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Gericht. Entscheidungsdatum. Geschäftszahl. Spruch. Text BVwG W W /14E IM NAMEN DER REPUBLIK!

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Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 05.11.2014

Geschäftszahl W212 1408656-1

Spruch

W212 1408656-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, festgestellte Volljährigkeit alias XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2009, Zl. 07 09.403-BAW, zu Recht erkannt:

A) In Erledigung des Spruchpunktes III. des Bescheides wird

festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 Satz 1 1. Fall AsylG 2005 iVm § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige von Nigeria und stellte am 09.10.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Im Rahmen ihrer Erstbefragung vom selben Tag gab sie zu ihren persönlichen Daten befragt an, am XXXX in Nigeria geboren worden (und demnach minderjährig) zu sein und der Volksgruppe der XXXX anzugehören. Als Religionszugehörigkeit führte sie Penticostal an. Was ihre Reiseroute betreffe, sei sie von ihrer Heimat am 29.06.2007 mit einem Bus in die Hafenstadt XXXX gereist und danach schlepperunterstützt - teils versteckt auf einem Schiff, teils auf der Ladefläche eines LKWs - nach Österreich gekommen. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe führte sie aus, dass es zwischen ihrem und einem anderen Stamm Auseinandersetzungen gegeben habe, vor welchen ihr Vater sie habe fernhalten wollen. Als drei Männer versucht hätten, die Beschwerdeführerin zu vergewaltigen, sei ihr Vater bei dem Versuch, sie zu beschützen, angeschossen worden. Daraufhin sei die Beschwerdeführerin weggelaufen.

3. In ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.10.2007 wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihre Fluchtgründe und gab weiters an, nicht zu wissen, was sie im Falle ihrer Rückkehr in die Heimat erwarte. Sie habe dort niemanden.

4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 11.12.2007 wurde dem Amt für Jugend und Familie für den XXXX, die alleinige Obsorge hinsichtlich der Beschwerdeführerin übertragen.

5. Am 06.02.2008 folgte eine weitere Einvernahme der Beschwerdeführerin, in welcher sie erneut darauf verwies, niemanden mehr in der Heimat zu haben. Ihr Vater sei am XXXX ums Leben gekommen; ihre Mutter sei bereits gestorben, als die Beschwerdeführerin ein Jahr alt gewesen sei. Demnach sei sie von ihrem Vater aufgezogen worden. Sie habe keine Geschwister oder andere Verwandte in Nigeria. Vor ungefähr einem Jahr

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habe sie ein Geschwulst in ihrer Brust bemerkt, habe dies jedoch bislang - aus Angst, zurückgeschickt werden zu können - noch nicht erwähnt.

6. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen und einer polizeifachärztlichen Untersuchung vom 01.08.2008 ergibt sich, dass bei der Beschwerdeführerin ein gutartiger Tumor im Bereich der rechten Brust diagnostiziert worden sei. Im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 02.03. bis zum 08.03.2008 sei eine Operation erfolgt; der betroffene Bereich sei mittlerweile gut verheilt und die Genannte beschwerdefrei.

7. Laut eines Gutachtens vom 27.03.2009, welches durch das Bundesasylamt zur Altersfeststellung der Beschwerdeführerin in Auftrag gegeben wurde, ist die Beschwerdeführerin volljährig.

8. In der Einvernahme vom 07.08.2009 gab die Beschwerdeführerin über Vorhalt des Ergebnisses des Gutachtens an, dass ihr Alter stimmen würde. Ferner führte sie ins Treffen, in Österreich wöchentlich Unterstützung von der XXXX zu erhalten, extern einen Hauptschulabschluss zu machen und zwei gute österreichische Bekannte zu haben, die sie immer wieder besuchen würde. Sollte sie in ihre Heimat zurückkehren müssen, müsste sie "zurück auf die Straße" (vgl. Aktenseite 297, infolge AS), da sie dort niemanden habe.

9. In einer Stellungnahme vom 11.08.2009 verwies die Beschwerdeführerin auf den Umstand, vollwaise zu sein und keine ihr bekannten Verwandten in Nigeria zu haben. Demnach würde sie im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria als alleinstehende Frau ohne familiäres Netzwerk und Unterstützung in eine ausweglose Situation geraten.

10. Mit Bescheid vom 12.08.2009, Zl. 07 09.403-BAW, hat das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom 09.10.2007 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl.

I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen, ihr den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG nicht zuerkannt, die Antragstellerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG nach Nigeria ausgewiesen und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gem. § 38 Abs. 1 Z 3 und 5 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

11. Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und zeitgleich wurden zahlreiche Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen sowie eine Bestätigung über den Vorbereitungslehrgang für den Hauptschulabschluss in Vorlage gebracht.

12. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 07.09.2009 zur Zahl A8 408.656-1/2009/2Z wurde der Beschwerde gem. § 38 Abs. 2 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

13. Mit Eingabe vom 23.03.2011 gab die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin bekannt, dass mit Juni 2010 ein Antrag auf Bewilligung der Adoption der Beschwerdeführerin durch Frau XXXX gestellt worden sei. Das Verfahren sei beim Bezirksgericht anhängig und werde eine baldige Entscheidung erwartet.

14. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.05.2014 wurden der Beschwerdeführerin die aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria übermittelt und ihr die Möglichkeit gegeben, sich hiezu sowie zu ihrer privaten Situation in Österreich binnen einer Frist von vier Wochen zu äußern.

15. In der Folge brachte die Beschwerdeführerin am 03.07.2014 eine Stellungnahme ein, in welcher sie ihre gute Integration in Österreich schilderte. Sie lebe bereits seit sieben Jahren hier, engagiere sich in der Kirche sowie in der Theater- und Tanzgruppe ihrer Gemeinde, pflege engen Kontakt zu ihrer Patin und habe sich einen Freundeskreis in Österreich aufgebaut. Ferner habe sie in Österreich den Hauptschulabschluss nachgeholt und das Sprachniveau B1 erreicht. Zu ihrem Heimatland habe sie keine Bindung mehr. Zudem sei die Lage von alleinstehenden jungen Frauen ohne Familienbindung oder soziales Netz in Nigeria nach wie vor prekär. Der Stellungnahme sind das Externistenprüfungszeugnis, (Deutsch-)Kursbesuchsbestätigungen, eine Bestätigung der Kirchengemeinde sowie ein Unterstützungsschreiben der Patin der Beschwerdeführerin beigeschlossen.

16. In Ergänzung des Schreibens vom 03.07.2014 wurde am 28.07.2014 eine weitere Bestätigung hinsichtlich der Beschwerdeführerin vorgelegt, wonach diese ehrenamtlich in der Kirche tätig sei. Sie sei dort Leiterin des Chors und der Kinderabteilung.

17. Mit Schriftsatz vom 13.10.2014 zog die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I.

und II. des angefochtenen Bescheides vom 12.08.2009 zurück und übermittelte ein weiteres Unterstützungsschreiben von ihrer Patin.

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II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der soeben dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Die Beschwerdeführerin reiste im Oktober 2007 in das österreichische Bundesgebiet ein und befindet sich seither in Österreich. Sie hat keine in Österreich lebenden Familienangehörigen oder Verwandte, verfügt aber sonst über starke soziale Bindungen in Österreich, vor allem in Form ihrer Patin und deren Familie sowie in Form eines großen österreichischen Freundeskreises.

Neben der Aneignung von guten Deutschkenntnissen hat die Genannte hier in Österreich ihren Hauptschlussabschluss nachgeholt. Ferner engagiert sie sich nicht nur in einer Theater- und Tanzgruppe, sondern auch in einer näher bezeichneten Kirche, in welcher sie Leiterin des Chors und der Kinderabteilung ist.

Die Beschwerdeführerin weist in Österreich keine strafrechtlichen Verurteilungen auf.

Die (überlange) Dauer des anhängigen Asylverfahrens ist auf Verzögerungen zurückzuführen, welche den Behörden zuzurechnen sind.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und den vorgelegten Urkunden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig:

Die Beschwerdeführerin brachte am 09.10.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein. Die erstinstanzliche Entscheidung erging am 12.08.2009 auf Grundlage des AsylG 2005, BGBl I. Nr. 100/2005 idgF.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005, BGBl I 144/2013, sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen. Da das vorliegende Verfahren mit Ablauf des 31.12.2013 noch anhängig war, handelt es sich um einen sog. Übergangsfall, welcher in den Anwendungsbereich des § 75 Abs. 19 AsylG fällt.

§ 75 Abs. 20 AsylG lautet:

"Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf An-träge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisen-den Bescheid gemäß

§ 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

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so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen."

Gemäß § 75 Abs. 20 Satz 1 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Übergangsverfahren nach Abs.

19, in dem es den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes bestätigt (Z 1), zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist (1. Fall) oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird (2. Fall).

Da die Antragstellerin ihre Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. der erstinstanzlichen Entscheidung mit Schriftsatz vom 13.10.2014 zurückgezogen hat, sind diese beiden Spruchpunkte bereits in Rechtskraft erwachsen. In der gegenständlichen Entscheidung ist sohin lediglich über die Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) - vormals Ausweisungsentscheidung - abzusprechen.

Durch die Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des Bescheides liegt im Ergebnis eine § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG vergleichbare Situation vor.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung unter anderem einer Rückkehrentscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist, auch wenn durch diese Entscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird.

Nach Abs. 2 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Art. 8 EMRK beinhaltet das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und lautet folgendermaßen:

"(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

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Das Familienleben iSd Art. 8 EMRK umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben oder in deren gegenseitigen Beziehungen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht; das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ("Kernfamilie") aber auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR, ÖJZ 1996, 834; zu den Beziehungen von Müttern und Vätern zu unehelichen Kindern siehe EGMR, Marckx, EuGRZ 1979, 454; zu den Beziehungen zwischen unehelichen Kindern, die bei der Mutter leben, zu Vätern, die nicht mehr mit der Mutter zusammenleben, EGMR, ÖJZ 2002, 71; zu den Beziehungen von Großeltern zu Enkelkindern VfSlg 13.629/1993; EGMR, ÖJZ 2002, 74). Nach dem EGMR beschränkt sich der Begriff der Familie nicht auf Beziehungen, die auf eine Ehe gegründet sind, sondern kann auch andere de facto-"Familien"bande umfassen, in welchen die Parteien außerhalb einer Ehe zusammenleben. Ein Kind, das außerhalb einer solchen Beziehung geboren wurde, ist ipso iure Teil dieser "Familien"einheit vom Augenblick seiner Geburt an und durch deren bloßes Faktum. Daher besteht zwischen dem Kind und seinen Eltern ein Band, das einem Familienleben gleichkommt. Weiters bildet der wechselseitige Genuss von Elternteil und Kind an der Gesellschaft des jeweils anderen ein grundlegendes Element des Familienlebens, selbst wenn die Beziehung zwischen den Eltern zerbrochen ist; innerstaatliche Maßnahmen, welche diesen Genuss behindern, laufen auf einen Eingriff in das nach Art. 8 EMRK geschützte Recht hinaus (EGMR, 13. 7. 2000 [GK], 39221/98 ua, Scozzari und Giunta/Italien ÖJZ 2002/3).

Im Hinblick auf das Privatleben spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - erst nach einigen Jahren eine Integration im Aufenthaltsstaat anzunehmen sein wird, die von Art. 8 EMRK geschützt ist, wobei die Aufenthaltsdauer allein für sich genommen nicht schon den Ausschlag geben kann. Zu Gunsten des Fremden sind die in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Aspekte zu berücksichtigen, zu seinen Ungunsten jene des Art. 8 Abs. 2 EMRK, wobei eine Interessenabwägung zwischen den privaten Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber öffentlichen Interessen an seiner Ausweisung vorzunehmen ist:

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit über 7 Jahren in Österreich, wobei die Dauer dieses (sehr langen) Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht auf eine ihr zurechenbare schuldhafte Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist. Dieser Aufenthalt war zwar nur ein vorläufig berechtigter, doch ist dessen Dauer nach der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes als ausreichend langer Zeitraum zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (9.5.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt etwa für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (5.7.2005, 2004/21/0124). Auch der VfGH geht davon aus, dass beispielsweise während eines neun Jahre andauernden Asylverfahrens eine gelungene Integration der Beschwerdeführenden Partei eingetreten ist (10.3.2011, B1565/10 u.a.).

Die Beschwerdeführerin ist in das Gemeindeleben voll integriert, was sich unter anderem durch ihr freiwilliges Engagement in einer Theater- und Tanzgruppe sowie in der Kirche, wo sie sogar Leiterin des Chors und der Kinderabteilung ist, zeigt. Zu berücksichtigen ist ferner ihr inniges Verhältnis zu ihrer Patin sowie anderen Bekannten und Freunden. Ihre Integrationsschritte werden durch die Vorlage von Schreiben von Privatpersonen bzw. eines Pastors belegt.

Abgesehen von der aufgezeigten Integration in der österreichischen Gesellschaft weist die Beschwerdeführerin gute Sprachkenntnisse der deutschen Sprache auf, hat in Österreich erfolgreich die Hauptschulabschlussprüfung abgelegt und ist gerichtlich unbescholten.

Insgesamt hat die Beschwerdeführerin gezeigt, dass sie stets um eine möglichst umfassende und auf Dauer angelegte persönliche Integration in Österreich bemüht war und gerade deshalb auch einen entsprechend hohen Grad der Integration in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht erreicht hat, was sich vor allem im erfolgreichen Erwerb von Deutschkenntnissen und in der beständigen Integration in der Gesellschaft ausdrückt.

Was die oben dargestellte, abwägende Gesamtbetrachtung betrifft, überwiegen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet eindeutig gegenüber den öffentlichen Interessen, weshalb eine Ausweisung einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung des Privatlebens darstellen würde.

Es war sohin festzustellen, dass im vorliegenden Fall eine Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 Satz 1 1.

Fall AsylG auf Dauer unzulässig ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

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Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zudem liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2014:W212.1408656.1.00

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