• Keine Ergebnisse gefunden

Der Kammerzwang ist reif zur Abschaffung

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Der Kammerzwang ist reif zur Abschaffung"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Ausgabe 06. 2016 | Welt der Fertigung

93

IHK für ihre Zwecke zu instrumentalisie- ren, politischen Einfluss und organisieren ihre Lobby-Interessen. Nach außen ist es angeblich das „Gesamtinteresse der Wirt- schaft“, welches da vertreten wird. Wer hinter die Kulissen blickt, stellt fest, dass die völlige Abwesenheit von demokrati- schen Grundstandards einer ausgewoge- nen Ermittlung eines solchen Gesamtin- teresses entgegensteht. In Wirklichkeit sind es kleine Gruppen, die sich die Kam- mern mehr oder weniger unter den Nagel gerissen haben. Kleine Unternehmen be- ziehungsweise Mittelständler haben gar nicht die Zeit, sich hier entsprechend ein- zumischen. Das gilt umso mehr, als dass diejenigen, die sich hier kritisch zu Wort melden, oft genug als Nestbeschmutzer diffamiert werden.

Wer sich, wie die IHKs, nicht traut, seine eigenen Wahlergebnisse zu veröffentli- chen, wer sich zwar „Parlament der Wirt- schaft“ nennt, aber seine Mitglieder auf Verschwiegenheit verpflichtet – die Öf- fentlichkeit regelrecht scheut –, wer lieber ohne nennenswerte Diskussionen seiten- lange Manifeste abnickt, wer Minder- heitenpositionen regelmäßig übergeht, wer so handelt, kann nicht ausgewogen Interessen bündeln. Dass die Feststel- lung der Demokratieferne der IHKs keine Erfindung der Kammerkritiker ist, ver- deutlicht das Zitat aus der Doktorarbeit eines hochrangigen Kammerjuristen, der lakonisch festhielt: »Die Wahlen zu den Vollversammlungen der Industrie- und Handelskammern unterfallen nicht dem Geltungs- und Anwendungsbereich des Demokratieprinzips.« Dem ist tatsächlich nichts hinzuzufügen.

Die spannende Frage ist also, ob das Horrorszenario – Bedrohung der dualen Ausbildung mit dem Wegfall des Kam- merzwangs – real ist? Viele Beispiele zeigen, dass die Kammern tatsächlich weniger den Schatz der beruflichen Aus- bildung verteidigen als die IHK-Paläste – die mittlerweile um diesen Schatz herum errichtet wurden – sowie die überreichli- chen Pfründe, die im Schatten der Paläste locken.

Man kann nicht einerseits das ehren- amtliche Engagement der Unternehmen für die berufliche Ausbildung rühmen und gleichzeitig behaupten, dieses En- gagement löse sich in Luft auf, wenn der Kammerzwang wegfiele.

Das Engagement der Un- ternehmen gilt der Ausbil- dung, nicht dem Kammer- zwang.

itc-logistic.de

Gastkommentar

Der Kammerzwang ist reif zur Abschaffung

Dass Zwangsgebühren beziehungswei- se Zwangsmitgliedschaften zur Erschlaf- fung von Marktkräften führen, kann exemplarisch an der GEZ-Gebühr, aber auch an der erzwungenen Mitgliedschaft in einer IHK betrachtet werden. Dieses System führt dazu, dass ohne Konkur- renzdruck Strukturen aufgebaut wer- den, die mitunter kriminelles Verhalten fördern. Es war sicher kein Einzelfall, als der IHK in Koblenz attestiert wurde, dass sie rechtswidrig Vermögen gebildet hat – Vermögen finanziert mit den Zwangs- beiträgen der Mitglieder, wie diverse Ge- richtsverfahren zeigten. Aus Mitglieds- beiträgen sinnfrei Vermögen anzuhäufen ist ein Symptom dafür, dass sich hier eine Organisationsform gründlich von ihren Zielen und ihrer Rechtfertigung entfernt und entfremdet hat.

Bemerkenswerterweise streiten die Industrie- und Handelskammern (IHKs) für deutlich weniger unternehmerische Aktivitäten des Staates in Konkurrenz zur Wirtschaft, praktizieren jedoch ge- nau dies mit einer Vielzahl von Tochter- firmen und Beteiligungen massiv selbst.

Insbesondere Betriebe im Bereich von Bildung und Beratung müssen mit den ihnen abgenommenen Zwangsbeiträgen die Kampfpreise der IHK-Firmen subven- tionieren, die ihnen dann von bequemer Warte aus Konkurrenz machen. Bemer- kenswerterweise fordern die IHKs vom Staat eine Harmonisierung von Steuern und Abgaben, um gleiche Wettbewerbs- bedingungen herzustellen, erheben aber in 79 IHK-Bezirken mit unterschiedlichs- ter Systematik und unterschiedlichster Höhe ihre IHK-Beiträge. Sie haben auch keine Skrupel, minimale Leistungen – in meinem Fall eine wimpernschlagschnelle Abnahme eines Schulungsraumes – mit einer deftigen Gebühr zu belegen.

Die große Kluft zwischen den eigenen Ansprüchen und der eigenen Arbeits- weise, dazu die vielen Skandale der ver- gangenen Jahre, machen deutlich, dass die IHKs nicht die eine oder andere klei- ne Reform brauchen. Wer es ernst meint mit der Selbstverwaltung der Wirtschaft, der muss sie nicht nur vom in langen Jah- ren angehäuften bürokratischen Ballast befreien, sondern muss auch der Selbst- bedienungsmentalität der Funktionäre sowie der Selbstzufriedenheit entgegen-

treten. Die IHK-Organisation muss sich einem unabhängigen Benchmarking stel- len. Zudem muss die Rechnungsprüfung durch Landesrechnungshöfe eine Selbst- verständlichkeit werden.

In der Organisation einer IHK fehlen zwei grundsätzliche Elemente, die für ef- fizientes wirtschaftliches Handeln unver- zichtbar sind: Das Leistungselement und das Wettbewerbsprinzip. Durch Zwangs- mitgliedschaft nebst Gebietsschutz – kein Unternehmen kann den Kammerbe- zirk frei wählen – sind die Einnahmen der Kammerbürokratie auf äußerst bequeme Art gesichert. Leistungs- und Innovations- druck kennen die Kammerfunktionäre durch dieses System nicht.

Warum aber verteidigen dann nicht zu- letzt Wirtschaftsvertreter so hartnäckig den Kammerzwang, der so offensichtlich mit den eigenen Prinzipien im Wider- spruch steht? Hier hilft zunächst ein Blick auf nackte Zahlen, denn zuallererst wer- den durch das Festhalten am Kammer- zwang massiv Besitzstände verteidigt.

Das jährliche Beitragsaufkommen aller IHKs liegt bundesweit bei circa 1,2 Milli- arden Euro. IHK-Geschäftsführer mit dem Arbeitsprofil eines mittleren Behördenlei- ters ohne jede unternehmerische Verant- wortung fühlen sich wie Wirtschaftsbos- se und lassen sich auch so entlohnen. So etwas gibt man nicht kampflos auf.

Dazu verschaffen sich mit üppigen Res- sourcen diejenigen, die es verstehen, die

Wolf-Peter Korth Geschäftsführer der ITC Logistic GmbH

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Sind es jene, die das Basler Bürgerrecht haben oder gehören auch Menschen dazu, die Basel als Heimat wählten, ohne hier geboren zu sein und ihren Teil an das Gemeinwesen leisten

Denn der Priester und der Levit, die den Verletzten unversorgt lassen, handeln nach ihren ethischen Maßstäben nicht falsch.. Beide gehören zu den religiösen Akteuren am

Ich bin eine böse Hexe (die allerdings nett schaut).... Wer

Und jene Leute, die da fuchen – diese wie auch immer sie heißen, Oxymoron oder der Eitrige; übrigens haben den letzten Rap-Battle etwa 46 Millionen Menschen angesehen – halten

Dezember 2010 zum Universitätsprofessor für Satellitengeodäsie am neu zu gründenden Institut für Theoretische Geodäsie und Satellitengeodäsie berufen.. Viktor kAUfMANN,

Am darauffolgenden Tag stellten wir nach einem reichhaltigen Frühstücks- buffet, welches keine Wünsche offen ließ, leider fest, dass sich die Wetterlage verschlechtert hatte

Eine nachhaltige Landwirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zu Ernährungssicherheit und Entwick- lung, zum Klimaschutz sowie zur Anpassung an den Klimawandel leisten – auch

Hier verraten dir die Vögel ihren Namen und typische Merkmale, an denen du sie..