• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ein kleines Kapitel Medizingeschichte: Einige Tage „Gastchirurgie“ in der HNO-Klinik Pjöngjang" (20.01.2006)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ein kleines Kapitel Medizingeschichte: Einige Tage „Gastchirurgie“ in der HNO-Klinik Pjöngjang" (20.01.2006)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

T H E M E N D E R Z E I T

A

A108 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 3⏐⏐20. Januar 2006

A

m 4. Oktober 2005 folgte der Be- such der Universitäts-HNO-Kli- nik in Pjöngjang. Hier trafen wir zwei Ärzte, die bereits von April 2002 bis März 2003 in der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals- chirurgie am Carl-Thiem-Klinikum Cott- bus hospitiert hatten. Der Chefarzt der Klinik und der stellvertretende leitende Arzt des Universitätskrankenhauses, der selbst Chirurg ist und in den

folgenden Tagen als wesentli- cher Ansprechpartner fungier- te, nahmen uns sehr freund- lich auf.

Ein Untersuchungsraum war mit einer modernen HNO-Un- tersuchungseinheit ausgestat- tet,die auch ein Untersuchungs- mikroskop sowie eine Lupen- endoskopie mit Videoübertra- gung auf einen Monitor zuließ.

Dieses Gerät hatten wir vor vier Jahren bei unserem ersten Be- such in Nordkorea noch nicht gesehen, es symbolisierte für uns den auch in anderen Berei- chen unübersehbaren Fort- schritt in diesem Klinikum.

Drei Patienten waren für Mittelohroperationen vorgese-

hen.Der Operationstrakt bestand aus vier oder fünf einfach ausgestatteten Räumen, in denen während der nächsten Tage un- regelmäßig parallel zu unserem Saal ope- riert wurde. Am nächsten Morgen richte- ten wir zusammen mit den um unser Wohl emsig besorgten OP-Schwestern und Ärz- ten den OP-Tisch.Wir entschieden uns,für die mikrochirurgischen Eingriffe das bei unserem früheren Aufenthalt aus Cottbus gelieferte OP-Mikroskop zu verwenden, wobei leider der diesmal von uns mitge- brachte Mitbeobachtertubus nicht funk- tionierte, sodass ich bei den nachfolgen- den Operationen nach den einzelnen Ar- beitsschritten immer wieder innehalten musste, um den ausgesprochen interes- sierten Kollegen nacheinander auf bin- okularem Wege den Einblick auf den Operationssitus zu ermöglichen.

Die begleitende Vollnarkose der Pati- enten funktionierte komplikationslos und ließ keine Wünsche offen. Die Helligkeit der Lampe des Operationsmikroskopes war technisch bedingt allerdings deutlich geringer, als ich es sonst gewohnt bin.

Alle Patienten wiesen neben den vor- handenen Defekten im Mittelohr eine er- hebliche Tympanosklerose auf. Die Ein- griffe konnten in gewohnter Weise durch- geführt und in der Regel mit dem Einsatz einer Mittelohrhörprothese, die wir eben- falls mitgebracht hatten, abgeschlossen werden. Die stets sehr zahlreich anwesen- den nordkoreanischen Kollegen bewiesen bei den parallel geführten Gesprächen,

die von unseren offiziellen koreanischen Reisebegleitern übersetzt wurden, gute fachliche Kenntnisse und eine umfassen- de Übersicht über den gegenwärtigen Forschungsstand. Bei einer Schlussbe- sprechung nach der Operation wurde uns mitgeteilt, dass wir wohl die ersten Mittel- ohroperationen in diesem Land durchge- führt und damit ein kleines Kapitel „Me- dizingeschichte“ geschrieben hätten.

Für den nächsten Tag bat man uns, eine Laryngektomie vorzunehmen. Man stell- te mir dazu drei Patienten vor, die alle an erheblich fortgeschrittenen Kehlkopfkar- zinomen erkrankt waren.Auf einen derart umfangreichen Eingriff waren wir instru- menten- und apparatetechnisch eigentlich nicht vorbereitet. Doch glaubten wir, nach intensivem Abwägen der Risiken, uns nicht verweigern zu dürfen.

Wir planten, vor der eigentlichen Ope- ration zunächst noch einmal eine mikro- skopische Exploration des Tumorgebietes in Intubationsnarkose vorzunehmen. We- gen der Übergröße der Geschwulst ge- lang keine Intubation. Bei einer eintreten-

den Blutung aus der Tumorregion wurde dann wegen drohender Sauerstoffentsät- tigung eine Nottracheotomie notwendig, die mithilfe aller im OP Anwesenden in Minutenschnelle durchgeführt werden konnte und mit dem Einsatz des Beat- mungstubus ausreichende Sicherheit für den Patienten schuf. Anschließend folgte, dann wieder unter „normalen“ Bedingun- gen, die Laryngektomie mit rechtsseitiger modifiziert funktioneller Neck- dissection bei Verdacht auf Vor- liegen einer regionären Lymph- knotenmetastase und die links- seitige Gefäßscheidenrevision, ebenfalls mit Entnahme mehre- rer Lymphknoten. Es wurden mir zwei jüngere nordkoreani- sche Kollegen – einer von ihnen habe ein Jahr Weiterbildungszeit in Zürich absolviert – als Assi- stenten zur Seite gestellt, die ihre Aufgabe sehr gut bewältigten.

Außerdem konnten nach der Einarbeitung am Vortage die einheimischen OP-Schwestern bereits auf Blickkontakt hin hel- fend tätig werden.

Die Operation dauerte knapp sieben Stunden und verlief in al- len Phasen problemlos. Über weite Strecken verfolgten die Kollegen in Zweierreihen den Ablauf des Gesche- hens. Angeblich sind die Operationen zu- sätzlich über eine an der OP-Lampe ange- brachte Kamera in einen Nachbarraum übertragen worden.

Das Tracheostoma wurde von mir so weit angelegt, dass auch bei fehlendem Einsatz einer Kanüle kaum die Gefahr ei- ner narbigen Stenose entstehen dürfte.

Aktuell haben wir uns mit dem Einsatz ei- nes gekürzten Intubationstubus beholfen.

Nach der OP wurde der Patient sehr schnell auf die normale Bettenstation ver- legt, wo er uns am nächsten Morgen als Zeichen seiner Dankbarkeit den hoch ge- streckten Daumen entgegenhielt.

Zum Schluss unserer OP-Woche in der Universitätsklinik kam von allen Seiten deutlich zum Ausdruck, dass man sich über unseren Besuch gefreut hat und fachliche Anregungen aufnehmen will. Man bat uns inständig, auch weiter- hin Hilfe zu leisten.

Prof. Dr. med. Thomas Eichhorn CTK Cottbus, Thiemstraße 11, 03048 Cottbus

Ein kleines Kapitel Medizingeschichte

Einige Tage „Gastchirurgie“ in der HNO-Klinik Pjöngjang

Zum Teil verfolgten die nordkoreanischen Kollegen in Zweierrei- hen den Ablauf des Geschehens während der OP.

Foto:Danilo Melis

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Beweistechnik: Kombination von Typsystem und Semantik Beobachtung: Programm wohlgetypt, wenn Typ eines Aus- drucks durch Auswertung gleich bleibt (auch kleinere Typen

Doch selbst wenn Peking bis 2017 seine Ziele für Feinstaubbelastung er- reicht, wird diese immer noch dreimal so hoch sein wie in Berlin und sechs- mal so hoch wie der von der WHO

Jeder Schüler erhält eine Bingo-Vorlage und faltet an der gepunkteten Linie die Vorlage so nach hinten, dass nur der Bingo-Plan zu sehen ist.. Nun tragen die Schüler die neben

Dank der Bürgerversammlung nimmt Irland jetzt weltweit eine Spitzenposition ein, wenn es darum geht, repräsentative Demokratie (Parlament), deliberative

Ödipuskomplex: Kennzeichnung bestimmter frühkindlicher Beziehungen zu den Eltern: Liebe zum gegengeschlechtlichen Elternteil, gleichzeitig Entwicklung von Haß und Eifersucht

Der moderne Staat entsteht Liechtenstein fand sich in einer wirtschaftlich isolierten Lage, wo sich das Gewerbe nicht entwickeln konnte und die kleinbäuerliche

Phenolphthalëin ist mit Lauge rotviolett (pink). ? Nenne je drei Stoffe aus dem Alltag, die sauer bzw. Sauer sind Essig, Apfelsaft und Cola; basisch sind

Da aber die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist und sich im Tierversuch Blutbildveränderungen zeigten, die auf die Begleitstoffe des Vincamins zurückzuführen sind, wurde 1987