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ie Leitung des Universitätsklini- kums Greifswald hat die Not- bremse gezogen.Als Reaktion auf den Sparkurs von Bundesgesundheits- ministerin Ulla Schmidt will das Kran- kenhaus vom 15. Dezember bis Jahres- ende die reguläre Patientenbehandlung einstellen und nur noch Notfälle versor- gen. Das nach Ausrufen der Nullrunde im Gesundheitswesen von den Kran- kenkassen gekürzte Budget für 2003 reiche bei weitemnicht aus, um den zu erwartenden Kosten- steigerungen für das Personal und für den medizinischen Be- darf gerecht zu wer- den, heißt es zur Er- klärung. Prof. Dr.
Andreas Greinacher, Ärztlicher Direktor in Greifswald: „Unse- re Ärzte sind am En- de ihrer Leistungs- fähigkeit angelangt.“
Das zugebilligte Bud- get zwinge das Klini- kum zur Reduzie-
rung der bislang erbrachten Leistungen – auch um Kündigungen und „West- wanderungen“ der Ärzte zu vermeiden.
Offene und versteckte Leistungskürzungen
Zwar ist die Aktion in Mecklenburg- Vorpommern bislang bundesweit ein- malig, aber auch an anderen Kran- kenhäusern werden wegen bereits ausgeschöpfter Budgets zum Jahres- ende Leistungen rationiert – wenn auch stillschweigend. In den Kliniken herrsche schieres Entsetzen und Fassungslosigkeit, sagte Wolfgang Pföhler, Präsidiumsmitglied der Deut- schen Krankenhausgesellschaft und
Geschäftsführer des Klinikums Mann- heim, am 21. November beim 25. Deut- schen Krankenhaustag in Düsseldorf.
Mittlerweile gerieten auch leistungs- fähige und effiziente medizinische Ver- sorgungsstrukturen in Gefahr.
Dreh- und Angelpunkt der Misere ist die völlig unzureichende Refinanzie- rung der Personalkosten in den Kran- kenhäusern. Das Problem: Die Nullrun- de bedeutet für die Krankenhäuser –
wie auch für die niedergelassenen Ärz- tinnen und Ärzte – de facto eine Bud- getkürzung. Denn durch die absehba- ren Tariferhöhungen um rund drei Pro- zent und die steigenden Lohnnebenko- sten – unter anderem infolge des ange- hobenen Rentenbeitrags auf 19,5 Pro- zent – öffnet sich die Schere zwischen Einnahmen und Personalkosten weiter.
So wird aus der Null- eine Minusrunde.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft rechnet mit einer Finanzierungslücke in Höhe von 1,7 Milliarden Euro für das nächste Jahr. Mehr als 36 000 Arbeits- plätze in den Krankenhäusern seien ge- fährdet. Dabei gibt es bereits einen aku- ten Mangel an Ärzten und Pflegekräf- ten. Schon heute funktioniert die Pati- entenversorgung vielerorts nur, weil
Ärzte und Schwestern mehr arbeiten, als sie bezahlt bekommen. Prof. Dr. Dr.
Hermann Hoffmann, Präsident des Ver- bandes der leitenden Krankenhausärz- te Deutschlands, nannte dies in Düssel- dorf die „ethische Ausnutzung“ der Be- schäftigten im Krankenhaus, „weil die Politik weiß, dass kein Arzt, keine Schwester einen Patienten unversorgt liegen lässt“.
Die Stimmung in den Krankenhäu- sern ist auf dem Nullpunkt. Demotivati- on,Abwanderung in andere Berufe und ein sich verschärfender Nachwuchs- mangel sind zu befürchten. Den Preis werden zwangsläufig die Patienten zah- len. Ihnen drohen offene und versteckte Leistungskürzungen, weniger persönli- che Zuwendung und Wartelisten. Bei- spielsweise könnten planbare Eingriffe aufgeschoben oder der Einsatz hoch- wertiger Verfahren und Materialien aus Kostengründen verringert werden.
„Die Nullrunde ist ein weiterer Schritt in die Zweiklassenmedizin“, konstatier- te Heinz Kölking, Präsident des Ver- bandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, beim Deutschen Kran- kenhaustag.
Keine Wartelisten, wenn die Kasse stimmt
Wer es sich leisten kann, hat freilich die Möglichkeit, sich gegen Wartelisten bei planbaren Behandlungen und Opera- tionen abzusichern. Der Marktführer unter den privaten Krankenversiche- rungen, die Deutsche Krankenversiche- rung AG (DKV), bietet seinen Versi- cherten neuerdings den Tarif „Best Care. Der schnellste Weg zum Speziali- sten“. Bei 25 schwerwiegenden Erkran- kungen erhält der Patient einen bevor- zugten Zugang zu einem renommierten Spezialisten auf dem jeweiligen Gebiet.
Die DKV garantiert, dass der Patient innerhalb von fünf Werktagen einen Untersuchungstermin und, wenn nötig, einen Operationstermin erhält. Man ar- beite ausschließlich mit Spitzenärzten zusammen, bei denen ansonsten sehr lange Wartezeiten üblich sind, heißt es im Prospekt. Der Versicherungsschutz kostet monatlich zwölf Euro, wenn der Versicherte jünger als 50 Jahren ist, und 17 Euro, wenn er älter ist. Jens Flintrop P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 496. Dezember 2002 AA3299
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