Zukunftskonzept für Bildungsbauten am Beispiel des Willibald-Gluck-Gymnasium
Christian Kley, Franziska Bockelmann, M. Norbert Fisch
Technische Universität Braunschweig– Institut für Gebäude- und Solartechnik (IGS), Mühlenpfordtstraße 23, 38106 Braunschweig,
Tel:0531-391 3557, Fax: 0531-391 8125, kley@igs.tu-bs.de
Kurzfassung
Nachhaltige Energiekonzepte spielen heutzutage immer mehr eine Rolle im energieeffizienten Bauen. Den Schulen kommt hierbei eine Schlüsselrolle zur Erreichung der Klimaschutzziele zu. Sie sind nicht nur für die Ausbildung der kommenden Generationen verantwortlich, sondern mit ihrem umfangreichen und heterogenen Gebäudebestand sowie ihren Neubauten dazu prädestiniert, ein Lernlabor für „Energieoptimiertes Bauen und Betreiben“ zu bilden.
Der Neubau des Willibald-Gluck-Gymnasiums in Neumarkt i.d.OPf. ist ein vorbildliches Beispiel für die integrale Planung und ermöglicht die Erforschung zukunftsorientierter Technik- und Energiekonzepte in Bildungsbauten. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Forschungsprojekts und der Teilnahme an der Begleitforschung „Energieeffiziente Schulen“ (EnEff:Schule) wird ein ganzheitliches Monitoring- und Optimierungs- programm am Gymnasium durchgeführt, um gesicherte Kenntnisse über die Performance des Gebäudes und der Anlagen zu erlangen sowie zu dokumentieren.
Die wissenschaftlichen und technischen Arbeitsziele im Projekt beruhen auf der Umsetzung und Dokumentation der Schule inkl. Turnhalle als EnergiePLUS Gebäude (Errichtung und Betrieb). Im Rahmen des Projektes wird ein Monitoring- konzept zur Überprüfung und Qualitätssicherung der Energie- und Komfortziele des Gebäudes umgesetzt. Des Weiteren werden innovative Betriebsstrategien für Schulgebäude entwickelt und evaluiert in Hinblick auf eine hohe Energieeffizienz und Steigerung der Eigenstromnutzung sowie der Nutzung der Erdwärme zur Beheizung des Schul- und Turnhallengebäudes und dem Einsatz innovativer Technologien.
Das integrale Gebäudekonzept vereint das Zusammenspiel von architektonischen Überlegungen zur Ausrichtung und Gebäudeform, eine hochwertige und luftdichte Gebäudehülle mit niedrigen Wärmedurchgangskoeffizienten sowie eine energie- effizienten Gebäudetechnik zur Wärme- und Stromversorgung.
Neben der regenerativen Energieerzeugung über eine erdgekoppelte Wärmepumpe und einer PV-Anlage auf dem Schul- und Turnhallendach (290 kWp) bildet ein VRF- Batteriesystem mit 130 kWh Speicherkapazität die Grundlage für zukunftsträchtige Energiekonzepte in Bildungsbauten.
Einleitung
In der Stadt Neumarkt i.d.OPf. errichtete der Landkreis Neumarkt den Neubau des Willibald-Gluck Gymnasiums (WGG) mit Turnhalle für rund 1.400 Schüler. Das vierstöckige Schulgebäude mit innenliegendem Atrien und einer Nettogeschoss- fläche (NGF) von rund 11.500 m² hat zum Winterschuljahr 2015/2016 den Betrieb aufgenommen. Zusätzlich entstand eine Dreifeld-Turnhalle im Nordwesten mit einer NGF von rund 2.900 m² (Bild 1).
Bild 1: Lageplan der Schule und Turnhalle
Im Vorgriff auf die Vorgaben aus der EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden sollte der Schulkomplex als „EnergiePLUS-Schule“ realisiert werden und setzt damit den geforderten Standard eines „nearly zero energy buildings“ als Demonstrationsprojekt um. Das ganzheitliche und innovative Energiekonzept setzt auf ein energieoptimiertes, nachhaltiges, funktionales, behagliches und architektonisch wertvolles Gebäude. Dabei werden für diesen Standard notwendige innovative Technologien und Methoden eingesetzt und evaluiert. Das Projekt demonstriert diese genannten Inhalte in besonders anschaulicher Weise und übernimmt als öffentliche Bildungseinrichtungen eine Vorbildfunktion ein.
Licht, Transparenz, offene Kommunikation und klare Orientierung sind nur einige der selbst gesetzten Qualitätsfaktoren für Innenarchitektur und Architektur des neuen Gymnasiums. Oberstes Ziel war ein optimales Unterrichtsklima für Schüler und Lehrer zu schaffen. Bunte Glasscheiben, Witterungsschutz für die Öffnungsflügel der Fenster, setzen fröhliche Akzente. Im Inneren wirken Schallabsorber als gestaltende Elemente der Innenarchitektur.
Energiekonzept
Als Leuchtturmprojekt – für einen neuen Gebäudetypus EnergiePLUS-Schule – nutzt das WWG die Bausteine Photovoltaik (PV), Wärmepumpe sowie ein neuartiges Batteriesystem „Vanadium-Redox-Flow“ (VRF-Batterie) und wird dadurch dezentraler Energieerzeuger in einem virtuellen Netz. Strom dominiert als Energieträger das Energiekonzept, sodass ein energetisches und wirtschaftliches Interesse besteht,
den selbst erzeugten Photovoltaik-Strom im Gebäude zu nutzen und einen hohen Eigenstromnutzungsanteil zu erreichen.
Das Erdreich wird als Niedertemperaturwärmequelle bzw. -senke sowie thermischer Speicher über 99 aktivierter Energiepfähle (Gründungspfähle) und einem Flächenkollektor (Agrothermiefeld) unter dem Sportplatz erschlossen. Die erdgekoppelten elektrischen Wärmepumpen erzeugen die Bedarfswärme für die Fußbodenheizung und Betonkerntemperierung sowie Lüftungsanlagen.
Alle Klassenräume werden mechanisch belüftet, um die für Bildungsbauten in besonderem Maße relevante Raumluftqualität (CO2-Gehalte kleiner 1.500 ppm) sicherstellen zu können (Bild 2). Zur Reduzierung der Lüftungswärmeverluste ist eine Wärmerückgewinnung integriert, sowie eine adiabate Abluftbefeuchtung zur Kühlung im Sommer. Die Zuluft wird über die Klassenräume eingebracht und strömt in die Flure, Hallen und Pausenzonen. Die Absaugung erfolgt zentral im Dachbereich der beiden Atrien. Eine Nachtlüftung mit den Lüftungsanlagen unterstützt die Kühlung der Schule. Zur schnellen Aufheizung der Klassenräume in der Heizperiode wird vor Beginn der Schulzeit eine morgendliche Aufheizphase durchgeführt. Mit der Lüftungsanlage werden variable bedarfsgesteuerte Luftmengen je Klassenräume über die CO2-Konzentration (≤ 1.500 ppm) in den Raum eingebracht. Der maximale Luftwechsel in den Klassenzimmern ist auf 4,4 1/h begrenzt.
Die Kühlung der Klassenräume und EDV/Elektroräume erfolgt „passiv“ (reiner Umwälzpumpenbetrieb) über die Energiepfähle und das Agrothermiefeld. Die Energieerzeugung ist auf die Wärmequellen abgestimmt und stellt Wärme mit geringen Systemtemperaturen zur Verfügung (Low-Ex-Systeme). Das verbessert die Integration und Nutzung erneuerbarer Energien und ist die Voraussetzung für einen energieeffizienten Betrieb, insbesondere der Wärmepumpen. Der regenerativ erzeugte Strom aus der Photovoltaik wird primär im Gebäude genutzt, nur Überschüsse werden in das öffentliche Versorgungsnetz eingespeist. Das Energiekonzept sieht vor, dass rund 70 % des Wärmebedarfs über die Wärmepumpen bereitgestellt wird. Die Abdeckung der Spitzenlast (30 %) des Heizenergiebedarfs übernimmt ein Gas-Brennwertkessel.
Bild 2: Energiekonzept - Wärme und Kälte
Mit einer Leistung von rund 290 kWp deckt die dachintegrierte PV-Anlage auf der Schule und der Turnhalle (Bild 3) in der Jahresbilanz einen Großteil am Strombedarf für den Gebäudebetrieb und die Nutzung ab. Um das Ziel, den EnergiePLUS- Standard und danach einen negativen Jahres-Primärenergieverbrauch zu erreichen, bedarf es jedoch einer Erweiterung der PV-Anlage auf rund 500 kWp. Eine Vergrößerung der PV-Anlage auf bis zu 600 kWp wurde in der Planung bereits berücksichtigt und die verbauten Komponenten darauf ausgelegt. Die Erweiterung wird noch von Seiten des Bauherrn zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt.
Durch die Integration einer VRF-Strombatterie sieht die Planung vor, dass rund 65 % des solaren Ertrags vor Ort genutzt werden können, nur 35 % werden in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Mit der PV-Anlage in Kombination mit der VRF- Batterie wird nach gemäß Planung ein solarer Deckungsanteil von ca. 40 % erreicht (Bild 4).
Bild 3:Luftaufnahmen der PV-Anlage Schulgebäude (links) und Turnhalle (rechts)
Bild 4: Energiekonzept – Strom
Energiebilanzen
Mit den umgesetzten baulichen und gebäudetechnischen Qualitäten werden die gesetzlichen Anforderungen der EnEV 2009 (EnEV 2014) an dem Primärenergie-
bedarf um ca. 50 % unterschritten. Kenndaten zur EnEV-Berechnung und dem Endenergiebedarf ist in der Tabelle 1 aufgelistet. Zusätzlich zu den in der Bilanz- grenze der EnEV erfassten Größen, wird der Energiebedarf für die Ausstattung berücksichtigt. In Summe soll der Schulkomplex bilanziell einen primär- und endenergetischen Überschuss generieren. Die ermittelten Energiebedarfswerte basieren auf Berechnungen nach DIN V 18599.
Tabelle 1: Kenndaten Gebäude WGG
Schule Turnhalle
Baujahr 2015 2015
Nettogeschossfläche
(NGF nach DIN V 18599) 12.732 m² 2.855 m²
Beheiztes Gebäudevolumen Ve 63.056 m³ 17.264 m³
Jahresheizenergiebedarf 25 kWh/(m²NGFa)
Jahreskühlenergiebedarf 10 kWh/(m²NGFa)
Endenergiebedarf Strom inkl. Ausstattung 40 kWh/(m²NGFa)
Zwischenfazit
Es wurde ein Konzept von Zielindikatoren für die Anlagen- und Gebäudeperformance entwickelt, dass eine detaillierte Analyse und Bewertung der Energieeffizienz und verschiedener Betriebsweisen ermöglicht. Auf Basis der Zieldefinition wurde ein Mess- und Monitoringkonzept aufgestellt und entsprechende Vorgaben für die MSR / GA (Gebäudeautomation) festgelegt.
In den Klassenzimmern liegt für die Sommermonate ein guter bis akzeptabler Komfort vor. Tendenziell liegen die vorliegenden Raumtemperaturen im wärmeren Komfortbereich. Die mittleren Raumtemperaturen der untersuchten Unterrichtsräume liegen für den Monat Juli 2016 zwischen 24 °C und 25 °C. Der vorgegebene CO2- Grenzwert von 1.500 ppm wird größtenteils in den Klassenzimmern eingehalten.
Vereinzelt kommt es in den Klassenzimmern zu einer kurzzeitigen Übersteigung des CO2-Grenzwertes. Im Mittel liegt bei den untersuchten Klassenzimmern während des Schulunterrichts (7.00 bis 18.00 Uhr) ein CO2-Gehalt von 515 bis 730 ppm vor, was einem guten Komfort entspricht.
Der PV-Ertrag der gesamten PV-Anlage beträgt für den Zeitraum 01.01. bis 31.07.2016 rund 116,3 MWh (400 kWh/kWp). Davon wurden rund 60,6 MWh in der Schule und Turnhalle verbraucht, was einem PV-Eigennutzungsanteil von rund 52 % entspricht.
Das Pilotprojekt bildet sehr gut den Baustandard der Zukunft ab und zeigt gleichzeitig den Rahmen für die Entwicklung und Evaluation notwendiger innovativer Methoden und Werkzeuge für Bildungsbauten und öffentliche Gebäude auf. Der Neubau hat ein Vorbildcharakter und ist aufgrund seiner übertragbaren städtischen und gebäude- typischen Strukturen als Multiplikator geeignet.
Das Forschungsprojekt „EnOB: Monitoring und Betriebsoptimierung des Willibald- Gluck-Gymnasiums in Neumarkt (i.d.OPf.)“ wird mit Mitteln durch das Bundes- ministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unter dem Kennzeichen 03ET1308B gefördert.