruppen von Straßentunneln werden neben den Klassen der Tunnelbrände insbesondere für die jeweilige Gruppe der Straßentunnel charakteristische Brandszenarien entsprechend Abbildung 3.3 zugeordnet. Der Abbildung 3.4 ist ein Fließschema zur Einstufung der Straßentunnel zu entnehmen.

Tabelle 3.4: Klassifizierung der Brände in Straßentunneln [KIM 2010]

Gruppe Beschreibung

Zeit zwischen Brandausbruch und Eingreifen der

Feuerwehr

Beispiele für Klassen der Tunnelbrände

(s. Tabelle 3.3)

Beispiele für Brandszenarien

(s. Abbildung 3.3)

Gruppe I

Das Passieren von LKW und Fahrzeugen mit

Gefahrgut ist eingeschränkt

Die Feuerwehr ist in der Lage, Brände zu löschen, unabhängig von Eingreifzeit und Größe des Brandes

K1 A, a

Gruppe II

Richtungsverkehrstunnel – Eingreifzeit der Feuerwehr beträgt weniger als 8 Minuten oder stationäre Löschanlage ist installiert Alle Brände sind unter Kontrolle, entweder durch Feuerwehr oder durch stationäre Löschanlage

bis 8 Minuten K1, K2, K3, K4 A, a, C, c

Gruppe III

Richtungsverkehrstunnel – Die Feuerwehr kann sich langsam entwickelnde Brände wie z.B. der Klasse 2 kontrollieren, so dass Brände der Klasse 1 resultieren

zwischen 8 Minuten

und 20 Minuten K1, K2 A, a, C, c

Gruppe IV

Gegenverkehrstunnel oder Verkehrsstau im Tunnel – Das Risiko für das Entstehen von Kollisions- bränden und von Feuerübersprüngen ist signifikant hoch

mehr als 20 Minuten K2, K4 B, D

(35)

Abbildung 3.4: Fließschema zur Einstufung der Straßentunnel entsprechend des Verfahrens von Kim u. a. [KIM 2010]

Start

LKW- oder Gefahrgut

erlaubt?

LKW- oder Gefahrgut

erlaubt?

Typ des Tunnels

Staugefahr?

Gruppe I

Gruppe IV

Gruppe II

Gruppe III

Ja

Richtungsverkehr

Gegenverkehr Nein

Ja

>20 min <8 min

8-20 min Nein

LKW- oder Gefahrgut erlaubt?

Typ des Tunnels

Staugefahr?

Zeit zwischen Brandausbruch und

Eingreifen der Feuerwehr

(36)

3.4 Schlussfolgerungen für die mobile Bekämpfung von Tunnelbränden

Die Einsatzkräfte einer Freiwilligen Feuerwehr werden im ländlichen Bereich in der Regel frühestens nach 10 Minuten bis 20 Minuten am Tunnelportal eintreffen. Diese Zeiten liegen im städtischen Bereich bei einer Berufsfeuerwehr sicher deutlich unter 10 Minuten. Befindet sich in unmittelbarer Nähe des Tunnelportals eine Feuerwache, so kann ein Feuerwehrfahrzeug nach 2 Minuten bis 3 Minuten am Tunnelportal verfügbar sein. Kommt es nun im Tunnel zu einem Brandereignis und liegt der Ereignisort einige Kilometer vom Portal entfernt, so kann eine Feuerwehr unter Umständen erst nach 10 Minuten oder noch deutlich später tätig werden, wobei diese Zeit vom Tunnelportal aus gerechnet ist.

Fährt wie beim Brand des Mont Blanc-Tunnels ein mit Lebensmitteln beladener LKW (9 Tonnen Margarine und 12 Tonnen Mehl) in einen Tunnel ein und kommt es einige Kilometer vom Portal entfernt zu einem vergleichbaren Unfall mit Brandfolge, so kann auch zukünftig ein ähnliches Szenario eintreten.

Eine deutliche Konsequenzminderung kann durch eine leistungsfähige Rauchabzugsanlage erreicht werden. Es ist möglich, nach vollem Anlaufen der Absaugung weite Bereiche des Tunnels rauchfrei zu halten. In der näheren Umgebung des Brandes wird dies nur begrenzt möglich sein. Wie groß der verrauchte Abschnitt ist, hängt u. a. von der Brandgröße und der technischen Ausführung der Absaugung ab. Eine installierte Rauchabzugsanlage ist jedoch noch kein Garant für mehr Sicherheit im Brandfall. Beim Mont-Blanc-Tunnel war eine derartige Anlage installiert, aber ein nicht abgestimmtes Handeln verhinderte die erhoffte Konsequenzminderung. Neben der technischen Installation einer Rauchabzugsanlage ist darüber hinaus zu sichern, dass im Brandfall unbedingt ein koordiniertes Vorgehen zwischen den Betreibern der Betriebstechnik und der Feuerwehr gesichert ist. Das muss intensiv trainiert werden. Beim Brand im St. Gotthard-Tunnel 2001 wurden Konsequenz mindernde Effekte erzielt.

Eine wesentliche Verbesserung kann durch eine stationäre Brandbekämpfungsanlage erreicht werden. Diese kann deutlich vor Eintreffen der Feuerwehr aktiv werden, den Brand begrenzen und den Feuerwehrangriff auch am Brandort ermöglichen. Vor allem wird auch die Möglichkeit der Selbstrettung verbessert. Derartige Anlagen sind bereits installiert.

Eingesetzt werden u.a. Wassernebeltechnologien oder auf Schaum basierende Verfahren.

Von deutschen Herstellern werden zwei Systeme angeboten, die auf diesen Technologien basieren.

Eine Hochdruckwassernebelbrandbekämpfungsanlage wurde im Rahmen geförderter Projekte SOLIT und SOLIT2 (Safety of Life in Tunnels) entwickelt und getestet (s. [STARKE 2010]). Im Ausland ist dieses System in einigen Tunneln bereits installiert [FOGTEC].

(37)

One Seven ist ein auf Druckluftschaum basierendes System. Dieses System wird gegenwärtig in Deutschland ein zweites Mal installiert. Eine Beschreibung der Technologie sowie eine Referenzliste sind bei [ONE SEVEN] zu finden.

Generell bleibt festzustellen, dass es für die Tunnelsicherheit keine universell gültige Lösung gibt. Ausgangspunkt muss immer eine auf den konkreten Tunnel bezogene Risikobetrachtung sein, die ausgehend von der Nutzung, der Verfügbarkeit der Feuerwehr und vielen anderen Einflussfaktoren ein Sicherheitskonzept entwickelt.

Wird die Installation einer Brandbekämpfungsanlage erwogen, so ist auch die Frage des Gefahrguttransportes durch Tunnel zu überdenken. Dieser Aspekt wird im Teil II der vorliegenden Arbeit beleuchtet.

(38)

T T E E I I L L I I I I

4 E

INLEITUNG

Die Beförderung von gefährlichen Stoffen auf der Straße ist international durch das europäische Übereinkommen ADR geregelt. Mit der Novelle 2007 des ADR wurde die Grundlage für eine einheitliche, europäische Regelung für Beschränkungen von Gefahrguttransporten durch Straßentunnel geschaffen [ADR 2007]. Kernstück bildet die Festlegung der Tunnelkategorien A bis E entsprechend möglicher Konsequenzen der jeweils zugelassenen Gefahrguttransporte. Auf Basis einer risikobasierten Kategorisierung der Tunnelanlagen besteht die Möglichkeit, differenziert nach Gefahrgutgruppen, Durchfahrtsverbote zu erlassen.

Die folgenden Wirkungsarten von Gefahrguttransporten sind unter dem Aspekt des Risikos für die Tunnelnutzer zu berücksichtigen: Explosions-/Druckwirkung, Toxizität, Brandwirkung.

Verschiedene im ADR enthaltene Angaben gestatten, die von transportierten Gefahrstoffen ausgehenden möglichen Wirkungen einzuschätzen.

Alle im ADR beinhalteten Gefahrgüter sind Angehörige einer bestimmten Gefahrgutklasse.

Weiterhin werden die von einem Gefahrgut ausgehenden Haupt- und Nebengefahren durch die sogenannte Nummer zur Kennzeichnung der Gefahr, früher Kemler-Zahl, zum Ausdruck gebracht. Diese kann aus der Stoffliste des ADR, Kapitel 3 Spalte 20 entnommen werden.

Bei der Beförderung von Gefahrgut ist sie über der UN-Nummer auf der orangenen Tafel anzugeben, die am Fahrzeug anzubringen ist. Damit stellt sie bei einem Gefahrgutunfall eine wichtige Informationsquelle für die Ersteinsatzkräfte der Feuerwehr dar. Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit betrachtet werden, wie sich die Wirkungen von Gefahrgütern, die die Durchfahrtbeschränkung für bestimmte Tunnelkategorien begründen, in den entsprechenden Nummern zur Kennzeichnung der Gefahr abbilden. Diese Analyse soll weiterhin die Risiken aufzeigen, die für die Tunnelkategorien gegeben sind, für die die jeweilige Durchfahrtbeschränkung nicht gilt. Weiterhin wird in die Untersuchungen für eine Reihe von Gefahrstoffen der Gefahrendiamant einbezogen, der in einem Stufensystem für Gesundheits-, Brand- und Reaktionsgefahr eines Stoffes zur Verfügung stellt. Im Rahmen der Erstbeurteilung einer Gefahrenlage hat der Gefahrendiamant in den Reihen der Feuerwehr eine starke Verbreitung gefunden.

Mit Hilfe von statistischen Erhebungen können die Gefahrstoffklassen ermittelt werden, die den Hauptanteil an der Gesamtmenge der transportierten Gefahrgüter in Deutschland reprä-

Referenzen

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