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Archiv "Humanität und Ökonomie — ein Gegensatzpaar?" (08.03.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen THEMEN DER ZEIT

Die Feststellung ist heute kaum noch strittig, daß die Erfüllung der Aufgaben in allen Bereichen des Ge- sundheitswesens in immer stärke- rem Maße unter dem Zwang steht, die vorhandenen Mittel ökonomisch einzusetzen. Trotzdem stößt die For- derung, beispielsweise in Kranken- häusern betriebswirtschaftliche Grundsätze und Verfahren anzu- wenden, immer noch auf Unver- ständnis, ja auf eindeutige Ableh- nung. Maßgebliche Vertreter des Krankenhauswesens versuchen dar- zulegen, daß die humanitäre Aufga- benstellung des Krankenhauses die Anwendung ökonomischer Grund- sätze und betriebswirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Überlegungen aus- schließen müßte. Überspitzt formu- liert könnten manche Argumentatio- nen in dem Satz zusammengefaßt werden: „Man kann ein Kranken- haus nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten führen!"

Groß ist dann die Verblüffung, wenn der Ökonom darauf erwidert:

„Selbstverständlich kann man ein Krankenhaus nicht nach kaufmänni- schen Gesichtspunkten führen!"

Hieraus wird deutlich, daß oft Un- kenntnis oder Unklarheit über die spezifisch betriebswirtschaftlichen Sachverhalte herrschen, daß Begrif- fe wie kaufmännisch, betriebswirt- schaftlich, Wirtschaftlichkeit, Renta- bilität unklar sind bzw. falsch ange- wandt werden. Daraus entstehen Mißverständnisse, welche die Dis- kussion beispielsweise über den Fragenkomplex „Betriebswirtschaft im Krankenhaus" erschweren.

Zur Klärung der Sachverhalte ist die Beantwortung von drei Grundfragen erforderlich:

Was ist ein „Betrieb" im betriebs- wirtschaftlichen Sinne?

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Was ist das spezifisch betriebs- wirtschaftliche Grundproblem, das in einem Betrieb zu lösen ist?

e

Sind Einrichtungen im Gesund- heitswesen, sind beispielsweise Krankenhäuser „Betriebe" im be- triebswirtschaftlichen Sinne, und haben sie das betriebswirtschaftli- che Grundproblem zu lösen?

Nur dann, wenn aufgrund einer Ana- lyse dieser Fragestellungen die zu- letzt gestellte Frage bejaht wird, ist es zulässig, aber auch notwendig, im Krankenhaus betriebswirtschaft- liche Verfahren anzuwenden.

Erste Grundfrage: Der Betrieb Dem Blick in Wirtschaft und Indu- strie bietet sich eine fast unüberseh- bare Vielfalt verschiedener Betriebe:

Großbetriebe der Industrie neben mittleren und kleinen Handwerksbe- trieben, Handelsbetriebe vom Groß- versandhaus bis zum Ladengeschäft des Einzelhandelskaufmanns und Dienstleistungsbetriebe wie Banken und Versicherungen. Allen diesen unterschiedlichen Betrieben ist ge- meinsam, daß sie mit Hilfe von menschlicher Arbeitsleistung und mit Hilfe einer technischen Ausstat- tung Güter produzieren bzw. Dienst- leistungen erbringen, orientiert an bestimmten Zielsetzungen ihrer Ge- schäftspolitik. Eine nähere Untersu- chung dieses Sachverhalts ergibt, daß jeder Betrieb, gleich welcher Art, Faktoren benötigt; die Betriebs- wirtschaftslehre nennt sie die Pro- duktionsfaktoren:

> Der Betrieb benötigt Personal verschiedener Art und unterschiedli- cher Ausbildung von der Führungs- kraft des Topmanagements bis zum ungelernten Arbeiter,

Die Forderung, Krankenhäu- ser nach betriebswirtschaftli- chen Gesichtspunkten zu füh- ren, stößt oft genug noch auf Ablehnung. Der Grund hierfür ist nach Meinung der Autoren die Unkenntnis über spezi- fisch betriebswirtschaftliche Sachverhalte. Aus einer Be- trachtung der ökonomischen Grundbegriffe folgern sie, daß die wesentliche Aufgabe des Gesundheitswesens. Humani- tät in der Zuwendung zum Pa- tienten, ökonomische Prinzi- pien in der Betriebsplanung eines Krankenhauses keines- wegs ausschließt.

> der Betrieb benötigt Sachmittel:

Grundstücke, Gebäude, Anlagen, technisches Gerät.

Zur Beschaffung, Erhaltung und Er- neuerung der Sachmittel sowie zur Entlohnung des Personals setzt die Betriebsführung finanzielle Mittel für die Investitionen und für die lau- fenden Betriebsausgaben ein.

Die Führung des Betriebes hat Per- sonal und Sachmittel in Abstim- mung mit den Zielen und Aufgaben des Betriebes, mit der Betriebsauf- gabe, in eine zweck- und sinnvolle Zuordnung zueinander zu bringen, d. h. die Betriebsführung hat diese Faktoren nach Art, Quantität und Qualität im Rahmen der Betriebsor- ganisation miteinander zu „kombi- nieren". Damit ist ein weiteres Ele- ment der Betriebsstruktur angespro- chen: die Organisation.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich in stark vereinfachter Darstellung die Grundstruktur eines jeden Be- triebes, charakterisiert durch die vier Grundelemente:

> Betriebsaufgabe

> Personal

• Sachmittel

> Organisation.

Die Betriebsaufgabe, das heißt die dem Betriebsgeschehen zugrunde

Humanität und Ökonomie — ein Gegensatzpaar?

Fritz Beske und Hans-Joachim Wilhelmy

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 8. März 1979 651

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Organisation Betrieb

Die

Betriebsaufgabe

erfordert zu ihrer Erfüllung

Menschen Sachmittel

regelt das Zusammenwirken von

Grundstruktur eines Betriebes. charakterisiert durch die vier Grundelemente Spektrum der Woche

Aufsätze Notizen

Ökonomie im Krankenhaus

liegende, meist sehr komplexe Ziel- vorstellung und Aufgabenstellung, ist das erste und grundlegende Ele- ment. Sie ist zugleich Ausgangs- punkt und Zielpunkt aller betriebs- wirtschaftlichen Überlegungen und Maßnahmen. Der unmittelbaren Auf- gabenstellung — zum Beispiel Pro- duktion bestimmter Güter, Erbrin- gen bestimmter Dienstleistungen — liegt stets eine Zielvorstellung, eine unternehmerische Konzeption zu- grunde, beispielsweise in privaten Wirtschaftsunternehmen das Stre- ben nach hoher Ertragskraft, nach angemessener Rendite des einge- setzten Kapitals, nach hohem Markt- anteil, oder wie auch immer die je- weilige Zielvorstellung definiert ist.

Diese Konzeption und die daraus abgeleitete Betriebsaufgabe stehen im Mittelpunkt aller Überlegungen darüber, wie, d. h. mit welchen Ver- fahren, mit welchen Mitteln, die Be- triebsaufgabe durchgeführt werden soll.

Personal und Sachmittel sind die beiden weiteren Grundelemente ei- nes jeden Betriebes. Diese Begriffe umfassen die vorhin genannten Pro- duktionsfaktoren: Personal, das sind die Führungskräfte aller Ebe- nen und die ausführenden Kräfte;

Sachmittel, das sind die Einrichtun- gen der Infrastruktur und die Gerä- teausstattung des Betriebes. Für beide Elemente werden die finan- ziellen Mittel eingesetzt.

Die Organisation ist das vierte Grundelement eines jeden Betrie- bes. Ihre Aufgabe ist es, das Zusam- menwirken von Personal und Sach- mitteln zur Durchführung der Be- triebsaufgabe sachgerecht und zweckbezogen zu gestalten.

In der Kombination von Mensch und Technik, im Zusammenwirken der Produktionsfaktoren ist die Be- triebsaufgabe im Sinne der betriebli- chen Zielsetzung zu erfüllen.

Damit ist die erste der gestellten Fra- gen beantwortet: Ein Betrieb ist ge- kennzeichnet durch die Struktur der vier Grundelemente in ihrer wech- selseitigen Verknüpfung, die nach Jordt und Gscheidle*) schematisch wie in der Abbildung dargestellt werden kann.

Zweite Grundfrage: Das betriebs- wirtschaftliche Grundproblem Wir haben nun den Ausgangspunkt zur Beantwortung der zweiten Fra- ge erreicht, der Frage nach dem spezifisch betriebswirtschaftlichen Grundproblem.

Für die Kombination der Produk- tionsfaktoren Personal und Sach- mittel im Rahmen der Organisation des Betriebes zur Erfüllung der Be- triebsaufgabe wird es in aller Regel alternative Arbeitsverfahren geben, die vor allem durch den unter- schiedlichen Grad der Technisie- rung gekennzeichnet sind. Betriebli- che Aufgaben können ganz oder überwiegend manuell ausgeführt werden, sie können durch Einsatz relativ einfacher Sachmittel teilme- chanisiert werden, sie können durch den Einsatz hochspezialisierter An- lagen überwiegend oder ausschließ- lich mechanisiert oder automatisiert werden. Jedes der alternativen Ar- beitsverfahren ist gekennzeichnet durch unterschiedliche Formen der Kombination der Faktoren Personal und Sachmittel. Die Betriebsführung steht ständig vor der Frage: welche der unter den gegebenen Bedingun- gen möglichen Kombinationen soll ausgewählt werden?

Diese Frage zielt auf das betriebs- wirtschaftliche Grundproblem, das in der abstrakten Sprache der Be- triebswirtschaftslehre als das Pro- blem der optimalen Kombination der Produktionsfaktoren bezeichnet wird. Es ist ein Bewertungs- und Auswahlproblem, das die Frage stellt, nach welchen Kriterien und Maßstäben die Betriebsleitung sich für eine bestimmte Kombination ent-

*) A. Jordt, K. Gscheidle, Organisation, Wiesba- den 1966

652 Heft 10 vom 8. März 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen Ökonomie im Krankenhaus

scheiden soll. Diese Entscheidung legt den Aufwand an Personal und Sachmitteln und damit die Höhe der erforderlichen finanziellen Mittel für Investitionen und für die laufenden Betriebsausgaben fest.

In diesem Zusammenhang ist es not- wendig zu betonen: Die Betriebsauf- gabe und die Verwirklichung der ihr zugrunde liegenden Zielvorstellung setzen den Maßstab dafür, wann die gewählte Kombination, wann also die Ausstattung des Betriebes mit Arbeitskräften und Sachmitteln in ihrem Zusammenwirken als optimal anzusehen ist. Das heißt: Wirtschaft- lichkeitsgesichtspunkte, Fragen der Kosteneinsparung sind niemals ab- solut zu setzen, betriebswirtschaftli- che Forderungen und Prinzipien ha- ben keinen Eigenwert „an sich". Sie sind stets relativ zu sehen, relativ zur betrieblichen Konzeption und Auf- gabe. Kriterium für die Anwendung betriebswirtschaftlicher Grundsätze ist stets die optimale Erfüllung der Aufgabe. Darin ist die besondere, zentrale Bedeutung des Betriebsele- ments „Betriebsaufgabe" zu sehen.

Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß eine wesentliche Komponente der Betriebsaufgabe eines Krankenhauses die Humanität in der Zuwendung zum Patienten ist, daß also der' humane Aspekt der Aufgabenerfüllung im Krankenhaus

— und generell in den Einrichtungen des Gesundheitswesens — die „Kom- bination der Produktionsfaktoren"

in ganz entscheidendem Maße be- einflussen muß.

Auf der Grundlage dieser Feststel- lung haben dann zur Lösung des Problems der optimalen Kombina- tion ökonomische Überlegungen einzusetzen. Für alternative Kombi- nationen sind Kosten und Wirksam- keit, bezogen auf die Betriebsaufga- be, in einer ökonomischen Analyse zu untersuchen. Die Richtschnur für solche Analysen ist eine Verhaltens- regel, die als das „Grundgesetz der Betriebswirtschaft" bezeichnet wird.

Es ist das ökonomische Prinzip, das je nach Ausgangslage wie folgt for- muliert wird:

> Eine Aufgabe ist gestellt, die be- nötigten Mittel sind bereitzustellen

und einzusetzen. Das ökonomische Prinzip fordert, die Aufgabe mit dem geringstmöglichen Aufwand zu lö- sen (Prinzip der Aufwandminimie- rung).

> Ein begrenztes Volumen an Kräf- ten und Mitteln steht zur Verfügung, um eine Aufgabe zu lösen. Das öko- nomische Prinzip fordert, mit den verfügbaren Kräften und Mitteln den bestmöglichen Erfolg in der Aufga- bendurchführung zu erzielen (Prin- zip der Aufgabenoptimierung).

In diesen beiden Formulierungen wurde bewußt nicht von Wirtschaft- lichkeit bzw. vom Wirtschaftlich- keitsprinzip gesprochen. Der Begriff der „Wirtschaftlichkeit" verführt nämlich, wie die Erfahrung lehrt, leicht dazu, die Geltung des ökono- mischen Prinzips ausschließlich auf die Wirtschaft in engerem Sinne der privaten Erwerbswirtschaft zu be- schränken. Dabei wird übersehen, daß es eben nicht ein allein für die Erwerbswirtschaft eigentümliches Prinzip ist. Es ist vielmehr in bezug auf vernunftmäßiges Handeln eine allgemeine Verhaltensregel mit Gül- tigkeit für alle Lebensbereiche, auch für Bereiche, die der Wirtschaft in engerem Sinne denkbar fern liegen.

Überall dort, wo ein Auftrag auszu- führen ist, eine Aufgabe zu lösen ist, und hierfür nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen, entspricht es den Gesetzmäßigkeiten der Vernunft, nach dem ökonomischen Prinzip zu handeln, um die knappen Mittel mit dem bestmöglichen (ökonomisch

„optimalen") Erfolg zu nutzen. Es sei noch einmal wiederholt: Bezugs- punkt des Optimums ist nicht das absolute Kostenminimum, sondern Bezugspunkt ist die Erfüllung der Betriebsaufgabe im Sinne der be- trieblichen Zielsetzung unter Be- rücksichtigung aller ihrer Aspekte.

Mit den bisherigen Erörterungen ist die zweite Frage nach dem spezifisch betriebswirtschaftlichen Grundpro- blem beantwortet.

Rückbezogen auf das anfangs zitier- te Argument, man könne ein Kran- kenhaus nicht nach kaufmänni- schen Gesichtspunkten führen, ist auch klarzustellen, daß die Begriffe

„ökonomisch" und „kaufmännisch"

nicht identisch sind. Das ökonomi- sche Problem wurde erläutert. Das kaufmännische Problem wird mit dem Begriff der „Rentabilität" er- faßt. Die Zielsetzung des kaufmänni- schen Unternehmens besteht im all- gemeinen im Streben nach hoher Rendite des eingesetzten Kapitals.

Das Verhältnis des Gewinns zum eingesetzten Kapital bestimmt den Grad der Rentabilität. Die Höhe der Kosten, verursacht durch die ge- wählte Kombination der Produk- tionsfaktoren, ist einer der entschei- denden Parameter für die Gewinnsi- tuation und damit für die Rentabili- tät des Unternehmens. Das ist der Grund dafür, daß der Unternehmer das ökonomische Prinzip anwendet, um die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Personal und Sachmittel zu ermitteln. Für den Kaufmann steht im Vordergrund das Rentabilitätsprinzip, die Anwendung des ökonomischen Prinzips ist für ihn ein Mittel zum Zweck. In der Um- gangssprache werden die Begriffe rentabel und ökonomisch (wirt- schaftlich) oft unterschiedslos ne- beneinander benutzt. Nach dem bis- her Gesagten muß jedoch scharf un- terschieden werden zwischen dem kaufmännischen Prinzip der Renta- bilität und dem ökonomischen Prin- zip der Wirtschaftlichkeit.

Das Problem des Ökonomischen be- ruht auf dem Spannungsverhältnis zwischen Mitteleinsatz und Lei- stung, orientiert an der optimalen Durchführung einer bestimmten Aufgabe. Der Bewältigung dieses Problems dienen bestimmte, vom ökonomischen Prinzip abgeleitete betriebswirtschaftliche Grundsätze.

Das Problem der Rentabilität beruht auf dem Spannungsverhältnis zwi- schen finanziellem Aufwand und fi- nanziellem Ertrag, orientiert am Ge- winn als Überschuß des Ertrags über den Aufwand. Der Bewältigung die- ses Problems dienen bestimmte kaufmännische Grundsätze.

Dritte Grundfrage:

Das Krankenhaus als Betrieb Die eingangs gestellte dritte Frage, ob Krankenhäuser und andere Ein-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 8. März 1979 653

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

FORUM

Reform oder Versagen?

Der Verfasser, ein erfahrener Ge- burtshelfer mit sicherlich großer Übersicht, korrigiert und verdeut- licht zunächst die gesetzlichen Indi- kationsbezeichnungen und zeigt dann die Schwierigkeiten auf, die der Praktikabilität des Gesetzes hin- dernd im Wege stehen. Überwie- gend sind dies (übernommene) juri- stische und praktische Bedenken.

Dem Abruptio-Operateur bürdet er die Last der „Verantwortung im ethi- schen Bereich" auf. Sodann wird mit beeindruckender Selbstsicher- heit festgestellt, daß „es für die Fest- stellung medizinischer und kindli- cher Indikationen klar festgelegte und relativ einfach zu objektivieren- de Kriterien gibt." Im Folgenden soll auf diese und die weiteren Feststel- lungen näher eingegangen werden.

Zum Schluß werden Prognosen und Schlußfolgerungen einer kritischen Betrachtung unterzogen.

Verantwortung im ethischen Bereich

Die Aussage über die „Verantwor- tung im ethischen Bereich" ist ein ausgesprochener Allgemeinplatz und auch aufgrund der eigenen Aus- führungen des Verfassers unlo- gisch. Gerade für die neuen Indika- tionen (also außer der medizini- schen) führt der Verfasser selbst zahlreiche ethische Zusammenhän- ge auf, die an Unsicherheit nichts zu wünschen übrig lassen. Das wird im Folgenden noch erläutert.

Wem übrigens verantwortlich? Sich selbst, seinem Gewissen? Dann braucht ihm der Gesetzgeber nicht seine (zweifelhafte) Ethik-Interpreta- tion (Ethik-Indikation) vorzuschrei- ben, denn das Gewissen hat eine

Eigengesetzlichkeit höherer Priori- tät. Dem Gesetzgeber vielleicht, der durch die Neufassung der Paragra- phen 218, 219 und die Stellungnah- men und Kritiken der Bundesregie- rung an der Denk- und Handlungs- weise rechts- und verantwortungs- bewußter (nämlich auch ungebore- nem Leben gegenüber) Menschen bewiesen hat, daß er höherrangiges Recht (Bundesverfassungsgerichts- entscheidung) der Praktikabilität in primitiver und bequemer Denkweise opfert.

Die soziale Notlage

Die soziale Notlage z. B. ist in einem der reichsten Länder der Welt nur dann eine „Indikation", ungebore- nes Leben zu beseitigen, wenn man einerseits nicht bereit ist, eine wirk- same und praktizierbare soziale Ordnung und Gerechtigkeit zu schaffen (auch mit unpopulären Maßnahmen und sonst nicht übli- chen Anstrengungen) und anderer- seits ein sehr strapazierfähiges Ge- wissen und einen sehr dehnbaren Begriff von Ethik hat.

Auch auf juristischem Gebiet macht der Gesetzgeber es sich leicht und vollzieht direkt und indirekt Beugun- gen wichtiger Rechtsgrundsätze:

Zunächst (s. o. Bundesverfassungs- gericht), indem er höherrangiges Recht nachrangigem Recht unter- ordnet. Sodann nimmt er es bei der sogenannten sozialen Indikation (größter Prozentsatz der Abruptio- nes) billigend in Kauf, daß erstens Täuschungen des indizierenden Arztes in besonderem Umfange möglich sind (das ungeborene Le- ben wird dann aufgrund einer Täu- schung irreversibel beseitigt) und zweitens, daß die Motivation des in- dizierenden Arztes zur Indikations- Ökonomie im Krankenhaus

richtungen des Gesundheitswesens als Betriebe im betriebswirtschaftli- chen Sinne anzusehen sind, ist nun unschwer zu beantworten. Für jede Einrichtung des Gesundheitswe- sens, auch für das Krankenhaus, sind die vier Grundelemente des Be- triebes und das spezifisch betriebs- wirtschaftliche Grundproblem fest- zustellen. Eine wesentliche Kompo- nente der Betriebsaufgabe ist der Aspekt der Humanität in der Lei- stungserbringung am Patienten. Er ist mitentscheidendes Kriterium bei der Ermittlung der optimalen Kom- bination der Produktionsfaktoren Personal und Sachmittel sowie ihres Zusammenwirkens im Rahmen der Betriebsorganisation eines Kran- kenhauses. Konkret bedeutet dies, daß beispielsweise bei der Bemes- sung des Personals und der Arbeits- zeiten, bei der Gestaltung der Ar- beitsabläufe und beim Einsatz der Technik die Zielsetzung einer pa- tientenbezogenen humanen Ausfüh- rung der ärztlichen und pflegeri- schen Leistungen mitbestimmend sein muß.

Im Einzelfall kann natürlich die Ge- wichtung, die diesem Aspekt bei den ökonomischen Überlegungen zur Wahl der optimalen Kombination zuzumessen ist, strittig sein. Aber im grundsätzlichen ist festzustellen:

Ökonomie und Humanität sind kein Gegensatzpaar — im Gegenteil. Hu- manität im Gesundheitswesen erfor- dert die Ökonomie im Einsatz der begrenzten Mittel, denn ein Zuviel in einzelnen Bereichen des Gesund- heitswesens führt zu unvertretbaren Engpässen in anderen Bereichen zum Nachteil der Patienten, die in den Engpaßbereichen betreut wer- den. Das aber bedeutet: Unwirt- schaftlichkeit kann in Inhumanität umschlagen.

Anschrift der Verfasser:

Staatssekretär

Prof. Dr. med. F. Beske Ministerialrat

Diplom-Volkswirt H.-J. Wilhelmy Institut für

Gesundheits-System-Forschung Dreiecksplatz 7

2300 Kiel

Zwei Jahre „Reformparagraph 218"

was ist, was wird?

Zum Artikel von Professor Dr. med. Hans Lau in Heft 40/1978, Seite 2283

654 Heft 10 vom 8. März 1979 DEUTSCHES ARZ'I'EBLATT

Referenzen

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