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Josef Partsch f .

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Josef Partsch f .

Von

Otto Lenel.

Am 30. März d. J . in der Frühe ist J o s e f P a r t s c h nach ganz kurzer Erkrankung in Genf einem Herzschlag erlegen. In ihm ist einer der Großen unserer Wissenschaft dahingegangen, einer von denen, für die es keinen Ersatz gibt. Ich habe ihm durch Jahre als Freund und Kollege nahegestanden und darf mich darum berufen fühlen, den Lesern dieser Zeitschrift in knappen Zügen ein Bild seines Werdegangs und seiner Persönlichkeit zu entwerfen. Meine

Quellen sind Mitteilungen des Vaters, eigenes Erleben und Briefe von ihm selbst.

Josef Aloys August Partsch wurde am 2. September 1882 zu Breslau geboren als Sohn des ausgezeichneten Geographen Josef Partsch, der heute tiefgebeugt am Grabe dieses Stolzes seines Lebens steht. Er entwickelte sich rasch. Die Mutter bereitete ihn so weit vor, daß er so- gleich in die zweite Vorschulklasse des Realgymnasiums Aufnahme fand. Nach Absolvierung der Vorschule trat er in das Gymnasium Johanneum über, dessen vortreff- liche Lehrer, insbesondere der bedeutende Sprachforscher Winkler, die Ausbildung des hochbegabten Knaben nach jeder Richtung gefördert haben. Seine vom Vater sorgsam gepflegte Vorliebe galt schon damals den klassischen

Sprachen und außerdem dem Französischen; er erlangte auf diesen Gebieten Kenntnisse, die weit über das Lehr- planmäßige hinausgingen. Eine Reise nach Paris, die er nach dem Abiturium mit dem Vater unternehmen durfte, bot ihm die eifrig benutzte Gelegenheit, seinen Horizont zu erweitern, französische Zustände kennen zu lernen und mit der Sprache noch vertrauter zu werden.

Er entschloß sich zum Studium der Jurisprudenz. Die gründliche Gymnasialbildung rückte die Rechtsgeschichte

Zeitschrift für Eechtsgeschichte. XLV. Born. Abt. I I

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lli den Vordergrund seiner Interessen. Die beiden ersten Universitätssemester (Winter 1900/01, Sommer 1901) ver- brachte er in Breslau und fand dort vor allem in Paul Jörs, aber auch in Felix Dahn, der ihn besonders ins Herz ge- schlossen hatte, lebendig anregende Führer seines Strebens.

Im Winter 1901/02 ging er auf den R a t seiner Eltern nach Genf. Unter seinen dortigen Lehrern hat er namentlich Paul Moriaud bis über dessen Tod hinaus dauernde Dank- barkeit bewahrt. Die französische Sprache hat er wohl damals schon vollkommen beherrschen lernen, ist vielleicht auch schon dem französischen Rechte näher getreten. Eine in Breslau gestellte romanistische Preisaufgabe veranlaßte den Vater, ihm die Rückkehr dorthin anzuraten. Seine in einem einzigen Sommersemester (1902) vollendete Be- arbeitung fand hohe Anerkennung und erhielt den Preis;

aus ihr ist die 1906 in wesentlicher Umarbeitung erschienene Abhandlung über die longi temporis praescriptio hervor- gegangen. Durch den Ruf von Mitteis angezogen, siedelte er im Herbst 1902 nach Leipzig über. Hauptsächlich dieser Universität, wo er bis zum Abschluß seines Studiums ver- blieb, dankte er die Tiefgründigkeit und Vielseitigkeit seiner juristischen Bildung. Mitteis war es, der ihn in die Papyrus- forschung, Strohal, der ihn in die tieferen Probleme des Zivilrechts einführte; von Strohais Praktikum hat er mir oft mit Bewunderung gesprochen.

Im Juni 1904 bestand er die Referendarprüfung mit so ungewöhnlicher Auszeichnung, daß der Vorsitzende der Prüfungskommission, ganz gegen die sonstige Übung, das Urteil über seine Leistungen öffentlich verkündete. Drei Tage später folgte die Doktorprüfung. Seine Referendar- arbeit — das offenbar auf seine Person berechnete Thema dafür hatte ihm Jörs gestellt — diente ihm zugleich als Dissertation. Durch ihre Übersendung — es war die Ab- handlung über die Schriftformel im römischen Provinzial- prozeß (1905) — ist er mir zuerst bekannt geworden. Das war wahrlich keine Doktorarbeit des gemeinen Schlags.

Ich war betroffen ob der Fülle des Wissens, die sich darin kundgab, ob der Sicherheit und Selbständigkeit, mit der dieser Anfänger bis dahin unbeschrittene Wege ging und

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neue Perspektiven eröffnete, und schrieb ihm alsbald, er sei für die akademische Laufbahn prädestiniert und be- rufen, die Fackel weiter zu tragen, wenn sie uns Älteren aus der Hand sinke. Er hat mir dies nie vergessen; wenig ahnte ich damals, daß ich dem so viel Jüngeren dereinst den Nachruf schreiben müsse.

Nur kurze Zeit war er nach Ablauf seines militärischen Dienstjahres als Referendar tätig, zuerst zu Freiburg in Schlesien, dann, als sein Vater nach Leipzig berufen wurde, bei dem dortigen Amtsgericht. Während einer militärischen Übung, die ihn vorübergehend nach Breslau zurückgeführt hatte, erreichte ihn, der eben auf der Wachtstube Demosthe- nes' Gerichtsreden las, ein Brief Moriauds mit der Anfrage, ob er geneigt wäre, ein Extraordinariat für römisches Recht in Genf zu übernehmen, dessen Begründung man dort er- wäge. Er glaubte zu träumen; es bedurfte der Ermutigung durch seinen Vater und seinen Lehrer Mitteis, um ihn zur Annahme zu bestimmen. Schon am 5. Januar 1906 erfolgte die Ernennung des kaum Dreiundzwanzigj ährigen ; im

Sommersemester 1906 trat er sein Amt an. Auf der Durch- reise besuchte er mich in meinem damaligen Wohnsitz

Straßburg. Seine Feuer und Leben sprühende Persönlich- keit bestätigte nur den Eindruck, den ich von dem Schrift-

steller gewonnen hatte.

Aber alsbald nach diesem glänzenden Anfang seiner Laufbahn sollte ihn ein schweres Verhängnis treffen. Aus dem schlesischen Kaisermanöver im Herbst 1906, das bei überaus ungünstigem Wetter stattfand, brachte er eine schleichende Lungenentzündung mit. Die Behandlung über- nahm zunächst sein Onkel, der Breslauer Chirurg. Im März 1907 führte ihn sein Vater nach Montreux, und auf den Rat des Lausanner Professors de Cérenville, der, als er den jugendlichen Professor erblickte, erstaunt ausrief:

„Vous n'avez pas perdu votre temps!", entschloß er sich zu einer Kur in der Höhenstation Leysin. Dort mußte er zwei volle Jahre (1907 — 1909) seiner Erholung leben. Aber während so viele andere in solcher Lage geistig erlahmen, benutzte Partsch diese Erholungszeit, um sein epoche- machendes Buch über das griechische Bürgschaftsrecht

II*

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(1909) zu schreiben. Er war dabei angewiesen auf einsame Arbeit im Liegestuhl ! Der Vater, der ihn nur in den Ferien besuchen konnte, ihm aber auch hier wieder als treuer Helfer und Berater zur Seite stand, versorgte ihn mit dem literarischen und inschriftlichen Material. Täglich gingen damals im Winter ein oder auch mehrere Bogen Übersee- papiers mit solchen Exzerpten an ihn ab, Stoff stillen Den- kens oder auch späterer Unterhaltung. Es war die erste eindringende Monographie über ein wichtiges griechisches Rechtsinstitut, und wer die rechtsgeschichtKche und rechts- vergleichende Literatur der seither verflossenen Zeit ver- folgt, begegnet auf Schritt und Tritt den Spuren des Ein- flusses dieser hochbedeutenden Arbeit. Der Gedanke, daß das Schuldversprechen an sich noch keine Haftung erzeuge, daß es dazu noch des besonderen Einsatzes einer Person oder Sache bedürfe, ein Gedanke, der zuerst im germani- schen, von Partsch im altgriechischen Recht erkannt worden ist, hat sich seither als Gemeingut primitiver Kultur er- wiesen.

Vollständig genesen kehrte er nach Genf zurück, das ihm in dieser kritischen Zeit die Treue bewahrt h a t t e ; in strahlender Frische nahm er dort an der herbstlichen Calvinfeier statt und benutzte diesen Anlaß, um der schola Genevensis sein Buch zu widmen. Aber so sehr er Genf liebte, die deutsche Heimat forderte ihn zurück, und sein rechter Platz konnte nur eine große deutsche Universität sein. Schon zu Weihnachten 1909 meldete Strohal den Eltern, daß ihm die Berufung nach Göttingen bevorstand, und zum Sommersemester 1910 siedelte er als Ordinarius dorthin über. Er lernte jetzt zum ersten Mal den Wert kennen, den die Zugehörigkeit zu einer deutschen Voll- universität f ü r einen Gelehrten hat, dessen Interessen sich nicht ganz und gar auf sein engeres Fach beschränken.

Unter den Männern, mit denen er dort in nähere Beziehung trat, nenne ich nur den Ägyptologen Sethe, weil aus der schon damals von Partsch angeregten Zusammenarbeit beider die große Publikation der demotischen Urkunden zum ägyptischen Bürgschaftsrecht hervorgegangen ist, zu

der Partsch den juristischen Kommentar beigesteuert h a t ;

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ans Licht t r a t diese Arbeit, die ihn durch J a h r e be- schäftigte, erst nach dem Weltkrieg (1920).

Nur drei Semester dauerte die Wirksamkeit in Göt- tingen. Zum Herbst 1911 wurde Partsch nach Freiburg berufen, das ihm und seinem jungen Hausstand nun auf lange Heimat werden sollte. Hier knüpften sich die nahen freundschaftlichen und wissenschaftlichen Beziehungen zwi- schen ihm und mir. Es gab kaum einen Gegenstand seiner und meiner Arbeit, den wir nicht zusammen besprochen h ä t t e n ; aber auch mit andern Kollegen unserer und der philosophischen Fakultät — ich erwähne vor andern Eduard

Schwartz — entwickelte sich rege gemeinsame Arbeit.

Mitten in seine rastlos fortgesetzte wissenschaftliche Be- tätigung hinein schlug der Weltkrieg. Jetzt lernte man ihn von einer ganz neuen Seite kennen. Die Folgen seiner Krankheit hatten ihn kriegsdienstuntauglich gemacht ; aber er schuf sich mit der ihm eigenen Energie ein anderes Feld segensreichen Handelns im Dienst des Vaterlands. Es hatte sich sehr bald herausgestellt, daß der Nachrichtendienst über die Vermißten und Gefangenen und die Gefangenen- fürsorge von der einen Berliner Zentralstelle des Roten Kreuzes aus nicht befriedigend geleitet werden konnte.

Nun begann er damit, diese Aufgaben zunächst für die Stadt Freiburg in die Hand zu nehmen. Da ich geraume Zeit unter seiner Leitung mit ihm zusammengearbeitet habe, konnte ich die Entwicklung dieser Organisation aus nächster Nähe beobachten. Er verstand es, sich das Vertrauen des Kriegsministeriums zu verschaffen; er fand neue .Wege sicherer und rascher Kommunikation mit den feindlichen Ländern (wobei ihm seine Fühlung mit der französischen Schweiz von großem Nutzen war) und weckte Entgegen- kommen dadurch, daß er auch dorthin Nachrichten über Gefangene und Verwundete vermittelte ; er ordnete das überaus wichtige Registraturwesen in mustergültiger Weise, gewann allmählich einen ganzen Stab von Mitarbeitern, knüpfte Verbindungen mit ähnlichen Organisationen in andern Städten an. Bald kamen an ihn Anfragen aus dem ganzen Lande, ja auch aus andern Ländern. Aus der Frei- burger Gefangenenfürsorge wurde die amtlich anerkannte

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b a d i s c h e G e f a n g e n e n f ü r s o r g e . Soweit es i h m seine Pflichten als U n i v e r s i t ä t s l e h r e r u n d als H i l f s r i c h t e r b e i m L a n d g e r i c h t i r g e n d g e s t a t t e t e n , w a r er v o n f r ü h bis s p ä t auf d e m P o s t e n , i m m e r gleich hilfsbereit, f r e u n d l i c h , liebenswürdig sowohl seinen M i t a r b e i t e r n wie d e n zahllosen B e s u c h e r n g e g e n ü b e r , die i h n m i t A n f r a g e n ü b e r d a s Schicksal ihrer Angehörigen b e s t ü r m t e n . W a s er h i e r geleistet h a t , wird i h m in B a d e n u n v e r g e s s e n bleiben. D u r c h sorgfältige E i n v e r n a h m e v o n vielen H u n d e r t e n r ü c k k e h r e n d e r K r i e g s g e f a n g e n e r g e w a n n er ein zuverlässiges Bild v o n d e n entsetzlichen Z u s t ä n d e n , die in gewissen französischen G e f a n g e n e n l a g e r n h e r r s c h t e n ; die a u s f ü h r l i c h e n B e r i c h t e , die er d a r ü b e r v e r f a ß t e , ein e r d r ü c k e n d e s A n k l a g e m a t e r i a l , r u h e n h e u t e leider u n b e n u t z t wohl in i r g e n d e i n e m Archive.

G e g e n ü b e r dieser A r b e i t , die a n sich schon ü b e r die K r ä f t e d e r m e i s t e n Menschen ging, m u ß t e w ä h r e n d d e r Kriegszeit die eigentlich wissenschaftliche B e t ä t i g u n g n o t - wendig z u r ü c k s t e h e n . Völlig g e r u h t h a t sie nie. N o c h vor d e m K r i e g (1913) h a t t e er i n d e n S i t z u n g s b e r i c h t e n der Heidelberger A k a d e m i e seine b e d e u t e n d e S t u d i e über die N e g o t i o r u m gestio, i m A r c h i v f ü r P a p y r u s f o r s c h u n g Bd. V die Ü b e r s i c h t ü b e r die juristische L i t e r a t u r der J a h r e 1907 — 11 v e r ö f f e n t l i c h t , in d e r eine u n g e h e u r e A r b e i t s t e c k t . E b e n d a B a n d V I folgt n u n die wichtige A r b e i t ü b e r die δικαιώματα des P a p . Halensis, f e r n e r in d e n Heidelberger Sitzungs- b e r i c h t e n 1916 seine E d i t i o n d e r j u r i s t i s c h e n P a p y r i der F r e i b u r g e r S a m m l u n g , endlich sein a u s d e r G e f a n g e n e n - f ü r s o r g e h e r v o r g e w a c h s e n e r trefflicher K o m m e n t a r zu der B . R . - B e k a n n t m a c h u n g über die T o d e s e r k l ä r u n g Kriegs- verschollener. G e a r b e i t e t h a t er aber a u c h d a n e b e n n o c h auf d e n v e r s c h i e d e n s t e n Gebieten, n a m e n t l i c h a u c h a n d e m K o m m e n t a r zu d e n d e m o t i s c h e n U r k u n d e n , der M i t t e 1915 d r u c k f e r t i g vorlag.

E i n e n R u f n a c h Leipzig l e h n t e er ab, obwohl der W u n s c h , seinen E l t e r n n a h e zu sein, i h n a u f s s t ä r k s t e d o r t - h i n zog. A n d e r e h ä t t e schon die Aussicht auf die große Stellung, die i h m d o r t w i n k t e , v e r l o c k t ; a b e r der gewöhn- liche K a r r i e r e e h r g e i z w a r i h m f r e m d . E r l e h n t e , im E i n - v e r s t ä n d n i s m i t seinem V a t e r , ab, weil n a c h beider Ü b e r -

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zeugung ein Gelehrter, dessen Hauptrichtung sich so sehr mit der von Mitteis deckte, nicht zur Ergänzung von dessen Wirksamkeit geeignet war. Als nun aber im Jahre 1917 eine neue Berufung — nach Bonn — an ihn erging, ent- schloß er sich nach langer schwerer Überlegung zur An- nahme, wiederum aus rein sachlichen Gründen, wesentlich bestimmt durch die Hoffnung, dort seine Lehrtätigkeit freier und darum tiefer wirkend als in Freiburg gestalten, auch auf die drohende „Reform" des juristischen Studiums in Preußen größeren Einfluß gewinnen zu können, als dies von Freiburg aus möglich war. Er knüpfte aber, haupt- sächlich mit Rücksicht auf die Gefangenenfürsorge, die An- nahme an die Bedingung, daß er das neue Amt erst nach dem Friedensschluß anzutreten brauche, so daß er Freiburg bis zum Jahr 1920 erhalten blieb. In die letzte Freiburger Zeit fällt die Entstehung der kleinen Abhandlung über den gerade damals publizierten Gnomon des Idios Logos, deren Text von mir geschrieben, der Inhalt aber in gemeinsamer Beratung festgestellt wurde, ein Zeugnis unserer nahen Freundschaft.

Der Abschied fiel ihm schwerer als die Meisten ahnten.

Als er am 30. März — genau 5 Jahre vor seinem Tode — Freiburg Lebewohl gesagt hatte, schrieb er mir noch am gleichen Tage von Karlsruhe aus: „Als heute morgen der Zug die Halle verließ und ich Sie aus den Augen verlor, habe ich nur mit Mühe die notdürftig bis zum letzten Augenblick erhaltene Fassung noch bewahrt . . . Ich scheide heute mit derselben Wehmut, mit der ich einst auf das Zusammenleben mit meinem Vater verzichtete, der mich dringend gebraucht hätte, als ich Leipzig ablehnte."

Und durch all diese ihm noch gegönnten 5 Jahre hat er mich in rührender Anhänglichkeit ausführlich über alles unterrichtet, was ihn menschlich oder wissenschaftlich be- wegte und beschäftigte. Seine Briefe an mich bilden ein stattliches Konvolut.

Er hätte sich in Bonn ein bequemes Leben bereiten können; aber dazu war er nicht geschaffen. Immer neue Gedanken und Pläne tauchten in seinem rastlos arbeitenden Geiste auf, und was ihn einmal gefaßt hatte, ließ ihn nicht

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mehr los; er mußte den Weg gehen, den ihm sein Genius wies. Es war seine von mir geteilte Überzeugung, daß das römische Recht die Grundlage unserer juristischen Bildung bleiben müsse, daß, „wer nur bürgerliches Recht und Z.P.O.

kenne, ein für die Praxis unbrauchbarer Schuster sei", und er hielt es für Pflicht, gegenüber der von oben herab betriebe- nen „planmäßigen Sabotierung der gelehrten Bildung" dieser Überzeugung öffentlich Ausdruck zu geben; so entstand seine kleine Schrift über den Beruf des römischen Rechts in der heutigen Universität (1920). Er war schon längst dem Einfluß nachgegangen, den die Theoreme der byzanti- nischen Rechtsschulen auf das Justinianische Recht geübt h a t t e n ; jetzt vertiefte er diese Studien und kam dadurch zu der Frage, wie die Entstehung jener Theoreme zu er- klären sei. Zu deren Beantwortung zog er nicht nur die Aristoteleskommentare heran, sondern auch die Theologen der sog. Antiochenischen Schule, den Johann Chrysostomus, den Theodorus von Mopsuestia usw. Da kommt man, schrieb er mir, auf die Farbentöpfe, aus denen die Leute von Berytos ihre Pinsel sättigten, mit denen sie die klassi- schen Texte übermalten.1) Der Verkehr mit Thurneysen, dem hochbedeutenden Sprachforscher, vermittelte ihm die Kenntnis der altirischen Rechtsquellen, in denen er merk- würdige Analogien zum altrömischen Recht entdeckte, — der Senchus Mor kehrt in seinen Briefen immer wieder.

Das f ü h r t e zu gemeinsamer Arbeit mit Thurneysen. „Zur Beschäftigung mit den altirischen Rechtsquellen", schreibt Thurneysen; „die mir zunächst ein Buch mit sieben Siegeln schienen, bin ich durch meinen juristischen Kollegen Prof.

Partsch angeregt worden. Auf seine Veranlassung kamen wir fast ein J a h r lang jede Woche einen Nachmittag zu- sammen und übersetzten zunächst die alten Haupttexte frisch drauf los, wozu er seine umfassende Kunde der ver- schiedensten Volksrechte, ich mein bißchen Kenntnis des Irischen mitbrachte." Ein Teil der hierbei erzielten Er- gebnisse liegt in Thurneysens Abhandlung über altirisches Recht vor, der auch das obige Zitat entnommen ist (Zschr.

!) Vgl. S.Z. XLIII S. XVI.

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f. celtische Philologie X I V 335); vieles wird, fürchte ich, für immer verloren sein. Neben der rechtsgeschichtlichen Forschung stehen die Interessen der Gegenwart, die sich mit immer größerer Gewalt an ihn herandrängen. Er hat die Gefahren erkannt, die in der Isolierung der deutschen Jurisprudenz gegenüber den fremden Rechten liegen, und beginnt, sich die Kenntnis des englischen Rechtes anzu- eignen. Schwer bekümmert ihn die verhängnisvolle Recht- sprechung der gemischten Schiedsgerichte, die unter dem Einfluß der Franzosen mit den Methoden einer formalen Rechtslogik aus dem Friedensdiktat von Versailles immer neue Haftungen Deutschlands herauskonstruierte, und als- bald tritt er mit der ganzen Kraft seines Wissens und Könnens in deutscher und französischer Sprache literarisch auf den Plan. Seinen ersten Vorstoß führt er in der aus- gezeichneten, man darf sagen: vernichtenden Rezension des Gidel-Barraultschen Kommentars zum Friedensvertrag ( Jur.

Wschr. v. 15. Nov. 21). Neben alledem läuft, von noch anderem zu schweigen, die Arbeit für die Vorlesungen und das Seminar, die ihn sehr interessierende Tätigkeit bei Ge- richt, über die er mir wiederholt eingehend berichtete, die Fertigstellung der beiden Abhandlungen über das Schein- geschäft im römischen Recht (S.Z. X L I I ) und über die griechische Publizität der Grundstücksverträge (in der Frei- burger Festschrift), mit denen er mich zu meinem Doktor- jubiläum beschenkte, läuft die Durcharbeitung neuer Papy- ruspublikationen, die Tätigkeit in der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, wo er den Vorsitz des Verlags- ausschusses führt. Man begreift nicht, wie ein einzelner Mensch dies alles bewältigen konnte.

Kein Wunder, daß er sich nach Entlastung sehnt. Statt dessen übernimmt er nach Mitteis' Tode noch die Herausgabe der S.Z., und es tritt schon 1921 die Frage der Übersiede- lung nach Berlin an ihn heran. Daran war nicht bloß die dortige Fakultät interessiert. Wer Augen hatte zu sehen, mußte erkennen, daß er der Mann war, in dessen Hand die Wahrung der deutschen Interessen bei den gemischten Schiedsgerichten gelegt werden mußte. Wirksame Arbeit in dieser Richtung aber war nur am Sitz der Zentralbehör-

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den, vor allem des Auswärtigen Amtes, möglich. So ver- brachte er denn schon den Februar 1922 in Berlin in an- gestrengter Arbeit über die schwebenden Fragen. Im Mai meldete er mir von Bonn aus, er habe den Berliner Ruf angenommen, ohne jede Freude. Er sehe voraus, schrieb er mir, daß er das bißchen Menschentum, das er bei seiner fürchterlichen Überlastung in Bonn noch retten konnte, nunmehr in Berlin vollends werde opfern müssen. Ihn be- stimmte außer dem Gedanken, auf dem Gebiete des Frie- densvertrages seine Pflicht tun zu müssen, auch noch die leider vergebliche Hoffnung, „die törichte Studienreform"

zum Scheitern zu bringen. Der Mann, der bald auf dem internationalen Kampfplatz beweisen sollte, was das am römischen Recht geschliffene Schwert der juristischen Bil- dung bedeute, hatte wohl ein Recht, sich so zu äußern.

Am 21. August schreibt er mir von Berlin aus: „Ich sitze ohne Ferienerholung wieder hier bei der Arbeit." Auf welchen Wegen er in Berlin vorging, ist mir nicht bekannt;

ich weiß auch nicht, wie es mit der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes damals bestellt war. Aus der Zeit Erzbergers sind mir Schriftstücke dieses Amtes bekannt, die eine grauenhafte Unkenntnis des französischen Rechts und der französischen Rechtssprache offenbaren. In- zwischen war ohne Zweifel eine Wendung zum Besseren eingetreten; sonst hätte man Partsch nicht herangezogen und hätte man ihm nicht Vertrauen und Unterstützung gewährt. Es gelang ihm, geeignete Mitarbeiter zu finden, und so organisierte er, wie einst in Freiburg die Gefangenen- fürsorge, so jetzt eine zentrale Informations- und Arbeitsstätte für die Angelegenheiten der Tribunaux arbitraux mixtes. Aus dieser Zentralstelle, die er bis zu seinem Tode geleitet hat, sind eine ganze Reihe wertvoller Veröffentlichungen hervor- gegangen, zum Teil von Partsch selbst1), zum Teil unter seiner Anleitung verfaßt. Aber diese Veröffentlichungen

x) Ich führe hier seine Arbeiten zum Friedensvertrag, abgesehen von der bereits erwähnten Rezension, auf, soweit sie bis jetzt im Druck erschienen sind. 1. Die Weiterentwicklung des Versailler Diktates durch Frankreich im Jahre 1921 (Recht u. Wirtschaft 1922). 2. Le dogme de la responsabilité générale et incontestée de l'Allemagne (Art. 231 du

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stellen nur einen kleinen Teil der dort im Dienst des Vater- lands geleisteten ungeheuren Arbeit dar. Um einen Begriff von dem Maß dieser Arbeit zu geben, führe ich aus einem Briefe vom 16. August 1923 die Worte an: „In Berlin war mein letztes Semester arbeitsreich und zerfahren. Ich hatte große Freude an der gutgehenden Digestenexegese und am Seminar über den Friedensvertrag, las daneben den all- gameinen Teil des Obligationenrechts und Erbrecht. Die eigene Hauptarbeit galt der wissenschaftlichen Vorbereitung für die Verteidigung des Reichs im Verfahren über Artikel 260 des Versailler Vertrags Da habe ich ein französisches Memoire von 64 Seiten und einen Anlageband von etwa 70 Folioseiten mit einer großen Menge eigen- artiger Untersuchungen fertiggemacht." Und am 27. De- zember 1923 schreibt er, indem er zugleich über seine Vor- lesungen und sein Seminar, als Herausgeber und Mitarbeiter der S.Z., über seine Vorbereitung des Interpolationen- index u. a. berichtet: „Ich bin verzweifelt, meine eigenen Forschungsgegenstände (er meint die Probleme des römi- schen und griechischen Rechts) nicht so energisch betreiben zu können, wie ich gerne wollte. Ich habe fortwährend weitergearbeitet." Er möchte von den großen Examens- vorlesungen loskommen und Kollegien nach seinem persön- ichen Sinne halten, über das prätorische Edikt, griechisches

1

traité de Versailles) 1922. Auch deutsch in der D.J.Z. v. 1. April 1922.

3. Die Haftung des Deutschen Reiches für die Mobilien französischer Eigentümer nach dem Friedensvertrage (Zschr. f. Völkerr. XII, 1922).

4. Die Auflösung der Vorkriegsverträge nach § 299 a des Vertrages von Versailles. Grundlagen für die Textgeschichte und für die Auslegung (Z. f. internat. Recht. XXIX, 1922). 5. Die Auflösung der Vorkriegsver- träge und die Geldverbindlichkeiten 1922. 6. Welcher Zeitpunkt kommt für die Berechnung des Wertes bei Liquidationen von Sachinbegriffen im Verhältnis zu England in Frage ? (Z. f. Völkerr. XII, 1922). 7. Die ausi. Literatur auf dem Gebiete der privatrechtl. Wirkungen des Friedens- vertrages (Krit. Vjschr. LVI, 1923). 8. Die Anwendung des V. V. auf die beim Ausbruch des Krieges in deutschen Häfen zurückgebl. Schiffe der ehemals feindlichen Mächte (Weltwirtsch. Arch. XIX, 1923). 9. Die Befriedigung v. Forderungen aus d. Erlös im Ausi, liquid, dtsch.

Vmgs, 1923. 10. Die Mixed Claims Commission in Washington (Aus- landsr. V, 1923/24). 11. Das Schiedsverfahren über das deutsche Aus- landsvermögen (ebenda).

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Obligationenrecht („das letztere ist schon fertig für die Vorlesung ausgearbeitet und könnte jederzeit von mir mit aller Lebendigkeit vorgetragen werden"). Pläne, die durch die Erkrankung und den Tod Seckeis leider vereitelt worden sind. Vierzehn Tage später ist er in Paris, um dort gegen die Reparationskommission zu plädieren. Die französi- schen Anwälte mögen sich nicht wenig gewundert haben, einen agent du gouvernement allemand sich gegenüber zu finden, der ihre Sprache handhabte wie sie selbst, schlag- fertig darin auch zu replizieren wußte, als Jurist aber ihnen ohne Zweifel weit überlegen war. „In Paris", so schrieb er mir am 19. Februar 1924, „habe ich sehr an- regende Wochen gehabt, habe mich mächtig gerührt und an der eigenen Kraft und einer zweifellosen günstigen Stellung in der mündlichen Verhandlung sehr viel Freude gefunden. Ich hoffe, daß die Sache für uns nicht schlecht steht Es war doch eine eigentümliche Sache, in Form von etwa 30 Stunden Anwaltplädoyers den Inhalt eines Riesenwerkes vorzutragen. Die Sachen sind gut ge- gangen. Ich habe mich besonders vor den Anwälten der Reparationskommission nicht geniert. Die französische Gerichtssprache hat meine Geistesgegenwart nur beflügelt, so daß ich zukünftigen Gelegenheiten mit großer Ruhe entgegensehen kann." Er hatte die große Anstrengung nicht vergebens unternommen. Der Schiedsspruch fiel im wesentlichen in seinem Sinne aus. Besonders freute es sein schlesisches Herz, daß es gelungen war, uns die Berg- rechte in dem geraubten Oberschlesien, die man uns hatte abnehmen wollen, zu erhalten. Ahnliche Arbeit großen Stils läuft durch das ganze Jahr 1924. Im Sommer ist er als juristischer Beirat für die deutsche Industrie, wiederum erfolgreich, in Paris; es handelt sich um das Industrie- belastungsgesetz, um „die teuflische Angelegenheit der 5 Milliarden Industrieobligationen". In gleicher Zeit plä- diert er in Genf vor seinem ehemaligen Lehrer und Kol- legen Moriaud den großen Prozeß der Lebensversicherungs- gesellschaften und vor dem deutsch-französischen Schieds- gericht die Angelegenheit der 135 Millionen Mark freier Anlagen der Dette Publique Ottomane in Deutschland.

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Die Klage auf die 135 Millionen wurde abgewiesen; die Entscheidung über den Prozeß der Lebensversicherungs- gesellschaften ist mir nicht bekannt. „Jetzt", so schreibt er am 19. Juli, „kehre ich sehr vergnügt an den Schreib- tisch zurück und erledige ein großes MS. für das Arch, f. Papyrusforschung, um nachher noch einen Aufsatz für die S.Z. in Angriff zu nehmen". Und in einem Brief vom 9. Oktober, worin er meldet, daß seine Frau und er von einer dreiwöchentlichen Erholungsreise nach dem Enga- din und Oberitalien „sehr frisch und fidel" heimgekommen seien, heißt es: „Gegenwärtig schließe ich eine größere Ab- handlung über den französischen Vorentwurf zum V.V., in der ich notwendigerweise die Materialstudien zum V.V.

zusammenfassen muß."1) Einem weiteren Brief vom 18.No- vember entnehme ich: „Ich saß den ganzen Sonntag an den Fragen des agere per sponsionem. Das Reizvolle an diesen Studien ist, daß wir jetzt bei allem diesem weiter sehen durch bessere Rechtsvergleichung." In dem gleichen Brief berichtet er über den Stand des Interpolationenindex, über die „gereinigte und sehr tüchtige Rechtsprechung"

des deutsch-italienischen Schiedsgerichts und gedenkt mit freudiger Anerkennung der Verdienste, die sich Rabel dort um Deutschland erworben habe. Ihn selbst zieht es trotz der großen Erfolge seiner praktischen Tätigkeit zur wissen- schaftlichen Arbeit zurück, der ihn jene allzulange fern ge- halten habe. „Aber wenn ich die Bilanz ziehe, bedauere ich es nicht. Wir müssen den Leuten, die im Felde gefallen sind, die Treue halten und weiter für das Land fechten, so gut es eben geht. Der Franzose hat mir einmal im Januar gesagt :

La guerre n'est pas finie pour nous. Danach handle ich."

Dies ist der letzte ausführliche Brief, den ich von seiner Hand besitze. Die Vorbereitung des im März 1925 bevorstehenden neuen Plädoyers vor dem deutsch-belgi- schen Schiedsgericht wird ihn wohl stark in Anspruch ge- nommen und das aufreibende Hin und Her des Berliner

1) Diese überaus wichtige Arbeit wird demnächst veröffentlicht werden, ebenso eine zweite über das Privatrecht des Versailler Vertrags, über die er mir nicht mehr geschrieben hat.

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— XVIII —

Lebens an ihm gerüttelt haben. Mir ist erzählt worden, es sei ihm in den letzten Zeiten begegnet, daß er über der Arbeit plötzlich auf kurze Zeit einschlief, und bei jenem Plädoyer habe er, was früher nie der Fall war, mitunter nach Worten suchen müssen. Er beachtete diese warnen- den Vorzeichen nicht, und Freunde, die ihn noch zuletzt besuchten, bemerkten kein Nachlassen seiner geistigen Kraft und Frische. Er nutzte den Tag, da er noch wirken konnte, und niemand ahnte, daß die Nacht so nahe war. Das Plädoyer fand wie bestimmt im März d. J. zu Paris statt.

Von dort fuhr er nach Genf, um hier den literarischen Nach- laß Moriauds zu sichten und dann mit seiner Gattin einige Tage der Erholung zu widmen. Sie traf Sonntag, den 29. März, in der Frühe ein und wurde von ihm, trotzdem er sich angegriffen fühlte, noch am Bahnhof abgeholt. Im Lauf des Tags verschlechterte sich sein Befinden; der her- beigerufene Arzt sah aber keine unmittelbare Gefahr. In der Nacht begann er phantasierend französisch zu plädieren.

Am 30. frühmorgens traf ihn der tödliche Schlaganfall.

So endete dies reiche Leben. Der Ertrag von Partschs Arbeit konnte in den Grenzen dieses Nachrufes nur an- gedeutet, nicht entfernt erschöpfend gewürdigt werden.

Vieles, auch Wichtiges, mußte hier übergangen werden;

ich nenne nur seine zahlreichen bedeutenden, überall die Sache fördernden Rezensionen in den Gött. Gel. Anz., seine ausführliche, tief eindringende Besprechung meines Edikts in der S.Z., die Abhandlung über den griechisch-römischen Einschlag in der Geschichte des Wertpapiers in der Zschr.

f. Handelsrecht. Er war ein Mann von ungeheurem Wissen, phänomenalem Gedächtnis, unermüdlicher Arbeitskraft und leidenschaftlicher Arbeitslust, das alles in den Dienst aus der Tiefe quellender Produktivität gestellt. Philologische Akribie, Sauberkeit, wie er es zu nennen liebte, verbindet sich bei ihm mit genialer Phantasie. Wüßte man es nicht ohnehin, so könnte man aus seinen Schriften lernen, daß auch der Jurist, vor allem der Rechtshistoriker, der Phan- tasie bedarf, um Großes zu leisten. Sie schlägt die Brücken, fügt die zerstreuten Trümmer der Überlieferung zum festen Bau zusammen. Man vergegenwärtige sich nur etwa, wie

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— XIX —

Partsch im Eingang seines griechischen Bürgschaftsrechts aus der homerischen Erzählung von Ares und Aphrodite, die wir andern hundertmal gelesen hatten, ohne uns viel dabei zu denken, das Wesen der ältesten εγγνη entwickelt und dazu dann das germanische Haftungsrecht in über- zeugende Parallele bringt, oder wie er in dem Kommentar zu den demotischen Urkunden so ganz nebenbei Licht über die römische Prädiatur verbreitet.

Eine Persönlichkeit wie die Partschs darf nicht mit dem gemeinen Maßstab des Philisters gemessen werden.

Was ist nicht alles über ihn gesagt worden! Man hat ihm Eitelkeit vorgehalten, mit größtem Unrecht. E r hätte frei- lich blind und taub sein müssen, um sich seiner Kraft und Überlegenheit nicht bewußt zu werden. Aber wenn er gerne von seiner Arbeit und seinen Arbeitszielen sprach, so war das nicht Eitelkeit, sondern bei seinem sprühenden Tempe- rament die natürliche Begleiterscheinung einer unablässig schaffenden Produktivität: Brave freuen sich der Tat. Ich verdanke, das bekenne ich gerne, diesem Äußerungsdrang zu viel, um ihn in seinem Bilde missen zu wollen. Daß er nicht in Ehrfurcht vor jeder akademischen oder sonstigen Größe des Tags erstarb, mag ihm übelnehmen, wer selber diese Ehrfurcht wünscht oder übt. Manche haben gar in diesem nicht bloß genialen, sondern auch guten und liebens- würdigen Menschen einen rücksichtslosen Egoisten sehen wollen, ein Schicksal, das er mit Goethe teilt. Aber ihn zwang der Dämon, seine Arbeit zu tun, und wer von sich selbst alles verlangt, wer für seine Ziele die eigene Kraft bis zum letzten hergibt, der darf um dieser Ziele willen auch von andern vieles verlangen, was nicht jeder zu fordern berechtigt wäre. Und wie sollte der ein Egoist gewesen sein, der die ihm teuren wissenschaftlichen Aufgaben Jahre hindurch hinter dem Dienst der Menschenliebe zurücktreten ließ, seinen Lehrern und Freunden unwandelbare treueste Anhänglichkeit bewahrte! Bequem sind solche heischende Naturen freilich nicht: der große Mensch braucht überall viel Boden. Wie hätte er vollbringen können, was er voll- bracht hat, wenn er sich jeder Forderung der Alltäglichkeit gefügt hätte!

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— XX —

Partsch soll einst den Wunsch geäußert haben, un- berührt von den Gebrechen des Alters zu sterben, und wohl ist glücklich zu preisen, wen ein rascher Tod in der Fülle seiner Kraft, auf der Höhe seines Daseins hinwegnimmt.

Uns aber bleibt das erschütternde Bewußtsein eines kaum zu ermessenden Verlustes, die tiefe Trauer um den dahin- gegangenen Freund, den tapfern Vertreter seines Vater- landes, den glänzenden Lehrer, dem es wie wenigen gegeben war, Begeisterung für die Wissenschaft zu wecken, den schöpferischen Gelehrten, in dessen Haupte der Gedanken und Entwürfe noch so viele schlummerten, die nun unaus- geführt und unwiederbringlich mit ihm ins Grab ge- sunken sind.

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