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Archiv "Die Ausgrabung Tall Munbaqa: Stadt-Kultur vor 4000 Jahren" (19.11.1999)

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A-2992 (60) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999

V A R I A FEUILLETON

M

itten in der Ausgra- bung befindet sich der Besucher, sobald er den großen Ausstellungs- raum betritt. So scheint es je- denfalls. Hinter einer niedri- gen, unregelmäßigen Lehm- ziegelmauer steht im echten Wüstensand ein Schubkar- ren, liegen Arbeitsgeräte al- ler Art herum, als sei nur eben mal Mittagspause. Ein Großfoto an der Wand dahin- ter zeigt das Originalgelände der Grabung Tall Munbaqa am Euphrat, das wie eine Fortsetzung der Pseudogra- bung im Vordergrund wirkt.

In der Ferne Flußauen und der hoch aufragende markan- te Djabal Aruda. Es zeigt das einst fruchtbare Land Meso- potamiens zwischen Euphrat und Tigris.

Im Jahr 1907 durchstreifte die Engländerin Gertrude Bell diese Gegend in Syrien nach antiken Stätten, ent- deckte aus der Erde ragende Lehmziegelmauern auf einem Hügel und sagte spontan: „Ich würde gern die Erde weg- nehmen und sehen, was dar- unter liegt.“ Der Besucher des Museums in Münster sieht es in verblüffender Weise. Wie durch ein Fenster schaut er in eine Straße der antiken Stadt Enkalte, wie sie vor vier Jahrtausenden hieß. Zu bei- den Seiten weiß getünchte, zwei- bis dreistöckige Häuser mit zinnenverzierten Flach- dächern, Fenstern, Treppen, Türen, Leitern und Höfen.

Jeden Moment, glaubt man, müsse ein Mensch um die Ecke biegen oder aus einer Haustür herauskommen.

Äußerst einfallsreich ist die Ausstellung dieser eigent- lich toten Materie gestaltet.

Nach den Ausgrabungsbe- funden wurden sogar kleine Hausmodelle erstellt, die in Vitrinen zu besichtigen sind.

Verschieden gestaltete Kar- ten verdeutlichen die Situa- tion der einst reichen Han- delsstadt an der Kreuzung zweier bedeutender Karawa- nenstraßen. Durch Zölle und Lagergebühren wurden die Bewohner wohlhabend.

Mehr als 60 Jahre mußten seit der Entdeckung dieses Hügels vergehen, bis 1969 der Spaten angesetzt wurde.

Die Grabung liegt jetzt un- mittelbar am Ufer des Eu- phrat-Stausees. Entscheiden- de Erkenntnisse über Archi- tektur, Leben, Wirtschaft und Politik dieser Stadt aus der Spätbronzezeit konnten ge- wonnen werden. Zum Beispiel

fand man kleine, perforierte Bronzeröhrchen – Endstücke langer Saugrohre, die wie ein Filter beim Trinken des damals durch die Maische getrübten Bieres dienten. Dieses flüssige

Brot war tägliche Nahrung der Bevölkerung und gehörte als Naturalie zur Bezahlung eines Arbeiters. Darauf hatte jeder Anspruch.

Faszinierend ist auch der besondere Teil der Ausstel- lung tönerner Keilschrift-Do- kumente. Mit feinsten Zei- chen sind minutiös Handels- und andere Verträge nieder- geschrieben, die ihrerseits in Tonhüllen versiegelt wurden.

Auf einer kegelförmigen Bauurkunde läßt der Herr- scher Nebukadnezar (604 bis 562 v. Chr.) seine Bauten auf- zählen. Man fand Privatdoku- mente sorgsam im Haustresor verwahrt und in einem Topf unter dem Fußboden vergra- ben. Haus- und Grundstücks- käufe sind darauf enthalten, Testamente, Adoptionen und Schuldscheine.

Hundert Exponate von Schmuck über Kultgegenstän- de, Gebrauchsgeräte bis zu Schreinen, die wohl der Ah- nenverehrung dienten, ziehen den Besucher in ihren Bann.

Einmalig für Nordsyrien ist ei- ne Gesichtsmaske aus Terra- kotta. Unikate sind auch ein aufgeschlagener Topf, in dem Waffen versteckt waren, und das Gefäß in Gestalt eines Widders, das auf Räder gesetzt werden konnte und durch des- sen Schnauze die Flüssigkeit ausgegossen wurde.

Für Kinder liegen frischer Ton und Bambusgriffel bereit, damit jeder selbst probieren kann, Keilschriftzeichen in eine Tafel zu drücken. Eine spannende Computersimula- tion ermöglicht dem Besucher einen Spaziergang durch die bronzezeitliche Stadt, deren noch nicht ausgegrabenen Teile durch Magnetprospek- tion aufgenommen werden konnten, so daß auf Plänen und Graphiken das einstige Aussehen der mit einer kilo- meterlangen Mauer umgebe- nen Stadt dargestellt werden konnte. Renate V. Scheiper Bis zum 2. Januar 2000 wird die Ausstellung „Tall

Munbaqa. Stadt-Kultur vor 4 000 Jahren“ im Westfälischen Museum für Archäologie in Münster/Westfalen, Rothen- burg 30 (Tel 02 51/59 07-2 98), gezeigt. Öffnungszeiten:

Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Eintritt fünf DM, ermäßigt zwei DM, freitags Eintritt frei. Führungen sonn- und feiertags 16 Uhr. Das aufwendig gestaltete Begleitbuch ist mehr als ein bloßer Katalog und kostet 29,80 DM.

Am 12. Dezember wird von 15 bis 18 Uhr die Kunst des

Keilschriftschreibens vorgeführt. N

Blick von der Ausgrabung eines Tempels in Tall Munbaqa im Jahr 1971 über das Euphrattal zum gegenüberliegenden Berg Djabal Aruda

Fotos: WMfA/Grabungsdokumentation Tall Munbaqa Arbeitsbereich Städtebau I, Hamburg-Harburg

Die Ausgrabung Tall Munbaqa

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Waffen und Handwerkszeug der Spät- bronzezeit, die in diesem Gefäß ver- steckt und im Boden eines Hauses von Tall Munbaqa vergraben wurden

Wie durch ein Fenster

sieht der Besucher

einer Ausstellung in

Münster in die Straße

einer antiken Stadt.

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