Sportbel Behinderung,
BeatrixGregorSportbei
Behinderung,
54
derten
Menschen hinterfragt.
Aufgrund aligemeiner Bildungs-
undErzie
BEAT RI X GREG OR
hungsauftrage
andie
(Bewegungs-)Padagogik
werdensowohi
Methoden
im Sinne
pädagogischer Leitvorstellungen
und
methodischer Verfahren
alsauch
konkrete
ZieleundInhalteerörtert... ZweiterTell:(siehe
folgendes Spektrum).
Er
beinhaltet
die
Darstellung
der
B eiiiegung
mit
geistig
praktjsc’11 Durchfuhrung
soicheines
Bewegungskonzeptes,
die
empirische
behinderlen
Era,achsenen
UntersuI1g
unddie
Diskussion
der
Abstract
em
sporlpädagogisCher
FirstPart:
Emenating
from
fundamental anthropological
andethic
considera
tionsthe
importance
of
movement
for
mentally handicapped
personsandthe
Konzeptentwurf
mit
dem
basicvaluesofhumanlifeare
described
asthebasicand
background
ofthe
presented movement concept.
The
necessity
of
supporting
social
interactions
.. is
expounded
withthe
,,Isolation
Theory”of
JANTzEN.
Proceeding
fromthe
$chwerpunkt der
Forderung
theoriesof
SCHMIDT
and
MUNZERT
are
explained.
Their
relevance
for
conceptof
,,Tätigkeitstheorie”
the
development
of
personality
andthemotor
$ ozialer
Interaktionen
und
tlmentally handicapped
personsis
discussed.
Methods
justas
pedagogical
mainideas,
methodical procedures, concrete
aimsandcontentsofthemove mentconceptare
considered.
m otorischer
SecondPart:(next
spectrum).
The
experimental realizing
ofthis
concept,
the
empirical investigation
andthe
discussion
oftheeffectsare
described.
...
Koordinationsfahigkeit
Zusammenfassung Erster
Teil:
Ausgehend
vonbasalen
anthropologischefl
und
ethischen
Uberle gungenwird
versucht,
sowohidie
Bedeutung
der
Bewegung
fürden
behinder
ten
Menschen
alsauchdie
Grundwerte
des
menschlichen
LebensalsBasis und
Hintergrund
für
vorliegendes BewegungskonZePt darzustellen.
DieNot
wendigkeit
der
Förderung
sozialer
Interaktionen
alseineder
bedeutendstefl
zwischenmenschlichefl Handlungen
wirdu.a.ausder
Isolationstheorie
JANT ZENSerklärt.
Ausgehend
vom
tatigkeitstheoretischen
Modellder
Persönlich
keitsentwickluflg
werdendie
motorischen Lerntheorien SCHMIDTS
undMuN ZERTS
dargestelit
undaufihre
Relevanz
fürden
Lernprozel3
desgeistigbehin
56Sportbel BehinderUflg,
BeatrixGregor 1.Tell—der
theoretische KonzeptefltWUrf
I.
Einleitung
LI.Der
derzeitige
Forsch
ungsstand
Dadie
sportwissenschaftliC11e AuseinanderSetzung
mitdem
ArbeitsbereiCh
,,Bewegung,
SpielundSportbei
Behinderung”
—undhier
besonders
bei
Men
schenmit
geistiger Behinderung
—insehr
geringem Ausmal3 stattfindet
(nicht nurin
Osterreich),
scheintmiremkurzer
kritischer Uberblick
überdenFor
schungsstand,
über
grundlegende Theorien
und
Konzepte notwendig.
Unter
suchungen
zur
,,geistigefl Behinderung”
wurden
hauptsãchliCh
im
anglo-ame
rikanischen
Raum
durchgeführt.
STERNLICHT/MARTZ
(1985)gebenin ihremBuch
,,Psychological
Testingand
Assessment
ofthe
Mentally Retar
ded”einensehr
detaillierten Uberblick
überdieseiti960
erschienenefl
Bei trãgeim
ang1oamerikanischen SprachraUm.
THESE1:Dergeistig
behinderte
Mensch1stinden
seltensten
FallenThema
theoretischer
und
empirischer sportwissenschaftlich&
Arbeiten.
Der
Forderung
sozialerdieser
Menschen
mittels
spezieller, ganzheitlich
orientierter BewegungskOflzePte
undderen
Uberprüfung
auf
Effektivität
wird nochweniger
Beachtung geschenkt.
Ebenso
vereinzelt
sindAnsatzezufinden, neuere
Erkenntnisse
ausden
Lerntheorien
fürdie
motorischen LernprozesSe
gel stig
behinderter Menschen
zu
adaptieren
undzu
untersuchen.
Sehrwenige
Untersuchungen
und
Konzepte
imBereich
,,Bewegung,
Spielund Sportmit
behinderten Menschen”
widmeten
sichdem
Personenkreis
dergei stig
behinderten Menschen
(vgl.
Kongrel3beriCht
des7.
WeltkongreSses
von APAinBerlin1990,hg.v.
DOLL-TEPPER,
G.:Von71
Beitrãgen beschaftigefl
sichnurfünfmitgeistig
behinderten Menschen.
Betrachtet
manz.B.dieinden Jahren
1984—1990 erschienenefl ForschungsberiChte,
sofindensichimAPAQ
immerhin
17
ForschungsberiChte
zumThema
,,Geistige Behinderungen”
—im
Vergleich
zu38anderen
Berichten;
inder
Zeitschrift ,,Motorik”
sindesfünf Artikel,inder
,,Zeitschrift
für
Psychomotorik”
ebenfalls
fünf
Berichte).
Diezu diesemThema
erschienenefl
BücherundArtikelsindzum
allergröl3ten
Teil geistig
behinderten
Kindernund
Jugendlichen gewidmet
(vgl.
BAUER
1978,
DECKER
1990,
DIROCCO/CLARK/P
LL1PS1987,
FEDIUK
1990,
FREY/KRONE
WIRTH1981,
GRoSSING
1981,
Hsu!DUNN
1984,
IRMISCHER
1984,
KIPHARD
1979,1983,1989,
MCNEILL/MULLHOLLAND
1986,
SANDERBEUERMANN
1985,
SANDVOSZ
1983,
SCHILLING,
VANDERScHooT1976,
SCHUMACHER
1981,
TITuS/WATKINSON
1987,
WRIGHT/COWDEN
1987,
VERMEER
1988u.a).
Erwachsene
werdennurseltenin
Forschungen
und
padagogische Konzepte
einbezogen (ANDERSON/ALLEN
1985,
EBERHARD/ETERRADOSSI
1990,
EDWARDS
u.a.1986,
FALTERMEIER
1985,
HOFFMANN-REMY
1981,
KLEMPERT/HAGME1ER
1981,
TILLEY
1990,
TOMPOROWSKY1JAMESON
1985).Der
Grof3teil
derUntersu
chungen
hatdie
Forderung
der
kognitiven
und
motorischen Fahigkeiten
der
Sportbei
Behinderung,
BeatrixGregor57 geistig
behinderten Menschen
zumThema
(BAUER
1978,
BROADHEAD
1986,
DECKER
1990,
EDWARDS
u.a.1986,
FALTERMEIER
1984,
FEDJUK
1990,FREY!
KRONEWIRTH
1981,
HSU/DUNN
1984,
KLEMPERT/HAGMEIER
1981,
MCNEILL/
)
MULHOLLAND
1986,
SCHUMACHER
1981,
TOMPOROWSKI/JAMESON
1985).Es gibtnurwenige
Konzepte, theoretische Uberlegungen
und
Untersuchungen
F zumBereichder
Förderung
des
Sozialverhaltens
unddersozialen
Interaktio
nengeistig
behinderter Menschen
(SCHRöDER
1980,
THEUNISSEN
1983)und kaum
Forschungen
überdie
Bedeutung
der
Bewegung
fürdie
Förderung
sozialer
Interaktionen
geistig
behinderter Menschen
(ANDERSON/ALLEN
1985,
GREGOR
1986,1897,
SANDVOSZ
1983,
TILLEY
1990,
TITUS/WATKINSON
1987).
Bezüglich
des
Bereiches ,,Sozialkompetenz,
soziale
Fähigkeiten,
sozialesVer halten”wirdinder
Forschung
mitgeistig
behinderten Menschcn
vorallem
aufTestverfahren
wiedie
,,Vineland
Social
Maturity
Scale”(DOLL1953),den
PAC-Bogen
von
GUNZBURG
(1969),eigens
konstruierte Fragebögen
für
Betreuer
undElternundglobale
Verhaltensbeobachtungskategorie-Bögen
(aggressives, kooperatives Verhalten) zuruckgegriffen
(vgl.
BOLLINGER/HEL
LINGRATH
1981,
NICKEL
1981,
SANDVOSZ
1983,
SUMASKI
1977,
TROLLDENIER
1985).Die ailgemeine Erforschung
sozialer
Interaktionsfahigkeiten
bedient sichfast
ausschlie(3lich
der
Interaktionsmodelle
VOfl
FLANDERS
undBALES (1970;vgl.auch
TROLLDENIER
1985).Bei Untersuchungen
mitgeistigbehin derten
Menschen
könnendieseaberwegenihrerstarken
sprachlichen Orien tierungkaum
angewandt
werden.
Modifizierte
oderneue
Interaktionsfor
schungsmodelle
werdenerstseiteinigenJahrenkonkret
entwickelt
(vgl.GRE GOR1986,
INNERHOFER
1977,1984,o.J.,
PETERANDER/INNERHOFER
1984).
Lernprozesse
beigeistig
behinderten Menschen
werden
groBteils
mittelsbeha
vioristisch
oder
neurophysiologisch orientierter Theorien
erklärtundmittels
verhaltenstherapeutischer Interventionen
zufördern
versucht (vgl.AYRES 1984,
BAUER
1978,
DECKER
1990,
FALTERMEIER
1985,
HSU/DUNN
1984,IRMI SCHER1984,
KANE/KANE
1981,VANDER SCHOOT
1976).
Grundlegende
Theo rienneuerer
Unterrichtsmodelle
und
ganzheitlich orientierter Konzepte
(offe ner
Unterricht, handlungsorientierter Unterricht, emanzipatorische
Modelle etc.)werdenbisjetztinder
(sport-)pädagogischen Arbeitmitgeistig behinder
ten
Menschen
selten
umgesetzt
(MATTNER
1987,SOWA1988,
STEHN!EGGERT
1987,vgl.auch Streitgespräche
STEHN/EGGERT
1987mit
SCHILLING/KIPHARD
1987,
Streitgespräch
ANSTOTZ
mitSPECK1985).Esgibtauchnursehrverein zelt
Ansätze,
neuere
Erkenntnisse
ausden
Lerntheorien (handlungsorientierte
Lerntheorien, Schematheorie
etc.)fürdie
motorischen Lernprozesse
geistig
behinderter Menschen
zu
adaptieren
undzu
untersuchen
(HOOVER/WADE
1985,
SCHWIER
1987,
SURBURG
1985).Geistig behinderte Menschen
werden meistmittels
defektorientierter
Modelle
beschrieben
und
kategorisiert
(RETT!
SEIDLER
1981,
WENDELER
1976).Erstdie materialistische
unddie
handlungs
theoretisch orientierte Behindertenpädagogik
(JANTZEN
1980,1986,1987, KOBI1983,
PFEFFER
1984)zeigtdie
Bedeutung
der
isolierenden Bedingungen
als
wesentliche Behinderung
auf.
JocHiIM/ScHooT
(1981)
charakterisieren
die—nichtnurfürden
europäischen Forschungsstand zutreffende
—
Situation
folgendermal3en:
58SportbeiBehinderung,BeatrixGregor ,,BeiderGruppedergeistigRetardiertengibtesnursehrwenigeStudien, indenenderEinsatzvonSportprogrammenbzw.vonbestimmtenSportar tensystematischuntersuchtwird
(. ..).
BeialienBehinderungsgrUPPeflgibt esnochsehrwenigeUntersuchungen,indenendieEffektivitãtvonSport aisTherapieim padagogischpSyCh0iOgisc1Sinneuntersuchtwird,insbe sonderedieAuswirkungefleinesnachbestimmtentherapeutischenund methodisch-didaktiSChenGrundsãtzendurchgeführtenSportunternchtsauf spezifischePersöniichkeits-undVerhaltensmerkmaie.” (JOcHHEIM/SCHOOT1981,S.28) ObwohldieserSatzvorzehnJahrengeschriebenwurde,hatsichbisheran seinerRelevanzkaumWesentlichesverändert. II.GrundlegendeanthropologisCheundethischeUberlegungen EgalobalsTherapeutoderPadagoge,egalobinderArbeitmitbehinderten odernichtbehindertenMenschen,jeglicherUmgangmitMenschen,jedes LebeninderGesellschaft,inderGemeinschaft,ful3taufmehroderweniger bewul3tenunddurchdachtenanthropologiSChen.weltanschaulichenGrund uberlegungefl(vgl.auchAREGGER1986,S.10).Voralleminder(padagogi schenundtherapeutischen)ArbeitmitgeistigbehindertenMenschenwird manoftmitfundamentalenlebensphilosoPhiScheflFragenkonfrontiert.Hier seheichauchfliel3endeUbergãngebzw.BeruhrungSPUflktezuwissenschafts ethischenFragen,wiesieu.a.WILLIMCzIK(1989)aufgeworfenhat. 11.1.DasWesendesLebendigen THESE2:DerMensch(egalobbehindertodernicht)wirdalsIndividuuingese hen,dasdiegrundlegendeFahigkeitundNeigunghat,sichvorwärtsaufpsychi scheReifehinzuentwickein,sichauszuweitefl. DerMenschhateineangeboreneTendenzzurvollständigenSelbstentfaltung (vgl.ROGERS,MASLOW,GOLDSTEIN,FREIRE). AlsGrundelementdesLebenswirddieaktualisierendeTendenzangenommen (GOLDSTEIN1934,MASLOW1977,ROGERS1981). ,,AuchimMenschengibteseineTendenz,dieaufeinekompiexereund voiistandigereEntwickiungausgerichtetist.” (ROGERS1984,S.12) BeiROGERS(1984,1985,1990)istdieFragenachdemWesendesMenschen immerverknüpftmitderFragenachdenzwischenmenschliCheflBeziehungen, alsoauchmitderFragenachdem,,DU”. ,,PadagogischfruchtbanistnichtdiepadagogischeAbsicht,sonderndie padagogischeBegegnung.” (BUBER1973,S.69)
SportbeiBehinderung,BeatrixGregor59 PadagogikundTherapiesolitendaraufzielen,dieseaktualisierendeTendenz imMenschenzuerschliel3en,zufördern.Grundannahmederhumanistischen Psychologieistes,daBdasrnenschlicheWesenimmerinEntwicklungundnie festgelegt,statischist.Dasheif3taberauchfürdengeistigbehindertenMen schen,daBerimmerentwicklungsfähigist,wennerdiegeeigneteFörderung, Unterstutzung,Begleitungerfährt.FürdiePädagogikistdiesderAuftrag, MöglichkeitenundSituationenzusuchenundgezielteinzusetzen,urndiesen MenschenihreEntwicklungzuermöglichen,siezuerleichtern. 11.2.EthikdesSeins—GrundwentedesLebens THESE3:DerbehinderteMenschwirdnichtalsAusnahmeerscheinung betrachtet,sondernalsvoliwertigerMensch,fürdendieselbenLebensprozesse, dieselbenpsychologischen,pãdagogischenundsozialenUberlegungengrundle gendsindwiefüralleMenschen. THESE4:DerPersonwertdesMenschenwirdaisgrundlegenderachtet.Auf gabeallerMenschen1stes,durchKooperation(SCHONBERCER1986)bzw. Niichstenliebe(HAEBERLIN1985)oderGemeinsamkeit(SPECKo.J.)dieisolie rendenBedingungen,denengeradegeistigbehinderteMenschenausgesetztsind, zuüberwindenunddieseMenschenanalienUmweitprozessentelihabenzulas- sen. DerGrundgedankeAlbertSCHWEITZERS(1984)—nämlichdieEhrfurchtvor demLeben—stehthinterdenUberlegungendieserArbeit.Dergeistigbehin derteMenschkannkaumurnseineMenschenwürdekampfen,eristaufdie HumanitãtseinerMitrnenschenangewiesen,undgeradediesgibtunsgrol3e Verantwortung;eineVerantwortung,dieabernichtnurdieinderRehabilita tionundindenheilendenBerufenTatigenhabensoliten,sondernalleMen schenibrenMitmenschengegenüber.’GrundrechtewieMenschenwürde, RechtaufSelbstbestimmunghabenkeineunterscheidbarenMaBstäbe,die dazuführen,dal3einigeMenschenperDiagnosedavonausgeschlossenblei ben—ansonstenwäreneskeineGrundrechte.SosagtSPECK(o.J.): Winhahenesalsomiteinemsozialen,,kategonischenImperativ”zutun, miteinerunbedingtenVenpflichtung,wennwindieAllgemeingultigkeit geradebeimMenschenmiteinergeistigenBehinderungmoralischventre ten.” undfolgertweiter:
(SPECK,0.J.,S.7) ,,Anthropologischlaf3tsichdenzentralesittlicheWentaisdenmenschiiche Personwertbezeichnen.DenMenschalsPersonwert,demwinunbedingte DieForderungdes.,Wachsenlassens”bedeutetaberauch,daBdieIdealvorstellungenund Normen,diewir,,normaleMenschen”vomLebenhaben,denbehindertenMenschennicht aufgedràngtwerdenkönnen,daBihnendieEntscheidungsfreiheitundMitbestimmungihres Lebensnichtgenommenwerdendarf.
1
60SportbeiBehinderung,BeatrixGregor Geltungzuzusprechenhaben,wennmenschlicheExistenzundmenschliches Zusammeniebenemwirklichhumanesseinsoil.” (SPECK,0.J.,5.8) AuchHAEBERLINbetontdieseEinstellung,wennerfolgendeGrundwertedes Seinsprokiamiert(HAEBERLIN1985,S.39):denWertderGleichwertigkeitder MenschenunddenWertderNãchstenliebezwischenMenschen.Achtungund Wertschãtzung(vor)derPerson(ROGERS1985,S.64ff.,1987,5.67ff.,1990, S.21f.;vgl.auchAREGGER1986)injedemMenschensetztaberauchvoraus, dal3ichihnnichtaufseineBefähigungen,Merkmale,RollenundProdukte— mankönnteimSinnevonFROMMauchsagen:aufseinHaben
—
reduziere. DieBejahungdesPersonwerteslebtvielmehrdaraus,daI3derMenschPerson ist—jenseitsvonLernenundErwerb.Damitistderauchschwergeistig behinderteMenscheinbezogenundnichtAusgeschlossener. SindabernichtvieleProblemekeineausschliel3lichethischen,sondernimmer auchsolchederGesellschaftspolitik? ,,DerAbgrundzwischenOhnmachteinerEthikderMenschenwürdeund derMachteinerPolitikderMenschenverachtungkannnichtmitBegriffen zugeschüttet,ermuBüberbrücktwerdenimpolitischenHandeln.. (SCHöNBERGER1986,S.275) GeradedieBedeutungderUmweltundGesellschaftfürdasHerausbilden von,,Behinderung”hebtJANTZEN(1980a,1980b,1986,1987)immerwieder hervor.FürihnwirdBehinderungerstdurchverschiedenste,gesellschaftlich hervorgebrachteIsolationsbedingungenkonkret(vgl.auchKap.111.2.).Für JANTZENistBehinderungeineMoglichkeitmenschlichenLebens,diegenau wiejedeandereunterdemGesichtspunktdesMenschseins,derHumanität, imeinzelnenzuuntersuchenundzubegreifenist(u.a.JANTZEN1987,5.15). IchmöchtemichseinerMeinunganschliel3enundvomMenschenansich, vonsemen(biologischen,psychologischenundsozialen)Lebensprozesscnaus gehen. BehinderungistkeingesondertesProblem,dascinerspeziellenPädagogik oderPsychologiebedarf. 11.3.DieBedeutungderBewegungfürdenMenschen THESE5:DerMenschwirdals,,biopsychosozialeGanzheit”gesehen.Bewe gungwirdalsgrundlegendeSeinsweisedesMenschenverstanden.Bewegungund TatigkeitsindGrundvoraussetzungenderpsychischenEntwicklungdesMen schen(Denken,Wahrnehmen,Emotionen)unddaherfundamentale,lebensnot wendigeProzesse.UberBewegungerstkannsichderMenschUmweltaneignen undzuseinerMitweltKontaktaufnehmen. THESE6:BewegungsbeschränkungeflendogenerundexogenerNaturbaben tiefgreifendenEinfluflaufdieEntwicklungdesMenschen,bedeutenEinschrän kungundBehinderunginderLebensbewältigung(Isolation).SportbeiBehinderung,BeatrixGregor 61 BeiderBeschaftigungmitderBedeutungderBewegungfürdenMenschen stöBtmanaufgrundlegendeFragenderEntwicklungdesmenschljchen Wesensundhiermitaufunterschiedlichstephilosophischeundpsychologjsche
)
Theorien.’WerdeninsportwissenschaftlichenArbeiteneinerseitshäufigden behavioristischenTheorienverbundeneAnsätzedargestelit(BAUER1978, DECKER1990,u.v.a.),sofindensichandererseitsauchgenügendKonzepte imBereichderBewegungmitgeistigbehindertenMenschenmitganzheitli chemAnspruch(ADOLPH1981,KIPHARD1979,IRMISCHER1982,SANDVOSZ 1983).Diese,,Ganzheitlichkejt”wirdabermeistwedernãherdefiniertnoch stimmenhäufigdiemethodisch-didaktischpacjagogischenForderungenmit derproklamierten,,Ganzheitlichkeit”überein2 DergemeinsameNennervieler—sehrunterschiedlicher—
NeuansätzeinPhi losophie,Psychologieund(Sport-)Padagogikist,daBdasMenschseinals Ganzheit(biopsychosozialeGanzheit),alsSeininBewegungimSinnevon Veränderung,EntwicklungundvorallemTätigkeitgesehenwird(GRUPE 1984,JANTZEN1986,MEINBERG1981,ROGERS1987,1990,SEIFERT1979, WEINBERG1976,WILBER1985).3GeradedieBewegungserziehunghatzwarals AnsatzpunktdenLeibdesMenschen,alsZielaberdenganzenMenschen (bereitsbeiGAULHOFER1927),alsoauchseinegeistigen,psychischenund sozialenAuspragungen(vgl.GRUPE1976,1984,MEINBERG1981).DieLeib lichkeitkannwederausihremBezugzurNaturnochausihremBezugzu GeistundKulturgelostwerden.HierzeigenauchMEINBERG(1981)und GRUPE(1984)starkegesellschaftlicheBezügederBewegungauf. ,,Sie[dieBewegung,Anm.d.VerI.]1stalseineWeiseaufzufassen,inder derMenschinderWeltistundBeziehungenzudieserWelthat.” (GRUPE1984,S.91) AusgehendvonderdualistischenLeib-Seele-Auffassungalszweinebeneinanderexistierende ReihenpsychischerundphysischerEreignisseentwickeltensichinderPsychologiediePsycho- physiologic,dieReflexologie,derBehaviorismusSP1NOZASPhilosophiedesMonismuskann alsgegensàtzlicheTheorieverstandenwerden.Sichdaraufberufend,wurdenzuBeginnunseresJahrhundertsdiegestalttheoretischenKonzeptionenderBerlinerSchuleentwickelt.Eswirdversucht,dieGanzheitdesMenschen,seinerWahrnehmungundderGedächtnisstrukturenindenVordergrundzustellen.PersonundUmweltwerdenalsganzes,sichständiggegenseitigbeeinflussendesSystem,alsGestaltangesehen(Unterschiedzurganzheitspsychologi schenLehrederLeipzigerSchule,dieGanzheitundGestaltbegrifflichtrennen).WEIZSACKER betontinseinerTheoriedesGestaltkreisesdiefesteVerschränkungvonBewegung,Wahrneh mungundUmwelt.DiekulturhistorischeSchulesiehtpsychischesGeschehenalsinunddurch Tätigkeitentstanden.TätigkeitundhiermitBewegungwerdenalsfundamentaleEntwick lungsbedingunggesehen(vgl.MATTNER1987,S.4ff.).2SowerfenSTEHN/EGGERT(1987,5.8ff.)derMotologieunddenmotopadagogischenKonzepten(KIPHARD1979,SC’HILLING1975)vor,derTheoriedesGestaltkreisesWEIZSAC’KERS,aufdiesiesichimmerwiederalsgrundlegendeTheorieberufen,nichtwirklichzufolgen(BetrachtungvonpsychischenStörungenals,,Sekundärstorungen”diedurchKompensationeinesprimärorganischenDefektesentstehen;AufteilungderZieleinverschiedeneKategorien; motodiagnostischeVerfahren,diehelfensollen,HandelnundWahrnehmungaufadäquatesVerhaltenhinanzupassenetc.). JArcTzEN(1980,1987)betontdasVerständnisdesMenschenals.,biopsychosozialeEinheit”.wobeiaberauchunterEinheitkeineGleichsetzungderDimensionen.sondernihredialektischeVerbundenheitverstandenwird.DieaufexistentiaiphilosophischenUberlegungenaufbauendenTheorienGROPESundMEINBEROSsehendieseUbergängezwischenWelt,GeistundKörperalsfliel3end(GRUPE1984,MEINBERG1981).62Sportbel BehinderUflg,
BeatrixGregor UnserLeib,unddamitdie
Bewegung, bestimmt wesentlich
unser
Verhãltnis
zur
Lebenswirkiichkeit,
dieArtundWeise,wiewirRaum,Zeitund
Situation,
UmweltundMitwelteriebenund
handeind
aufsie
einwirken.
Tmengsten Sinneist
Bewegung
das
Medium,
durchdasichmichmeinerWelt—Situatio nen,Dingen,
Personen zuwende,
durchdasichdiese
zugleich
erfahreund durchdasderMenschseine
0mmunikationsfãhigkeit
aufbaut(vgi.
BUYTEN
DIJK1963,
CHRISTIAN
1963,
ERDMANN
1979,
FALTERMEIER
1984,
GEHLEN
1976,
KELLER
1975,
SIEwERTH
1953u.a.).1Mit
zunehmender korperlicher Aktivität
lãt3tsichmehrvonderReaiitãt
aufnehmen.
Gehenwirals
Grundsatz
davon aus,sosind
Bewegung,
SpielundSportals
Moglichkeiten
der
korperlichen
ktjvitatsförderuflg,
der
vieifaltigsten Material-
und
Sozialerfahrung,
grund legende
Bedeutung
fürdie
Forderung
auchgeistig
schwerstbehinderter Men
schen
zuzumesSen.
Die
UNESCO
hatschonam21.11.1978
folgenden
Arti kel
formuliert
unddamitdeutlich
gemacht,
wie
ailgemeingultig
dieseErkennt nisseinalien
Lebensbereichefl eigentlich
seinsoliten: ,,Everyhumanbeinghasafundamental
rightofaccesstophysicaleduca tionandsport,whichare
essential
forthefull
development
ofhispersona lity.Thefreedomtodevelop
physical, intellectual
andmoralpowers throughphysical
education
andsportmustbe
guaranteed
bothwithinthe
educational
systemandinotheraspectsofsociallife.”
(SHERRILL
1990,S.23)
Einschrankungen
inder
Bewegung, BewegungsbeSChrankunge
unseresLei bes,wiegeistig
behinderte Menschen
sicimmerwiederhaben,habentiefgrei fendenEinflul3aufdie
Wesenseinheit
des
Menschen, bedeuten
auchEm
schrankungen
inder
LebensbeWaltigUng,
inder
Entwicklung,
inderMeiste rungsozialer
Situationen.
Von
materiaiistischer
Seiteherkanndiesdurchdie
Einschränkung
von
Tatigkeit
und
Handlung
unddiedamit
verbundenen
Pro biemeder
Schaffung
von
Abbildern
erkiärtwerden. ,Siehabenweniger
Moglichkeiten,
über
Erfahrungen
ZugangzumLernen zufinden—emcirculus
vitiosus.”
(FALTERMEIER
1984,5.15) Darausfolgt,nimmtdie
Geselischaft
hieraufkeine
Rücksicht
undwerden
Lernsituationefl
nichtadäquat
angepal3t, Uberforderung
und
scheinbar
nicht
effizientes Handein
des
Behinderten.
Genaudiesmachtaberdie
eigentliche
Behinderung
aus
(Isolation,
vgi.Kapitel111.2.). 11.4.Die
Bedeutung
dersozialen
Interaktion
fürden
Menschen
TI-IESE7:
Soziale
InteraktioLiefl
werdenfüralle
Menschen
als
iebensnotwendig
und
grundlegend
fürdenAutbauunddie
Entwicklung
ihrer
Persöniichkeit
im IDiesistauchbei
JANTZEN
(1980)
herauszulesefl,
wennerdie
menschliche Entwicklung
in dreierlei
Hinsicht bestimmt beschreibt:
1.
genetisches
Erbe,2.
Determination
durch
natürliche
und
gesellschaftliche Umwelt,
3.
Selbsttatigkeit
des
Individuums
als
bedurfnisgeleitete,
aktive
Aneignung
vonRealität
(JANTZEN
1980,S.12).
Sportbei
Behinderung,
BeatrixGregor 63 Sinneeiner
,,Ganzheit
vonMenschund
Umwelt”
angenommen.
SozialeInterak tion1stdem
Menschen
als
Gemeinschaftswesen
em
Basisbedürfnis
und1stdamit auchem
Grundwert
des
menschlichen
Lebens.DerMenschhatdaheremGrund rechtauf
Hilfestellung
und
Forderung
indiesem
Lernbereich.
THESE8:Dergeistig
behinderte
Mensch1stnicht
aufgrund organischer Deli
ziteunfahig,sozialzu
interagieren.
Eswerdenihmdurch
verschiedenste
isolie rende
Bedingungen
und
Unfähigkeitszuschreibungen
vonseitenderUmweltaber kaum
adäquate Lernbedingungen
unddienötigen
Hilfestellungen gewährt,
soziale
Kompetenz
sowohiinder
Gemeinschaft
mitgeistig
behinderten
alsauch
nichtbehinderten Menschen aufzubauen.
THESE9:
Bewegung
als
grundlegend menschliches Phänomen
kann
Medium
sozialer
Interaktion
sein.AufjedenFallistsie
Grundvoraussetzung jeglichen
verbalen
mid
nonverbalen In-Beziehung-Tretens
einerPersonzuihrer
Umwelt.
Die
Bedeutung
der
Wechselwirkung zwischen
PersonundUmweltalsdas
eigentiich Konstitutive
desSeinswirdsowohiin
existentialpsychologischen
und
-philosophischen
aisauchin
materialistischen Theorien
betont.Die
Erweiterung individualanthropologischer
Ansichten
und
Konzepte
vom
Men
schendurch
sozialökonomisches
und
-ökologisches
Wissenwirdauchfürdie
Sportpadagogik gefordert
(vgi.
DIETRICH/LANDAU
1990,S.58). ,,DieArt,wieeine
Gesellschaft
Kinder
definiert, bestimmt
inderRegel auchdas
geltende
Erzieh
ungsverstandnis.”
(DIETRICH/LANDAU
1990,S.199) DaBdiese
Aussagen
auchfürdas
Verständnis
der
Entwicklung
unddes Lebensgeistig
behinderter Menschen wesentlich
sind,
verdeutlicht
unter
ande
remdie
,,Isolationstheorie”
JANTZENS
(1986,1987)(vgl.Kap.111.2.).Eineall seitige
Entwicklung
der
Persönlichkeit
(auch
Bildungswerte
wie,,Selbständig
keitu.a.vgl.Kap.IV)istnuraufdem
Hintergrund
dersozialen
Eingebun
denheitdes
Menschen
denkbar(vgl.auch
BUBER
1973,
FISCHER
1981,
SCHRANKEL
1982,
WYGOTZKI
1972).Soweist
DERBOLAv
(1987,S.159)aus
drücklich
daraufhin,daBdie
Personalisation
alsProzefl
verstanden
werden kann,indemsichderMenschimVolizugder
Sozialisation zugleich
zurmdi
viduellen
Identität
durcharbeitet.
Spieltinden
Anfängen
der
Entwicklung
der
Körperkontakt
die
überragende Bedeutung,
sowandeltsichdas
Bedürfnis
mit dem
Entstehen
der
Ich-Funktionen zunehmend inem Bedürfnis
nachSelbst
verwirklichung
(JANTZEN
1986,S.140).’Soziale Interaktion
steliteineder
wichtigsten
Arten
zwischenmenschlichen Verhaltens
dar.SicistdieEbene
körperlichen Kontaktes, körperlicher
Nähe,des
Gesichtsausdruckes,
derKör IAls
gegensätzlich
seheichdasdem
Adaptionsmodell
von
SCHILLING
(1975)
zugrunde
gelegte
Homöostaseprinzip
an.
perhaltungund-gestik,derBlickrichtung,verbalerundnichtverbalernhaIte undAul3erungen(vgl.DORSCH1976,S.646,vgl.auchWATZLAWICKU.a. 1974,S.23). ,,SozialinteraktivesVerhalteneinerPersonAwirdhieralsjedesVerhalten verstanden,dasaufzumindesteineanderePersonBgerichtetistundAus wirkungenaufdasVerhaltenvonBhat,welcheswiederumrückwirkend AuswirkungenaufdasVerhaltenvonAhabenkann.” (LANTERMANN1980,S.100) InteraktionalsHandlung(PETERANDER/INNERHOFER1984,PERVIN1981, RUBINSTEIN1972,THOMAS1976u.a.)isttätigesVerhalten,alsobewuI3tes, zielgerichtetes,willentlichesTun.NonverbaleKommunikationundKörper sprachehabeninunsererkorperfeindlichenWeltkaummehrPlatz.Gerade dieseistaberfürdengeistigschwerbehindertenMenschenoftdieMöglich keit,inInteraktionzutreten(vgl.ARGYLE1972,MERKENS1985/2,WOHL FAHRT1985/4).WährenddasSprachverständnisdesgeistigbehindertenMen schenoftsehrausgeprägtist,istseinSprachvermögenemfürden,,normalen” Menschenoftunzulängliches.Problemezeigensichhiervoralleminder InteraktiongeistigbehinderterMenschenuntereinander,weilsieAusdrucks verhaltenoftfalschinterpretieren,WahrnehmenundDeutendersprachlichen Aul3erungenfürsieschwierigsind.1DieBedeutungderBewegungsehenz.B. DIETRICH/LANDAU(1990)alsdirektesMediumderKommunikation.Sich BewegenkannalsDialogzwischenMenschundWeltverstandenwerden. ,,BewegungenkönneninbestimmtensozialenKontexteneinegleichsam sprachlicheFunktionerfullen;mitBewegungkannmanetwasaussagen, aufetwashinweisen,zuetwasauffordern,aufetwasreagieren,etwaszum Ausdruckbringenodersichwortlosverstãndigen.IndemBewegungauf dieseWeisequasisprachlicheFunktionenerfüllt,vermagsieSprachein bestimmtenKontexten(undmitgewissenEinschrankungen)zuersetzcn.” (DIETRICH/LANDAU1990,5.237) Ichhalteesfürfalsch,SpracheinderBewegungserziehungmitgeistigbehin dertenMenschenvonvornhereinwegzulassen,dageradedasSprachverstãnd nisund-vermögeninvielfaltigenSituationenimmerwiedergefordertwerden soilte.AndererseitskönnenBewegung,Spiel,Tanzdurchihresymbolische Präsentationdas,,Unsagbare”zumAusdruckbringen.Geradegeistigbehin derteMenschenhabenemenormesPotentialannonverbalemAusdrucksver mögen,dasuns,,Normalen”alsintensiveLebensqualitätgarnichtmehr zuganglichist. GründedafürseheichnichtsosehrindermangeindenIntelligenzoderbegrenztensozialen LernfähigkeitdeseinzelnenbehindertenMenschen,sondernindenvonKindheitauffehien denadäquatenLernbedingungen,indenisolierendenUmweltbedingungenundderfehienden Hilfestellungder,,Erziehenden”beiKontaktenundInteraktionengeistigbehinderterMen schenuntereinander.
SportbeiBehinderung,BeatrixGregor 65 III.DieBedeutungderBewegungfürdieEntwicklungderPersönhichkeit THESE10:DergeistigbehinderteMenschkannallespezifischenEbenenderTatigkeit(Bewufitsein,Sprache,Arbeit,Kooperation)erreichenundverfligtüberelnespeziel)menschlicheHirnorganisation.Unterschiedezumnichtbehinderten MenschensindinwesentlichenBereichenquantitativer,nichtqualitativerArt. DieTätigkeit(unddamitdieBewegung)wirdalsGrundvoraussetzung menschlicherEntwicklungangesehen,wobeidersozialenUmgebung,der Gesellschafteinegrol3eBedeutungfürdieLernprozessedesMenschenzuge messenwird(BREHM1981,DIETRICH/LANDAU1990,JANTZEN1986,1987, LEONTJEW1982,PIAGET1975a,b).’AligemeinkannEntwicklunghieralsem phasenspezifischerErwerbvonHandlungsfahigkejtdefiniertwerden,wobei dieFähigkeitzuhandelnimmermitderFähigkeitsichzubewegenverknupft ist(vgl.HABERMAS1971,PIAGET1975a,Wo1986,S.161).InderTätigkeit bautsichimZentralnervensystemübersensorischeundmotorischeErfah rungenderSelbstorganisationsprozeBderAbbilder=,,kognitiveSchemata” (PIAGET1975)auf.LEONTJEW(1982,5.95)nenntdiesdenProzel3der ,,Interiorisation”(vgl.auchJANTZEN1986,S.19). DiesesoperativeAbbildsystemwirdalszentraleRegelinstanzverstanden, wodurchdasSubjektsowohiRealitätalsauchseineeigeneninnerenBedin gungenwiderspiegeinkann.Bewuf3tseinundKognitionentstehenontogene tischerstwährenddesTätigseins(währendderBewegung)(vgl.JANTZEN 1986,LEONTJEW1982,5.125.PIAGETl975a)inFormvonBedeutungserwerb.2 AlleinnerenProzessewerdenebenfallsalsTätigkeitenverstanden—dasheil3t dieVerinnerlichung,dieAbbildschaffungwirddurchdieBedeutungszuschrei bungäul3ererGegebenheitengegenständlichgemacht.DasAbbildistder UbergangmodalerEmpfindungen(durchTasten,Sehen,Hörenetc.)zur amodalenWeltStufederperzeptivenPsyche(vgl.JANTzEN1986,5.125ff., LEONTJEW1982,5.169ff.).EmotionenwerdenalssubjektiverWertungspro zeBderHandlungsplanungund-ausführunggesehen.SosindanjedeOrien tierungsreaktionundanjedeDurchfuhrungvonHandlungenEmotionen gebunden—sieentstehenhierin.DiePersönlichkeitwirdimwesentlichen durchdieArtunddenZusammenhangderMotive(Wechselbeziehungder Motivationslinjen,HierarchisierungvonMotivgebilden,subjektiveWichtig keitvonMotiven)bestimmt.DerbehinderteMenschistimVergleichzum nichtbehindertenMenscheninseinerBewegungunddamitinseinerBezie hungzurUmweltwieauchzumTeilinseinerbiologischenAusstattungbeein trächtigt.HiermitwerdenabergleichzeitigseineMöglichkeitenundFähigkei tendurchTätigsein,durchHandlungenAbbilderaufzubauen,eingeschrankt. DieserUnterschjedistabernuremquantitativer,keinqualitativer(JANTZEN 1979). DieEbenederTätigkeitwirddurchBewulitsein,Sprache,Arbeit.Kooperationgekennzeichnet.DiesevierAspektesindalsospezilischmenschlicheEbenenderTätigkeit.2SehranschaulichistdasBeispieldesBedeutungserwerbseinessehend-hörendenimVergleichzueinemblind-taubenMenschenvonJANTZFN(1987,S.128).
64SportbeiBehinderung,BeatrixGregor
66SportbelBehinderung,BeatrixGregor ,AuchfürschwergeschadigtegeistigbehinderteMenschengilt,daBsie übereinespezifischmenschlicheHirnorganisationverfügen,dal3siekeine biologischeMmusvariantesind,sonderndaIJihreVergesellscliaftuflgsPro zesseinderOntogeneseimDurchlaufeflderverschiedenensichüberlagern denfunktionalenSysteme,dieimVerhältnisMensch—Gesellschaftentste hen,zahlreichenErschwernissenausgesetztsind.” (JANTZEN1979,S.27) DieMoglichkeitderWeiterentwicklunghöhererkortikalerFunktionenmul3 trotzallersozialerundsensorischerDeprivationangenommenwerden.Em zelneHirnzonenstrukturierensichnachundnachinderfunktionellenRei henfolge,wiesiesichinderEvolutionderArtenherausgebildethaben.1 ,,KeineutopischenVorstellungen,jedochpadagogischerOptimismusund wissenschaftlichexakteAnalyseisolierenderVerhältnissewieihreumfas sendeAuThebungdurchPadagogenundTherapeutenunterBerücksichti gungderPrinzipiendermenschlichenHirnentwicklungunddesmenschli chenLernprozeSSessinddasGebotderStunde.” (JANTZEN1980a,S.151) 111.1.DasmotorischeLernenalsemgrundlegenderEntwickluflgSfaktordes Menschen THESE11:MotorischesLernenwirdnachderSchema-TheOrieSCHMIDTs durchdieManifestierungvonGedächtnisstrUktUrenerklärt,dievonErfahrun genausEjnzelbeweguflgeflverailgemeinertwerden(dieGütedesSchemas1st sowohivonderAnzahlalsauchvonderUnterschiedlichkeitderBewegungSer fahrungabhängig). THESE12:DaGedächtnisundLernennichtaufspezifischeGehirnzelleflkon zentriertsind,könnenauchbeimgeistigbehindertenMenschenFunktionen geschädigterundzerstörterNervenzellenbiszueinemgewissenGradvonande renNeuronenübernonImenwerden. InderspeziellenMotorikforsChUflggibteserstansatzweiseVersucheund Uberlegungen,verschiedeneTheorien(kybernetischeModelleBERNSTEINS, ADAMS’.adaptiveModelleKEELES.SCHMIDTS)fürdenLernprozeBgeistig behinderterMenschenzuhinterfragen,zuadaptieren,zuverändernundwei terzuentwickeln(vgl.HOoVER/WADE1985,SURBURG1985).Bezüglich SCUMIDTSSchematheorie(ScHMIDT1976),aberauchder,,closed-Ioop”Theo neADAMS’(ADAMS1971)(vgl.SINGER1985,S.113f.,123f.)liegenhisheute — IBeiSchadigungeflimFrontallapPeflbereichkannmanfeststellen,daBentscheidendeStörun genauftreten.diemitspezifischenEigenschaftenmenschlicherTätigkeitenzusammenfallen. PlanendesHandeinistnichtmehrmoglich.TrotzdemistauchJANTZENvonderLernfahigkeit jedesnochsoschwergeistigbehindertenMenschenuberzeugtundweistbiologischenReduk tionismuszurück(vgl.JANTZEN1980a,S.150).
SportbeiBehinderung,BeatrixGregor 67 keineForschungenimBereichdergeistigenBehinderungvor.Derobendar gesteilte,dievorliegendeArbeitdurchziehendeintegrative,ganzhejtljcam ,,Subjekt”orientierteKonzeptansatzspiegeltsichauchinderTheorjedes (motorischen)Lernenswider.DieEinheitvonWahrnehmen,Denken,Emo tionundMotivationundMotorik(vgl.auchWEINBERG1978,S.134)giltals GrundvoraussetzungfürdiemenschlichePersönhichkeitsentwicklung.POHL MANNbezeichnetdiesalsEinheitderErkenntnis-,Antriebs-undKoordjna tionsprozesse(POHLMANN1986,S.18).Gesteuertundkontrolliertwirddie BewegungimmerdurchSinnesinformationen,diealsperzeptiverProzeB bezeichnetwerden(vgl.POHLMANN1986,S.34,SINGER1985,S.220f.).Ler nengeschiehtdurchAuswertenuntcrschiedlicherErfahrungen.DieAbbildun gendieserErfahrungensinddiekognitivenReprasentationendesErlebens (vgl.auchJANTZEN1986,LEIST1984).Lernenmündetimmerineinerverän dertenHandlungsbefãhigungdesMenschen(ErwerbvonHandlungsvoraus setzungenMUNZERT1989,S.49)undistimmermitdemProblemderPerson Iichkeitsentwicklungverknüpft(vgl.POHLMANN1986,S.19).2ErlernteVerhal tensweisenwerdenvonanatomischextensivenSystemen,dievieleGehirnre gionenumfassen,abgerufen(vgl.KUHN1984,S.61,SINGER1985,S.145). DiesistfürdasLernenunddieFörderungdesgeistigbehindertenMenschen insofernvonBedeutung,alsmanweiB,daBvOlligzerstOrteNervenzellenzwar nichtersetztwerdenkOnnen,daBjedochihreFunktionhiszueinemgewissen GradvonanderenNeuronenübernommenwerdenkann.NähermOchteich hieraufSCHMIDTSSchematheorieunddiebeiMUNZERTangesprochenenWei terentwicklungeneingehen(MUNZERT1989). III.I.I.DieSchematheoriedesmotorischenLernens SchematasindgeneralisiertemotorischeProgrammefüreinegegebeneKiasse vonBewegungen(SCHMIDT1976,SINGER1985,S.123,WULF1988,S.40).Es könnenunmöglichfüralleBewegungsvariationencigeneEngrammegespei chertwerden.Fraglichistdaher,wieneuartigeBewegungsvariantenmitgro I3erSicherheitausgefuhrtwerdenkOnnen.HiernimmtSCHMIDTemgenerali siertesMotorikprogramm,eineabstrakteGedächtnisstrukturan,dieeine IchbinmirderVorläufigkeitderfolgendenwissenschaftlichkaumfundiertenAussagen bewuBt.DieserMangelkannabernurdurchintensiveForschungimBereich,,GeistigeBehin derungundmotorischesLernen”aufgehobenwerdenundslelitvielleichteinemoglicheWei terfuhrungvorliegenderArbeitdar. 2Handelnwirdalsintentionales,d.h.vonsubjektivenZweckenbeslimmtesVerhaltengesehen (vgl.NITSCH1985,S.27,vgl.INNERHOFER1984).HandelnvollziehisichstetsinAuseinander setzungeinerPersonmitderjeweiligmateriellenund/odersozialenUmwelt.HieristdieVer bindungzurBedeutungderGesellschaft,derUmweltfürdiePersönlichkejis-undhiermit LernentwicklungdesMenschenherzustellen.SoistauchderKooperationsaspekt(dasL.ernen mit,durchundwieandere;vgl.ICH-DU-BeziehungbeiBL’BFR1973,aberauchIsolations TheorieJANTZENS1987u.a.)wesentlicherLernaspeki(PöHLMANN1986,S.29). SchemataimSinneSCHMIDTSsindalsomitkognitivenRepräsentationenundamodalen Abbildern(miSinneJANTzENSu.a.)zuvergleichen.EswirdauchdieAnnahmeausgespro chen,daBdieGesetzmBigkeitenvonverbalemundmotorischemLernengleichseinkönrmlerm, daBesalsokeinegrundlegendenUnterschiedeverschiedenerLernprozeBebenengibt(vgl. KUHN1985,S.145).
1
68SportbeiBehinderung,BeatrixGregor ganzeKiassevonBewegungsvariafltefl
steuernkann(vgl.MUNZERT1987, S.165f.).
Wesentlich erscheint
mirhierdieFragenachdemWesen,derArt soicher
Motorikschemata.’
DieGütedes
Schemas
hãngtvonderAnzahlund
Unterschiedlichkeit
der
BewegungserfahrUflg
ab.
Steigerung
des
Ubungsum
fangesundder
Ubungsvariabilitãt, Verwendung unterschiedlicher
Gegen stände,
Materialien, Integration
des
MotorikschemaS
in
verschiederie
Hand
lungszusammenhaflge
(MUNZERT1989,S.160)führendaherzurBildungaus
geprãgter
Abruf-und
Erkennungsschemata
(MUNZERT1989,S.166,SINGER 1985,S.124).MUNZERTstelitdie
FLEXIBILITAT
der
BewegungsausführUflg
unddamitdie
qualitative BewegungsvariatiOfl
inden
Mittelpunkt
seiner
Betrachtungen
(MuNzERT1989,S.183).2 Sprichtmanvorn
motorischen
Lernenbeimgeistig
behinderten Menschen,
so sindoftprimäreund
fundamentale Bewegungen
wieGehen,
Kriechen,
Lau fen,Greifen,
Springen,
Werfenetc.
betroffen.
HiergehtesurndieVerrnitt lung
grundlegender Bewegungsformerl
undurndie
Färderung
der
Bewegungs
koordination.
BERNSTEIN
beschreibt BewegungskoordiflatiOfl
alsProzel3,der zur
Beherrschung
der
uberflussigen Freiheitsgrade
inden
Bewegungsorgaflefl
führt(BERNSTEIN1975,S.150). 111.2.
Isolation
alswesentlicherFaktorvon
Bewegungsbeschrankuflgefl
THESE13:Geistige
Behinderung
wirdzum
wesentlichen
Teildurch
isolierende
Bedingungen
unddamit
verbundene inadäquate Lebensbedingungefl manifest.
Durch
Kategorisierung
ihrer
Fahigkeiten
(IQetc.),durch
unangemessene
Situa
tionsstrukturen
undfalsche
Lernforderung (Miflachtung
der
dominierenden
Tatigkeiten,
derStufeder
nächsten Entwicklung
etc.)werdengeistig
behinderte
Menschen
in
unnötiger
sozialer
Abhängigkeit gehalten.
DieTheorieder
geistigen Behinderung
darfnichtnureineTheoriederkogni tiven
Prozesse
scm.Mittels
Intelligenztests
und
Persönlichkeitstestverfahrefl
wurdeundwirdnochimrnerin
,,Klassen”
unterteilt
unddamit
zugleich
Lei
stungs(un)vermögefl
alsStigma
zugeteilt.
Das
tatsächlichc Können,
dietat-
SportbeiBehinderung,BeatrixGregor 69
sächlichen Fähigkeiten
derPersonsindnichtvon
Interesse,
werdendaherauchnicht
gefördert
(Motto:Wasnichtseindarf,kannnichtsein). ,,Jewenigerdie
A]ltagswirklichkeit
den
Handlungsdispositionen
deseinzelnen(wie
Bewegungsfahigkejt, Wahrnehrnung,
Sprache, Denken,
Lernen..
.)
entspricht,urnso
ausgeprãgter erscheint
die
Behinderung.”
(PFEFFER1984/2,S.105)
Isolation
istdasausder
Vorenthaltung bestimmter
Objekte
resultierende
veränderte
Wechselverhältnjs zwischen Individuurn
und
objektiver Realität.
Stö rungeninder
Entwicklung
werdendurch
folgende Probleme verstärkt
bzw. erst
verursacht:
1.
Hierarchisch niedrigen Bedürfnissen
wirdlängereZeitnicht
entsprochen.
2.
Situationsstrukturen entsprechen
nichtderStrukturder
Wahrnehmungsta
tigkeit,
bewirken sensorische Deprivation.
3.
Widersprüchliche
oder
überfordernde Situationsstrukturen
entsprechen
nichtder
Ausrichtung
des
Neugierverhaltens.
4.RelativeObjekt-und
Personenkonstanz
istnicht
gewährleistet (Hospitali
sierung)(vgl.auchJANTZEN1980b,PFEFFER
1984/2).
AuchPFEFFERals
Handlungstheoretiker
siehtgeistige
Behinderung
alsWech
selwirkung zwischen
Umweltund
Individuum:
Geistige
Behinderung resultiert
ausder
Wechse]wirkung zwischen
einer
konkreten,
in
bestirnrnter
Weise
gestalteten
Urnweltund
gegebenen,
aber auch
verãnderbaren Handlungsdispositionen
des
einzelnen.” (PFEFFER
1984/2,S.101) Jegröl3erdieeigenesoziale
Abhängigkeit,
destowenigeristder
behinderte
MenschinderLage,eigene
Bedürfnisse gegenüber helfenden Personen
durch
zusetzen.
Sozial
abhängige Menschen
neigeninihrer
Abhängigkeit
zuPassivi
tat.’
IV.Konsequenzen
fürem
bewegungspadagogisches Konzept
zur
Förderung
geistig
behinderter Menschen:
dieZiel-,Inhalts-undN’Iethodenverwobenhejt Die
grundlegende bewegungspadagogjsche
Fragelautet,in
welchem
Rahmen
Bewegung
(im
umfassenden sportpädagogischen
Sinnvgl.SOBOTKA1983, S.312ff.)dazu
beitragen
kann,daBsichdasSubjektdie
Regionen
der Umwelt(äui3ereNatur,
Gesellschaft, Sprache)
erschliel3tundsichdabeizur
erkenntnis-, handlungs-
und
sprachfãhigen
Person
ausbildet (vgl.auchDIET- RICH/LANDAU1990,5.225).Ziele,Inhalteund
Methoden
müssennachdem oben
dargesteilten ganzheitlichen Menschenbild
ineinemengen
Zusammen
hang,alssich
gegenseitig bedingend,
gesehenwerden(vgl.auchBERNHARD 1983,5.251,HECKER1988,5.155). Em,,Mehr”ansozialerAbhngigkeitführtzuBesonderhejteninderErziehung.Em,,Mehr”ansozialerAbhdngigkeitführtzuBenachteiligunginderErziehung.Em,,Mehr”ansoziaterAbhängigkeithatanStellederFamilienerziehungoftFremderziehungzurFolge(vgl.auchHAHN1981,S.8).