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Archiv "Definitionen" (10.04.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Sterbehilfe

Reich uns nicht hindern soll- ten, den Begriff in seinem ei- gentlichen Sinne wiederzubeleben.

Wer ihn gebraucht, sollte sich je- doch stets der Möglichkeit des Mißverstandenwerdens klar sein und ihn um so bewußter und klarer zur Unterscheidung bringen.

Ein Aspekt der Sterbehilfe, der in den Diskussionen vollkommen ver- gessen wird, und bei der „wissen- schaftshörigen" Erziehung des Arz- tes nimmt das nicht Wunder, ist der folgende, von J. Wunderli in ei- nem 1973 erschienenen Buch be- schrieben: „Von Karl Jaspers stammt der schöne Ausspruch, die Praxis des Arztes sei konkrete Phi- losophie. Im Sinne Platons wieder- um kann man alle Philosophie als Nachdenken über den Tod definie- ren. Daraus folgt, daß das Nach- denken des Arztes über den Tod die praktische Tätigkeit des Arztes stets begleiten sollte."

Bedenkt man dies, bleibt einem oft nur die Erschütterung, wenn man erlebt, unter welchen Bedingungen Patienten vielfach in unseren Kran- kenhäusern sterben müssen. Dabei stellt die Verlegung in ein „Sterbe- zimmer" (oft Bad oder Kammer) nur das äußere Zeichen der menschlichen Isolation des Ster- benden dar. Dies ist vor allem un- ter dem Gesichtspunkt besonders ernüchternd, daß sich der Tod des Kranken aus der häuslichen Ge- borgenheit in die sterile Atmosphä- re unserer modernen Bettensilos verlagert hat. Die Angehörigen sind froh, der Verantwortung, Sterbehil- fe geben zu müssen, entgangen zu sein. Dabei entringen sie sich dem Nachdenken um das eigene Schicksal. Doch der Patient spürt auch am Verhalten der Personen im Krankenhaus sehr genau seine desolate Situation, oft um einiges schlimmer. Der gezwungenerma- ßen und daher kontaktarme Visi- tenbesuch des Arztes gehört leider ebenso dazu wie die peinliche Übersorge, das Flüstern und ähnli- che Gesten der Pflegepersonen den Zustand des Sterbenden beto- nen. Die Nutzlosigkeit der medizi- nisch-technischen Apparatur hat

den Zurückzug des Arztes und des Pflegepersonals zur Folge. Der Sterbende wird sich selbst, höch- stenfalls dem Seelsorger überlas- sen. In konfessionellen Kranken- häusern wird oft durch den ver- meindlich notwendigen „seeli- schen Beistand" in Gewißheit der eigenen religiösen Verpflichtung auf den Patienten ein zusätzlich deprimierender Einfluß genommen, der ihn seine Situation besonders aussichtslos und isoliert erleben läßt: seine „noch"-Ausnahmesitua- tion des Todes. Diese „noch"-Aus- nahmesituation des Todes glaubt der Lebende durch verbalen und zeremonialen Aufwand kompensie- ren zu müssen. Er kompensiert je- doch seine eigene Hilflosigkeit.

Dabei wäre eine „echte" Sterbehil- fe, nicht somatisch gedacht wie zum Beispiel bei Prof. Hoff und an- deren Kollegeng von seiten des Arztes in der Weise notwendig, daß er sich selbst, seine Mitarbeiter, vor allem aber, und das scheint mir im Hinblick auf den Patienten fast das Wichtigste, die Familienange- hörigen in diese Hilfe miteinbe- zieht. Hier müßte dann die „Verant- wortung für" mit Leben erfüllt wer- den. Dabei sein und wenig tun könnte dann mehr sein als alle fal- sche Hektik.

Wie zuvor schon erwähnt lehne ich die aktive Euthanasie ab, weniger aus Gründen christlicher Ethik, schon gar nicht wegen des hippo- kratischen Eides —, vielmehr aus Ehrfurcht vor dem Leben, die für mich als Arzt auch Ehrfurcht vor dem Tod heißt. Gerade deshalb be- jahe ich eine passive Euthanasie, aus der Verantwortung vor dem mir anvertrauten und mir vertrauenden Patienten, nicht als Richter über Leben oder Tod, sondern als Freund und Helfer. Wunderli drückt das so aus: „Euthanasie ist, vom Arzt aus gesehen, gelebte, tiefe Kommunikation mit dem sterben- den Du des Patienten".

Dr. med. Matthias Komp 7315 Weilheim-Hepsisau Auchter Weg 16

Definitionen

Euthanasie will durch leidloses Sterben dem Menschen einen „gu- ten Tod" gewähren. Dazu bedarf es auch der Hilfe des Arztes. Diese vom Arzt praktizierte Sterbehilfe kann „Hilfe beim Sterben" oder

„Hilfe zum Sterben" sein.

Hilfe beim Sterben, auch als reine oder passive Euthanasie bezeich- . net, beabsichtigt subjektiv und be- wirkt objektiv keine Lebensverkür- zung. Diese Euthanasie ist ethisch verantwortbar und rechtlich unbe- denklich. Hilfe beim Sterben, auch als begrenzte Euthanasie bezeich- net, beabsichtigt subjektiv keine Lebensverkürzung, bewirkt sie aber objektiv. Die ethische Bewer- tung dieser Euthanasieform richtet sich nach den Grundsätzen über Handlungen mit doppeltem Effekt.

Unter Berücksichtigung bestimmter ethischer Kriterien ist die begrenz- te Euthanasie moralisch erlaubt.

Die rechtliche Beurteilung ist un- einheitlich. Der Arzt trifft in seiner Berufsausübung oftmals solche Entscheidungen und Maßnahmen mit doppeltem Effekt. Er ist mit sei- nem Gewissen allein in der Verant- wortung. Die kritische Schwelle ist dort, wo die unbeabsichtigte Ne- benwirkung in eine unbeabsichtig- te Hauptwirkung übergeht, und aus der Hilfe beim Sterben eine Hilfe zum Sterben wird.

Hilfe zum Sterben, auch als indi- rekte Euthanasie bezeichnet, will durch Verzicht und Unterlassung auf ärztliche oder pflegerische Maßnahmen leidvolles Sterben ab- kürzen und beabsichtigt subjektiv und bewirkt objektiv eine Lebens- verkürzung. Hilfe zum Sterben auch als direkte oder aktive Eutha- nasie bezeichnet, will durch ärztli- che oder pflegerische Maßnahmen leidvolles Sterben abkürzen und beabsichtigt subjektiv und bewirkt objektiv eine Lebensverkürzung.

Ethisch bewertet sind beide Hilfen zum Sterben unverantwortbar.

Rechtlich beurteilt könnte bei indi- rekter Euthanasie § 330 c StGB

„unterlassene Hilfeleistung" wirk- sam werden, während bei direkter

DEUTSCHES. ÄRZTEBLATT Heft 15 vom 10. April 1975 1061

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen FORUM

Euthanasie § 212 StGB „Totschlag"

anzuwenden ist.

Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens" hat mit Euthanasie nichts zu tun. Es handelt sich nicht um Sterbehilfe sondern in der Regel um Totschlag, in besonderen Si- tuationen um Mord. Auch die soge- nannte negative Euthanasie gehört nicht in diese Betrachtung. Sie schiebt den zu erwartenden Tod hinaus, obwohl nach sorgfältiger Prüfung weder eine Aussicht auf Heilung besteht, noch schwere Ge- sundheitsschäden oder ständiges Siechtum zu vermeiden sind. — Ein anderer Tatbestand, der nicht zur eigentlichen Euthanasiethema- tik gehört, ist die „Tötung auf Ver- langen" wie sie zur Zeit noch durch den §216 StGB strafrecht- lich geahndet wird. Schon im Schatten der Auseinandersetzung über eine Änderung des § 218 StGB werden Aktionen erkennbar, die auch eine Änderung des § 216 StGB anstreben. Nachdem der Be- ginn menschlichen Lebens durch die Fristenregelung völlig schutz- und rechtlos ist, entbehrt es nicht einer gewissen Logik, auch das Ende menschlichen Lebens der Verfügungsgewalt des Menschen absolut auszuliefern. Es geht hier um die gesetzliche Fixierung, im Sinne der Straffreiheit, bei Maß- nahmen des Arztes für „Die Frei- heit zum Tode" des Menschen.

Dr. Ludwig Schmitt

54 Koblenz, St.-Josef-Straße 31

ZITAT Sterbehelfer

In Amerika hat sich ... das Unternehmen „Threshold"

(Schwelle) aufgetan, das ver- einsamten, alten und kranken Menschen gegen Entgelt (7,50 Dollar je Stunde) Bei- stand in ihren letzten Stun- den anbietet. Ihre „Begleiter beim Sterben" sind auf diese spezielle Aufgabe ausge- sucht ... „Threshold" kann sich ... der Zahl der Anmel- dungen nicht erwehren. (Aus:

Kölnische Rundschau).

Die Behauptung, die Einführung ei- nes Pool-Systems sei in seiner Aus- wirkung mit der Aufhebung des Li- quidationsrechtes gleichzusetzen, ist durch nichts belegt. Der Sinn ei- nes Pool-Systems liegt meiner Mei- nung darin, fähige Mitarbeiter über die Zeit der Facharztausbildung hinaus an der Klinik zu halten. Al- lerdings ist dies nur möglich bei entsprechender Gestaltung eines Pool-Systems.

Ich stimme Herrn Hartenbach zu, wenn er sich gegen eine von den Gemeinden diktierte Aufteilung ei- nes Pooles wendet. Ich frage aber:

Muß eine solche Aufteilung denn unbedingt von den Gemeinden dik- tiert werden? Liegt es nicht an uns selbst, uns Gedanken über sinnvol- le Pool-Systeme zu machen? Hier ist ohne Zweifel von den leitenden Krankenhausärzten Wesentliches versäumt worden. Dadurch daß man hier nicht selbst die Initiative ergriffen hat, droht nun tatsächlich ein „Diktat der Laien". Noch aber ist es, zumindest vielerorts, nicht zu spät zur Ausarbeitung sinnvoller Pool-Systeme.

Man muß sich dabei von dem Ge- danken frei machen, ein für alle Kliniken gleichermaßen geltendes Pool-System zu finden. Jede Klinik hat ihre eigenen Probleme; es be- darf daher der Ausarbeitung klinik- individueller Pool-Systeme. So wird ein „Pool-Schlüssel" an einer In- ternen Klinik anders auszusehen haben als an einem Röntgeninsti- tut, an einem Kliniklabor oder an einem Pathologischen Institut.

Einige Ausführungen von Harten- bach erscheinen mir zumindest un- gewöhnlich. So war ich etwas be- stürzt, um nicht zu sagen be- schämt darüber, daß im me- dizinischen Bereich das kommer- zielle Denken offensichtlich be- reits so weit Eingang gefunden hat, daß gewisse Operations- methoden „patentrechtlich ge- schützt" sind. (Siehe Punkt k). Ich war bisher der Ansicht, es sei die vornehmste Pflicht des Arztes, sein Wissen anderen Kollegen selbstlos zur Verfügung zu stellen. Mir käme der Gedanke absurd vor, mich für eine von mir entwickelte Behand- lungsmethode besonders bezahlen zu lassen bzw. eine solche Be- handlungsmethode unter „patent- rechtlichen Schutz" zu stellen.

Ich vermag auch nicht ganz zu un- terstützen, was unter g) ange- führt wird, wo Professor Harten- bach zum Ausdruck bringt, daß die Einnahmen auschließlich auf die Ausbildung, Persönlichkeit und den Einsatz des Chefarztes zurückzu- führen sind. Seien wir hier doch einmal ehrlich: Kliniken haben in der Regel eine Art Monopolstel- lung, indem es z. B. in einer Stadt nur eine Chirurgische Klinik, eine Kinderklinik, eine Frauenklinik usw.

gibt. Es bleibt den Patienten in aller Regel doch wirklich nichts anderes übrig — wenn sie nicht außerordentliche Unbequem- lichkeiten mit in Kauf nehmen wol- len — als sich an der Klinik ihrer Stadt im Bedarfsfall behandeln zu lassen. Außerdem wird der Ruf ei- ner Klinik entscheidend auch

Die Auswirkung der Aufhebung des Liquidationsrechts und

die Einführung des Pool-Systems

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med. Walter Hartenbach in Heft 6/1975, Seite 358 ff.

1062 Heft 15 vom 10. April 1975 DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT

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