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Längsschnittdaten der Rentenversicherung für die Erwerbsbiografieforschung

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Längsschnittdaten der Rentenversicherung für die Erwerbsbiografieforschung

Dr. Michael Stegmann, Würzburg

Im Mittelpunkt biografiebezogener Forschungsansätze stehen u. a. erwerbsbezogene Fragestellungen, die im Zusammenhang stehen mit Beschäftigung und dem Übergang in oder aus besonderen Lebenssituationen. Ferner stehen Erwerbsverläufe und deren Determinanten im Mittelpunkt des Interesses. Zu nennen sind Fragestellungen, wie die Erwerbstätigkeit und der Berufsverlauf von Personengruppen mit z. B. unterschied- lichem Geschlecht oder Alter, unterschiedlicher Nationalität oder auch für Menschen mit Behinderung etc. Ein besonderer Fokus gilt dem Ein- und Ausstieg in Beschäf- tigung, dem Übergang vom Bildungs- in das Beschäftigungssystem und dem Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Von besonderem Interesse sind ferner Fragestel- lungen, die das Risiko der Arbeitslosigkeit sowie das Vorkommen von Arbeitslosigkeit in bestimmten Phasen der Erwerbsbiografien zum Thema haben. In all diesen Kontexten ist aus Sicht der Alterssicherung auch immer die Frage nach den Auswirkungen für die Altersvorsorge und -versorgung von Bedeutung. Empirische Instrumente zur Unter- suchung dieser Fragestellung waren bis vor Kurzem vorrangig Befragungsdaten aus Retrospektivbefragungen, Paneldaten, insbesondere des sozio-oekonomischen Panels und prozessproduzierte Daten der Bundesagentur für Arbeit.

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die grundsätzlichen Gegebenheiten der Statistikdaten der Rentenversicherung. Er schildert insbesondere die Daten, die als Längsschnittdaten Auskunft über die Versicherungsbiografie geben und geht auf das Datenangebot ein, das von der öffentlichen Forschung über das Forschungsdatenzen- trum der Rentenversicherung (FDZ-RV) erhältlich ist. Abschließend wird eine kurze Bilanz gezogen, die vor dem Hintergrund der Datenlandschaft der Rentenversicherung und anderer Datenquellen weiteren Entwicklungsbedarf skizziert.

1. Die Datenlandschaft in der gesetz- lichen Rentenversicherung

An die Rentenversicherung und an das dor- tige Forschungsdatenzentrum werden häu- fig Fragen und Wünsche herangetragen, die die Ausweitung oder Ergänzung der Daten betreffen, ein Beispiel ist der Wunsch nach der Herstellung eines Ehepaarbezugs in den Daten. Das FDZ-RV kommt diesen Anliegen der Nutzer nach, insoweit diese daten- schutzrechtlich vertretbar und technisch re- alisierbar sind. Den Möglichkeiten sind aller- dings Grenzen gesetzt, die sich aus der Da- tenlandschaft, in der sich das FDZ-RV bewegt, ergeben.

Die Erschließung der Daten der Rentenversi- cherung findet in einem festgelegten Rah- men statt. Um zu verstehen, welche Daten grundsätzlich erhoben werden und damit auch zur Verfügung gestellt werden können, ist es wichtig die Bedingungen der Daten- entstehung und deren Ziele zu kennen.

Bei den Mikrodaten der gesetzlichen Ren- tenversicherung handelt es sich um Infor- mationen, die im Verwaltungsprozess er- hoben werden; sie werden im Folgenden prozessproduzierte Daten genannt. Wichtig dabei ist allerdings, dass diese Statistik- daten nicht direkte Prozessdaten sind, sondern nach Absprache zwischen den Trägern der Rentenversicherung festgelegt

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werden.1 Welche Inhalte insbesondere für das Statistische Berichtswesen gemeldet werden, ist in einer Verwaltungsvorschrift (RSVwV) nach §79 SGB VI geregelt. We- sentliche Richtschnur sind dabei die Prä- missen der Datensparsamkeit, des Daten- schutzes und der Wirtschaftlichkeit. Die Rentenversicherung ist eingebunden in den Rahmen der RSVwV und gehalten nur sol- che Daten zu erheben, die sie für ihr Be- richterstattung und Planung auch tatsäch- lich benötigt.

Rahmenbedingungen durch die RSVwV Die Statistiken der Deutschen Rentenver- sicherung sind als einheitliches Berichts- wesen konzipiert, um alle erforderlichen Informationen zur sozialen Sicherung insbe- sondere des Sektors Alterssicherung für die Träger der Deutschen Rentenversicherung, den Grundsatz- und Querschnittsbereich der Deutsche Rentenversicherung Bund so- wie für Ministerien auf Bundes- und Länder- ebene zu erheben, zu sammeln, aufzuberei- ten, auszuwerten und zu archivieren.2

Methodik der Datenmeldung

Dies bedeutet, dass die Statistiken an Ver- waltungsvorgänge bei den Versicherungs- trägern gekoppelt sind und ihre Inhalte (Merkmale und deren Ausprägungen) abge- leitete Produkte der Verwaltungsdaten sind.

Die Aufbereitung erfolgt in der Regel in Form anonymer Datensätze, die mit Extrakten aus den Verwaltungsvorgängen an den Grund- satz- und Querschnittsbereich der Deutsche Rentenversicherung Bund übermittelt wer- den (vgl. Abbildung 1). Zur Prüfung der Sta- tistik-Daten werden einheitliche Plausibili- tätsprogramme auf Trägerebene eingesetzt, um weitgehende formale Korrektheit und Auswertbarkeit der erhobenen Daten sicher- zustellen. In der Regel werden, um zusätz- lichen Aufwand zu vermeiden, die Statistiken als Vollerhebungen durchgeführt. Dieses Prinzip wird lediglich in jenen Fällen durch-

brochen, in denen erhebliche Verarbeitungs- zeiten und eine Arbeitsbelastung auftreten und daher Stichprobenziehungen und an- schließende Hochrechnungen wirtschaft- licher sind.

2. Daten der Rentenversicherung mit Biografiebezug

2.1 Die Versicherungskontenstichprobe (VSKT)

Die VSKT informiert über die Versicherten der deutschen gesetzlichen Rentenversiche- rung und den Stand ihrer Rentenanwart- schaften. Sie liefert Informationen über sämtliche (gespeicherten) rentenrelevanten Tatbestände. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für Planungsaufgaben des Ge- setzgebers, interne Planungen der Versiche- rungsträger und Information der Öffentlich- keit. Insbesondere soll die Statistik Informa- tionen zum Zwecke der Vorausschätzung der finanziellen Entwicklung in der Renten- versicherung bereitstellen.

Die Berichterstattung wurde in Form einer geschichteten Zufallsstichprobe aus den Versicherungskonten erhoben und in den Folgejahren als Panel fortgeführt und ge- pflegt. Eine Panel-Erhebung wurde gewählt, um einerseits auf geklärte Konten zurück- greifen zu können, andererseits aber den Aufwand der Kontenklärung möglichst ge- ring zu halten.

Als Versicherte zählen in der Statistik alle diejenigen Personen, für die bei einem Trä- ger der deutschen Rentenversicherung ein Versicherungskonto geführt wird, das – am Auswertungstag nicht still- oder tot-

gelegt ist,

– für Zeiten bis zum Stichtag (31.12. des Berichtsjahres) Beitragszeiten enthält

1 Luckert, Hilmar (2004): Statistikdaten der gesetzlichen Renten- versicherung – ein grober Überblick In: DRV-Schriften, Band 55/

2004, S. 24-41. WDV: Bad Homburg.

2 Dazu Bütefisch, Thomas (2004): Datenwege und praktischer Datenzugang, Band 55/2004, S. 24-41. WDV: Bad Homburg.

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(d. h. das Konto ist nicht „leer“) oder für das ein Bonus aus einem Versorgungs- ausgleich gespeichert ist,

– keinen Eintrag enthält, dass der Versicher- te am Stichtag (31.12. des Berichtsjahres) bereits verstorben ist,

– eine Person betrifft, die am Stichtag (31.12. des Berichtsjahres) mindestens 15 und höchstens 67 Jahre alt ist.

Die so abgegrenzten Versicherten stellen die Grundgesamtheit der Erhebung dar.

Ein Versicherungskonto gilt für diese Sta- tistik als geklärt, wenn es mit oder ohne Mitwirkung des Versicherten geklärt worden ist und das BIS-Datum der Kontenklärung vom Stichtag (31.12. des Berichtsjahres) an höchstens 6 Jahre zurückliegt.

Aus dem Stammsatzbestand wurde im Jahr 1983 eine geschichtete Zufallsstichprobe mit nicht-proportionalen Auswahlwahr- scheinlichkeiten gezogen und seitdem in Form eines Panels laufend gepflegt. Zielstel- lung der Stichprobenzusammensetzung war Abbildung 1: Datenmeldung und Berichterstattung

Quelle: Bütefisch 2004, eigene Überarbeitung.

Erhebungsebene

Knappschaft – Deutsche

Regionalträger Bahn –

See Deutsche

Rentenversicherung Bund

Plausibilitätsprüfungen

monatliche/jährliche Meldungen Interne Auswertungen

Aufbereitung / Auswertung durch DRV-Bund

S d Meldungen

Gem.RSVwV

Routine- statistiken

Sonderaus- wertungen/

Erhebungen

an das BMAS, Amtliche Statistik

Bericht- erstattung

Archivierung,

Publikationen Auswertungen RV-interne Nutzung:g RV-externe Nutzung: FDZ-RV

Auswertungen für einzelne Träger Führungsinformationen

Infosystem ISRV

Bereitstellung von:

Public Use Files Scientific Use Files Infosystem ISRV

Gremienvorlagen Verbandsrundschreiben

Scientific Use Files

Gastwissenschaftler-Arbeitsplätzen Dokumentationen

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in den einzelnen Schichten relativ gleiche Fallzahlen zu erhalten. Schichtungsmerk- male sind dabei die Zielgruppe (Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Versicherungszweig des aktuellen Kontoführers) sowie der Altersjahr- gang.

Die VSKT besteht aus zwei Datenteilen.

Einem sogenannten fixen Datenteil, der summarisch über Rentenanwartschaften, die rentenrechtlichen Zeiten und sozio- demografische Merkmale berichtet. Dane- ben wird in einem variablen Datenteil über die Versicherungsbiografie berichtet. Hier werden in zeitlichen Blöcken die Informatio- nen aus dem Rentenversicherungskonto aufgeführt. Die Blöcke sind zeitlich festge- legt durch die „von/bis“-Variablen (VNZR/

BSZR). Dabei ist es wichtig zu beachten, dass die einzelnen zeitlichen Blöcke auf der Zeitachse nicht ohne chronologische Brüche sein müssen: Zwischen zwei aufeinander fol- genden Blöcken kann „Biografiezeit“ fehlen.

Es ist aber auch möglich, dass zwei oder sogar mehrere Blöcke zeitlich parallel liegen oder sich zeitlich überlappen.

2.2 Die Sondererhebung Vollendete Versichertenleben (VVL)

Das Konzept der VVL ist darauf angelegt Rechtsänderungen in ihren Auswirkungen möglichst empirisch zu überprüfen. Es wird für ein Rentenzugangsjahr (zuletzt 2007) eine Stichprobe auf maschinellem Wege aus dem Versicherungskonto in Form des Statistik- datensatzes SK79, wie er bei den Versiche- rungskontenstichprobe gemäß § 1 Abs. 2 RSVwV verwendet wird, erstellt. In der Regel wird für die Erhebung eine Brutto-Stichpro- be in der Größenordnung von rund einem Fünftel der Gesamtfälle angestrebt, wobei insbesondere nur Neuzugänge, Versicher- tenrenten und Nicht-Vertragsrenten in die Erhebung einbezogen werden.

Neben den Biografiedaten wird auch ein Statistikdatensatz zum Rentenzugang er- stellt, der soziodemografische Angaben, Angaben zum Rentenbeginn, Merkmale zur Rehabilitation und Diagnosen bei Erwerbs-

minderung und zur Gesamtleistungsbewer- tung sowie zur Rentenberechnung gemel- det. Die Informationen beziehen sich auf die Sachverhalte zum Zeitpunkt der Renten- gewährung.

Abbildung 2 zeigt zusammenfassend die Zuschnitte der beiden Erhebungen VSKT und VVL.

2.3 Datenprodukte des FDZ-RV

Sowohl die VSKT als auch die VVL werden im FDZ-RV der Wissenschaft und Forschung zur als Scientific Use Files (SUFs) zur Ver- fügung gestellt.3

Die Berechnung der gesetzlichen Rente ba- siert auf den Informationen über die Ver- sicherten, die im Rentenversicherungskonto gespeichert sind. Dort sind alle rentenrecht- lich relevanten Sachverhalte tagesgenau festgehalten. Vom 17. Lebensjahr (bzw. frü- her, wenn ein Beitrag vorliegt) bis zum Ren- teneintritt sind alle Beitragszeiten und ren- tenrechtlich relevanten beitragsfreien Zeiten erfasst und können über die Lebenssituation zum entsprechenden Zeitpunkt oder Zeit- raum Auskunft geben. So lässt sich bei- spielsweise sehen, wann eine Person sozial- versicherungspflichtig erwerbstätig war oder wann Kinder erzogen wurden. Es existiert eine Fülle von rentenrechtlichen Meldetatbe- ständen. Diese ergeben sich aus dem detail- reichen Rentenrecht und durch gesetzliche Modalitäten.4

Die Nutzung der Originaldaten birgt für ein externe Nutzer, die nicht über ausgeprägte Kenntnisse des Rentenrechts verfügen, eini- ge Hürden. Für einen Zeitraum können meh- rere rentenrechtliche Sachverhalte existie- ren. Ferner kommt hinzu, dass bestimmte gesetzliche Regelungen sich im Zeitablauf

3 Vgl. hierzu Himmelreicher, Ralf K.; Stegmann, Michael (2008):

New possibilities for socio-economic research through longi- tudinal data from the Research Data Centre of the German Federal Pension Insurance (FDZ-RV). In: Schmollers Jahrbuch 128 (4), S. 647-660.

4 Siehe dazu Stegmann, Michael (2007): Biografiedaten der Ren- tenversicherung und die Aufbereitung der Sondererhebung

„Vollendete Versichertenleben 2004“ als Scientific Use File.

DRV-Schriften Band 55/2006, S. 82-95.

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geändert haben und folglich gleich einzu- stufende Lebensumstände in Abhängigkeit von der zeitlichen Zuordnung rentenrechtlich verschieden behandelt und deklariert sind (z. B. Arbeitslosigkeit). Außerdem gibt es gesetzliche Regelungen, die erst im Laufe der Zeit eingeführt wurden und erst ab die- sem Zeitpunkt im Versicherungskonto Ein- gang finden können und damit quasi links- zensiert sind (z. B. nicht erwerbsmäßige Pflege, geringfügige Beschäftigung).

Der Schwerpunkt der Scientific Use Files zur VVL und zur VSKT liegt nicht darin, den Nut-

zer durch die Weitergabe von verlaufsbezo- genen und rentenrechtlich exakt definierten Sachverhalten in die Lage zu versetzen, eine Rentenberechnung durchzuführen. Vielmehr liegt der Fokus auf der Ermöglichung biografiebezogener sozialwissenschaftlicher Analysen, für die von Bedeutung ist, welche sozialen Situationen die entsprechende Per- son in verschiedenen Phasen ihres Lebens durchlebt hat. Bezogen auf die soziale Situ- ation der einzelnen Person können sie in 12 Elementare soziale Situationen (SES = Soziale [Erwerbs]situation) zusammenge- Abbildung 2: Längsschnittdaten – Versicherungsbiografie

Quelle: Eigene Darstellung.

Versicherung und Rente

Versicherungskonten- Stichprobe

(VSKT)

Vollendete Versichertenleben

(VVL)

Stichprobeaus Stammsatz- bestand als Panel

(disproportionales Design) Versicherte (mit und ohne Rentenbezug)

15 bis 67 Jahre

Es genügt eine Beitragszeit / bzw. Versorgungsausgleich Erhebung jährlich

Stichprobeaus dem Renten- zugang eines Berichtsjahres Versichertenrentenzugang Erwerbsminderungs- und Altersrenten (Neufälle) 20% der Personen, die erstmalig eine

Versichertenrente beziehen Erhebung unregelmäßig

Zeitfenster:Beginn der Versicherungsbiografie bis Berichtsjahr

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fasst werden. Nach diesem SES-Prinzip ergeben sich folgende Zustände, die als Episoden abgebildet werden:

Schulische Ausbildung Berufliche Ausbildung Nichterwerbsmäßige Pflege Kindererziehung und Haushalt Arbeitsunfähigkeit/Krankheit Arbeitslosigkeit

Wehr- und Zivildienst Geringfügig beschäftigt

Selbstständig (bestimmte Tätigkeiten, frei- willig)

Sozialversicherungspflichtig erwerbstätig Rentenbezug aus eigener Versicherung Sonstiger Zustand.

Neben den Standard-SUFs, über deren Zuschnitt der Internetauftritt des FDZ-RV de- tailliert berichtet (www.FDZ-RV.de), besteht auch die Möglichkeit nach ersten Erfahrun- gen mit den Daten besondere Themenfiles zu erhalten oder an einem Gastwissenschaftler- Arbeitsplatz bzw. über das Online-Fernrech- nen besondere Analysen durchzuführen.

3. Datenpotenzial

Die Daten der Rentenversicherung sind inso- weit von Relevanz als in den Versicherungs- konten die Erwerbsgeschichte der in der ge- setzlichen Rentenversicherung Versicherten lückenlos erfasst ist. Hinzu kommt, dass auch andere Lebensphasen, die renten- rechtlich von Bedeutung sind, als Längs- schnittinformationen zur Verfügung stehen.

Mit der Möglichkeit, diese Daten in Form von Scientific Use Files aus der Versicherungs- kontenstichprobe bzw. aus der Sondererhe- bung zum Rentenzugang (VVL) zu nutzen, werden die Möglichkeiten zur Analyse von Erwerbs- und Nichterwerbskarrieren deut- lich verbessert.

Prozessproduzierte Längsschnittdaten der Sozialversicherung sind von besonderem Nutzen, da erwerbsbiografische Verläufe analysiert werden können und die typischen Probleme von Längsschnitterhebungen der

Sozialforschung vermieden werden. Panel- mortalität und Erinnerungsfehler wie bei retrospektiven Befragungen können nicht auftreten. Bei den Daten, die aus geklärten Rentenversicherungskonten stammen, han- delt es sich um Meldedaten der Sozialver- sicherung, um Daten über andere Beitrags- zeiten und um nachgewiesene und geprüfte Daten zu beitragsfreien Zeiten. Damit wird eine hohe Datenqualität und Genauigkeit erreicht, die von Befragungen nicht erzielt werden können.

Inhaltlich bieten die Biografiedaten zum Versichertenleben eine Informationstiefe und -dichte, die neues Analysepotenzial für die erwerbsbiografiebezogene Forschung er- schließt. Im Rahmen der Rentengewährung wird die komplette Versicherungsbiografie bewertet. Rentenrechtlich relevant sind da- bei nicht nur Beschäftigungszeiten, sondern eine Fülle weiterer sozialer Umstände, die sich auf die Rentenberechnung und die Ren- tenhöhe auswirken. Diese Informationen fin- den sich tagesgenau im Versicherungskon- to. Dazu gehören neben den Zeiten der so- zialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch bestimmte selbstständige Beschäf- tigungen oder soziale Umstände, für die voll- wertige Beiträge gezahlt werden. Zu nennen sind die Kindererziehung und die nicht er- werbsmäßige Pflege, aber auch Zeiten der Arbeitslosigkeit und Krankheit. Daneben werden auch beitragsfreie Zeiten im Renten- versicherungskonto dokumentiert, die nach- träglich oder indirekt in die Rentenberech- nung einfließen. Zu nennen sind Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Krankheit ohne Beitrag sowie Phasen der Schul- und Berufsausbil- dung.

Die gesetzlichen Regelungen zur Berück- sichtigung der Kindererziehung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung und die damit verbundene Datenerfassung von Geburten und Mutterschaft erschließt bis- lang nicht mögliche Untersuchungsansätze zur Erwerbstätigkeit von Frauen. Die genaue Erfassung von Geburtsmonat und Geburts- jahr vom ersten bis zum maximal 10. Kind (jeweils bei der Person, die die Kindererzie- hungszeit erhält) ermöglicht es, Geburten

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und Phasen der Kindererziehung als zeitkon- stante bzw. zeitveränderliche Variablen in Untersuchungsmodelle einzubeziehen. Zum Beispiel kann die sozialversicherungspflich- tige Erwerbstätigkeit und das Einkommen von Frauen in einen zeitlichen Bezug zur Ge- burt und Kindererziehung gesetzt werden.

Die Daten zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und zur Leistungsgewährung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Ar- beitslosigkeit ergeben sich in gleicher Weise wie bei den Daten der Bundesagentur für Arbeit aus dem Meldeverfahren der gesetz- lichen Sozialversicherung.5 Somit können Erwerbstätigenkarriere wie auch Phasen der Leistungsgewährung lückenlos dargestellt und analysiert werden. Hinzu kommt, dass auch Zeiten der Arbeitslosigkeit und Arbeits- unfähigkeit vor 1978 bzw. 1974 als beitrags- freie Zeiten rentenrechtlich anerkannt wer- den und als beitragsfreie Zeiten im Konto abgelegt sind. Damit stehen auch für ältere Geburtskohorten Analysen zu damit in Ver- bindung stehenden Fragestellungen offen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass das Erwerbsle- ben und der Übergang in die Rente sowie die individuelle Absicherung im Alter verknüpft werden können, sofern die Daten zu den vollendeten Versichertenleben genutzt wer- den. Damit kann die Alterssicherung als Ergebnis einer Versicherungsbiografie bzw.

eines Erwerbslebens analysiert bzw. in die Analyse einbezogen werden.6 Außerdem lassen sich im Scientific Use File zur VVL (SUFVV) Zeitpunkt und Art des Übergangs in die Ruhestandsphase abbilden und mit der Biografie verknüpfen. Dies wurde bereits auch im Rahmen eines Projektes genutzt, in dem Daten des IAB-Beschäftigtenpanels mit Versicherungskontendaten der Rentenver- sicherung (in einem allerdings sehr aufwen- digen und bislang einmaligen Verfahren) ver- knüpft wurden.7

Es ergeben sich jedoch auch einige Ein- schränkungen: Zu erwähnen ist, dass die Angaben im Versicherungskonto nicht zwin- gend eine durchgängige Beschreibung des Lebenslaufs zulassen. Episoden, in denen kein rentenrechtlicher Bezug zur Renten- versicherung besteht, können nicht näher

definiert werden. Für nicht rentenrechtlich relevante Lebensphasen bleibt offen, ob die Person z. B. eine Weltreise gemacht hat oder selbstständig tätig war. Zu berücksichtigen ist auch der Zeitbezug einiger rentenrechtli- cher Regelungen, so kann über geringfügige Beschäftigung erst ab 1999 Auskunft gege- ben werden, weil erst seit dem 1.4.1999 eine rentenrechtliche Relevanz gegeben ist. Fer- ner ist es nicht möglich – soweit vorhanden – einen Bezug zum (Ehe)Partner oder dem Haushaltskontext herzustellen. Zudem sind Personen, die ihre Altersvorsorge in anderen Systemen oder Vorsorgearrangements ha- ben, nicht oder nur über einen bestimmten Zeitraum ihres Lebens hinweg erfasst, wie z. B. Beamte oder freiberuflich Tätige mit berufsständischer Versorgung. Keine Aus- sagen sind möglich über Anwartschaften zur Altersvorsorge außerhalb der Rentenver- sicherung wie in betrieblicher oder privater Altersvorsorge oder sonstigen Formen der Vermögensbildung.

4. Altersvorsorge und Datenbedarf Der Paradigmenwechsel innerhalb der Ge- setzlichen Rentenversicherung (GRV) mit einer starken Prononcierung der Beitrags- stabilität und dem Zurückdrängen des Leit- gedankens der Lebensstandardsicherung durch die GRV wird begleitet durch eine stärkere Betonung der sogenannten zweiten (betriebliche Altersvorsorge) und dritten Säule (privaten Altersvorsorge).

Dies bringt es mit sich, dass die GRV zwar nach wie vor das wichtigste Alterssiche-

5 Das Meldeverfahren kann als fortlaufende Totalerhebung sozial- versicherungspflichtig Beschäftigter angesehen werden. Vgl.

Bütefisch, Thomas (2004): Datenwege und praktischer Datenzu- gang. In: DRV-Schriften Band 55/2004, S. 20-23.

6 Zum Einfluss von Erwerbs- und Familienbiografien auf die Ren- tenhöhe in Deutschland siehe Himmelreicher und Frommert (2006): Gibt es Hinweise auf zunehmende Ungleichheit der Alterseinkünfte und Zunehmende Altersarmut? In: Vierteljahres- hefte zur Wirtschaftsforschung 1/2006, S. 108-130, DIW Berlin.

7 Vgl. Wübbeke, Christina (2004): Der Übergang in den Rentenbe- zug im Spannungsfeld betrieblicher Personal- und staatlicher Sozialpolitik. Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, BeitrAB 290.1, S. 107. Derzeit wird im Projekt BASID, das vom FDZ der RV und vom FDZ der BA durchgeführt wird, ein solcher Verbunddatensatz erstellt.

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rungssystem darstellt, weil sie das Gros der Bevölkerung erfasst. Es stellt sich jedoch in Zukunft die Frage, wie aussagekräftig eine Berichterstattung über Anwartschaftshöhen in der GRV für den Lebensstandard im Alter ist. Ferner muss der Blick viel stärker auf die Vorsorgearrangements gerichtet werden, um künftige sozialpolitische Entscheidungen auf gesicherter empirischer Grundlage tref- fen zu können.

Die Notwendigkeit, umfängliche Aussagen über das Alterseinkommen zu ermitteln, wird bereits seit Langem gesehen und so ist die Untersuchung Alterssicherung in Deutsch- land (ASID) als empirische Basis für die Be- richterstattung der Bundesregierung gesetz- lich festgelegt und hat sich bewährt.

Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Ver- änderungen und Schwerpunktsetzungen ist eine weitere entscheidende Frage die nach der Resonanz in der Gesellschaft. In wel- chem Umfang wird (zusätzlich) vorgesorgt (betrieblich und/oder privat). Welches Bild lässt sich für bestimmte Erwerbsentwürfe und -arrangements (z. B. „neue“ Selbststän- dige) zeichnen? Dies erfordert ein Monitoring der Altersvorsorgebestrebungen und -reali- sierungen. Dazu lassen sich folgende The- sen aufstellen:

– Eine regelmäßige Berichterstattung über das Vorsorgeverhalten ist sicherzustellen und mindestens ebenso wichtig wie die Berichtstattung zur Alterssicherung. Vor dem Hintergrund der eingeleiteten Ver- änderungen sollte daran gedacht werden,

den Alterssicherungsbericht um einen Altersvorsorgebericht zu ergänzen.

– Will man das Altersvorsorgeverhalten zuverlässig abbilden, sind isolierte Daten der einzelnen Subsysteme (GRV, ZfA, Beamtenversorgung etc.) unzureichend.

– Der Paradigmenwechsel in der Alters- vorsorgepolitik erfordert eine empirische Basis, die verlässliche Information über das Vorsorgeverhalten der Bevölkerung (Personen und Haushalte) auf breiter Basis bietet.

– Ein solches Instrument muss bevölke- rungsrepräsentativ und quantitativ so um- fänglich sein, dass detaillierte Vorsorge- arrangements untersucht werden können.

– Damit die Informationen hinreichend de- tailgetreu und valide sind, ist an ein Panel zu denken. So kann die Erfassungsgüte sichergestellt und gleichzeitig das Vorsor- geverhalten über die Zeit erfasst werden.

Das Zusammenführen von Daten mit Methoden des statistischen Matching ist dazu ungenügend.

– Es sollte eine Kontinuität hergestellt wer- den, die durch eine gesetzliche Veran- kerung gebunden wird.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Michael Stegmann

Deutsche Rentenversicherung Bund Geschäftsbereich 0500

Forschungsdatenzentrum der Rentenversicherung Berner Straße 1 97084 Würzburg

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