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Recovery-orientierte Haltung in der (Akut-) Psychiatrie

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Academic year: 2022

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06. September 2021 APK-Tagung

„Förderung der Selbstbestimmung und Vermeidung von Zwang“

Recovery-orientierte Haltung in der (Akut-) Psychiatrie

Dr. Lieselotte Mahler

Ärztliche Direktorin & Chefärztin

Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie I lieselotte.mahler@tww-berlin.de

(2)

Krise – Krankenhaus

Krankenhaus

(3)

Krisenfreundliches Krankenhaus

?

 Krisen erkennen / zulassen

 Kurze und flexible Interventionen

 Empowerment fördernd / „systemische Ausrichtung“

 Post- und Prävention = Krisenplanung

(4)

Krisenfreundliches Krankenhaus

!

Konsequente Veränderung innerer und äußerer Strukturen

(5)

Definition psychischer Gesundheit

„….ein Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine

eigenen Fähigkeiten erkennt, mit den normalen Anforderungen des Lebens umgehen kann, produktiv arbeiten kann und in der Lage ist, einen Beitrag für seine Gemeinschaft zu leisten “

Mental Health Promotion (Psychische Gesundheitsförderung) WHO 2001

(6)

Recovery

„Recovery ist ein zutiefst persönlicher und einmaliger Prozess der

Veränderung der eigenen Haltung, Werte, Gefühle, Ziele, Fähigkeiten und Rollen. Es ist der Weg zu einem befriedigenden, hoffnungsvollen und

beitragenden Leben innerhalb der krankheitsbedingten Grenzen. Recovery beinhaltet auch die Entwicklung von einem neuem Lebenssinn im Prozess der Überwindung der katastrophalen Folgen der psychischen Erkrankung“

(Anthony, 1993; zit. in Cranach 2007, S.337)

(7)

Recovery

Recovery ist kein scharf umrissenes einheitliches Konzept:

 Psychische Krankheiten und deren Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen sind sehr unterschiedlich

– Die Wege zur Genesung sind individuell

– keine adäquate deutsche Übersetzung des Begriffs Recovery

– Begriff: einerseits aus der medizinisch-psychiatrischen Sicht und andererseits aus der Betroffenensicht. Beide sind unterschiedlich definiert, einander nicht

ausschließend, sondern komplementär aufeinander bezogen. (Onken u.a. 2007).

(8)

Recovery

Helen Glover warnt davor, nicht von der »Falle der Chronizität« in die »Falle von

Recovery« zu stürzen, und setzt dieser die bleibende Zerbrechlichkeit der betroffenen Menschen entgegen.

Auch Michaela Amering und Margit Schmolke (2007) sprechen das Risiko an, dass Resilienz als »mystische Kraft« betrachtet wird, die den Einzelnen mit unbegrenzter Widerstandskraft ausstattet.

Recovery ist nicht mit der Verharmlosung schwerer psychischer Erkrankungen oder des Leidensdrucks der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen gleichzusetzen. Es bedeutet vielmehr, dass in der psychiatrischen Behandlung Selbstwirksamkeitserwartung,

Hoffnung und Resilienz vermittelt werden, die für eine nachhaltige Genesung unabdingbar sind. (L. Mahler 2013)

(9)

Was meint Teilhabe?

Nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (CRPD):

„Menschen, die langfristig körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen (einstellungs-und umweltbedingten Präamblen) Barrieren an der vollen wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der

Gesellschaft hindern (Art. 1. Abs. 2 CRPD)

Photo: L. Mahler

Haltung und Strukturen

(10)

Was meint Teilhabe?

Inklusion:

 vs. Integration: fordert die Anpassung der betroffenen Person an die Strukturen

 die Anpassung der Strukturen an die Bedürfnisse des Menschen

Photo: L. Mahler

(11)

Sicherheit in der Psychiatrischen Behandlung

„Würde des Risikos“

(Pat Deegan)

Foto: . L. Mahler Paris 2012

(12)

• Liste erste Ebene

– Liste zweite Ebene

• Liste dritte Ebene

Überschrift

Theoretische Vernetzungen

Recovery-Konzept

Ex-IN / Peers

Empowerment

Weddinger Modell

Salutogenese

Bedürfnisangepasste Therapie

(13)

Warum „Weddinger-Modell“?

Konzept aus Weddinger Abteilung:

• Erfahrungen und Potential auf den Stationen

• Weddinger Patientenklientel Konzeptentwicklung

(14)

Individualisierung der Therapie

• Implementierung Weddinger Modell Dez. 2010 in der gesamten Versorgungsklinik Wedding

 Veränderungen aller Klinik-Strukturen hinsichtlich Partizipation und Transparenz

 Individualisierte Therapieplanungen und Visiten

 multiprofessionelle Behandlerteams

 Trialog

 Flexibilität des Settings bei Behandlerkontinuität

 Offene Türen aller APs 70 -80 %

 Normalisierung der psychiatrischen Situation

 Genesungsbegleiter und Angehörigen-Peer in Teams der APs (seit 2013)

 Recovery statt Psychoedukation

 Sinnvolle (!) geteilte Risiko- und Verantwortungsübernahme

• bis heute regelmäßige Schulungen und Evaluierung

L. Mahler et al 2013 Psychiatrie Verlag & L. Mahler et al 2019 Nervenheilkunde

(15)

Weddinger Modell: Strukturen und Haltung – positive Wechselwirkung

L. Mahler et al. 2014

(16)

Bundesweiter Innovationswettbewerb

– Berliner Gesundheitspreis 2015 „Zusammenspiel als Chance“

„Ein Best-Pratice-Modell der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwigs- Krankenhaus konnte die Jury überzeugen und den ersten Preis erringen. Das

"Weddinger Modell" beinhaltet ein

psychiatrisches Behandlungskonzept, das ausgehend von der Lebenslage des Patienten individuelle Behandlungslösungen entwickelt.

Ganz bewusst umgeht man dabei tradierte Zusammenarbeitsstrukturen und

Krankenhaushierarchien und setzt

stattdessen auf eigens zusammengestellte Teams von Bezugstherapeuten. Ihre

Kompetenzen werden aufgewertet und gestärkt....

1. Preis "Das Weddinger Modell" - Psychiatrie

(17)

Wirkmechanismen des Weddinger Modells

(18)

• Höhere Resilienz (Mahler et al., 2014)

• Zufriedenheit der

Patient*innen, Angehörigen und Mitarbeitenden (Mahler et al., 2014)

• Tragfähige therapeutische Beziehung (Mahler et al., 2014)

• Nachbesprechung bei stattgefundenen Zwangsmaßnahmen

(Wullschleger et al., 2019)

Aufnahmesituation:

Höchstes Risiko für Zwangsmaßnahmen innerhalb der ersten 24 Stunden (Cole et al., 2020)

Reduktion von Zwangsmaßnahmen

Signifikant geringere Anzahl und Dauer mechanischer Zwangsmaßnahmen (Czernin et al., 2020)

Signifikant geringere Zwangsmedikation sowie geringere Dosis täglicher Medikation (Czernin et al., under review)

Behandlungsbeginn Behandlungsverlauf Entlassung

Vor Behandlungsbeginn

(Mahler, Oster &

Vandamme, 2021)

Förderung der therapeutischen Beziehung

Stärkung der therapeutischen Bindung (Mahler et al. 2014)

Nachbesprechung von ZM als hilfreich eingeschätzt, Möglichkeit zur gegenseitigen Perspektivübernahme

(Wullschleger et al. 2018)

Einsatz der Wirksamkeit des Weddinger Modells

(19)

Recovery-Orientierung in der Akutpsychiatrie, weil:

Eine auf Partizipation, Transparenz und Recovery ausgerichtete Psychiatrie ermöglicht:

Das Vorkommen von Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen in Häufigkeit und Dauer auf ein absolutes Minimum zu reduzieren

ohne sich der Verantwortung für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zu entziehen und

ohne ihnen die Verantwortung für sich selbst abzusprechen

Gefahrensituation für Eskalation und Zwangsmaßnahmen überwiegend nur noch in spezifischen Situationen und bei spezifischen Risikokonstellationen

Mahler et al. 2014, Psychiatrie Verlag

Empfehlung des Weddinger Modells als komplexe Intervention im Rahmen der deutschlandweiten PreVCo-Studie zur Umsetzung der S3-Leitlinie zur Verhinderung von Zwang und Gewalt

(20)

Das Weddinger Modell – Recovery-orientierte Haltung

Erfahrungen aus dem Projekt

„Vermeidung von Zwangsmaßnahmen im psychiatrischen Hilfesystem (ZVP)“

L. Mahler, C. Montag, A. Vandamme, A. Wullschleger

(21)

ZVP - Teilprojekt 4:

Einfluss von Recovery-Orientierung auf das Ausmaß des Zwangs

• Bundesweite Online-Erhebung in 2018

• Kontaktierung aller Chefärzt*innen psychiatrischer Versorgungskliniken

• Teilnahme von 28 Chefärzt*innen sowie 88 Mitarbeitenden

• Außerdem: Fokusgruppen mit Patient*innen sowie Mitarbeitenden in 6 teilnehmenden Kliniken

• Erfasste Outcome-Parameter:

– Durchgeführte Zwangsmaßnahmen im letzten Jahr – Anteil der untergebrachten Patient*innen

– Informationen über die Klinik: Lage, Bettenzahl, Flughafen/Bahnhof im Einzugsgebiet

– Grad der Recovery-Orientierung (ROSE, ERFSS) – Haltung des Personals zu Zwang (SACS)

(22)

ZVP - Teilprojekt 4:

Einfluss von Recovery-Orientierung auf das Ausmaß des Zwangs Quantitative Ergebnisse:

Kein signifikanter Zusammenhang zwischen Grad der Recovery-Orientierung und Anzahl/Dauer von Zwangsmaßnahmen

Kein signifikanter Zusammenhang zwischen Einstellung der Mitarbeitenden zu Zwang und Anzahl/Dauer von Zwangsmaßnahmen

Umsetzung von Recovery-Orientierung sehr heterogen

Quantitative Erfassung der Recovery-Orientierung daher schwierig

Qualitative Ergebnisse:

Unterschiede zwischen den Kliniken insbesondere im flexiblen Umgang mit Regeln, Vorhalten spezifischer Angebote für Angehörige sowie Einbeziehung von Peers

Ansonsten v.a. ähnliche Herausforderungen und Grenzen: ungenügendes therapeutisches Angebot, Nachbesprechungen von ZM selten, Umgang mit fremdsprachigen Pat.,

Verbesserungsbedarf bei Qualität der therapeutischen Beziehung

Was also bedeutet Recovery-Orientierung konkret?

Und wie kann sie fest in die psychiatrische Versorgung integriert werden?

(23)

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Cole, C., Vandamme, A., Bermpohl, F., Czernin, K., Wullschleger, A., & Mahler, L. (2020). Correlates of Seclusion and Restraint of Patients Admitted to Psychiatric Inpatient Treatment via a German Emergency Room. Journal of Psychiatric Research.

Czernin, K., Bermpohl, F., Heinz, A., Wullschleger, A. & Mahler, L. (2020). Auswirkung der Etablierung des psychiatrischen Behandlungskonzepts

„Weddinger Modell“ auf mechanische Zwangsmaßnahmen. Psychiatrische Praxis (in press). doi:10.1055/a-1116-0720 Krumm, S. (2019). Psychische Erkrankung, Gewalt und Geschlecht. Sozialpsychiatrische Informationen, 49, 40-44.

Mahler, L., Jarchov-Jádi, I., Montag, C. & Gallinat, J. (2012). Das Weddinger Modell: Resilienz- und Ressourcenorientierung im klinischen Kontext. Köln: Psychiatrie-Verlag.

Mahler, L. Heinz, A., Jarchov-Jàdi, I., Bermpohl, F., Montag, C. & Wullschleger, A. (2019). Therapeutische Haltung und Strukturen in der (offenen) Akutpsychiatrie: Das Weddinger Modell. Der Nervenarzt, 7, 700-704.

Mahler, L., Mielau, J., Heinz, A., & Wullschleger, A. (2019). Same, same but different: How the interplay of legal procedures and structural factors can influence the use of coercion. Frontiers in psychiatry, 10, 249.

Nienaber, A., Heinz, A., Rapp, M.A., et al. (2018). Influence of staffing levels on conflicts in inpatient psychiatric care. Der Nervenarzt, 89,821- 827.

Richter, D. (2019). Nimmt Gewalt gegen Mitarbeitende im Gesundheitswesen zu? Sozialpsychiatrische Informationen, 49, 15-18.

Schomerus, G. & Spindler, P. (2019). Gewaltrisiko, psychische Krankheit und Stigma. Sozialpsychiatrische Informationen, 49, 13-14.

Sicherheit und Sicherheitsdienste in der Psychiatrie (2019). Ergebnis- und Kurzprotokoll. Isar-Amper-Klinikum, München.

Wullschleger, A., Mielau, J., Mahler, L. & Montag, C. (2018). Beiträge zur Vermeidung von Zwang in der Akutpsychiatrie. Fortschritte in Neurologie und Psychiatrie, 86, 1-9.

Wullschleger, A., Vandamme, A., Ried, J., Pluta, M., Montag, C. & Mahler, L. (2019). Standardisierte Nachbesprechung von Zwangsmaßnahmen auf psychiatrischen Akutstationen: Ergebnisse einer Pilotstudie. Psychiatrische Praxis, 46, 128-134.

Referenzen

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