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Anonym: "Sua cuique Persona". Maske, Rolle, Porträt (ca. 1520)

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Anonym:

»Sua

cuiquePersona«. Maske, Rolle,Porträt (ca. 1520)

SVA CUIQUEPERSONA

Jedem seine Maske oder:

Jeder besitzteineMaske

Inschrift einesSchiebedeckelszu einem verschollenenPorträt, Florenz, jetzt Galleria degli Uffizi, zuvor Deposito della Soprintendenza per iBeni Artistici e Storici di Firenze, Inv.

1890, Nr. 6042.

Kommentar

In einer jener Verbindungen,in der WortundBildsichgegenseitig deuten, istdiehier zitierte Inschrift in römischer Capitalis auf einem hölzernen Porträtdeckel eingetragen (Abb. 10).' Sie befindetsich dort auf einem fingiertenMarmortäfelchen, über demsich groteske, ineinander verschlungene Delphine tummeln. Getragen wird dieTafel von chi- märenhaften Fabelwesen, die ihreaufgerissenenLöwenmäuler mit denlangengerollten Zungensymmetrisch an denBildrandgestreckthaben,umin ihrerMitte Raum zu lassen für eine Theatermaske, diean schmalenBändernzwischendiegeschwungenen Hälse der Tiere gespannt ist. Von der sonst monochromen, in Brauntönengehaltenen Malerei hebt sich die hellere Maske durchihreFarbigkeit eindrucksvoll ab. Ihre Oberfläche zeigtin täuschender Ähnlichkeit dieBeschaffenheit menschlicher Haut, ihre Wangen sind von einemzarten Rot getöntund ihre Lippen wie zumSprechen leichtgeöffnet. Währendein dunklerSchattenüber ihrerechteGesichtshälftegelegt ist, blicken ihre leeren Augen, hinter denen sich dieSicht auf dendunklen Grund des Bildes öffnet, auf den Betrachter.

Alle Anzeichen scheinhafter Lebendigkeitdes Maskengesichts werden durch diesen ebensototen wieunheimlichen Blick, die strenge Symmetrie der beiden Gesichtshälften und das Fehlen jeder mimischen Regung wiederin die Unbeweglichkeitund Starreeines leblosen Objektes zurückgefiihrt. Die auchgeschlechtlich nicht bestimmbare Maske zeigt sich damit in der ihr eigenen Paradoxie2, denn sie verspricht Individualität undist zugleich von abstrakter Allgemeinheit.

Der orginale Rahmen und ein kleiner Metallring,der sich am oberenBildrandbefin­

det, verraten,daß das Gemäldeehemals als ein Schiebedeckelkonzipiert worden ist,der als Schutz für ein anderes, darunterbefindliches Bild diente? Die Maske wie die Inschrift lassen keinen Zweifel, daßes sich bei dem zugehörigen Bild,das heute wohl verlorenist4, um einPorträt gehandelt haben muß. Das Gemälde gehört damit zu jener Gruppeprivater Originalveröffentlichung in: Preimesberger, Rudolf u.a. (Hrsgg.): Porträt, Berlin 1999, S. 239-246 (Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren ; 2)

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Bildnisse, die nicht dauerhaft an der Wand hingen, sondern für einen unmittelbareren, nicht allein auf den Sehsinn beschränkten Umgang zwischen Bildnis undBetrachter be­ stimmtwaren. Dabeihandelte essich häufig um transportable, oftauch aufdenRückseiten bemalteObjekte, die geschlossen in eigenenFutteralen, unter Deckeln oder hinterSpie­

geln verwahrt wurden.5 Nurin besonderen und geeigneten Augenblicken wurden sie zum Gegenstand der Wahrnehmung, denn in einer zwar intimen, aber dennoch theatralischen Inszenierung zeigtensie sich demBetrachter erst nachdem Entfernendes Deckels.

Dieses performative Moment wird im Fall des FlorentinerBildesdurch die beigege­

benelateinische Inschrift »Suacuiquepersona« nochverstärkt,da ihr Inhalt an die mit demschützenden Deckel verbundene Dialektik des Enthüllens und Verbergensanknüpft.

Was aus der Inschrift alleinnicht eindeutig genug hervorgehenmag,ist durch die darunter befindlicheMaskehinreichend konkretisiert:Siemacht deutlich,daß mit demlateinischen

»persona« jener der römischen Antike geläufigeBegriff gemeint sein muß. der im Deut­ schengleichbedeutend ist mit »Maske« oder auch»Rolle«.6 Derin einer rhetorischen Ellipseverkürzte Satzkann daher als »Jedem seine Maske« oder »Jeder besitzt eine Maske« übersetztwerden. Durch ihn wird derBetrachter zu einem interpretatorischen Spiel aufgefordert, beidem erden durch die Inschrift evozierten Begriff der»Person« mit der Maske des Deckels und dem darunter befindlichen Porträt in ein Verhältnis zu setzen hat.Wie komplex diese Deutungausfallenmuß, wird im historischen Rückgriff auf die mehr als komplizierte Geschichte der Semantik von»persona«deutlich, denn das Wort kann in seinerBedeutung zwischen dem maskierten SpieleinerRolle und dem Einzelnen als einermoralischen Instanz changieren.

Währenddas heute gebräuchliche Wort »Maske«aus dem Arabischen kommt und sichim späten Mittelalter im europäischen Sprachraum eingebürgerthat, wurde in der römischen Antike die Maske desSchauspielersals»persona« bezeichnet.7SchonAulins Gellius hatte in einervermutlich unrichtigen Vulgäretymologie die Bedeutungvon»per­

sona«von »per - sonare« alsdem »Durchtönen«, d. h. der akustischen Wirkung des Sprechens durch die Maske, abgeleitet.8 Inmetonymischer Erweiterung konnte der Be­ griffauch aufdie Rolle des Mimen übertragen werden.9 Spätestens bei Cicero läßt sich eine Theoriedes menschlichenHandelns als einer Rollentheoriefassen, in der der jewei­ ligen »persona« und ihrer Bewältigung eine moralischeKomponente zukommt. In seiner einflußreichenSchrift»De officiis« erklärt er: »Man mußauch erkennen, daß wir vonder Natur gleichsammitzwei Rollen betraut worden sind.. ./Intellegendumetiam est duabus quasi nosa natura indutosessepersonis.«Zu diesen zwei »personae«, die in derVernunft­

natur des Menscheneinerseits, in seiner spezifischen Veranlagungandererseits begründet sind, fügt Cicero einedritte und viertehinzu,die demEinzelnen nicht vonNatur aus, sondern einerseitsdurch den Zufall und andererseits auf Grund einer eigenen Wahl zu­

kommen: »Und den zwei Rollen,die ichobennannte, wirdeine drittehinzugefügt,die

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Abb. 10

Anonym, Schiebedeckel zu einemverschollenenPorträt,Florenz, Uffizien

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irgendeinZufall odereine Lage auferlegt, sogar eine vierte, die wir uns selber nach eige­ nem Urteil anpassen. Denn Königreiche, Befehlsgewalt, Adel, Ämter, Reichtümer, Machtmittel und dasGegenteil davon, das liegt imZufallundwird von zeitlicher Lage diktiert. Die Rolle aber, die wir spielenmöchten, gehtvon unseremWillenaus. /Ac duabus iis personis,quas supra dixi, tertiaadiungitur, quam Casus aliqui auttempus imponit, quarta etiam, quam nobismet ipsi iudicio nostro accommodamus. Namregna, imperia, nobilita- tem,honores, divitias, opes eaque,quae sunt his contraria:in casu sitatemporibus guber- nantur; ipsi autem gerere quam personam velimus,a nostra voluntate proficiscitur.«10 Ciceromuß die dem Theater entlehnte Metaphorik von demgriechischen Philosophen Panaitios übernommen haben, als erdessen Begriff »prosopon«,derimDeutschensowohl

»Maske« alsauch »Antlitz« heißen kann, ins Lateinische übersetzte.11Daß eine solche einmal eingenommene öffentliche Rolle eine Verpflichtung darstellen kann, dieesauch wider Willen beizubehalten gilt, findet sichetwa beiSeneca: »... diese Rollehast Du übernommen, spielen mußt Du sie.«12Während in Ciceros Ethik den verschiedenen Rol­ len des Menschen eine moralische Dimensionzukommt, die notwendigin Relation zu dem vonihm entworfenen Verständnis der»virtus« steht,ist es im Sprachgebrauch der römischen Antike vor allem die Stellung oder dasAmt, das der Einzelneinnerhalb des Gesellschaftsystems inne hat und das ihn zueinem bestimmten Verhalten verpflichtet, das mitdem Begriff der »persona« bezeichnet wird.13

In diesemletztgenannten Sinnfindet das Wort »persona« nochin der Spätantike und imlateinischen MittelalterVerwendung.In der philosophischen Auseinandersetzung tritt dieserSinn aber zurück hintereine neue Bedeutung,die sich aus der trinitarischen Speku­ lationund der Christologie entwickelt und die Semantik des Begriffs entscheidend erwei­

tert.14 Zwarwarauch den mittelalterlichenAutoren die Bedeutung von »persona« als

»Maske« bekannt. So nenntBoethius diesen Aspekt genauso, wie vielspäter Thomas von Aquin. Wenn aberetwaAbaelardam Anfang des 12. Jahrhunderts konstatiert, daß das Wort »persona« »aufdrei oder vier oder vielleicht noch mehrArten« gebrauchtwerde, richtet sich seinInteresse in der Hauptsacheauf dieaus der Grammatik übernommene Rede vonVater,Sohnund dem heiligen Geist als den drei göttlichen »personae«. Verbun­ denistdamitdie Frage, auf welche Weise die PersondesSohnes zwei Naturen in einer hypostatischen Union in sichvereinen könne. Seit dem13. Jahrhundertwirddieses »Per­ sonsein«Christiin einerOntologie des moralischen Seins verankert. Danachist es die ihr eigene Würde, diedie PersonChristi zurPerson macht. In dieser Tradition, deren wich­ tigste Argumente hier nur ansatzweisegenanntwerden können,läßt sicheineder Grund­

lagenfür den heute indieKrisegeratenenmodernen Personenbegriff ausmachen, derauf derVorstellung des Menschenalseinem moralischenWesen beruht,dessen spezifische Würdein seiner Freiheit begründet liegt.15

Vor allem in der Auseinandersetzung um die Konstitutiondes neuzeitliche Subjektes

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rückt die Rede von der »persona« gerade wegenihrer Uneindeutigkeit und ihrer zwischen der Maskenhaftigkeit des Menschenund seiner spezifischen Würde schwankenden Be­

deutung wieder verstärkt ins Zentrum der intellektuellenBeschäftigung. Auf eine entspre­

chendeAmbivalenz in der Einschätzungdes Einzelnen und aufeine veränderte Konzep­

tion des Begriffs deuten beispielsweise die Sätze hin, die Erasmus von Rotterdamim»Lob der Torheit« der Figur der »stultitia« in den Mundlegt:»Wenn einer den Spielern auf der Bühne dieMasken abreißen wollte, um den Zuschauern ihre wahrennatürlichenGesichter zu enthüllen,stellteder nicht das ganzeStück auf den Kopf undverdiente, wie einTob­

süchtiger mit Steinen vom Platzegejagtzu werden? Alles hätte plötzlich ein neues Ge­

sicht ... Zerstört man aberdieIllusion, soist das Spielverdorben - gerade Maske und Schminke sind das, was den Zuschauer fesselt. Was anderes ist nun das Lebenalsein Schauspiel, in demjeder seine Maske vor das Gesicht nimmt,auftrittund seineRolle spielt, bis der Leiter ihn abtreten heißt?«16 In der Passage,in derErasmus die Theaterme­

tapherzueiner Deutung des menschlichen Lebens heranzieht, wird die »persona«zueiner Hülle,hinterdersich das wahre Gesicht(facies) des Einzelnen versteckt. Die Doppelfunk- tion der Maske, gleichermaßen zu zeigenwie zu verbergen, gerät hier zurVoraussetzung für dasSpiel des Lebens.

Fast zeitgleichmitErasmus hat Niccolö Macchiavelli eine Theorie des politischen Handelns entworfen, inder dem maskierten Verbergen wahrerAbsichten eineentschei­ dende und durchaus vergleichbare Rolle zukommt. Indem 1513 veröffentlichtenTraktat über denFürsten, den er dem jüngerenLorenzo de’Medici widmete, beschreibt Macchia­ velli in Verkehrung christlicher Verhaltens-undKlugheitsvorstellungen die Notwendig­ keit eines auf Nutzen und Machterhalt gerichteten Handelns.Simulierend, d. h.vorspie­

gelnd, wasnicht existiert und dissimulierend, d. h. verbergend,was existiert,hatsichsein Fürst nie andersals maskiert zu zeigen: »... e necessario ... essere grausimulatoree dissimulatore.«17 Selbst die Wahrheit kannfür ihn unter Umständen zur Maske werden.

In dem schon bei Pontanus greifbare Konflikt zwischen dem sittlich guten und dem nützlichen Handelnzeichnet sich eine Einschätzung des menschlichenTuns ab, die sich nichtaufdenpolitischen Bereich beschränken läßt, da Macchiavellis Anweisungen zum Handlungsmodell für jedenEinzelnenwerden können.18 Wennauch explizit nurfür den Herrschenden entwickelt, müssen seine Schriften vielmehr als eine frühneuzeitliche Theo­ rie des Subjekts verstanden werden,dennsie lassen sich in gleichem Maße als Anleitung zu einer »Kunst des Selbst« deuten, wie der wenig später von Baldassare Castiglione verfaßte »Hofmann«.19 Was in den genanntenTexten auf dem Spiel steht,ist demnach die Frage nach der Identität des Einzelnen. Schon Leon BattistaAlberti hatte unterdem nachdrücklichenHinweis, daß »persona« ursprünglich Maske bedeutete, die Auflösung des Einzelnen in einer verwirrenden Vielfalt eben solcherMasken beklagt.21’

Jeder Versuch,vor diesem Hintergrund das Motiv derMaske unddie zugehörige In­

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schrift »Sua cuiquepersona« auf dem Porträtdeckel zu deuten, bleibt notwendig andie Doppeldeutigkeitdes Begriffes der Personwie an die Paradoxie derMaske gebunden. Das interpretatorische Spiel,was als verborgener undwasals sichtbarerTeildes Porträts zu gelten habe, scheint sich nicht erst durch den Verlust des Hauptbildes in einerabsichtsvollen Schwebe zu befinden. Dem Betrachter muß sich daherdie Frage stellen, ob das darunter befindliche Porträt bereits demaskiert ist undein wahresGesichtzeigt, oder ob es selbst noch maskenhaftist.Die Antwort auf diese Frage bleibtnotwendig offen,so daßsich am Bildnis jene Dialektik von Enthüllenund Verbergenwiederholt, die der Maske selbst inhärentist.

DaßsichdieDarstellungtatsächlich in nächsteNähezu dem von Macchiavellibe­ schriebenen Ideal des Fürsten rücken läßt,ist eineverführerische These, die aber hypothe­ tischbleibenmuß. DasGemälde könnte dann als Verschluß für das verlorenePorträt des jüngeren Lorenzo de’Medicis gedientunddamit ebenjenen Fürsten wiedergeben haben, dem Macchiavelli den »Principe« gewidmet hatte.21

Zumindest in einer Hinsicht läßt sich die Bedeutung der Inschrift jedoch weiterprä­

zisieren: Jedem lateinkundigenBetrachter, der mit dieser Sprache so vertrautwar, daßer die Inschrift entschlüsseln konnte, dürfte deren Verwandtschaft mit einem der bekannte­ sten lateinischen Rechtssätze nicht entgangensein. Dieserden Digesten inkorporierte Satz, nach dem»jedem das Seine«gebühre, steht als »Suumcuique« in überraschender grammatischerwie semantischer Nähezuder hier verwendetenInschrift.22 Sinngemäßist dieInschrift desPorträtdeckels daher auch so zulesen, daß»jedem die Maske oder Rolle zukommt, die im gebührt«.

Nicht erst in dieser Auslegung dürfte es von Bedeutung sein, daß die Maske des Florentiner Gemäldes schön ist. Eine ebenso schöne Maske findet sichauf einem emble- matischen Porträt, das Giorgio Vasari 1534 posthum von dem 1492 verstorbenen Lorenzo il Magnifico anfertigte.23Wie Vasari ineinem erklärenden Begleitschreiben ausdrücklich betont, orientierteer sichbei der Wiedergabe der GesichtszügeLorenzos an dessen Toten- effigies, umsoderen »Wahrheit« sicherzustellen. Zur Linkendes Porträtierten hat ereine Tugend- und eine Lastermaske einander kontrastierend entgegengesetzt. Anders als die lasterhafteMaske, deren Fratze in sostarker und häßlich verkürzter Untersicht wiederge­ gebenist, daßsie dem Betrachter Einblick in ihre abstoßenden Nasenlöcher gewährt, ist die zweite Maske, die Vasari als »schön« und»rein« bezeichnet hat, nahezufrontalge­

zeigt.Sieist so neben dem Gesicht Lorenzos de’Medici plaziert,daßGesichtund Maske aufeinander bezogen werden müssen. Weil sielorbeerbekrönt über der Tülle eines Gefäs­

ses hängt, das nach dem Musterder Psychomachie überdie lasterhafte Maske triumphiert, kann sie durchdie gleichlautendeInschrift aufdem Gefäß als »Ruhm der Tugend«gelten.

In Vasaris Porträt dient die schöne Maske daher als Bildzeichen fürdie Rechtmäßigkeit von Lorenzos herausragender sozialer Rolle, die ihm in derArgumentation des Bildes auf Grund seiner Tugendenzukommt.

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Daß auch dieMaske des Florentiner Porträtdeckels eine vergleichbare tugendhafte Maske darstellt, die demjenigenzusteht, der siezu tragen verdient, könnte durch die beidenkleineren,von den Tierpranken gehaltenen Maskengesichteram unteren Bildrand desGemäldes nahegelegt werden, dennauch derenGesichtszüge sind wenigerregelmä­

ßigalsdas Gesicht dergroßen Larve. Der Porträtdeckel könnte dann als Hinweis auf die durch Tugend verdiente soziale Rolledes Porträtierten verstanden werden.Unterstützung findetdiese Lesart in dem derInschrift zugeordneten Flammengefäß, das sich im obersten Teil des Bildesbefindetundganzähnlich wie die Öllampeauf dem Porträt Lorenzosals Zeichen ewigen Lebensgelten muß.

Anders als auf dem Bildnis Lorenzos, auf dem die Maske einem betont wahren, weil scheinbar ähnlichenGesicht entgegengesetzt wird, ist die Bedeutung der Maske auf dem Florentiner Porträtdeckel vermutlich weit komplexer. Für eine Theorie des Porträts ist die hier zitierteInschrift »Suacuique persona« insofern relevant, als sie bezeugt, daß das Bildnis in der Frühen Neuzeit als Medium der Reflektionüber das Subjekt dienen konnte.

Durch die Darstellung derMaske auf dem Deckel und durch die Nennung des lateinischen

»persona« im Text der Inschriftwird dem Betrachter nichtnur der Doppelsinn des Begrif­

fes der Person, sondern auch die Maskenhaftigkeit des Porträtsselbst zumindest alsMög­ lichkeitnahegelegt. IndieserMaskenhaftigkeit kanndas Bildnis zur Konstitution von Identitätbeitragen,diese aber auchbedrohen, wenn es denDargestellten unterseinemBild verbirgt. Maske undPorträt lassen sich insoweit parallelisieren, da das Portät wie die Maske zugleichzeigt und verbirgt. Kaum überraschend erweist sich dasPorträt damit als die eigentliche Gattung derProsopopöie.

Hannah Baader

Anmerkungen

1 M. Gregori, Raffaellofmoa Firenze eoltre, in: Raffaelloa Firenze. Ausst. Kat. Florenz 1984, S. 17-35, S. 32; A. Natali, Kat. Nr. 31 a, in: L’officma della maniera. Varieta e fierezza nell’arte fiorentina del Cinquecento fra le due repubbliche 1494—1530, Ausst. Kat. Florenz 1996, S. 134; A. Parronchi, La prima rappresentazione della Mandragola, Firenze 1995, S. 11-15.

2 Zur Bedeutung der Maske: K. Kerenyi, Mensch und Maske, in: Humanistische Seelenforschung, München und Wien 1963, S. 340-356; U. Davitt-Asmus, Corpus Quasi Vas. Beiträge zur Ikonogra­

phie der italienischen Renaissance, Berlin 1977, S. 52 ff; M. Barasch, The Mask in European Art.

Meanings and Functions, in: Art the Ape of Nature. Studies in Honor of H. W. Janson, hrsg. v. M.

Barasch und L. F. Sandler, New York 1981, S. 253-264; E. Leuschner, Persona, Larva, Maske: Iko- nographische Untersuchungen vom 16. bis zum frühen 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1997.

3 A. Düllberg, Privatporträts. Geschichte und Ikonologie einer Gattung im 15. und 16. Jahrhundert, Berlin 1990, Kat. Nr. 172, S. 229, vgl. auch S. 92,130,131.

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4 Anders Natali, der das Gemälde Ridolfo del Ghirlandaio zuschreibt und mit dessen Porträt einer Nonne in Verbindung bringt; ders. S. 134.

5 Dülberg, passim.

6 Zum Begriff der Person: M. Fuhrmann, Persona, ein römischer Rollenbegriff, in: Identität, hrsg. v. O.

Marquard und K. Stierle, (Poetik und Hermeneutik Bd. VIII) München 1979, S. 83-106; A. Borst, Findung und Spaltung der öffentlichen Persönlichkeit, in: a.a.O., S. 620-642; R. Konersmann, »Per­

son«. Ein bedeutungsgeschichtliches Panorama, in: Internationale Zeitschrift für Philosophie 2 (1993), S. 199-227; T. Kobusch, Die Entdeckung der Person. Metaphysik der Freiheit und modernes Men­

schenbild, Freiburg 1997 (2. Aufl.).

7 Fuhrmann 1979, S. 85 ff. und 1989, S. 269; Konersman, S. 201.

8 Fuhrmann 1985, S. 269.

9 Der seit dem 16. Jahrhundert gebräuchliche Begriff der Rolle kommt von lat. »rotulus« und bezieht sich auf die Schriftrollen, auf denen der Text des Schauspielers festgehalten war.

10 Marcus Tullius Cicero, Vom rechten Handeln, lateinisch u. deutsch, hrsg. u. übers, v. K. Büchner, Zürich 1994 (4. Aufl.), 1,107, S. 91 u. I, 115, S. 98.

11 M. Pohlenz, Antikes Führertum. Cicero >De Officiis< und das Lebensideal des Panaitios, Berlin und Leipzig 1934, S.68ff.

12 Seneca, De beneficiis, I, XVII, 2, in: ders.. Philosophische Schriften, Bd. 5, hrsg. u. übers, v. M.

Rosenbach, Darmstadt 1995, S. 172 f.

13 So Fuhrmann 1979.

14 Borst, S. 620 ff.

15 Kobusch, passim.

16 Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften, hrsg. v. W. Welzig, Darmstadt 1975, Bd. 2, S. 63;

Erasmus knüpft hier an einen Topos an, der seine erste Formulierung offenbar durch Martial gefunden hat als »Jemandem die Maske vom Gesicht reißen«; vgl. Fuhrmann 1987, S. 86.

17 N. Macchiavelli, II Principe, XVII (Quomodo fides a principibus sit servanda), in: ders., II principe e altre opere politiche, hrsg. v. D. Cantimori, Mailand 1985 (6. Aufl.), S. 68.

18 A. Buck, Die Kunst der Verstellung im Zeitalter des Barocks, in: Ders., Studien zu Humanismus und Renaissance. Gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1981-1990, Wiesbaden 1991, S. 486-509, S. 488.

19 S. Greenblatt, Sir Walter Raleigh. The Renaissance Man and his Roles, New Haven u. London 1973, S. 34 ff.; vgl. auch: ders., Renaissance Self - Fashioning. From More to Shakespeare, Chicago und London 1980.

20 K. Flasch, Das philosophische Denken im Mittelalter, Stuttgart 1996, S. 551 m.w.N.

21 So Parronchi, S. 13.

22 Digesten II, 10 unter Rückgriff auf Cicero, De finibus, V, 67; im Anschluß daran Ulpian.

23 Zu Vasaris Bildnis des Lorenzo de’Medici vgl. Davitt-Asmus, S. 41-113.

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