Zahngesundheit
und elterliche Fürsorge
Auswertung
der Einschulungsuntersuchungen in Tempelhof-Schöneberg
2012
Auch im Internet unter:
http://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/organisationseinheit/ges_fb6/esu.html
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin Abteilung Gesundheit, Soziales, Stadtentwicklung Gesundheitsamt
Kinder- und Jugendgesundheitsdienst Ges 6-FL / Dr. Völger
kjgd@ba-ts.berlin.de Juli 2013
Inhalt
Zusammenfassung Seite 4
Einleitung Seite 5
Vorbemerkung zu den Auswertungen Seite 8 Datenerhebung bei der Einschulungsuntersuchung Seite 9
Häufigkeit Seite 11
Zeitreihen Seite 13
Geschlecht Seite 14
Soziale Lage Seite 15
Herkunft Seite 18
Herkunftsgruppe Osteuropa Seite 22
Herkunft und soziale Lage Seite 24
Herkunft und Integration Seite 26
Familienform Seite 28
Kitabesuchsdauer Seite 31
Teilnahme an den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen Seite 34 Lebensweltlich orientierte Räume Seite 35
Zusammenfassung
Bei mehr als 8 von 10 Kindern zeigt der (laienhafte) Blick in den Mund bei der Einschulungsuntersuchung ein unauffälliges oder durch Füllungen saniertes Gebiss und gibt damit für Kinderärztin / Kinderarzt sowie für die Eltern keinen Hinweis auf unzureichende Für- und Vorsorge.
14% aller Kinder haben aber bei der Einschulungsuntersuchung bei einfacher Inspektion des Mundes erkennbaren, deutlichen Kariesbefall oder
kariesbedingt ein lückenhaftes Gebiss.
Dies ist als Folge eines nicht ausreichenden elterlichen Fürsorgeverhaltens, ungenügender Zahnpflege, ggf. mit Fehlernährung und unzureichender oder nicht zeitgerechter Inanspruchnahme zahnärztlicher Behandlung anzusehen.
2011 und 2012 und hat der Anteil von Kindern mit auffälligem Zahnbefund bei der Einschulungsuntersuchung wieder zugenommen.
Der Anteil von Kindern mit Zahnschäden koreliert vorrangig mit einem abnehmenden sozialen Status der Familien. In geringerem Umfang,
unabhängig von der sozialen Lage, spielt die Migration des Kindes selbst, die Herkunft der Familien – insbesondere wenn sie mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen und damit eingeschgränkter Integration verbunden ist – und auch die Familienform eine Rolle.
Bei Kindern der mittleren und unteren sozialen Statusgruppe ist der Anteil mit kariösen Zahnschäden geringer, wenn sie mehr als zwei Jahre eine Kita besucht haben.
Es werden lebensweltlich orientierte Räume (Planungsräume) beschrieben, in denen der Anteil von Kindern mit nicht ausreichend gepflegten Zähnen bei der Einschulungsuntersuchung erhöht ist.
Genauso wie Arztbesuche zu einer Kontrolle des Impfstatus1 genutzt werden sollten, so sollte auch ein Blick in den Mund zur Regel werden. Bei ersten Kariesbefunden sollte gezielt Beratung und Anleitung sowie Überweisung in zahnärztliche Behandlung erfolgen, damit nicht erst ein Zustand der Zähne erreicht wird, bei dem nur noch eine (nicht ganz risikolose) Behandlung in Vollnarkose möglich erscheint. Schon frühzeitig muss überlegt werden, ob die Familie nicht weitergehende Unterstützung und Hilfe benötigt. Insbesondere bei Familien aus der unteren (und mittleren) sozialen Statusgruppe, bei unzureichenden deutschen Sprachkenntnissen sowie in den aufgezeigten Planungsräumen ist ein besonderer Schwerpunkt auf frühzeitige Beratung, Anleitung und ggf. auf Begleitung der Familien zu legen.
Der Zugang zu einem Kitaplatz ist in besonderem Maße für Familien aus der unteren (und mittleren) sozialen Statusgruppe sicherzustellen.
1 Empfehlung der STIKO: Epid Bull 30/2012 S. 283
Einleitung2
Die gesunde Entwicklung eines Kindes beinhaltet auch die Entwicklung und den Erhalt eines gesunden Gebisses3. Kariesbedingte Zerstörung von Zahnsubstanz bis zum Verlust von Zähnen beeinträchtigt das Kauen, die Aussprache und z.T. das Gesichtsprofil. Zerstörte Zähne sowie die damit einhergehenden
Entzündungsprozesse bereiten dem Kind Schmerzen und können mit zunehmender Ausbreitung der Infektion ein bedeutsames Gesundheitsrisiko darstellen.
Unbehandelt führt die frühkindliche Karies rasch zu extremer Zerstörung des Milchgebisses4.
Zur Kariesprävention und zum Erhalt eines gesunden Gebisses trägt bei
eine zahngesunde Ernährung (Vermeidung von Dauerflaschenfütterung, gesüßter Tees und ständigem Konsum von Süßigkeiten etc.),
eine angemessene Mundhygiene (zweimal tägliches Zähneputzen) und wesentlich auch eine ausreichende Fluoridierung5 (Wasser, Tabletten,
Zahncreme).
Darüber hinaus hilft die Teilnahme an den zahnärztlichen
Vorsorgeuntersuchungen durch Beratung zur Zahnpflege und Früherkennung von Schäden die Gesundheit der Zähne zu erhalten.
Dies zu gewährleisten ist Teil der elterlichen Sorge und bedeutet eine jahrelange, mehrmals tägliche Zuwendung zum Kind6.
Der Blick in den Mund bei der Einschulungsuntersuchung erfolgt nicht nur zur
Dokumentation der Zahngesundheit, sondern dient vielmehr dazu, einen Hinweis auf das elterliche Fürsorgeverhalten in den vorangegangenen Jahren zu erhalten.7 8
2 In diesem Jahr hat die Berliner Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin die Zahngesundheit zu einem Schwerpunktthema ihrer wissenschaftlichen Fortbildungsabende gemacht. Dies war Anlass, die Daten der Einschulungsuntersuchungen des Bezirks aufzuarbeiten und sie gemeinsam mit Daten aus der Auswertung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales auf dem 300. Fortbildungsabend am 19.6.2013 vorzutragen.
3 I. Willershausen et. al.: Grundlagen der Zahngesundheit. Monatsschr Kinderheilkd 2013 (161) Seiten 500 - 505
4 S.Kneist et al.: Problematik der frühkindlichen Karies. Monatsschr Kinderheilkd 2013 (161) S. 510
5 Während die zahnärztlichen Empfehlungen auf eine lokale Anwendung von Kinderzahncreme (Fluoridgehalt 500 ppm) im Säuglings- und Kleinkindesalter hinauslaufen, empfehlen die
kinderärztlichen Leitlinien einen Gebrauch von Fluoridtabletten bis zu einem Entwicklungsstand, bei dem das Kind zuverlässig ausspucken kann (meist im 5. Lebensjahr) und dann Beginn des
Gebrauchs einer Erwachsenenzahncreme (Fluoridgehalt > 1000 ppm). Siehe zu dieser Diskussion auch B. Koletzko et. al.: Prophylaktische Fluoridgabe im Kindesalter. Monatsschr Kindrheilkd 2013 (161) S. 508 - 509
6 In den ersten beiden Lebenjahren müssen die Eltern die Zähne der Kinder putzen. Ab dem dritten Lebensjahr setzt selbständiges Putzen ein. Das Nachputzen durch die Eltern ist bis zum 6. Lebensjahr obligat. Als Richtlinie gilt, dass die notwendigen manuellen Fähigkeiten erreicht sind, wenn die Kinder in der Lage sind, zu schreiben. Nach: I. Willershausen et. al.: Grundlagen der Zahngesundheit.
Monatsschr Kinderheilkd 2013 (161) S. 501
7 Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Referat IA: Handbuch für die Einschulungsuntersuchungen der Kinder- und Jugendgesundheitsdienste der Bezirke des Landes Berlin Ausgabe 2012, Seite 39:
Ziel der Frage:
Die Frage dient in erste Linie zur Erfassung eines Gesundheitsverhaltens (Zahnpflege im weitesten Sinne). Es soll ein Anhaltspunkt für die Bereitschaft von Eltern gewonnen werden,
Die Häufigkeit des Zähneputzens wurde im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KIGGS) von Eltern, Kindern und Jugendlichen in den Jahren 2003 - 3006 erfragt.
Die Daten sind repräsentativ für Deutschland. (Diagramm 1)
Danach putzten 29% der Kinder- und Jugendlichen weniger als zweimal pro Tag die Zähne. In den ersten beiden Lebensjahren wurden den Kindern nur in der Hälfte der Fälle zweimal am Tag die Zähne geputzt.
Jungen Putzen in einem Drittel der Fälle zu selten, Mädchen in einem Viertel.
Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem Sozialstatus putzten fast doppelt so häufig zu wenig im Verhältnis zu Kindern aus Familien mit hohem Sozialstatus.
Kinder und Jugendliche aus Familien, die zugewandert waren, hatten mit 45% einen deutlich höheren Anteil mit zu geringer Zahnpflegehäufigkeit. Der Unterschied blieb auch bei kontrolliertem Schichteinfluss bestehen.
KIGGS 2003-2006 n = 17.641
"Zähneputzen weniger als 2-mal pro Tag"
56%
23% 25%
28% 28%
33%
25% 26%
45%
39%
34%
51%
28% 26%
41%
22% 21%
32%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
0 - 2 Jahre 3 - 6 Jahre
7 - 10 Jahre 11 - 13 Jahre
14 - 17 Jahre Jungen
Mädchen Nicht-Migrant
Migrant
Niedriger Sozialstatus Nicht-Migrant
Migrant
Mittlerer Sozialstatus Nicht-Migrant
Migrant
Hoher Sozialstatus Nicht-Migrant
Migrant
Quelle: Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 2007 . 50:653-658
Diagramm 1 9
Gesundheitsvorsorge auch dann konsequent zu betreiben, wenn hierzu Beständigkeit bei tendenziell unangenehmen und belastenden Erziehungsmaßnahmen erforderlich ist.
Erst in zweiter Linie kann sie zu einem groben Überblick über den Gebissstatus dienen.
8 Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz: Sozialstrukturatlas Berlin 2003 – Spezialbericht 2004-1, S. 116-117
Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz: Zur gesundheitlichen Lage von Kindern in Berlin – Ergebnisse und Handlungsempfehlungen auf der Basis der
Einschulungsuntersuchungen 2004 – Spezialbericht 2006-1, S. 38-42 ff
Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz: Sozialstruktur und
Kindergesundheit – Ein Atlas für Berlin auf der Basis der Einschulungsuntersuchungen 2007/2008 – Spezialbericht 2011-1, Mundgesundheit als Beispiel einer soziallagenbezogenen Prävention, S. 180- 183 http://www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/spezial.html zuletzt aufgerufen am 12.7.2013
9Migrant (17,1%): selbst zugewandert, außerdem mind. ein Elternteil nicht in D geboren oder beide Eltern zugewandert oder nicht deutscher Staatsangehörigkeit
Der Zahnärztliche Dienst des Bezirks Tempelhof-Schöneberg beobachtet bei seinen Untersuchungen in den Kindertagesstätten ein Ansteigen des eec (early childhood caries) im Vorschulalter (Ansteigen des dmft-Indexes 10 von 0,87 bei den ca. 3- Jährigen auf 3,42 bei den 5-Jährigen) sowie „viel Karies bei wenigen Kindern“11.
Aus den Untersuchungen der Zahnärztlichen Dienste12 wird über 82% kariesfreie und 15% behandlungsbedürftige Gebisse bei den 3-jährigen im Schuljahr 2011/12
berichtet. Bei den 6-jährigen fanden sich 51% kariesfreie und 34%
behandlungsbedürftige Gebisse. Die Entwicklung der letzten Jahre war positiv.
Es wird jedoch auch festgestellt, dass ein Unterlassen von notwendigen
Behandlungsmaßnahmen durch die Eltern in größerem Umfang festgestellt wurde und die Kinderschutzkoordination einbezogen wurde.
Die durch die Vorsorgeuntersuchungen des Zahnärztlichen Dienstes Tempelhof- Schöneberg im Schuljahr 2011/2012 erfassten 1.022 3-jährigen Kinder hatten in 84,6% ein kariesfreies, in 1,8% ein saniertes und in 13,6% ein
behandlungsbedürftiges Gebiss.
Bei den 1.014 6-jährigen fand sich in 46,9% ein kariesfreies, in 11,6% ein saniertes und in 41,4% ein behandlungsbedürftiges Gebiss.
Die Untersuchungen der Zahnärztlichen Dienste sind aber weder eine Vollerhebung wie die Einschulungsuntersuchungen noch eine repräsentative, definierte Stichprobe.
Sie unterliegen vielmehr dem Kriterium der sozialkompensatorischen Schwerpunktsetzung und der personellen Ausstattung13.
Von der WHO wird die frühkindliche Karies als „public health problem“ eingeschätzt.
Als Risikofaktoren gelten niedriger sozioökonomischer Status, unzureichendes Gesundheitswissen und eine niedrige Schulbildung.14
10 d „decayed“ = zerstört, m „missing“ = extrahiert wegen Karies, f „filled“ = gefüllt, t „teeth“ = Milchzahnzahl / minimaler Wert 0, maximaler Wert 20
11 Persönliche Mitteilung, Juni 2013
12 Mundgesundheit Berliner Kinder und Jugendlicher im Schuljahr 2011/2012, Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Statistische Kurzinformation 2013-2, Gesundheitsberichterstattung Berlin http://www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/kurzinfo.html zuletzt aufgerufen am 12.7.2013
13 ebd. S. 10
14 Zitiert nach: S. Kneist et al.: Problematik der frühkindlichen Karies. Monatsschr Kinderheilkd 2013 (161) Seite 514-515
Vorbemerkung zu den Auswertungen
Die Auswertung der Daten des Bezirks Tempelhof-Schöneberg erfolgte mit dem aktuellen Auswertungsprogramm der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales aus den verifizierten Datensätzen.
Um einen Vergleich mit den Vorjahren zu ermöglichen, wurden bei einigen Auswertungen die Daten aller bei der Einschulungsuntersuchung untersuchten Kinder, abzüglich der für das kommende Schuljahr zurückgestellten Kinder, berücksichtigt. Damit wird auch vermieden, dass zurückgestellte Kinder in zwei Jahrgängen infolge der Wiederholungsuntersuchung doppelt erfasst werden.
Diese Grundgesamtheit umfasst die Kinder, die in diesem Jahr auch zur Schule kommen.
Daneben erfolgten Auswertungen der Einschulungsuntersuchung Tempelhof- Schöneberg 2012, bei denen nur die Kinder des Jahrgangs 2006 berücksichtigt wurden. Hier ist die Grundgesamtheit altershomogener.
In Abhängigkeit von den verschiedenen Merkmalen, die bei den Untersuchungen berücksichtigt werden, liegen die Angaben in einem geringen Umfang nicht immer für alle Kinder vor.
Aus diesen genannten Gründen ergeben sich zwischen einzelnen Auswertungen leichte Abweichungen.
Datenerhebung bei der Einschulungsuntersuchung
Bei der Einschulungsuntersuchung wird jedem Kind in den Mund geschaut, der Zustand der Zähne begutachtet und in eine von 5 Kategorien eingeordnet.
Die Untersuchung entspricht nicht einer zahnärztlichen Untersuchung, sie
berücksichtigt auch nicht die Anzahl auffälliger Zähne. Die erhobene Karieshäufigkeit kann daher auch nicht mit Ergebnissen zahnärztlicher Erhebungen übereinstimmen.
Bewusst sollen die Befunde so erhoben werden, wie sie auch die Eltern ohne Weiteres erheben könnten.
Zur Auswertung werden die Kategorien 1 und 2 zusammengefasst zur Kategorie
„Zähne versorgt“, 3 und 4 zu „Zähne sanierungsbedürftig“ und 5 bleibt bestehen:
„Zähne abgefault oder Extraktion wegen Karies“. (Tabelle 1)
Es sollen Antworten auf folgende Fragestellungen gegeben werden:
Achten die Eltern auf das Zähneputzen und nehmen sie deutliche Karies wahr?
Veranlassen sie bei Karies eine Zahnbehandlung? Gehen die Eltern konsequent zur Zahnbehandlung – auch bei erneutem Kariesbefall?
Kategorie Gebisszustand (qualitativ, einfache Inspektion)
1 naturgesundes Gebiss ohne sichtbare Karies und ohne Füllungen
2 Füllungen vorhanden und keine zusätzliche (deutliche) Karies
3 Füllungen vorhanden und zusätzlich (deutliche) Karies 4 (deutliche) Karies, keine Füllungen
5 Zahn bis auf die Gingiva abgefault / Extraktionen wegen Karies
1 (naturgesund) und 2 (saniert): „Zähne versorgt“
3 (Füllungen mit Karies) und 4 (Karies ohne Füllung): „ Zähne sanierungsbedürftig“
Tabelle 1
Die Einschulungsuntersuchung bietet die Möglichkeit die erhobenen Befunde
o mit Daten zur Lebenslage der Kinder und ihrer Familien (sozialer Status, Migration, Familienform)
o mit anderen erhobenen Merkmalen (Kitabesuchsdauer) o mit den Sozialräumen, in denen die Familien leben
(Bezirk/Bezirksregion/Planungsraum)
o und im Vergleich mit den Vorjahren (Zeitreihe)
darstellen zu können, um zu weiteren Aussagen zu gelangen.
Im Spezialbericht 201115 wurde an den Datensätzen von über 52.000 Kindern der Einschulungsuntersuchungen 2007 und 2008 in Berlin die Zusammenhänge von Sozialstruktur und gesundheitlichen Risiko- und Problemkonstellationen
herausgearbeitet.
Sozialstatus, Migration und Familienform beschreiben die Lebenslage der Kinder und deren Familien und weisen wechselseitige Zusammenhänge auf.
Neben dem
Sozialstatus (Schulbildung, Berufsbildung, Integration in die Arbeitswelt) als stärkstem Einflussfaktor sind
Migration im Zusammenhang mit dem Ausmaß der Integration (deutsche Sprachkenntnisse), sowie in geringem Umfang auch die
Familienform (Alleinerziehend / nur ein Erwachsener in der Wohnung) eigenständige Dimensionen mit Korrelation zur gesundheitlichen Lage der Kinder.
Diese Dimensionen werden daher in dieser Auswertung berücksichtigt.
15 Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz: Sozialstruktur und
Kindergesundheit – Ein Atlas für Berlin auf der Basis der Einschulungsuntersuchungen 2007/2008 – Spezialbericht 2011-1
http://www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/spezial.html
Häufigkeit
Bei der Einschulungsuntersuchung in Tempelhof-Schöneberg waren die Zähne von 86% der Kinder bei Inspektion frei von deutlich erkennbarer Karies und spiegelten ausreichendes Pflegeverhalten der Eltern wider. (Diagramm 2)
Bei 8% war Karies erkennbar, als Ausdruck nicht ausreichender Gesundheits- fürsorge und bei 6% waren ein oder mehrere zerstörte Zahnkronen/Zähne Hinweis auf ungenügendes elterliches Vor- und Fürsorgeverhalten.
Somit war bei 14 % der Kinder mittels einfachem Blick in den Mund Handlungsbedarf zu erkennen.
Unter den Gebissen mit erkennbarer Karies liegt der Anteil von Kindern mit abgefaulten Zähnen oder lückenhaftem Gebiss bei ungefähr 40%.
Gebisszustand (Befund, wie die Eltern ihn auch erheben können) ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (nur Jahrgang 2006, n = 2553)
6%
5%
3%
7% 79%
naturgesund
Füllungen, keine (deutliche) Karies Füllungen und (deutliche) Karies keine Füllungen und (deutliche) Karies Stümpfe /
Extraktionen wg.
Karies
"Zähne sanierungsbedürftig" 8%
"Zähne versorgt" 86%
Diagramm 2
Der Anteil offensichtlich behandlungsbedürftiger Zähne bei der Einschulungsuntersuchung 2011(Diagramm 3)
lag in
o Tempelhof-Schöneberg im Durchschnittsbereich von Berlin, ähnlich wie in den Bezirken
o Lichtenberg und
o Friedrichshain-Kreuzberg und o mit Einschränkung auch Spandau.
Deutlich ungünstiger lagen die Ergebnisse in den Bezirken o Reinickendorf,
o Mitte,
o Mahrzahn-Hellersdorf und o Neukölln.
Deutlich bessere Zahnpflege spiegelten die Ergebnisse wider von o Steglitz-Zehlendorf,
o Charlottenburg-Wilmersdorf, o Treptow-Köpenick und o Pankow.
Mangelhafte Zahnpflege, ESU Berlin 2011
n = 26.621 (Datenquelle: SenGesSoz Berlin - I A -)
0 5 10 15 20 25
Prozent
Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies 1,8 2,3 3 3,2 5,3 5,1 5,2 4 7 8,9 7 8 7,8
Zähne sanierungsbedürftig 3,3 3,9 4,4 4,4 7 8,3 8,4 10,5 9,6 10,2 12,7 12,3 14,8
Pankow Treptow- Köpenic k
Charlott enburg- Wilmers
Steglitz- Zehlend orf
Tempel hof- Schöne
Lichtenb erg
Berlin gesamt
Friedric hshain- Kreuzbe
Spanda u
Reinick endorf Mitte
Marzah n- Hellersd
Neuköll n
Diagramm 3
Zeitreihen
Die Auswertungen für Berlin zeigen seit 2005 einen rückläufigen Trend, der jedoch 2011 sich nicht mehr fortgesetzt hat. (Diagramm 4)
In Tempelhof-Schöneberg ist bei den Einschulungsuntersuchungen 2011 und 2012 wieder eine leichte Zunahme auffälliger Gebisse festzustellen. (Diagramm 5)
Zeitreihe Gebisszustand Einschüler/innen Berlin 2005 bis 2011
(Datenquelle: SenGesSoz Berlin - I A -)
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Prozent
Zähne sanierungsbedürftig Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 4
Zeitreihe Gebisszustand Einschüler/innen ESU Tempelhof-Schöneberg 2009 - 2012
0%
2%
4%
6%
8%
10%
12%
14%
16%
2009 (n=2451, 97,8%) 2010 (n=2464, 98,0%) 2011 (n=2385, 97,1%) 2012 (n=2518, 98,4%) Zähne sanierungsbedürftig Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 5
Geschlecht
Der Anteil von Kindern mit offensichtlich behandlungsbedürftigen Zähnen ist bei den Jungen geringfügig höher als bei den Mädchen. Der Unterschied ist aber nicht signifikant. Ähnliche Werte fanden sich auch 2011 bei der Auswertung der Einschulungsuntersuchungen in Berlin. (Diagramme 6 und 7)
Die deutlichen Geschlechtsunterschiede wie im KIGGS fanden sich nicht.
Geschlecht: ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 n = 2.518 (98,4%)
87 85
0%
20%
40%
60%
80%
100%
weiblich (%) männlich (%)
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 6
Geschlecht: ESU Berlin 2011
n = 26.621 (Datenquelle: SenGesSoz Berlin - I A -)
87 86
0%
20%
40%
60%
80%
100%
weiblich (%) männlich (%)
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 7
Soziale Lage16
Der Zusammenhang zwischen dem Zustand der Zähne bei der
Einschulungsuntersuchung und damit dem Fürsorgeverhalten der Eltern einerseits und der sozialen Lage andererseits ist deutlich.
Er lässt sich bei den Kindern der Einschulungsuntersuchung 2012 (Jahrgang 2006) in Tempelhof-Schöneberg genauso nachweisen, wie an den Kindern der
Einschulungsuntersuchung 2011 in ganz Berlin (Diagramme 8 und 9).
Während sich der Anteil von Kindern mit erkennbarer Karies in der mittleren sozialen Statusgruppe im Bereich des Wertes aller Kinder (ohne Berücksichtigung der
sozialen Lage) bewegt (13%), ist der Anteil in der unteren sozialen Statusgruppe mit 32% etwa 10-mal so hoch wie in der oberen (3%).
16 Aufgrund der Faktorenanalyse der Daten der Einschulungsuntersuchungen 2007 und 2008 wurde 2011 ein neuer Sozialstatusindex definiert, der hier zur Anwendung kommt. Auf der Grundlage der erfragten Angaben der Eltern zu ihrer Schulbildung, Berufsausbildung und Erwerbstatus werden mit Hilfe eines einfachen Punkteschemas drei soziale Statusgruppen gebildet (untere 23%, mittlere 52%, obere 25% Sozialstatusgruppe). Eine zusätzliche Erfassung von Einkommensmerkmalen erschien nach der externen Validierung verzichtbar.: Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und
Verbraucherschutz: Sozialstruktur und Kindergesundheit – Ein Atlas für Berlin auf der Basis der Einschulungsuntersuchungen 2007/2008 – Spezialbericht 2011-1, Seite 11-12 und Seite 64 – 66 http://www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/spezial.html
Soziale Statusgruppen ESU Tempelhof-Schöneberg 2012
Kinder Jahrgang 2006, n = 2.250 (88,1%)
97
87
68
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Obere soziale Statusgruppe (%) n = 671
mittlere soziale Statusgruppe (%) n = 1.135
untere soziale Statusgruppe (%) n = 444
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 8
Soziale Statusgruppen ESU Berlin 2011
n = 23.753 (Datenquelle: SenGesSoz Berlin - IA -)
97 89
70
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
obere soziale Statusgruppe (n = 7.091)
mittlere soziale Statusgruppe (n = 11.810)
untere soziale Statusgruppe (n = 4.852)
Zähne versorgt Zähne sanierungsbedürftig Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 9
Die absolute Zahl der Kinder mit deutlich erkennbarer Karies ist in der mittleren und unteren sozialen Statusgruppe gleich groß (144 / 143 Kinder). In der oberen sozialen Statusgruppe befanden sich nur 19 Kinder.
Dies ergibt sich aufgrund der ungleichen Größen der sozialen Statusgruppen.
(Diagramme 10 und 11)
Gebiss mit Karies: Anzahl der Kinder in den sozialen Statusgruppen ESU Tempelhof-Schöneberg 2012
Jahrgang 2006, n = 2.250 (88,1%)
19
144 143
obere soziale Statusgruppe mittlere soziale Statusgruppe untere soziale Statusgruppe
Diagramm 10
Anteilige Größe der sozialen Statusgruppen ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006)
n = 2.250 (88,1%)
30%
50%
20%
obere soziale Statusgruppe mittlere soziale Statusgruppe untere soziale Statusgruppe
Diagramm 11
Herkunft
Der Anteil der Kinder die selbst zugewandert sind („nicht in Deutschland geboren“) lag bei der Einschulungsuntersuchung 2012 (Jahrgang 2006) in Tempelhof-
Schöneberg bei 5 % (Diagramme 12). Unter diesen 137 Kindern war der Anteil von Kindern mit offensichtlich behandlungsbedürftigen Zähnen höher als bei den in
Deutschland geborenen Kindern, die seit Geburt unter den Versorgungsbedingungen in Deutschland lebten (Diagramm 13).
Der größte Anteil zugewanderter Kinder kam bei der ESU 2012 aus den osteuropäischen Staaten, gefolgt von der Gruppe aus den westlichen Industriestaaten (Diagramm 14).
Anteil von Kindern, die nicht in Deutschland geboren sind ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006) Kinder mit vorliegenden Angaben über Zähne: n = 2.495 (97,7%)
95%
5% seit Geburt in
Deutschland (%) (n = 2.358)
nicht seit Geburt in Deutschland (%) (n
= 137)
Diagramm 12
Migration der Kinder und Zahngesundheit ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006)
n = 2.495 (97,7%)
86 76
0%
20%
40%
60%
80%
100%
seit Geburt in Deutschland (%) (n = 2.358) nicht seit Geburt in Deutschland (%) (n = 137) Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 13
Anzahl der Kinder nach Herkunftsgruppen ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (nicht in D geborene Kinder Jahrgang 2006) n = 141
62
32 17
13
9 8 osteuropäisch
westliche
Industriestaaten sonstige Staaten arabisch
türkisch deutsch
Diagramm 14
Der Zahnstatus beim „Blick in den Mund“ bei der Einschulungsuntersuchung spiegelt ein unterschiedliches Fürsorgeverhalten für die Zahngesundheit in den
verschiedenen Herkunftsgruppen wider. Die Auswertungsergebnisse von Tempelhof- Schöneberg 2012 (nur in Deutschland geborene Kinder des Jahrgangs 2006)
entsprechen weitgehend denen von Berlin bei der Einschulungsuntersuchung 2011 (Diagramme 15 und 16).
Während Kinder aus westlichen Industriestaaten und deutscher Herkunft einen unterdurchschnittlichen Anteil offensichtlich behandlungsbedürftiger Zähne
aufwiesen, nahm der Anteil von Kindern mit offensichtlichem Behandlungsbedarf von der Gruppe der Kinder mit Herkunft aus sonstigen Staaten, der Türkei, aus
arabischen Staaten bis zu Kindern aus osteuropäischen Staaten zu und war
überdurchschnittlich. Der zunehmende Anteil von Kindern mit Behandlungsbedarf in den Herkunftsgruppen entsprach dem zunehmenden Anteil von Kindern aus der unteren sozialen Statusgruppe und gleichzeitig dem abnehmenden Anteil aus der oberen sozialen Statusgruppe in den Herkunftsgruppen (Diagramm 17).
Dies spricht für die vorrangige Bedeutung der sozialen Lage der Familien für das Pflegeverhalten sowie auch Ernährungsverhalten in Hinblick auf die Zahngesundheit.
Lediglich die Herkunftsgruppe „osteuropäisch“ machte hier eine Ausnahme: während die soziale Lage der Familien eher dem Bezirksdurchschnitt entsprach, fand sich sowohl in Tempelhof-Schöneberg (2012) wie auch in Berlin (2012) in dieser
Herkunftsgruppe der höchste Anteil von Kindern mit zerstörten Kronen oder bereits wegen Karies gezogenen Zähnen.17
Herkunft
nur in D geborene Kinder, Jahrgang 2006, n = 2.385 (98,9%) ESU Tempelhof-Schöneberg 2012
0%
20%
40%
60%
80%
100%
westliche Industriestaaten
(%)
deutsch (%) sonstige Staaten (%)
türkisch (%) arabisch (%) osteuropäisch (%)
Gebiss versorgt Gebiss sanierungsbedürftig Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
17 Schon bei der gesamtberliner Auswertung der Daten der ESU 2004 wurde dies herausgestellt: „So findet sich der größte Anteil der Kinder mit einem unzureichend gepflegten Gebiss in der Gruppe der Kinder aus den ehemaligen Staaten des Ostblocks (36%) und zwar unabhängig davon, ob diese Kinder in Deutschland geboren wurden bzw. wie lange sie schon in Deutschland leben.“:
Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz: Zur gesundheitlichen Lage von Kindern in Berlin – Ergebnisse und Handlungsempfehlungen auf der Basis der
Einschulungsuntersuchungen 2004 – Spezialbericht 2006-1, S. 42 ff
Diagramm 15
ESU Berlin 2011
n = 26.591 (Datenquelle: SenGesSoz Berlin - I A -)
0%
20%
40%
60%
80%
100%
westl.
Industriestaaten n = 931 (4%)
deutsch n = 16.764 (63%)
sonstige Staaten n = 1.566 (6%)
türkisch n = 2.767 (10%)
arabisch n = 1.622 (6%)
osteuropäisch n = 2.959 (11%)
Gebiss versorgt Gebiss sanierungsbedürftig Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 16
Herkunft und soziale Statusgruppen
nur in D geborene Kinder, Jahrgang 2006, n = 2.173 (90,3%) ESU Tempelhof-Schöneberg 2012
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
westliche Industriestaaten (%)
deutsch (%)
osteuropäisch (%)
Durchschnittswert (%)
sonstige Staaten (%
)
türkisch (%
)
arabisch (%
)
niedriger Status mittlerer Status hoher Status
Diagramm 17
Herkunftsgruppe Osteuropa
In der Herkunftsgruppe „osteuropäisch“ oder auch „Staaten des ehemaligen Ostblocks“ werden in den Auswertungen der Einschulungsdaten die Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes zusammengefasst. Hier sind die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens mit Albanien enthalten, wie auch Polen, die baltischen Staaten und Russland.
Diese Herkunftsgruppe umfasste bei der ESU 2012 (Kinder Jahrgang 2006) 388 Kinder - berücksichtigt man nur die in Deutschland geborenen Kinder, so waren es 323 Kinder. Diese Herkunftsgruppe war damit nach den Kindern türkischer Herkunft die zweitgrößte nicht deutsche Herkunftsgruppe. (Diagramme 18 und 19)
Die 4 Einzelstaaten, aus denen die meisten osteuropäischen Kinder kamen, waren bei der ESU 2012 (Jahrgang 2006)
• Polen mit 102 (89 18) Kindern,
• Russische Föderation (Russland) mit 82 (66) Kindern,
• Serbien mit 51 (41) Kindern und
• Kroatien mit 26 (23) Kindern
„Balkanstaaten“19 zusammengefasst 147 (118).
(Diese Rangfolge bleibt auch bei Mittelwertsbildung der ESU 2009 – 2012 bestehen.)
Da aus den einzelnen Staaten z.T. nur sehr wenige Kinder kamen, ist eine detailliertere statistische Auswertung nur mit sehr großer Zurückhaltung zu interpretieren.
Bei der Auswertung der gepoolten Daten 2009 – 2012 hatten Kinder mit Herkunft20 aus
• Serbien,
• Bosnien-Herzegowina,
• Albanien,
• Mazedonien,
• Bulgarien
• Rumänien, und dem
• Kosovo
für diese Gruppe überdurchschnittlich häufig offensichtlich kariesbefallene Zähne.
Bei den Kindern der ESU 2012 (Jahrgang 2006) fällt auf, dass bei Kindern aus einigen Staaten des ehem. Jugoslawien (Serbien, Bosnien-Herzegowina,
Montenegro, Kosovo) sowie aus Rumänien und Bulgarien jedes zweite Kind ein behandlungsbedürftiges oder lückenhaftes Gebiss hatte.
(Die Kinder aus Serbien waren in 20% nicht in Deutschland geboren, die aus Rumänien in einem Drittel und die aus Bulgarien in zwei Dritteln). Die Anzahl der Kinder war jedoch so klein, dass daraus keine Verallgemeinerung erfolgen kann.
Auch wenn die geringen Fallzahlen in den Untergruppen nur eine sehr zurückhaltende Interpretation erlauben, so kann jedoch zusammenfassend
18 Zahlen in Klammern: nur in Deutschland bereits geborene Kinder der entsprechenden Herkunft
19 Serbien, Bosnien-Herzegovina, Montenegro, Mazedonien, Kroatien, Albanien, Kosovo, Rumänien, Bulgarien
20 Es wurden nur Herkunftsgruppen mit mindestens 16 Kindern im gepoolten Datensatz der ESU 2009 – 2012 berücksichtigt.
festgestellt werden, dass die Kinder aus den „Balkanstaaten“, die etwa ein Drittel der Kinder osteuropäischer Herkunft ausmachten, überdurchschnittlich häufig
kariesbefallene Zähne hatten.
Anzahl der Kinder nach Herkunftsgruppen ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006)
n = 2.553
1310
407 388
171
164 113
deutsch türkisch osteuropäisch arabisch
sonstige Staaten westliche
Industriestaaten
Diagramm 18
Anzahl der Kinder nach Herkunftsgruppen ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (nur in D geborene Kinder Jahrgang 2006) n = 2.407
1301
398 323
157
147 81 deutsch
türkisch osteuropäisch arabisch
sonstige Staaten westliche
Industriestaaten
Diagramm 19
Herkunft und soziale Lage
Betrachtet man nur die Kinder der unteren sozialen Statusgruppe21, so sind die Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen nicht mehr so groß. Im Vergleich mit den anderen Herkunftsgruppen haben die Kinder deutscher Herkunft nach den
Kindern osteuropäischer Herkunft den höchsten Anteil von offensichtlich schadhaften und damit nicht ausreichend gepflegten Zähnen. (Diagramm 20)
In der mittleren sozialen Statusgruppe ist in allen Herkunftsgruppen der Anteil von Kindern mit offensichtlich auffälligen Zähnen geringer wie in der unteren sozialen Statusgruppe.
Bei den Kindern der oberen sozialen Statutsgruppe haben in allen Herkunftsgruppen mindestens 90% der Kinder beim „Blick in den Mund“ unauffällige Zähne. Die Kinder osteuropäischer und türkischer Herkunft haben hier die höchsten Anteile von Kindern mit auffälligem Befund. (Diagramme 21 und 22)
Die Auswertung zeigt, dass der Zusammenhang zwischen der Herkunft der Kinder und dem Fürsorgeverhalten der Eltern für die Zähne deutlich geringer wird, wenn man die soziale Lage als wesentlichen Einflussfaktor ausschließt.
ESU Tempelhof-Schöneberg 2010-2012 gepoolt (untere soziale Statusgruppe) n = 1.286
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
westliche Industriestaaten
deutsch
Durchschnittswert
sonstige Staaten
türkisch
arabisch
osteuropäisch
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 20
21 Zur Darstellung des Zusammenhangs zwischen Herkunft, sozialer Lage und Zahnpflege wurden die Daten aus den Jahren 2010 – 2012 gepoolt ausgewertet, um in den einzelnen Untergruppen eine ausreichende Anzahl von Kindern zu erhalten. Dennoch sind - insbesondere geringe Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen - mit Zurückhaltung zu interpretieren.
ESU Tempelhof-Schöneberg 2010-2012 gepoolt (mittlere soziale Statusgruppe) n = 3.378
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
westliche Industriestaaten
deutsch
Durchschnittsw ert
sonstige Staaten
türkisch
arabisch
osteuropäisch
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 21
ESU Tempelhof-Schöneberg 2010-2012 gepoolt (obere soziale Statusgruppe) n = 1.992
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
westliche Industriestaaten
deutsch
Durchschnittsw ert
sonstige Staaten
türkisch
arabisch
osteuropäisch
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 22
Herkunft und Integration
Migration der Familie in Zusammenhang mit unzureichenden Deutschkenntnissen ist ein eigenständiges Merkmal, das mit der gesundheitlichen Lage der Kinder korreliert.
Unzureichende deutsche Sprachkenntnisse behindern den Zugang zu Information und Aufklärung und können hier als ein Merkmal für begrenzte Integration gewertet werden.
Bei der Auswertung der Einschulungsuntersuchungen von Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006) sowie von Berlin 2011 war bei Kindern nicht deutscher Herkunft, die selbst sowie auch deren begleitender Elternteil nur unzureichend
deutsch sprechen konnten, der Anteil von Kindern mit offensichtlich kariösen Zähnen mehr als doppelt so hoch wie bei Kindern nicht deutscher Herkunft mit guten
deutschen Sprachkenntnissen.
(Diagramme 23 und 24)
Herkunft, Sprachkenntnisse und Zahnpflege ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006)
n = 2.480 (97,1%)
91 84 82
67
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Kind deutscher Herkunft
Mh, Kind und Eltern gute Deutschkenntnisse
Mh, Kind oder Eltern unzureichende Deutschkenntnisse
Mh, Kind und Eltern unzureichende Deutschkenntnisse Gebiss versorgt (%) Gebiss mit Karies (%) Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies (%)
Diagramm 23
Herkunft, Sprachkenntnisse und Zahnpflege ESU Berlin 2011
n = 26.375 (Datenquelle: SenGesSoz Berlin - I A -)
91 86
75 66
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Kind deutscher Herkunft
Mh, Kind und Eltern gute Deutschkenntnisse
Mh, Kind oder Eltern unzureichende Deutschkenntnisse
Mh, Kind und Eltern unzureichende Deutschkenntnisse Gebiss versorgt (%) Gebiss mit Karies (%) Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies (%)
Diagramm 24
Familienform
Kinder alleinerziehender Eltern22 haben bei der Auswertung der
Einschulungsuntersuchungen Tempelhof-Schöneberg 2012 einen etwas höheren Anteil offensichtlich kariesbelasteter Gebisse (Diagramm 25).
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Alleinerziehende sich häufiger in der unteren und seltener in der oberen sozialen Statusgruppe befinden (Diagramm 26).
Betrachtet man die sozialen Statusgruppen einzeln23, so zeigt sich, dass die Zugehörigkeit zur Sozialstatusgruppe für den Zahnbefund eine deutlich größere Bedeutung hat im Vergleich mit dem Merkmal „alleinerziehend“ (Diagramme 27-29).
Familienform und Zahnpflege ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 n = 2.446
87% 80% 81%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
nicht Alleinerziehend (n = 1.895)
Alleinerziehend (n = 551) Alleinerziehend und nur 1 Erw.
im Haushalt (n = 459) Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 25
22 ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006):
alleinerziehende Mutter 521 (20,8%), alleinerziehender Vater 34 (1,4%),
alleinerziehende Muter und alleinerziehender Vater 16 (0,6%), n = 2.509 (98,3%).
alleinerziehend und 1 Erwachsener im Haushalt 473 (19,1%),
alleinerziehend und mehr als 1 Erw. im Hauhalt 91 (3,7%) n = 2.481 (97,2%)
23 Zur Verbesserung der statistischen Aussage durch Erhöhung der Fallzahl wurden die Daten der drei ESU-Jahrgänge 2010 – 2012 gepoolt ausgewertet.
Alleinerziehend und soziale Statusgruppe ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006)
n = 2.295 (89,9%)
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
nicht alleinerziehend alleinerziehend
niedriger Status (%) mittlerer Status (%) hoher Status (%)
Diagramm 26
Alleinerziehend und Zahngesundheit (untere soziale Statusgruppe)
ESU Tempelhof-Schöneberg 2010 - 2012 gepoolt, n = 1.283
75% 69%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
nicht alleinerziehend n = 849 alleinerziehend n = 434
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 27
Alleinerziehend und Zahngesundheit (mittlere soziale Statusgruppe)
ESU Tempelhof-Schöneberg 2010 - 2012 gepoolt, n = 3.375
90% 85%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
nicht alleinerziehend n = 2.598 alleinerziehend n = 777
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 28
Alleinerziehend und Zahngesundheit (obere soziale Statusgruppe)
ESU Tempelhof-Schöneberg 2010 - 2012 gepoolt, n = 1.986
97% 94%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
nicht alleinerziehend n = 1.732 alleinerziehend n = 254
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 29
Kitabesuchsdauer
In den Kindertagesstätten wird Zahnpflegeverhalten eingeübt. Auch auf eine gesunde Ernährung sollte geachtet werden. Die Eltern können hier zusammen mit ihren Kindern auf das Thema Mundhygiene und gesunde Ernährung angesprochen werden.
Der Zahnärztliche Dienst führt zusammen mit der LAG24 ein engagiertes Prophylaxeprogramm25 in den Kindertagesstätten durch.
Kinder, die länger als 2 Jahre eine Kita besucht haben, haben beim Blick in den Mund bei der Einschulungsuntersuchung einen deutlich geringeren Anteil
offensichtlich kariöser Gebisse im Vergleich mit den (wenigen) Kindern, die kürzer oder überhaupt nicht institutionell gefördert wurden (Diagramm 30). Diese Gruppe von Kindern gehört aber doppelt so häufig der unteren und halb so häufig der oberen sozialen Statusgruppe an (Diagramm 31). Daher ist es sinnvoll, die einzelnen
Statusgruppen getrennt zu betrachten, da der Zusammenhang zwischen
Zahnpflegeverhalten und sozialer Lage - wie bereits dargestellt - bedeutsam ist.
Bei Kindern der unteren und der mittleren sozialen Statusgruppe ist ein
Zusammenhang zwischen mehr als zweijähriger Kitabesuchsdauer und besserer Zahnpflege erkennbar, während dies bei Kindern der oberen Statusgruppe nicht der Fall ist. Keinesfalls werden durch den Kitabesuch die Unterschiede zwischen den sozialen Statusgruppen ausgeglichen. (Diagramme 32-34)
Kitabesuchsdauer und Zahngesundheit ESU Tempelhof-Schöneberg 2012
(Jahrgang 2006) n = 2.487 (97,4%)
88
71
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
> 2 Jahre, n = 2.167 0 bis 2 Jahre, n = 320
Gebiss versorgt (%) Gebiss mit Karies (%) Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies (%)
Diagramm 30
24 Landesarbeitsgemeinschaft Berlin zur Verhütung von Zahnerkrankungen e.V.
25 5512 (davon 940 wiederholte) Prophylaxekontakte in Kindertagestätten durch den Zahnärztlichen Dienst und die LAG in Tempelhof-Schöneberg im Schuljahr 1011/2012: (Datenquelle: SenGesSoz Berlin / Berechnung: SenGesSoz - I A -)
Siehe auch: Mundgesundheit der Berliner Kinder - Ergebnisse des Schuljahres 2009/2010 Gesundheitsberichterstattung Berlin Spezialbericht 2011-2, Seite 9 - 11
http://www.berlin.de/sen/statistik/gessoz/gesundheit/spezial.html
Kitabesuchsdauer und soziale Statusgruppen ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006)
n = 2.284 (89,5%)
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
> 2 Jahre 0 bis 2 Jahre
niedriger Status (%) mittlerer Status (%) hoher Status (%)
Diagramm 31
Kitabesuchsdauer und Zahngesundheit untere soziale Statusgruppe
ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006) n = 437 (96,0%)
71
56
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
> 2 Jahre, n = 339 0 bis 2 Jahre, n = 98
Gebiss versorgt (%) Gebiss mit Karies (%) Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies (%)
Diagramm 32
Kitabesuchsdauer und Zahngesundheit mittlere soziale Statusgruppe
ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006) n = 1.133 (97,2%)
88
78
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
> 2 Jahre, n = 1.007 0 bis 2 Jahren, n = 126
Gebiss versorgt (%) Gebiss mit Karies (%) Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies (%)
Diagramm 33
Kitabesuchsdauer und Zahngesundheit obere soziale Statusgruppe
ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 (Jahrgang 2006) n = 668 (98,8%)
97 97
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
> 2 Jahre, n = 630 0 bis 2 Jahre, n = 38
Gebiss versorgt (%) Gebiss mit Karies (%) Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies (%)
Diagramm 34
Teilnahme an den kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen
Kinder, die nicht zu allen Vorsorgeuntersuchungen vorgestellt wurden, hatten einen höheren Anteil offensichtlich kariöser Gebisse (Diagramm 35). Diese Gruppe hatte aber einen doppelt so hohen Anteil von Kindern in der unteren sozialen Statusgruppe und einen nur halb so großen in der oberen (Diagramm 36).
Es ist anzunehmen, dass im Wesentlichen die soziale Lage der Familien sowohl für das Zahnpflegeverhalten wie auch für die nicht regelmäßige Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen ausschlaggebend ist.
Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen und Zahnpflege U1-U8 vollständig (ohne U7a)
ESU Tempelhof-Schöneberg 2012, nur in D geborene Kinder, n = 2.460 (92,9%)
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
ja (%) n = 1.988 nein (%) n = 472
Gebiss versorgt Gebiss mit Karies Zähne abgefault oder Extraktionen wegen Karies
Diagramm 35
Soziale Statusgruppe und Teilnahme an Vorsorgeuntersuchung ESU Tempelhof-Schöneberg 2012 n = 2.068 (86,0%)
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
U1-U8 vollständig (ohne U7a) n = 1.690 U1-U8 unvollständig (ohne U7a) n = 378 niedriger Status (%) mittlerer Status (%) hoher Status (%)
Diagramm 36
Lebensweltlich orientierte Räume
Auf der Ebene der 34 Planungsräume der 7 Bezirksregionen hatten folgende Planungsräume einen über dem Bezirksdurchschnitt liegenden Anteil offensichtlich kariöser Zähne bei der Einschulungsuntersuchung (ESU 2010 – 2012 gepoolt):
(Diagramm 37)
• in Schöneberg Nord o Nollendorfplatz o Dennewitzplatz
• in Schöneberg Süd
o Volkspark (Rudolf-Wilde-Park) o Kaiser-Wilhelm-Platz
• in Friedenau
o Grazer Platz
• in Tempelhof
o Rathaus Tempelhof o Germaniagarten
• in Mariendorf
o Rathausstraße o Fitz-Werner-Straße o Eisenacher Straße o Imbrosweg
o Hundsteinweg
• in Marienfelde
o Marienfelder Allee Nordwest o Marienfelde Nordost
o Marienfelde Süd
• in Lichtenrade
o John-Locke-Straße o Nahariyastraße
In den Planungsräumen
o Germaniagarten (nur wenig einzuschulende Kinder) in Tempelhof, o Fritz-Werner-Straße in Mariendorf und
o in allen Planungsräumen (außer Kirchstraße) von Marienfelde sowie o im Planungsraum Nahariyastraße in Lichtenrade
fällt beim Blick in den Mund mindestens jedes 5. Kind bei der
Einschulungsuntersuchung mit offensichtlicher Karies auf (unterstrichen).
o Nollendorfplatz, Dennewitzplatz in Schöneberg Nord, o Kaiser-Wilhelm-Platz in Schöneberg Süd,
o Grazer Platz in Friedenau,
o Rathausstraße in Mariendorf und o Marienfelde Süd in Marienfelde
sind die Planungsräume mit überdurchschnittlich hohen Anteilen von Kindern mit kariösen Gebissen und mindestens 100 einzuschulenden Kindern im
Planungsraum bei der Einschulungsuntersuchung 2012 (fett gedruckt).
(Diagramm 38)