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AP 2 13 Pitschnau Michel

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4 Angehörigepflegen 2/2013 |3. Jahrg.

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s ist nicht vorhersehbar, wann und mit welcher Häufigkeit Schübe auftreten, welche Symptome sie mit sich bringen und ob diese Symptome sich nach dem Schub wieder zurückbilden oder dauerhaft bleiben. Vor allem diese Ungewissheit ist es, die sowohl die an Multipler Sklerose (MS) Er - krankten als auch ihre Angehörigen

verunsichert und oft auch Ängste auslöst. Wie wird sich die Krankheit bemerkbar machen? Welche Ein - schränkungen wird sie mit sich brin- gen, was wird noch möglich sein?

Fragen über Fragen, die sich sowohl den Betroffenen als auch den Angehörigen stellen – und auf die es bislang keine verbindlichen Vor - aussagen gibt. Nicht zuletzt daher

Multiple Sklerose:

Krankheit mit vielen Gesichtern

Wer an Multipler Sklerose erkrankt, erlebt

sehr schnell, dass dies viel mehr als nur ein medizinisches Problem

ist. Multiple Sklerose verändert das Leben –

nicht nur das des Betroffenen, sondern ebenso das der Angehörigen.

wird MS auch als die Krank heit mit den 1000 Gesichtern be zeich - net.

Multiple Sklerose ist noch immer unheilbar, doch es wurden in den vergangenen 15 Jahren durch in - tensive, nachhaltige Forschung enor me Fortschritte in der Be hand - lung erzielt. Sowohl durch die immunmodulatorische Stufenthera -

Foto: Fotolia

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Angehörigepflegen 2/2013 | 3. Jahrg.5 pie als auch durch die symptomati-

sche Therapie können einige der Krankheitsverläufe verzögert, die Schubraten gesenkt, die Symptome gemildert und durch umfassende Rehabilitationsmaßnahmen die Fol - gen der Krankheit verringert wer- den. Aber noch immer vergehen oft drei bis vier Jahre, bis eine eindeuti- ge Diagnose gestellt wird. Wertvolle Zeit, die verlorengeht. Denn gera - de eine frühzeitige Behandlung schränkt das Risiko dauerhafter Be - hinderungen ein.

Herausforderung für die Angehörigen

Multiple Sklerose bedeutet nicht automatisch ein Leben im Rollstuhl oder Pflegebedürftigkeit. Sollte jedoch im Verlauf der Fall der Fälle

eintreten, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Situation zu meistern. Wenn schwer an MS erkrankte Menschen ihren Alltag nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen können, sind es sehr häufig Angehörige, die die Pflege überneh- men. Für beide Seiten be deutet das eine Neugestaltung des täglichen Lebens, aber häufig auch eine Umorientierung im Umgang mitein- ander. Pflegende Angehörige müs- sen teilweise sehr schwere physische und psychische Aufgaben lösen, für die sie in der Regel vorher keine Erfahrungen sammeln konnten.

Die Auswirkungen der unbere- chenbaren Erkrankung Multiple Sklerose nehmen Einfluss auf das Alltagsleben, auf Ehe, Partnerschaft und Familie. Immer wieder müssen sich Angehörige auf eine neue

Lebenssituation und die Übernahme zusätzlicher Aufgaben einlassen, ohne je verlässlich planen zu kön- nen. Dies führt nicht selten zu einer Überforderung oder dem Gefühl, der Belastung nicht gewachsen zu sein.

„Ich merke, dass ich an meine seeli- schen und körperlichen Grenzen stoße. Teilweise opfere ich mich richtig für meinen erkrankten Mann auf.“ Oder: „Wenn Besuch kommt, wird nur danach gefragt, wie es meinem Mann geht. Wie es mir geht, interessiert keinen.“ Solche und ähnliche Äußerungen sind oft von pflegenden Angehörigen zu hören.

Gegenseitiges Vertrauen und Respekt sind notwendig, damit die enge Beziehung zwischen MS- Erkrankten und ihren pflegenden Angehörigen im Alltag funktioniert.

Eine wichtige Voraussetzung ist

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auch das Verständnis der Ange - hörigen für die Krankheit mit ihren spezifischen Symptomen.

Ein gern zitiertes Beispiel ist die Fatigue (französisch: Ermüdung, Erschöpf ung), die bei vielen MS- Erkrankten schon zu Beginn auf- tritt. Dann ist es für den Be - troffenen eben nicht möglich,

„sich zusammenzureißen“, um seinen Pflichten nachkommen zu können, sondern es ist eine Erholungspause notwendig. Aber auch das Ver ständnis des Er - krank ten für die Pflegeperson ist wichtig, wenn nicht alles immer perfekt funktioniert. Und auch die Außen welt sollte ge nauer hin- schauen. Pflegende Ange hörige finden zwar Anerkennung, be - kommen aber selten tatsächliche Unterstützung von außen. An die- ser Problematik gilt es zu arbeiten.

In der Partnerschaft

gemeinsam Lösungen finden

„Nicht zu weit zurückschauen, aber auch nicht zu weit voraus.“

Das ist zum Beispiel die Devise eines MS-Erkrankten und seiner Frau. Zu Beginn, als noch kaum ein Handicap vorhanden war, fiel dies nicht schwer. Dann kamen aber mit den Jahren zuerst die Gehhilfe und später der Rollstuhl dazu. Der Betroffene konnte zwar immer noch seinen Beruf aus- üben, seine Frau jedoch fühlte sich viele Jahre ausgegrenzt, weil vieles nur noch eingeschränkt möglich war. Dazu kam die Be - lastung durch Pflichten, die frü- her der Mann übernommen hatte.

Insgesamt blieb ihr zu wenig Zeit für sich selbst. Viel Unterstützung und neue soziale Kontakte fanden die beiden in einer Selbsthilfe - gruppe der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft (DMSG). Der Rollstuhl wird inzwischen als patentes Hilfsmittel akzeptiert, das den Aktionskreis wieder erweitert hat.

Dieses Beispiel zeigt, dass Multi ple Sklerose nicht per se das Risi ko mit sich bringt, Ehe und Part nerschaft scheitern zu lassen. Es wird gern der MS zugeschrieben, wenn eine Beziehung in die Brüche geht – eher ist es aber die Schwierigkeit, ge - meinsam mit der Erkrankung umzugehen, über alle Probleme zu sprechen und ge meinsame Lösun - gen zu finden. Natürlich wird auch das Frei zeitverhalten der MS ange- passt. Vieles findet bei steigender Be hinderung zu Hause statt;

Restau rant- und Diskobesuche oder Wan derungen sind oft nur noch bedingt möglich. Wichtig ist hier, Hilfsmittel wie den Rollstuhl als wirkliche Helfer zu erkennen und anzuwenden. Besonders wenn der Pflegebedarf und damit die Be - lastungen wachsen, reduzieren sich in der Regel Freizeitakti vi täten sowie Kontakt- und Ge sprächs - möglichkeiten.

Da Multiple Sklerose bei Frauen etwa doppelt so häufig auftritt wie bei Männern, finden sich Männer häufiger in der Rolle des Un - terstützenden oder Pflegenden wieder. In diese Aufgabe müssen sie erst hineinwachsen – erfah- rungsgemäß werden sie aber ins- besondere zu Beginn der Er - krankung in der für sie oft unge- wohnten Familienrolle stark von ihren Frauen unterstützt, soweit es diesen noch möglich ist. Der Beruf wird seitens der Männer in der Regel nicht aufgegeben – und pflegende Männer holen sich häu- figer externe Hilfen zur Un ter - stützung.

Und noch etwas: Häufig werden Kinder in die Unterstützung MS- Erkrankter einbezogen. Sie über- nehmen Aufgaben in der Pflege, im Haushalt oder in der Be auf - sichtigung von Geschwistern. Sie haben oft Angst um ihre Eltern.

Hintergrund

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch- entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems, die meist schubförmig verläuft. In späteren Jahren kann sie auch chronisch progredient werden. In wenigen Fällen

verläuft die Erkrankung von Beginn an ohne Schübe und entwickelt sich schleichend.

Multiple Sklerose wird auch die „Krankheit mit den 1 000 Gesichtern“ genannt, da sie bei jedem Erkrankten unterschiedlich verläuft. Die Spanne reicht von den sogenannten „unsichtbaren Symptomen“, wie sehr starke Erschöpfung und Müdigkeit (Fatigue), Blasen- und Darm- störungen sowie kognitive Probleme, über Seh- und Sensibilitätsstörungen bis hin zu sichtbaren Symptomen, wie Ataxie, Tremor,

Bewegungsstörungen und Lähmungen.

In Deutschland sind schätzungsweise 130 000 Menschen an Multipler Sklerose erkrankt. Nach neuesten Zahlen des Bundesversicherungsamtes sind es möglicherweise deutlich mehr

MS-Erkrankte.

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Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft

Der DMSG Bundesverband e. V., 1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Belange Multiple-Sklerose- Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) mit Bundesverband, 16 Landesverbänden, mehr als 45 000 Mitgliedern und 900 örtlichen Kontaktgruppen ist eine Gemeinschaft von MS-Erkrankten, deren Angehörigen, ehrenamt - lichen Helfern und hauptberuflichen Mitarbeitern.

Mit ihren Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Beispielsweise qualifiziert die DMSG Fachkräfte in der „Pflege bei MS“ und zeichnet Pflegedienste unter bestimmten Voraussetzungen als „DMSG-geprüfter Pflegedienst“ aus. Die 16 DMSG-Landesverbände bieten mit Ange - hörigentreffen, Gesprächsgruppen und Beratung in medizinischen, rechtlichen, pflegerischen und beruflichen Fragen Unterstützung vor Ort an.

gelmäßig sollte hier auf Erholung und Entspannung geachtet wer- den. Erschöpfungszustände dür- fen nicht als persönliches Ver - sagen gewertet werden. Um die Pflege zu Hause so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, brau- chen Pflegende Zeit, um Kraft zu schöpfen. Liebevolle Distanz ist notwendig, um die MS nicht zur eigenen Erkrankung werden zu lassen und die Verantwortung sich selbst gegenüber nicht zu vernachlässigen. Darüber hinaus sind soziale Kontakte eine wichti- ge Kraftquelle. Der Austausch mit Menschen in ähnlichen Lebens - lagen hilft dabei, die eigene Si tu - ation realistisch zu sehen und wirkt sozialer Isolation entgegen.

Anschrift der Verfasserin:

Dorothea Pitschnau-Michel M.A.

Bundesgeschäftsführerin

Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft E-Mail: dmsg@dmsg.de

Angehörigepflegen 2/2013 | 3. Jahrg.7 Eine solche Situation muss sich

nicht zwingend negativ auf die Kinder auswirken. Wichtig sind Familienstrategien, die den Kin - dern auch Hilfen an die Hand ge - ben – zum Beispiel viel Unter - stützung von außen, durch Groß - eltern oder andere Verwandte, die sie auch emotional auffangen können. Unterstützend kann hier auch die DMSG sein, die vielerorts unter anderem Freizeiten für Kinder MS-erkrankter Eltern an - bietet.

An die eigene Gesundheit denken

Die verschiedenen körperlichen Symptome, krankheitsspezifische psychische Veränderungen und ein möglicher sozialer Rückzug der Familie können pflegende und betreuende Angehörige an ihre Belastungsgrenzen bringen. Re -

Folgende Informations - broschüren hat der DMSG Bundesverband herausgegeben:

Gemeinsam stark

(MS und die Auswirkungen auf die Ange hörigen erkrankter Menschen)

Sexualität und Partnerschaft (Wege für Menschen mit MS)

Familienleben mit MS

(Partnerschaft, Schwangerschaft, Kindererziehung)

Pflege bei MS

(Lebensqualität für Erkrankte und Betreuer)

❚Reihe: Empowerment – stark leben mit MS (bisher erschienen:

„Herausforderung“, „Der eigene Weg“ und „Mein Team“) Zu beziehen im Internet unter:

www.dmsg-shop.de Kontaktadresse:

Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V., Küsterstraße 8 30519 Hannover

Tel.: (05 11) 9 68 34-0 E-Mail: dmsg@dmsg.de www.dmsg.de

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Referenzen

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und innere Ruhe, um meinen Alltag mit Rheuma zu bewältigen. Andrea,

und berufliche Perspektiven su- chen, bietet die Rehabilitation für psychisch Kranke Menschen in der SRH RPK Karlsbad unter einem Dach umfassende Leistungen zur medizi-