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This World Is White No Longer Ansichten einer dezentrierten Welt

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presse@mdmsalzburg.at www.museumdermoderne.at

Adrian Piper, Black Box / White Box, 1992, Multimedia-Installation, Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg, © Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg / Bildrecht, Wien 2021, Foto: Werner Kaligofsky

This World Is White No Longer Ansichten einer dezentrierten Welt

24. April – 10. Oktober 2021 Rupertinum [1] & [2]

Begleitende Projektausstellung:

This World Is White No Longer

Ein Projekt mit der Klasse für Fotografie und Neue Medien der Universität Mozarteum Salzburg

Akt 1: 24. April – 20. Juni 2021 Akt 2: 24. Juni – 22. August 2021 Akt 3: 26. August – 10. Oktober 2021

Rupertinum [2] & [3] Generali Foundation Studienzentrum

Presented by

Stand: 22. April 2021

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Einführung

Die Ausstellung This World Is White No Longer. Ansichten einer dezentrierten Welt

Danica Dakić, EL DORADO. Gießbergstraße, 2006–07, Farbdiapositiv, Leuchtkasten, Courtesy of the artist, © Danica Dakić / Bildrecht, Wien 2021, Foto: Danica Dakić

„Diese Welt ist nicht mehr weiß und wird es nie mehr sein“, stellte der US-amerikanische Schriftsteller James Baldwin 1953 in seinem Essay Stranger in the Village fest. Baldwins prophetischer Satz steht für eine entschiedene Kritik am weißen westlichen Denken und zugleich für einen Aufruf zu einem universellen Humanismus. In seinem Essay reflektiert er seine Erfahrung als schwarzer New Yorker, der Anfang der 1950er-Jahre in einem Schweizer Dorf zu Besuch ist. Die ausschließlich weißen

Bewohner_innen begegnen dem Schriftsteller nicht mit einer feindseligen, aber doch grundsätzlich abweisenden Haltung. Sein Aussehen, seine Sprache erscheinen ihnen fremd. Von diesem spezifischen einfachen Blick unterscheidet Baldwin jene Erfahrung, in der es nicht mehr eine für sich stehende weiße oder schwarze Sichtweise der Welt gibt, sondern eine Geschichte unterschiedlicher Perspektiven, die durch das Drama von Kolonialismus, Sklaverei und Rassismus und durch das fortwährende Ringen mit diesen Herausforderungen eng, tiefgehend und komplex miteinander verbunden sind.

Die Ausstellung This World Is White No Longer. Ansichten einer

dezentrierten Welt sieht in Baldwins Kernaussage, dass der machtpolitisch dominante weiße Blick seine Gültigkeit verloren hat, eine wesentliche Grundlage für die kritische Auseinandersetzung mit Rassismus, Xenophobie

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und Exklusion. Die Ausstellung vertritt eine Haltung, in der es nicht um eine reine Darstellung von Kritik geht, sondern darum, die „weiße Brille“

abzunehmen. Sie untersucht das Potenzial des Perspektivenwechsels als eine Methode zur Dezentrierung des eigenen Blicks auf die Welt. Die Kritik an rassistischen Denk- und Verhaltensmustern ist dabei ebenso wichtig wie die Wahrnehmung und Reflexion unterschiedlicher Sichtweisen und der Wechsel zwischen verschiedenen Identitätskonstruktionen und

Lebenswirklichkeiten.

Ein Referenzwerk der Ausstellung ist die aus der Sammlung Generali Foundation stammende Multimedia-Installation Black Box / White Box der Künstlerin und Philosophin Adrian Piper. Piper bietet in dieser 1992

entstandenen Arbeit zwei Sichtweisen auf die Misshandlung des schwarzen US-Bürgers Rodney King durch die örtliche Polizei und die darauffolgende Unterstützung der Täter durch den damaligen Präsidenten George Bush senior: eine schwarze und eine weiße Sichtweise. Die Installation erlaubt es in zwei unterschiedliche Perspektiven einzutauchen und vom jeweils

eigenen Standpunkt aus einen Blickwechsel vorzunehmen. In einem solchen Prozess der Dezentrierung des Denkens wird Diskriminierung mit einem Mal spürbar. Während Betroffene darin eine Bestätigung ihrer Situation finden, lernen die anderen, was es bedeutet Rassismus zu erfahren. Pipers Arbeit ist ein Schlüsselwerk der jüngeren Kunstgeschichte. Wie kaum eine andere Arbeit schließt sie die Problematik von Rassismus und Xenophobie mit dem Erkenntnispotenzial eines empathischen Perspektivenwechsels kurz.

Die Ausstellung präsentiert ausgehend von zentralen Werken der Sammlung Generali Foundation eine Auswahl signifikanter Positionen von

Künstlerinnen und Künstlern, die sich auf jeweils spezifische Weise mit der Dezentrierung und Dekolonisierung des Denkens und der Bewegung zwischen unterschiedlichen Identitäten und Lebenswirklichkeiten befassen.

Diese Instrumente einer multiperspektivischen Globalität bilden wichtige Elemente der Infragestellung von Rassismus, Xenophobie und sozialer und kultureller Exklusion.

Mit Werken von Karo Akpokiere, Lothar Baumgarten, Danica Dakić, Forensic Architecture, Samuel Fosso, Charlotte Haslund-Christensen, Alfredo Jaar, Voluspa Jarpa, Belinda Kazeem-Kamiński, Adrian Piper, Lisl Ponger und Kara Walker

Kuratoren: Thorsten Sadowsky, Jürgen Tabor

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Die Projektausstellung This World Is White No Longer

Ein Projekt mit der Klasse für Fotografie und Neue Medien der Universität Mozarteum Salzburg

Angelika Wienerroither, Utopia (Why can’t we all just get along?) (Detail), 2021, Inkjet-Print, Courtesy of the artist, © Angelika Wienerroither

Die Ausstellung der Klasse für Fotografie und Neue Medien der Universität Mozarteum präsentiert Arbeiten, die aus einer intensiven Beschäftigung mit verschiedenen Ausprägungen von Rassismus entstanden sind. Mit einer Vielfalt an Zugängen reflektieren die Studierenden alltäglichen und strukturellen Rassismus, hinterfragen Identitätszuschreibungen und untersuchen Möglichkeiten von Machtkritik und Selbstermächtigung. Sie stellen Verbindungen zu anderen Diskriminierungsformen her und thematisieren die Mechanismen sozialer Medien ebenso wie neokolonialistische Praktiken des Tourismus.

Von zentraler Bedeutung ist dabei die Frage nach der eigenen Position innerhalb von Kulturen und Ökonomien in Österreich und das damit einhergehende Verhältnis zu Rassismus. Die Ausstellung versteht sich als Verhandlungsraum. Sie verändert sich während der Laufzeit und macht damit einen Diskussionsprozess sichtbar, der unbeantworteten Fragen, fragmentarischen Überlegungen und Richtungswechseln gleichermaßen Raum gibt wie vollendeten Werken.

Die Arbeiten der Studierenden werden in drei Ausstellungsperioden –

„Akte“ genannt – gezeigt:

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Akt 1: 24. April – 20. Juni 2021

Werke von Pia Geisreiter, Hannah Imhoff, Charlotte Pann, Sabine Reisenbüchler, Eva-Maria Schitter, Sculpting Feminism Reading Group, Angelika Wienerroither

Akt 2: 24. Juni – 22. August 2021

Werke von Alba Malika Belhadj Merzoug, Melanie Forsthuber, Magdalena Heller, Hannah Imhoff, Agnes Elena Kern, Leonie Mirjam Lindinger, Sculpting Feminism Reading Group

Akt 3: 26. August – 10. Oktober 2021

Werke von Hannah Imhoff, Vera Kern, Kevin Klinger, Sculpting Feminism Reading Group, this world is Ego No longer, Judith Zaunschirm

Lehrende: Gregor Neuerer (Leitung), Sigrid Langrehr, Michael Mauracher, Peter Schreiner

Kurator_innen: Stefanie Grünangerl, Jürgen Tabor

Veranstaltungen

Reading Performance der Sculpting Feminism Reading Group der Universität Mozarteum

Freitag, 23. April 2021, 15 Uhr, per Zoom

Direktorenführung mit Thorsten Sadowsky Donnerstag, 29. April 2021, 16 Uhr, Ort/Modus tbd

Kuratorenführung mit Jürgen Tabor

Samstag, 29. Mai 2021, 15 Uhr, Ort/Modus tbd

Reading Performance der Sculpting Feminism Reading Group der Universität Mozarteum

Freitag, 11. Juni 2021, 15 Uhr, Ort/Modus tbd

Ausstellungsgespräch mit der Klasse für Fotografie und Neue Medien der Universität Mozarteum

Freitag, 11. Juni 2021, 16 Uhr, Ort/Modus tbd

Kuratorinnenführung mit Stefanie Grünangerl

Donnerstag, 30. September 2021, 16 Uhr, Ort/Modus tbd

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Pressebilder

Die Verwendung des Bildmaterials ist ausschließlich in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellungen und unter Angabe der

angeführten Bildunterschriften und Copyrights gestattet.

Hochaufgelöste Fotos sind zum Herunterladen bereitgestellt unter:

http://www.museumdermoderne.at/de/presse Benutzername: presse

Passwort: MdMS_2021

Karo Akpokiere, Zwischen Lagos und Berlin (Detail), 2015

Zeichnung Dear Africa aus der 50-teiligen Serie Zwischen Lagos und Berlin, Bleistift, Kugelschreiber, Marker, Gouache auf Papier, Courtesy of the artist,

© Karo Akpokiere, Foto: Karo Akpokiere

Lothar Baumgarten, Unsettled Objects (Detail), 1968–69

Dia aus 81-teiliger Lichtbildprojektion, Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg, © Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg / Bildrecht, Wien 2021, Foto: Dario Punales

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Danica Dakić, EL DORADO. Gießbergstraße, 2006–07

Farbdiapositiv, Leuchtkasten, Courtesy of the artist, © Danica Dakić / Bildrecht, Wien 2021, Foto: Danica Dakić

Forensic Architecture, Border Violence Across the Evros/Meriç River:

Six Investigations (Videostill), 2019–21

„Ein Zeuge beschreibt die Gewalt, die er während eines Push-Backs durch Grenzschutzbeamte erlitten hat“, sechs Videos, drei Grafiken, Courtesy of the artists, © Forensic Architecture, Foto: Forensic Architecture

Samuel Fosso, Emperor of Africa, 2013

Chromogener Farbabzug, Courtesy of the artist und JM Patras, Paris,

© Samuel Fosso und JM Patras, Paris, Foto: Samuel Fosso

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Samuel Fosso, Self-Portrait (Angela Davis), aus der Serie African Spirits, 2008

Silbergelatineabzug, Courtesy of the artist und JM Patras, Paris,

© Samuel Fosso und JM Patras, Paris, Foto: Samuel Fosso

Charlotte Haslund-Christensen, Hope & Fear (Videostill), 2016 Dreikanal-Videoinstallation, Courtesy of the artist, © Charlotte Haslund- Christensen / Bildrecht, Wien 2021, Foto: Charlotte Haslund-Christensen

Alfredo Jaar, LIFE Magazine, April 19, 1968, 1995

Drei chromogene Farbabzüge, Courtesy Galerie Hubert Winter, Wien,

© Alfredo Jaar, Foto: Alfredo Jaar

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Voluspa Jarpa, The Emancipating Opera (Videostill), 2019 Video, Courtesy of the artist und mor charpentier, Paris,

© Voluspa Jarpa und mor charpentier, Paris, Foto: Voluspa Jarpa

Belinda Kazeem-Kamiński, In Search of Red, Black, and Green (Detail), 2021

Drei chromogene Farbabzüge, Courtesy of the artist,

© Belinda Kazeem-Kamiński, Foto: Belinda Kazeem-Kamiński

Adrian Piper, Black Box / White Box, 1992

Multimedia-Installation, Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg, © Sammlung Generali Foundation –

Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg / Bildrecht, Wien 2021, Foto: Werner Kaligofsky

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Lisl Ponger, Teilnehmende Beobachterin, 2016

Leuchtkasten, analoger C-Print auf Duratrans, Museum der Moderne Salzburg, © Museum der Moderne Salzburg / Bildrecht, Wien 2021, Foto:

Lisl Ponger

Kara Walker, National Archives Microfilm M999 Roll 34: Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands: Lucy of Pulaski (Videostill), 2009

Video, Courtesy Sprüth Magers und Sikkema Jenkins & Co, © Kara Walker, Foto: Kara Walker

Angelika Wienerroither, Utopia (Why can’t we all just get along?) (Detail), 2021

Inkjet-Print, Courtesy of the artist, © Angelika Wienerroither

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Werktexte

(siehe Folgeseiten)

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Belinda Kazeem-Kamiński

1980 Wien, AT – Wien, AT

In Search of Red, Black, and Green, 2021 3 chromogene Farbabzüge

Library of Requests #7 (solo edition), 2021

Sammlung von Büchern und Texten Schwarzer, feministischer Frauen aus dem deutschsprachigen Raum

Display: Holz, Entwurf von Carolina Frank, Ausführung von Arnold Löschnauer

Courtesy of the artist

Die Künstlerin, Autorin und Kulturtheoretikerin Belinda Kazeem-Kamiński ist in der Schwarzen feministischen Theorie verwurzelt. Ihre Arbeiten basieren oftmals auf Recherchen zu unterdrückten Geschichten und Sichtweisen Schwarzer Menschen, die sie in Archiven, Sammlungen und Bibliotheken in Europa vorfindet. Dabei möchte sie einen verborgenen weißen Blick

herausschälen und gleichermaßen oppositionelle Blicke erproben.

Die Fotoserie In Search of Red, Black, and Green wurde durch Kazeem- Kamińskis wiederholte Auseinandersetzung mit Christina Sharpes Buch In the Wake: On Blackness and Being (2016) angeregt. Sharpe stellt darin fest, dass Schwarzsein in dieser Welt nicht von den Erfahrungen von Versklavung, Polizeigewalt, Trauer und Schmerz, von historischen und gegenwärtigen Formen von Ungerechtigkeit und erlittenem Leid zu trennen ist. Zugleich betont Sharpe, dass das Schwarze Leben in der Diaspora in der Lage war, aus diesem Trauma heraus Neues zu erschaffen und eigene Kulturtechniken zu kreieren.

Die Protagonistin in Kazeem-Kamińskis Fotografien blickt fokussiert auf das, was vor ihr liegt. Sie scheint darüber nachzudenken, was die Farben Rot,

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Schwarz und Grün für sie selbst bedeuten. Viele Menschen der afrikanisch- diasporischen Community assoziieren diese Farben mit Befreiung und Freiheit. „Die Antwort darauf, was Black Freedom in einer Welt, die durch weiße Vorherrschaft geprägt ist, bedeuten kann bzw. eine Reaktion auf den Umgang damit, dass Black Freedom ein ‚noch immer unvollendetes

Projekt‘ (Saidiya Hartman) ist, müssen Schwarze Menschen in der Diaspora für sich selbst und in Gemeinschaft finden. Wir sind noch immer nicht

angekommen und es ist fraglich, ob wir in der Art, wie diese Welt verfasst ist, ankommen werden. Dennoch ist es wichtig, weiterhin nach Befreiung und Freiheit zu streben und somit die rigiden Grenzen dieser Welt nach und nach zu brechen.“ (Belinda Kazeem-Kamiński)

Library of Requests (LoR) ist ein fortlaufendes partizipatives Projekt.

Ausgangspunkt ist die Auseinandersetzung mit Bibliotheken als den Speichern von Wissen und mit den damit verbundenen Ein- und

Ausschlüssen. Mit der Hilfe von Expert_innen sammelt Kazeem-Kamiński mehrsprachige Bücher, Zines, Zeitschriften, Filme etc. zu einem

ausgewählten Thema, zum Beispiel zum Empowerment von Schwarzen Kindern und Jugendlichen (LoR #4), um diese für die Besucher_innen von Ausstellungen und Bibliotheken zugänglich zu machen. Oftmals finden auch gemeinsame Lesungen, Read-ins oder Diskussionsrunden statt.

„Bei Library of Requests #7 (solo edition) habe ich ohne Expert_innen gearbeitet und mir die Freiheit genommen, eine Büchersammlung

zusammenzustellen, die ich gerne schon früher in meinem Leben gehabt hätte: eine Sammlung von Texten Schwarzer, feministischer Frauen aus dem deutschsprachigen Raum, die sich aus einer selbstbestimmten Perspektive mit Schwarzsein in diesem Raum auseinandersetzen. Die

Sammlung erhebt nicht den Anspruch, vollständig zu sein, im Gegenteil soll sie dazu anregen, ausgehend von diesen Texten noch mehr Texte zu

sammeln. Die Aufmerksamkeit auf die Theorie und Praxis Schwarzer Frauen im deutschsprachigen Raum möchte der hier gerne angewandten Strategie Einhalt gebieten, Diskriminierung Schwarzer Menschen, aber auch

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den Widerstand gegen diese nicht im eigenen Land, sondern in den USA, Frankreich oder Großbritannien zu verorten.“ (Belinda Kazeem-Kamiński).

Die Büchersammlung wird nach der Ausstellung Teil der Bibliothek der Generali Foundation am Museum der Moderne Salzburg.

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Lothar Baumgarten

1944 Rheinsberg, DE – 2018 Berlin, DE

Unsettled Objects, 1968–69 Lichtbildprojektion

81 Diapositive, 13:30 Min.

Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg

Lothar Baumgarten war ein Protagonist der institutions- und

ideologiekritischen Kunst ab den 1960er-Jahren. In seinem Œuvre hinterfragte er den eurozentristischen Blick auf andere Kulturen und die damit verbundene Kolonialisierung des Fremden. Dafür setzte er sich auch intensiv mit den Schriften des Anthropologen und Ethnologen Claude Lévi-Strauss auseinander und lebte wie dieser längere Zeit in Südamerika.

Von 1968 bis 1969 erarbeitete er eine fotografische Studie zur Frage, wie ethnografische Museen in Europa die Wahrnehmung der Betrachter_innen durch die Art der Präsentation lenken. Die daraus entstandene Lichtbildprojektion Unsettled Objects gibt Einblicke in das Pitt Rivers Museum in Oxford, ein weitgehend

unverändert erhaltenes anthropologisches Museum des späten 19.

Jahrhunderts. In 80 Dias zeigt Baumgarten Schaukästen, Vitrinen und einzelne Sammlungsobjekte, die mit museologischen Begriffen überblendet sind. In seinen Ordnungs- und Präsentationskriterien folgt das Museum den evolutionistischen Ideen seines Gründers, des britischen Offiziers Augustus Pitt Rivers. Aus ihren

ursprünglichen Zusammenhängen herausgelöst, werden die

Objekte im Museum in teils extremer Überfülle nach formalen oder motivischen Kriterien verglichen, um eine vermeintliche Entwicklung von Kultur nachzuzeichnen: nämlich eine Entwicklung, die von

„primitiven“, einfachen, homogenen Kulturen hin zu komplexen,

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heterogenen führt. Die industrialisierte westliche Moderne erscheint dabei als vermeintlich logisches – und vom Museum völlig

unhinterfragtes – Ziel.

In Unsettled Objects offenbart Baumgarten das kolonialistisch geprägte Geschichts- und Kulturbild des Museums, das

exemplarisch für das problematische Erbe vieler ethnografischer Museen in Europa steht. „Die Anhäufung von Ethnographica, die Sammlung begehrter Raritäten, verleihen dem Wunsch nach Macht, der durch die Anpassung des Fremden erreicht wird,

sichtbare Form. Die Sucht, das Unbekannte durch Aneignung zu erfassen, wurde im Kolonialismus programmatisch. Isoliert und stilisiert als museologische Fetische, wurden sie allzu oft auf nichts anderes als ihren ästhetischen Mehrwert reduziert und führen nach zweifelhaftem Beifall eine exotische Existenz als falsch oder nicht verstandene Relikte untergehender Welten. Der Wunsch nach Wissen und Kontrolle führte zu einer unerwarteten Vielzahl von Aktivitäten und Organisationsformen, um mit ethnografischen

Artefakten umzugehen, von denen einige hier als repräsentativ für die heute historischen Aktivitäten der museologischen Praxis

gezeigt werden.“ (Lothar Baumgarten)

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Lisl Ponger

1947 Nürnberg, DE – Wien, AT

Teilnehmende Beobachterin, 2016

Leuchtbox, analoger C-Print auf Duratrans

Museum der Moderne Salzburg

Lisl Ponger beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Frage, wie der europäische Blick durch kolonialistische und rassistische

Wahrnehmungsstereotypen das sogenannte Andere und Fremde hervorbringt. Zugleich zeigen ihre Arbeiten oftmals Strategien auf, mit denen sich dieser Blick kritisch auf sich selbst richten lässt.

Pongers bevorzugte Untersuchungsfelder sind Ethnologie und Anthropologie, die sich lange Zeit der Erforschung und

(Mit-)Konstruktion des „Fremden“ widmeten, bevor die Denkmuster und Lebensweisen des „Eigenen“ in ihr Blickfeld rückten.

Pongers Selbstporträt mit dem Titel Teilnehmende Beobachterin zeigt die Künstlerin bei der Betrachtung ihres Spiegelbildes.

Ausgestattet mit ihrer Kamera und anderen sorgsam arrangierten Requisiten, die das beobachtende Auge vervielfältigen, erscheint sie als doppelsinnige Allegorie der Feldforschungsmethode, die im 20. Jahrhundert zeitweilig als ethnologische Königsdisziplin galt.

Die Künstlerin begegnet sich in der Rolle der teilnehmenden

Beobachterin selbst und lässt uns an dieser Begegnung teilhaben.

Die programmatische Arbeit lässt im Spiegelbild Alterität und

Identität konvergieren – sie steht für den paradoxen Versuch, sich selbst mit den Augen der anderen zu sehen. Der Blick in den

Spiegel ist damit nicht länger ein Instrument der Selbstbestätigung, sondern wird durch das theatralische Setting im gleichwohl

prosaischen Interieur zu einer Kritik des Sehens. Ponger macht auf diese Weise die Begegnung mit Fremdheit für das Nachdenken

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über das Eigene, Gewohnte und möglicherweise Begrenzte fruchtbar.

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Voluspa Jarpa

1971 Rancagua, CL – Santiago de Chile, CL

The Emancipating Opera, 2019 Video, 11:49 Min.

Courtesy the artist und mor charpentier, Paris

Voluspa Jarpa zählt zur ersten Generation chilenischer

Künstler_innen, die nach Augusto Pinochets Militärdiktatur (1973–

1990) in demokratischen Verhältnissen studieren konnten. In ihren Werken beschäftigt sie sich mit kolonialistischer und rassistischer Unterdrückung und verbindet dies mit feministischen Anliegen und dem Kampf um selbstbestimmte geschlechtliche und sexuelle

Identitäten.

In The Emancipating Opera greift sie die Musikform der Kantate auf und nutzt dieses aus der europäischen Musikgeschichte

stammende Genre, um eine Erzählung über Macht und

Emanzipation zu schaffen. Im Stück treffen Stimmen aufeinander, die von der hegemonialen Psyche der weißen, europäischen,

später US-amerikanischen, patriarchalen Kolonisatoren auf der einen Seite und von der subalternen Psyche ausgegrenzter Gesellschaftsteile auf der anderen Seite singen. Zwei

Protagonist_innen vermitteln im Video zwischen diesen Polen:

einerseits der arriero, ein traditioneller chilenischer Maultiertreiber, andererseits die Transsängerin und Schauspielerin Daniela Vega.

Die Wurzeln der arriero liegen in der europäischen Kolonisierung Chiles, andererseits sind sie auch Nachfahren indigener

Gemeinschaften und eng mit der ungezähmten Natur und der

frühen Kultur der Andenbewohner_innen verbunden. Der indigenen Kultur steht in Jarpas Video die Auseinandersetzung mit

kolonialistischen Schriften gegenüber, die mit ihrem Diskurs der Abwertung die Unterwerfung nichtwestlicher Kulturen zu

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legitimieren versuchten. Die Sängerin Daniela Vega agiert als eine Figur des mehrfachen Aufbegehrens: Sie wendet sich nicht nur gegen die Kolonisierung von Natur, Kultur und Menschen, sondern auch gegen die Beschränkung und Zähmung des Körpers.

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Kara Walker

1969 Stockton, CA, US – New York, NY, US

Miss Merrimac and the Monitor, 2001

Vier Scherenschnitte, vier Folien, Lichtprojektor

Courtesy Deutsche Bank AG

National Archives Microfilm M999 Roll 34: Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands: Lucy of Pulaski, 2009

Video, 12:08 Min.

Courtesy Sprüth Magers und Sikkema Jenkins & Co.

Kara Walker definiert ihre Kunst als Widerstand gegen die Spuren, die Kolonialismus, Sklaverei, Rassismus und Apartheid in unserer Wahrnehmung hinterlassen haben. Die Künstlerin ist für ihre

„historischen“ Schattenspiele bekannt, in denen sie in Form von einfachen schwarzen Scherenschnitten Bildgeschichten erzählt, die sich auf die düstere Geschichte des amerikanischen Südens vor dem Bürgerkrieg (1861–1865) und den Befreiungskampf der

Schwarzen beziehen. Sie setzt sich dabei insbesondere mit Bildern und Motiven auseinander, die geschaffen wurden, um Schwarze zu stigmatisieren und zu unterdrücken. Walkers Werke sind immer auch visuelle Fallen: So filigran ihre Scherenschnitte und so

liebevoll verspielt ihre Animationen mit Puppen auch sind, inhaltlich spricht sie mit scharfer Ironie all jene rassistischen Klischees und Stereotypen an, die unsere Gesellschaft über Jahrhunderte

verinnerlicht hat.

In ihren Kurzfilmen setzt Walker aus Papiersilhouetten geformte Puppen ein, die sie selbst von Hand führt. Sie bezieht sich dabei unter anderem auf die deutsche Silhouetten-Animationsfilmerin

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Lotte Reiniger, die bereits ab den 1920er-Jahren – und noch vor Walt Disney – mit Trickfilm arbeitete.

Der Film National Archives Microfilm M999 Roll 34: Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands: Lucy of Pulaski entstand aus Walkers Recherche im Archiv eines 1865

gegründeten Büros, das ehemalige Sklaven und Sklavinnen bei ihrem Übergang in die Freiheit unterstützte. Es führte präzise Aufzeichnungen zur sinnlosen Gewalt, der die vormaligen Sklav_innen während der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Bürgerkrieg ausgesetzt waren. Walkers Film zeichnet einen konkreten Vorfall von Rassenunruhen nach, der sich 1868 in Pulaski, Tennessee, ereignete. Die Niederschrift des Büros zu

diesem Fall gibt zwar einen detaillierten Bericht darüber, wie es zur gewaltsamen Auseinandersetzung kam, geht selbst aber von einem männlich-sexistischen und rassistischen Blick aus: Beschrieben wird das Klischee einer schwarzen Frau, deren angeblich lockere Moral die Unruhen ausgelöst haben soll, ohne dass zudem

bewiesen ist, dass sie überhaupt an den Unruhen beteiligt war.

Miss Merrimac and the Monitor ist eine farbige Licht-Schatten-

Projektion, die auf einfachsten technischen Mitteln beruht. Mit einer transparenten Folie und einem Overheadprojektor wird die

Silhouette einer kriechenden Frauengestalt in Südstaatengewand und mit einem Schwert in der Hand auf die Wand projiziert. Über ihr schwebt eine Mischung von Wolkenformation und Ungeheuer, in bzw. auf ihr balancieren vier kleine Figuren in Form von schwarzen Miniaturscherenschnitten. „Miss Mary Mack“ ist ein in den USA bekanntes Klatschspiel. Der Titel der Arbeit verweist zugleich auf die berühmte Seeschlacht von Hampton Roads im amerikanischen Bürgerkrieg, der sich zentral auch um die Abschaffung der

Sklaverei drehte. Süd- und Nordstaaten standen sich in dieser Schlacht mit den Panzerschiffen Virginia (gebaut aus dem Rumpf des versenkten Kriegsschiffes Merrimack) und Monitor gegenüber.

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Forensic Architecture

Border Violence Across the Evros/Meriç River:

Six Investigations

Der Fluss Evros/Meriç markiert die einzige ‚Land‘-Grenze zwischen Griechenland und der Türkei. Von Bulgarien im Norden bis zum Ägäischen Meer im Süden ist diese sogenannte natürliche Grenze seit langem in ein umfassenderes System zur Grenzverteidigung eingebunden.

Seit Jahren berichten Migrant_innen und Flüchtlingen davon, bei dem Versuch, den Fluss nach Griechenland zu überqueren, von nicht identifizierten, maskierten Männern festgenommen,

misshandelt und über den Fluss in die Türkei zurück ‚abgeschoben‘

worden zu sein – bei Nacht und ohne Chance auf ein

Asylverfahren. Im März 2020 geriet die verdeckte Gewalt in den Blick der Öffentlichkeit, als die türkische Regierung ihre Grenzen zu Griechenland öffnete und Tausende von Migrant_innen und

Flüchtlingen in die Region strömten. Die griechische Regierung deklarierte dies als ‚hybride Invasion‘ und entsandte Polizei und Militär in die Region. Als Folge dessen wurden zwei Personen

erschossen und mindestens sechs weitere Menschen verwundet – durch Kugeln, die von der griechischen Seite der Grenze

abgefeuert worden waren.

Bis zum heutigen Tage weisen die griechischen Behörden

Berichterstattungen über die Schießereien und Abschiebungen als

‚Fake News‘ zurück und verweigern jegliche Untersuchung. Diese ablehnende Haltung wird durch die komplexe, militarisierte

Geographie der Region begünstigt. Das Flussufer ist auf beiden Seiten durch eine ‚Pufferzone‘ gesichert, zu der Zivilist_innen,

humanitäre Helfer_innen, Journalist_innen oder Beobachter_innen keinen Zutritt haben. In dieser Pufferzone befinden sich häufig

Internierungseinrichtungen und Grenzschutzstationen, in denen

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diejenigen, die den Fluss überqueren, isoliert werden – vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen und ohne jedweden

Rechtsbeistand. Die dort in Gewahrsam gehaltenen Personen schildern, wie ihre Telefone, Papiere und Besitztümer konfisziert und oft in den Fluss geworfen wurden – was auf eine Operation schließen lässt, die mit Bedacht darauf ausgelegt ist, die eigenen Spuren zu verwischen.

Insgesamt ist festzustellen, dass die örtlichen Umstände als Waffe eingesetzt werden, um diejenigen, die versuchen, den Fluss zu überqueren, abzuschrecken und die gegen sie verübte Gewalt zu verschleiern. Die hier präsentierten Rechercheergebnisse erhellen die obskuren Umstände: Sie zeigen auf, dass derartige

‚Abschiebungen‘ am Fluss Evros/Meriç methodisch und in großem Umfang praktiziert werden, und belegen den Tod von zwei

Asylsuchenden durch Schüsse im März 2020. Rekonstruiert wird der Fall Fady, ein Syrer, der in Deutschland als Flüchtling

anerkannt, in Griechenland aber verhaftet und kurzerhand über den Fluss zurückgeschickt wurde, der Fall Ayşe Erdoğan, eine türkische Lehrerin, die in Griechenland Asyl suchte, jedoch in die Türkei

zurückgewiesen und dort anschließend inhaftiert wurde, sowie der Fall Kuzey, ein Türke, der festgenommen, gefoltert und über den Fluss zurückgewiesen wurde und zwar fünfmal in einem Zeitraum von neun Tagen. Präsentiert werden außerdem die mit einer

versteckten Kamera gefilmte ‚Abschiebung‘ einer Personengruppe sowie die Morde an Muhammad al-Arab und Muhammad Gulzar.

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Adrian Piper

1948 New York, NY, US – Berlin, DE

Black Box / White Box, 1992 Multi-media installation

Generali Foundation Collection—Permanent Loan at the Museum der Moderne Salzburg

Die US-amerikanische Künstlerin Adrian Piper, die seit 2005 in Berlin lebt, zählt zur ersten Generation der Conceptual Art und ist emeritierte Professorin für analytische Philosophie. In den 1970er- Jahren führte sie die Auseinandersetzung mit Xenophobie,

Rassismus und Gender in das Vokabular der Konzeptkunst ein und verfolgte diese Themenstränge über mehrere Jahrzehnte hinweg.

Dabei ging sie vielfach von ihren eigenen gesellschaftlichen Erfahrungen als „US-amerikanische Frau mit afrikanischer Abstammung“ aus. Sie widmete sich konsequent

identitätspolitischen Fragestellungen und entwickelte dafür eine künstlerische Sprache, mit der die Betrachter_innen

allgemeinverständlich, direkt und emotional angesprochen werden sollen, um eine Veränderung herbeizuführen.

Die Multimedia-Installation Black Box / White Box ist eines von Pipers zentralen Werken. Sie entwirft darin zwei Sichtweisen auf den bekannten rassistischen Vorfall, bei dem der schwarze US- Bürger Rodney King 1991 in Los Angeles durch Polizisten brutal misshandelt wurde. Wie im Jahr 2020 nach der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch einen Polizisten kam es 1992 zu schweren Unruhen, nachdem die Täter zunächst freigesprochen wurden. Der damalige Präsident George Bush sen. ließ das vor allem von der afroamerikanischen Bevölkerungsgruppe getragene Aufbegehren gegen den institutionell verankerten Rassismus durch

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Streitkräfte unterdrücken – eine historische Parallele zum Vorgehen der Trump-Administration, die im Mai 2020 mit Polizeieinsätzen auf die Proteste der „Black Lives Matter“-Bewegung reagierte.

Pipers Installation erlaubt es, in zwei verschiedene Perspektiven – eine schwarze und eine weiße – einzutauchen und einen

Blickwechsel vorzunehmen. Im schwarzen Raum nehmen wir einem Porträt gegenüber Platz, das den misshandelten Rodney King zeigt. Für 30 Sekunden erscheint das Bild seines verletzten Gesichts, während seine brüchige Stimme hörbar wird, mit der er kurze Zeit nach dem Vorfall dazu aufrief, dass die Menschen trotz aller Konflikte aufeinander zugehen sollen. Im weißen Raum

werden wir mit der bekannten Amateuraufnahme konfrontiert, in der zu sehen ist, wie die Polizisten brutal auf King einschlagen. Piper hat das Video mit Ausschnitten aus einer Ansprache des

ehemaligen Präsidenten Bush sowie mit Soulnummern als

Soundtrack versehen, darunter Marvin Gayes What’s Going On.

Piper setzt Empathie hier als zentrales Mittel ein. Während von Rassismus Betroffene eine traurige Bestätigung ihrer Situation erleben, wird für die anderen nahezu körperlich spürbar, was es bedeutet, rassistische Diskriminierung und Gewalt zu erfahren.

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Samuel Fosso

1962 Kumba, CM – Bangui, CF und Paris, FR

Aus der Serie 70’s Lifestyle, 1975–78 Silbergelatineabzug

Self-Portrait (Tommie Smith),

Self-Portrait (Martin Luther King Jr.), Self-Portrait (Malcolm X),

Self-Portrait (Angela Davis)

aus der Serie African Spirits, 2008 Silbergelatineabzüge

Emperor of Africa, 2013 Chromogener Farbabzug

Black Pope, 2017

Chromogener Farbabzug

Courtesy the artist und JM Patras, Paris

Samuel Fosso zählt zu den führenden zeitgenössischen Künstlern Zentralafrikas. Ausgehend von seiner Arbeit als kommerzieller Porträtfotograf, fand er fast zufällig zur Kunst. In

Auseinandersetzung mit der Geschichte der Studiofotografie in Afrika entwickelte er ab den 1970er-Jahren einen eigenständigen Stil eines theatralischen Selbstporträts, in dem er sich mit

afrikanischen Identitätskonzepten befasst.

Fosso wuchs in Biafra auf, einem Gebiet im Südosten Nigerias, das nach Jahren ethnischer Kämpfe 1967 seine Unabhängigkeit

erklärte. Der erbitterte Bürgerkrieg veranlasste Fosso in die

Zentralafrikanische Republik zu fliehen, wo ihn ein Onkel aufnahm.

In der Hauptstadt Bangui gründete er im Alter von 13 Jahren ein

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kommerzielles Fotostudio. Tagsüber produzierte er Bilder für zahlende Kunden, abends richtete er – um die Filmrollen vollzuknipsen – die Kamera auf sich selbst und begann,

ausdrucksstarke Selbstporträts und genderübergreifende Figuren zu entwerfen. Inspiration dafür fand er in Magazinen. Fossos Werk aus den 1970er-Jahren, das sich auf populäre westafrikanische Musiker und die neueste Jugendmode bezieht, thematisiert

unterschiedliche Ausprägungen afrikanischer Identität. In seinen frühen Fotografien experimentiert er mit Kleidung, Pose und

Beleuchtung und entwickelt intuitiv Bilder, die im Widerspruch zu ethnografischen Zerrbildern Afrikas stehen und auch den Gesetzen der kommerziellen Studio-Porträtfotografie zuwiderlaufen.

In späteren Serien, vor allem in African Spirits, reinszeniert Fosso historisches Bildmaterial aus Zeitschriften und Zeitungen sowie Fahndungs- und Polizeifotos. African Spirits besteht aus

Selbstporträts, in denen Fosso die Posen von Ikonen der

panafrikanischen Befreiungsbewegung einnimmt – darunter Angela Davis, Martin Luther King Jr., Malcolm X und Tommie Smith. Diese hoch theatralischen, oft täuschend echten Verkörperungen, die in zeitintensiven Sitzungen entstanden, würdigen die historischen Figuren für ihren Kampf um Bürgerrechte und die postkoloniale Unabhängigkeit und weisen zugleich darauf hin, dass ihre

meisterhafte mediale Selbststilisierung dazu beitrug, politische Ideale zu prägen und zu stärken.

In seiner Serie Emperor of Africa schlüpft Fosso in die Rolle des chinesischen Revolutionärs und kommunistischen Parteiführers Mao Tse-tung. In seinen Reinszenierungen ikonischer Bilder gibt Fosso Mao nicht nur als Befreier wieder, der in Afrika bewundert wird, sondern auch als Symbol eines modernen Imperialismus.

Obwohl Chinas wachsende wirtschaftliche und kulturelle Präsenz von vielen afrikanischen Führern willkommen geheißen wird, löst sie auch Bedenken aus. „Fosso ist als Darsteller sowohl Subjekt als

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auch Fragender, der Mann hinter der Maske, der das Imperiale und das Postkoloniale gleichermaßen befragt.“ (Olu Oguibe)

In einer seiner neuesten Serien, Black Pope, verkörpert Fosso auf überzeugende und zugleich herausfordernde Weise die zentrale katholische Identifikationsfigur, den Papst. Er stellt die Vision eines schwarzen Papstes in den Raum – hier ins Gebet vertieft – und hinterfragt zugleich die Macht und Autorität, die mit den Attributen, Ausstattungen und Normen der Kirche verbunden sind, in diesem Fall mit dem ikonischen Weiß des päpstlichen Gewands.

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Karo Akpokiere

1981 Lagos, NG – Lagos, NG, und Hamburg, DE

Zwischen Lagos und Berlin, 2015 50 Zeichnungen

Bleistift, Kugelschreiber, Marker, Gouache auf Papier Courtesy of the artist

Die Zeichnungen des in Lagos, der größten Stadt in Nigeria, aufgewachsenen Künstlers Karo Akpokiere zeichnen sich durch eine enge Verbindung von Bild und Text sowie eine von urbaner Graffiti- und Schriftkultur inspirierte Formensprache aus. Zudem stellt er in seinen Arbeiten eine scharfe Beobachtungsgabe für gesellschaftliche Verhältnisse unter Beweis. Er studierte am Yaba College of Technology in Lagos Grafikdesign und entwickelte früh Interesse daran, die Möglichkeiten des Designs nicht nur für

kommerzielle Zwecke, sondern auch für die Vermittlung sozialer und politischer Botschaften einzusetzen. Die Megacity Lagos mit ihrem multikulturellen Mix aus Bildern und Texten, Mustern aller Art, Comics, Design, lokaler und internationaler Musik spielte für ihn eine große Rolle bei der Entwicklung seiner künstlerischen

Identität. In seinen Werken verbindet er traditionelle und digitale Zeichnungstechniken und lässt die Grenzen zwischen Grafik,

bildender Kunst, Comic, Illustration und Typografie verschwimmen.

Die Serie Zwischen Lagos und Berlin bezeichnet er als einen

„Spaziergang durch die Städte Lagos und Berlin“, als eine Art

„visuelles Tagebuch“ über die sozialen, politischen und

persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen, die er in den beiden Städten machte, während er dort arbeitete. Er erzählt vom Leben zwischen den Städten auf unterschiedlichen Kontinenten, vom Wechsel zwischen den Kulturen und den politischen und sozialen

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Fragen, die damit verbunden sind: Mobilität, Migration,

Stereotypen, Heimweh, Religion, die Trennung zwischen Arm und Reich.

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Charlotte Haslund-Christensen

1963 Kopenhagen, DK – Kopenhagen, DK

Hope & Fear, 2016

Dreikanal-Videoinstallation, 28:40 Min.

Courtesy of the artist

Charlotte Haslund-Christensen richtet sich mit ihrer Videoarbeit HOPE & FEAR gegen ein wiedererstarkendes Klima von

Nationalismus, Abschottung und Ausgrenzung. Ihr langfristiges Projekt versteht sich als Aufruf zu globaler Solidarität und

gegenseitigem Respekt. Über vier Jahre hinweg hat sie

verschiedene Kontinente bereist und 250 Menschen angesprochen, um ihnen dieselben zwei Fragen zu stellen: „Was ist Ihre größte Angst?“ und „Was ist Ihre größte Hoffnung?“. Das Video zeigt Menschen auf den Straßen von Peking, Buenos Aires, Kairo, Kopenhagen, Daressalam, New York und Ulan Bator –

Lehrer_innen, Straßenhändler_innen, Polizist_innen,

Künstler_innen, Priester, Schamanen und Imame, Kinder, Jugendliche, Eltern und Großeltern, die in ihrer jeweiligen

Landessprache zu uns sprechen. Bei aller Vielfalt der Generationen und Kulturen drückt sich in ihren tiefsten Ängsten und Wünschen etwas Gemeinsames und Verbindendes aus.

„Die Antworten der Menschen waren ehrlich und bewegend. Was mich am meisten überraschte, war, dass die Antworten nicht so stark mit der Region oder der lokalen Situation zusammenhängen, wie ich es erwartet hätte. Der vielleicht größte Faktor für unsere Ängste und Hoffnungen ist das Stadium, in welchem wir uns in

unserem Leben befinden. Kinder schauen in die Zukunft und haben große Träume. Sie wollen Erfinder, Weltmeister und Fußballstars sein! Jugendliche und junge Menschen können durchaus

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egozentrische Züge haben, aber wenn wir Menschen Kinder haben, verschiebt sich der Fokus plötzlich. Und wenn sich die Menschen einem höheren Alter nähern, sehen sie ihr Leben als Möglichkeit, etwas weiterzugeben.“ (Charlotte Haslund-Christensen)

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Alfredo Jaar

1956 Santiago de Chile, CL – New York, NY, US

Untitled (Newsweek), 1994 Video, 7:20 Min.

Searching for Africa in LIFE, 1996

5 Leuchtboxen, analoger C-Print auf Duratrans

LIFE Magazine, April 19, 1968, 1995

3 Leuchtboxen, analoger C-Print auf Duratrans Courtesy Galerie Hubert Winter, Wien

Alfredo Jaar beschäftigt sich in seinen Werken mit Fragen sozialer Gerechtigkeit und einer analytischen Kritik ungleicher

Machtverhältnisse in globalisierten Gesellschaften. Zwei der hier gezeigten Arbeiten, die alle Mitte der 1990er-Jahre entstanden, hinterfragen den strukturellen Rassismus in der Bildpolitik

sogenannter Mainstream-Medien – beispielhaft untersucht an den ikonischen US-Magazinen LIFE und Newsweek.

Jaar hat sich in zahlreichen Arbeiten, die unter dem Titel The Ruanda Project (1994–2010) zusammengefasst sind, mit dem Völkermord in Ruanda beschäftigt. Der Genozid hat im Jahr 1994 bis zu 1 Million Menschen das Leben gekostet. In knapp 100 Tagen töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der in

Ruanda lebenden Minderheit der Tutsi sowie moderate Hutu, die sich dem Genozid widersetzten oder sich nicht daran beteiligten.

Schockiert von der Gleichgültigkeit der Weltöffentlichkeit, reiste Jaar kurz nach den offensichtlichen Anfängen des Genozids selbst nach Ruanda, um die Ereignisse zu dokumentieren und über die Jahre wiederkehrend an die Öffentlichkeit zu bringen.

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Eine der frühesten Arbeiten, die in diesem Zusammenhang

entstand, ist Untitled (Newsweek). Die Projektion stellt eine Chronik des Völkermords und des zögerlichen Eingreifens der

internationalen Politik einer Abfolge von 17 Newsweek-Covern gegenüber. Nach dem Beginn der Gewalttaten im April 1994

dauerte es bis zum 1. August 1994, dass das Magazin das Thema auf das Cover brachte. Die Zeitschrift, die von sich behauptete, die wichtigsten Ereignisse der Welt an die Menschen zu bringen,

erwähnte den Genozid nur knapp – eine „barbarische und

kriminelle Gleichgültigkeit“ gegenüber Afrika, wie Jaar formuliert.

Searching for Africa in LIFE ist eines der bekanntesten Werke von Alfredo Jaar. Für die Arbeit stellte er alle 2.128 Cover des LIFE- Magazins zusammen, die zwischen 1936 und 1996 veröffentlicht worden waren. „Für die USA war LIFE das erste und

einflussreichste rein fotografische Nachrichtenmagazin. Mit über dreizehn Millionen wöchentlichen Leser_innen auf dem Höhepunkt war es seine Mission, dem Land ein Fenster in die Welt zu bieten.

Als der Herausgeber von LIFE, Henry Luce, die Veröffentlichung startete, war sein erklärtes Ziel: ‚Das Leben zu sehen; die Welt zu sehen; große Ereignisse mitzuerleben …‘ Dass in der 60-jährigen Geschichte des Magazins nur so wenige Cover mit afrikanischen Themen erschienen, bietet die Gelegenheit, diese Behauptung neu zu bewerten. Searching for Africa in LIFE spiegelt die historischen amerikanischen Einstellungen zu Kultur und Ethnizität wider – Einstellungen, die bis heute nachhallen.“ (Alfredo Jaar)

Die dreiteilige Fotoinstallation LIFE Magazine, April 19, 1968 basiert auf der Reproduktion eines Fotos vom Begräbnis des

ermordeten US-amerikanischen Bürgerrechtlers und Pastors Martin Luther King Jr. Jaar fügt dem ursprünglichen Foto zwei weitere

Bilder hinzu, in denen er die rassistische Haltung der damaligen Zeit auf simple, aber sehr eindrückliche Weise enthüllt. In einem

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Bild werden alle Afroamerikaner_innen, die dem Begräbnis

beiwohnten, durch einen schwarzen Punkt repräsentiert, in einem weiteren Bild alle weißen Menschen mit einem roten Punkt.

Tausende schwarze Punkte stehen einigen wenigen roten Punkten gegenüber. Die Trauer über den Tod des schwarzen

Bürgerrechtlers war außerordentlich ungleich verteilt: Während viele Schwarze befürchteten, dass jede_r von ihnen Opfer von

rassistischer Gewalt werden könnte, bedauerten die Weißen Kings Tod überwiegend aufgrund der zu erwartenden Proteste.

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Danica Dakić

1962 Sarajevo, BA – Düsseldorf, DE

EL DORADO. Gießbergstraße, 2006–07 Einkanal-Videoprojektion, 13:39 Min.

Diapositiv im Leuchtkasten

Courtesy of the artist

Die Legende von El Dorado, einem Goldenen Land inmitten des dichten Urwalds von Südamerika, hat seit dem 17. Jahrhundert die Fantasie europäischer Eroberer beflügelt. El Dorado wurde zu

einem Sinnbild für die Suche nach einer paradiesischen Welt,

zugleich steht es für die Kolonisation Südamerikas durch spanische und portugiesische Konquistadoren, die dort unermessliche

Schätze zu finden hofften.

Die monumentale Panoramatapete Eldorado, die sich im

Deutschen Tapetenmuseum in Kassel befindet, wurde 1859 in der Manufaktur Jean Zuber & Cie. im elsässischen Rixheim gedruckt.

Auf einer Größe von 12 mal 2 Meter breitet sie eine globalisierte Interpretation des Mythos aus: Sie zeigt üppige Vegetationen mit architektonischen Motiven, die Afrika, Amerika, Asien und Europa repräsentieren. Die Tapete bringt die Welt, das exotische Fremde, in gezähmter und paradiesischer Form in die eigenen vier Wände.

Danica Dakićs EL DORADO. Gießbergstraße ist in Kassel verankert. Die Video- und Fotoinstallation entstand mit Jugendlichen, die in einem Wohnheim für unbegleitete

minderjährige Flüchtlinge in Kassel untergebracht waren. Die Panoramatapete und andere Orte im Museum dienten als Projektionsflächen, vor denen die Protagonist_innen ihre

persönliche Lebenssituation, ihre Sehnsüchte und Vorstellungen

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von Glück und Zukunft zu szenischen Darstellungen formten. Die Räume des Tapetenmuseums wurden dabei zum Bühnenbild und Handlungsraum der Jugendlichen. „Es ging darum, vor dieser historischen Projektionsfolie von ‚El Dorado‘ die Umbrüche ihres Erwachsenwerdens, ihrer Migration und ihrer Suche nach dem Paradies zu verhandeln. Es war für mich wichtig, diesen

Jugendlichen zu begegnen, zu sehen, wie sie reagieren und was kommt, und dann von ihnen selbst zu erfahren, was sie denken, wie sie fühlen.“ (Danica Dakić)

Referenzen

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