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Am Leben zerbrochen

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98 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Dezember 2017 | www.diepta.de

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in Auszug aus dem Ge- dicht „Klage“ – „Und es klagt die dunkle Stimme über dem Meer ...“ – oder auch „Verfall“, „Melancholie“, aber auch „Sommer“ oder „In den Nach- mittag geflüstert“ sind bekannte Gedichtes des expressionistischen

Dichters Georg Trakl. Sie handeln von Gefühlen, Fernweh, ja Melan- cholie, einer unendlichen Traurig- keit und Düsterkeit. So mancher durfte eines seiner Gedichte mit der melodisch-rhythmischen Sprache in der Schule schon interpretieren.

In der Literaturgeschichte gilt Trakl

als „Prophet des Weltunglücks“.

Doch der Verlag, der Trakls „Dich- tungen“, seine „Gesammelten Werke“

herausgab beziehungsweise noch immer herausgibt, kann sich über mangelnde posthume Nachfrage nicht beklagen. Einige hundert Ge- dichte, wenige Theaterstücke und ei- nige, teils undatierte Briefe existieren.

Aufgewachsen im „Spießbür- gertum“ Am 3. Februar 1887 wurde Georg Trakl als viertes von sieben Kindern des Salzburger Eisenhänd- lers Tobias Trakl und der aus Prag stammenden Mutter Maria Catharina geboren. Er wurde protestantisch erzogen, hatte eine gutbürgerliche Existenz, war aber schon als Kind eher lebensuntüchtig. So wollte er so- wohl ein Pferdegespann als auch spä- ter eine Eisenbahn dadurch anhalten, dass er den Tieren beziehungsweise der Bahn mit ausgebreiteten Armen entgegentrat. Er war mit acht Jahren schon so mit sich selbst beschäftigt, dass er in einen Teich lief – ohne es rechtzeitig zu merken. Mit sehr viel Mühe schleppte er sich durch die Schule (Stadtgymnasium), die er nach der siebten Klasse wegen schlechter Leistungen noch dazu vorzeitig ver- lassen musste; Abgangszeugnis in Deutsch: „Genügend“. Dabei war er durchaus belesen, las mit Begeiste- rung Werke Dostojewskis, war schon Mitglied eines Dichterzirkels. Dank des Kindermädchens der Familie

Am Leben zerbrochen

Vom Vater gezwungen, Apotheker zu werden, in der Schule in Deutsch ein

„Genügend“ – Georg Trakl wurde nicht alt: ganze 27 Jahre. Und doch gilt er heutzutage als einer der großen deutschsprachigen Dichter.

PRAXIS BERÜHMTE APOTHEKER

© K. Trakl – Die Unvergessenen, Herausgeber Ernst Jünger, 1928

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Dezember 2017 | www.diepta.de

sprach er gut französisch, las auch Werke von Rimbaud (Ideen von der

„Farbe der Vokale“, „hallucination des mots“), Maeterlinck, George, Nietzsche, Maudelaire, Verlaine.

Trakls Vater jedoch bestimmte ihn zum Apotheker – und so begann er im September 1905 seine vorgeschrie- bene dreijährige praktische Ausbil- dung in der Salzburger Apotheke

„Zum weißen Engel“. Sein Lehrherr, Apothekenbesitzer Carl Hinterhuber, war ein alter Mann, der dem Alkohol reichlich zusprach. Von seinen ehe- maligen Schulkameraden wurde Trakl, der nun statt Gymnasiast mit Schülermütze zu sein nur noch einfa- cher Lehrling in einer Apotheke war, verlacht, was dem sensiblen jungen Mann sehr zusetzte und ihn belastete.

In dieser Zeit schrieb er 15-jährig be- reits Gedichte, machte aber auch erste Bekanntschaft mit Drogen – beson- ders Ether und Opiumzigaretten –, wie etwa sein Gedicht „Der Schlaf“

zeigt. 1906 fand sogar die Urauffüh- rung seiner verloren gegangenen Ein- akter-Dramen „Totentag“ und „Fata Morgana“ (nur die Programmzettel sind noch vorhanden) im Stadtthea- ter Salzburg statt. Und es kam zur Veröffentlichung erster Prosastücke in der „Salzburger Volkszeitung“.

Studium und pharmazeutische Tätigkeit 1908 begann Trakl das viersemestrige Studium der Pharmazie in Wien, das er mit dem Magisterexa- men abschloss. Parallel schloss er sich auch dem Akademischen Verband für Literatur und Musik an. Ab Oktober 1910 absolvierte Trakl seinen einjäh- rig-freiwilligen Militärdienst in Wien, von Oktober 1911 bis Dezember, also nur für sehr kurze Zeit war Trakl da- nach als Rezeptarius erneut in der Salzburger Apotheke „Zum weißen Engel“ tätig. Wie sein Jugendfreund Erhard Buschbeck, später für einige Zeit Direktor des Wiener Burgthea- ters, berichtete, empfand der hyper- sensible Trakl den Apothekendienst nämlich zunehmend als belastend. Die Hektik, die zahlreichen Wünsche... – aus Angst vor den Kunden soll Trakl an einem einzigen Nachmittag sechs

Hemden durchgeschwitzt haben. Von April bis November 1912 dauerte seine Probezeit als „Medikamentenak- zessist“ – Militärapotheker im Rang eines Leutnants – in der Apotheke des Garnisonsspitals Nr. 10 in Innsbruck.

Toxisches Leben Seiner Statur nach hingegen wirkte Trakl kaum wie ein „Weltflüchtiger“: Seine Freunde (insbesondere Buschbeck sowie Lud- wig von Ficker, Herausgeber der Zeit- schrift der „Brenner“ in der die meis- ten Gedichte Trakls erschienen) beschreiben ihn als großgewachsen, breitschultrig, mit kräftigen Händen und einem ziemlich häßlichen Ge- sicht. Seinem Freund Buschbeck ist si- cherlich mit zu verdanken, dass Ge- dichte Trakls überhaupt schon sehr früh und noch dazu zu dessen Lebzei- ten veröffentlicht wurden. Ludwig von Ficker widerum wurde zu seinem Gönner. Denn Trakl litt unter Geld- nöten. Eine Anstellung zu finden war schwierig. Wenn er eine hatte, schmiss er sie schnell wieder hin. Denn der ungeliebte Brotberuf „Apotheker“ be- hinderte die Ausübung der Kunst, das übliche Dilemma fast jedes Künstlers („brotlose Kunst“). Und nach dem Tod des Vaters 1910 wirtschaftete Trakls Halbbruder das väterliche Ei- sengeschäft herunter, finanzielle Zu- wendungen von dieser Seite gab es keine mehr. Von Ficker verschaffte Trakl deshalb aus einem Künstler- fonds ein Stipendium von 20 000 Kro- nen – das hätte viele Jahre ausge- reicht! Doch Trakl war außerstande das Geld von der Bank abzuholen.

Stattdessen brach er mehr und mehr aus der Welt aus: Schon als Vierzehn- jähriger pflegte er seine Zigarette – er war Kettenraucher – in eine Opi- umlösung zu tauchen. Mit Chloro- form betäubte er sich – auch auf Spaziergängen – mitunter bis zur Be- wusstlosigkeit. Der Apothekerberuf verschaffte ihm zusätzlich leichten Zugang zu großen Dosen Phenobar- bital sowie Opiaten und Kokain.

Hinzu kamen ein hoher Alkoholkon- sum, gelegentliche Bordellbesuche (als Stammkunde), eine inzestiöse Be- ziehung zu seiner jüngsten Schwester

Margarete. Leben und Schreiben wie im Rausch? Ansonsten tiefste Ver- schlossenheit? Vieles spricht dafür.

Der Wiener Schriftsteller Franz Zeis, der ihn 1913 mehrere Tage besuchte, schreibt über Trakl unter anderem:

„Sieht stark, kräftig aus, ist aber emp- findlich, krank. Hat Hallucinationen,

´spinnt`...“. Trakl hatte wechselnde Aufenthalte in seiner Heimatstadt Salzburg, aber auch Wien, Hohenburg und Innsbruck. Letzteres vor allem, denn seit Ende 1912 bis zu seiner Ein- berufung zu Weltkriegsbeginn genoss Trakl Gastrecht in Ludwig von Fickers Villa in Mühlau bei Innsbruck.

Suizid mittels Vergiftung? Bei Kriegsbeginn wurde Trakl als Medika- mentenakzessist eingezogen, leistete Kriegsdienst im Feldspital in Galizien.

Im September 1914, also noch am An- fang des ersten Weltkrieges, musste Trakl 90 Schwerverwundete der Schlacht bei Grodek in Galizien weit- gehend ohne vorhandene Medika- mente versorgen. Unmittelbare Folge:

Er unternahm mit seinem Armeere- volver noch am gleichen Abend einen Selbstmordversuch, doch seine Kame- raden nahmen ihm die Waffe ab. Die Schrecknisse der Schlacht hat Trakl aber auch in seinen letzten beiden Ge- dichten, „Klage“ und „Grodek“ verar- beitet. Diese schrieb er schon in der psychiatrischen Abteilung des Garni- sonsspitals in Krakau, wohin er zur Beobachtung seines Geisteszustandes (Nervenzusammenbruch) vierzehn Tage später verbracht wurde.

Am 3. November 1914 starb der nicht nur in der Fachliteratur, sondern selbst in der Zeitschrift „Der Spiegel“

als einer der „begnadetsten Dichter der Generation erster Weltkrieg“ be- zeichnete Georg Trakl in diesem Kra- kauer Militärkrankenhaus. Als Ursa- che der Herzlähmung wurde „Suizid durch Cocainintoxication“ angegeben, jedoch sprechen auch einige Indizien gegen einen bewussten Selbstmord.

Eine Überdosis Kokain war aber auf jedenfall die Todesursache. ■

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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