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4 Bundesverfassungsgericht
- 2 BVR 559/99 -
In dem Verfahren über
die Verfassungsbeschwerde des Herrn T...
gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Celle vom 12. März 1999 - 21 UF 88/98 -
u n d Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Kirchhof,
Jentsch
und die Richterin Osterloh
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntma- chung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 31. März 1999 einstimmig be- schlossen:
1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen aufwirft noch ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdefüh- rers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).
1. Die hier aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen sind seit dem Beschluß des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 1998 - 2 BvR 1206/98 - (EuGRZ 1998, 612) geklärt.
2. Grundrechte des Beschwerdeführers sind nicht verletzt. Die Rückführungsent- scheidung des Oberlandesgerichts orientiert sich am Kindeswohl und rechtfertigt da- mit den mit ihr verbundenen Eingriff in das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.
a) Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind Sache der Fachgerichte;
das Bundesverfassungsgericht beanstandet nur die Verletzung von Verfassungs- recht. Die zur Überprüfung der Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachge- richte entwickelten Maßstäbe gelten in entsprechender Weise auch für das Völker-
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8 vertragsrecht (vgl. BVerfG, EuGRZ 1998, 612 <616 m.w.N.>). Das Bundesverfas-
sungsgericht hat nur zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung auf einer grund- sätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruht und ob das Auslegungsergebnis die geltend gemachten Grundrechte verletzt (vgl. BVerfGE 30, 173 <188>). Eine Verfassungswidrigkeit liegt noch nicht vor, wenn die Anwen- dung einfachen Rechts durch den zuständigen Richter zu einem Ergebnis führt, über dessen Richtigkeit sich streiten läßt; dies gilt insbesondere, wenn dem Richter durch Generalklauseln eine Abwägung und Wertung widerstreitender Interessen aufgege- ben ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>).
b) Nach dem Beschluß des Senats vom 29. Oktober 1998 - 2 BvR 1206/98 - ist für den Fall gegenläufiger Rückführungsanträge eine besondere Prüfung des Kindes- wohls anhand der Ausnahmevorschrift des Art. 13 Abs. 1 Buchst. b) HKiEntÜ gebo- ten. Anderenfalls würde der Zweck des Haager Kindesentführungsübereinkommens verfehlt, den Aufenthalt des Kindes bis zur Sorgerechtsentscheidung zu verstetigen, die Folgen einer rechtswidrigen Entführung aufzuheben und das Kind an den Ort der zukünftigen Sorgerechtsentscheidung zurückzubringen. Ein durch gegenläufige Rückführungsanträge veranlaßtes Hin- und Rückführen der Kinder aufgrund staatli- cher Anordnung widerspräche dem Kindeswohl und wäre für sie unzumutbar, wenn das Gericht nicht besondere Anhaltspunkte feststellt, die eine Rückführung trotz der Gefahr eines weiteren Ortswechsels rechtfertigen (vgl. BVerfG, EuGRZ 1998, 612
<617>).
Darüber hinaus ergibt sich im Falle einer gegenläufigen Entführung aus Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 2 Abs. 1 GG die Pflicht, das Kindeswohl verfahrensrechtlich dadurch zu sichern, daß den Kindern bereits im familiengerichtlichen Verfahren ein Pfleger zur Seite gestellt wird, wenn die Eltern das Verfahren im eigenen Interesse führen und das Interesse der Kinder deshalb nicht in einer den Anforderungen des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) genügenden Weise Berücksichtigung finden kann (BVerfG, a.a.O., 615 und 617).
c) Der Beschluß des Oberlandesgerichts genügt diesen Anforderungen. Er nimmt eine ausführliche materielle Prüfung des Kindeswohls vor und sichert durch die Be- stellung einer Verfahrenspflegerin die Grundrechte der Kinder auch in verfahrens- rechtlicher Hinsicht.
aa) Das Oberlandesgericht hat das Kindeswohl in seiner Rückführungsentschei- dung ebenso ausführlich geprüft, wie dies in einer - im Rückführungsverfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen an sich nicht erforderlichen - Sorge- rechtsentscheidung notwendig wäre. Es ist unter Heranziehung eines psychologi- schen Sachverständigengutachtens und nach Anhörung der beiden Kinder zu dem Ergebnis gelangt, daß das Kindeswohl im konkreten Fall trotz der gegenläufigen Rückführungsanträge eine Rückführung nach Frankreich verlangt. Eine Nachprüfung der dabei zugrundegelegten tatsächlichen Feststellungen und der im einzelnen vor- genommenen Abwägungen ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts (vgl.
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12 BVerfGE 31, 194 <210>). Auch die für die Kinder bestellte Verfahrenspflegerin hat
sich für eine Rückkehr der beiden Kinder zu ihrer Mutter nach Frankreich ausgespro- chen.
Unabhängig von der Frage, ob der vom Oberlandesgericht gewählte strenge sorge- rechtliche Prüfungsmaßstab bei gegenläufigen Rückführungsanträgen geboten ist, widerspricht es jedenfalls nicht den im Beschluß des Zweiten Senats vom 29. Okto- ber 1998 aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen, wenn das Oberlan- desgericht die durch die gegenläufigen Rückführungsanträge hervorgerufene erheb- liche Unsicherheit reduziert, indem es sich ausnahmsweise im Rückführungsverfahren von sorgerechtlichen Maßstäben leiten läßt. In der Feststel- lung, daß in einer Sorgerechtsentscheidung der Mutter das Sorgerecht zuzusprechen wäre, liegt ein besonderer Anhaltspunkt, der eine Rückführung der Kinder nach Frankreich rechtfertigen kann, obwohl dort noch nicht über die Anträge im Sorge- rechtsverfahren und im Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkom- men rechtskräftig entschieden ist.
bb) Mit der Bestellung der Verfahrenspflegerin hat das Oberlandesgericht die ver- fassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens beachtet.
3. Im übrigen wird von einer Begründung abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Kirchhof Jentsch Osterloh
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Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. März 1999 - 2 BvR 559/99
Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom
31. März 1999 - 2 BvR 559/99 - Rn. (1 - 12), http://www.bverfg.de/e/
rk19990331_2bvr055999.html
ECLI ECLI:DE:BVerfG:1999:rk19990331.2bvr055999
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