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3  Literaturwissenschaftliche Utopiekonzepte und die Dynamiken der Utopie

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spondiert abermals mit dem Verlauf des Utopiebegriffs. Auch dieser entwickelt sich im frühen 20. Jahrhundert von einer politischen Vokabel zu einer Gattungs- bezeichnung sowie zu einer ästhetischen Kategorie und Bezeichnung einer menschlichen Disposition. Es lässt sich, überblickt man die gesamte Periode von 1848 bis 1930, die mit einer weitgehenden Abwesenheit von Utopien beginnt und mit der Vernichtung ihre Dynamik durch den Faschismus endet, also eine Zäsur feststellen, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts ereignet und die sowohl die Entwicklung des Utopiebegriffes, die Intensität und Vielfalt der Produktion von Utopien als auch den disziplinären Standort der Utopiedebatten betrifft. In einer parallelen Bewegung lassen sich um diese Zeit eine Aufwertung des Begriffes Utopie, die Rehabilitierung der Gattung Utopie sowie die Rückkehr der Debatten über Utopie in den Bereich der Ästhetik beobachten.

3  Literaturwissenschaftliche Utopiekonzepte und die Dynamiken der Utopie

In der Zeitschrift Erwägen, Wissen, Ethik entspinnt sich 2005 auf der Grundlage eines Artikels des deutschen Politikwissenschaftlers Richard Saage, »Plädoyer für den klassischen Utopiebegriff«, eine heftig geführte Debatte über Vor- und Nachteile zweier rivalisierender Utopiebegriffe.34 Sie deutet auf eine der markan- testen Besonderheiten der deutschsprachigen, genauer: germanistischen Utopie- forschung überhaupt hin; jene, dass in ihr zwei Konzepte von Utopie koexistie- ren: zum einen das Verständnis von Utopie als einer Gattung, zum anderen das von Utopie als einer Textqualität (›utopische Potenziale‹ eines Textes).

Zu den Ausgangspunkten der vorliegenden Studie zählt die Beobachtung, dass die literaturwissenschaftlichen Instrumentarien, um das zwischen 1848 und 1930 in zweifacher Hinsicht dynamische Profil der Gattung Utopie zu beschreiben, nicht ausreichend ausgebildet sind. Hiervon ausgehend sollen nun im Übergang von einem historischen zu einem systematischen Abschnitt die beiden in der Lite- raturwissenschaft zirkulierenden Konzepte von Utopie rekonstruiert und mit Blick auf die Erkenntnisinteressen der Arbeit dargestellt werden. Dabei gilt es aufzu- weisen, inwiefern bisherige Utopiekonzepte blinde Flecken gegenüber den spezi- fischen Leistungen der Gattung Utopie produziert haben, welche die vorliegende Studie entfaltet, und weiter, an welche Vorarbeiten sie dennoch anschließen kann.

34 Richard Saage: Plädoyer für einen klassischen Utopiebegriff (sowie Repliken diverser Auto- ren zu diesem Plädoyer). In: Erwägen, Wissen, Ethik 3 (2005), S. 291–355.

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3.1  Utopie als Gattungsbegriff: Das Problem der Gattungsbewegungen

Betrachtet man Überblicksdarstellungen der germanistischen Utopieforschung der letzten drei Jahrzehnte,35 zeigt sich, dass mit den Gattungsbegriffen der

›Utopie‹, später der ›literarischen Utopie‹ (Klaus L. Berghahn/Hans Ulrich Seeber), der ›utopischen Erzählung‹ (Ludwig Stockinger)36 oder des ›utopischen (Staats-)Romans‹ (Hiltrud Gnüg) ein bestimmter Korpus von Texten bezeich- net wird, der einen Kernbestand immer wieder genannter Autoren und Werke umfasst.37 Obwohl in diesen Studien oftmals dieselben Werke angeführt sind, unterscheiden sich die Argumente, mittels derer die jeweils genannten Einzel- texte zu einer ›Gattung Utopie‹ gebündelt werden. Hieran schließt sich die Frage, anhand welcher Kriterien diese Einzeltexte zusammengefasst werden, besonders welches Profil der Gattung Utopie dadurch jeweils entworfen wird, das heißt mit Blick auf die Leitthesen dieser Studie: inwiefern sich bereits Ansätze beobach- ten lassen, die Gattung als eine dynamische Form zu beschreiben. Dieser Frage soll im nun Folgenden nachgegangen werden, indem besonders aufschlussreiche Beiträge der Forschung skizziert und aufeinander bezogen werden.

35 Ausgewertet wurden die folgenden sechs Überblickswerke: Voßkamp (Hg.): Utopiefor- schung. 3 Bde. 1982; Klaus L. Berghahn und Hans Ulrich Seeber (Hg.): Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart. Königstein/Ts.: Athenäum 1983; Hiltrud Gnüg: Der utopische Roman.

München, Zürich: Artemis 1983; Müller: Gegenwelten. 1989; Horst Albert Glaser: Utopische In- seln. Beiträge zu ihrer Geschichte und Theorie. Frankfurt a./M.: Lang 1996; Michler: Träume der Vernunft. 2000.

36 Stockinger: Ficta Respublica. 1981.

37 Aus der deutschsprachigen Literatur werden (an dieser Stelle nur in Kurzzitaten angeführt) besonders folgende Texte genannt: Johann Valentin Andreae: Christianopolis (1619); Wieland:

Der goldne Spiegel (1772); Heinse: Ardinghello und die glückseeligen Inseln (1787); Johann Gott- fried Schnabel: Die Insel Felsenburg (1731–1743); Johann Michael von Loёn: Der redliche Mann am Hofe (1740); Friedrich Leopold Graf von Stolberg: Die Insel (1788); Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795) und Alfred Kubin: Die andere Seite (1909). Aus anderen Nationalliteraturen werden angeführt: Morus: Utopia (1516); Campanella: Civitas Solis (1623); Bacon: Nova Atlantis (1627); Defoe: Robinson Crusoe (1719); Louis-Sébastien Mercier: L’An Deux Mille Quatre Cent Quarante (1771); Bellamy: Looking Backward 2000–1887 (1888); Wells:

The Time Machine (1895); Aldous Huxley: Brave New World (1932) sowie George Orwell: Nineteen Eighty-Four (1949).

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3.1.1  Diachrone Bewegungen und Bewegungen in andere Gattungen

In Arbeiten der 1980er-Jahre, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem

›Bielefelder Forschungsprojekt‹ Funktionsgeschichte literarischer Utopien in der Neuzeit stehen, wurden Ansätze entwickelt, die Gattung durch die Nennung von konstanten Merkmalen in einer umfassenden Weise zu definieren.38 In dem 1983 publizierten Sammelband Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart schlagen Berghahn/Seeber vor, die folgenden drei Kriterien als für die Gattung konstituierend zu erachten. Die »literarische Utopie« entwerfe erstens eine alter- native Ordnung des menschlichen Zusammenlebens; diese andere Ordnung verweise zweitens kritisch auf Missstände der jeweiligen Gegenwart; die Texte würden sich drittens einer »Rhetorik der Fiktion« bedienen, »die durch die Ver- sinnlichung des Abstrakten (Beschreibung, Narration, Dialog) dem Entwurf die Illusion des Wirklichen und ›Wahrscheinlichen‹ gibt«.39 Diese Gattungsdefinition gründet sich also auf einen inhaltlichen, einen funktionalen und einen formalen Aspekt: die Darstellung eines Gesellschaftsmodells, die Kritik an der Gegenwart sowie die Verbindlichkeit fiktionaler Darstellungsweisen.40

38 Vgl. aus dem ›Bielefelder Kontext‹ auch: Hans-Joachim Mähl: Der poetische Staat. Utopie und Utopiereflexion bei den Frühromantikern. In: Utopieforschung. Hg. von Voßkamp. Bd. 3. 1982, S. 273–302; 274. Es handelt sich hierbei um eine gekürzte Fassung seiner 1965 publizierten Dis- sertation: Die Idee des Goldenen Zeitalters im Werk des Novalis. Studien zur Wesensbestimmung der frühromantischen Utopie und zu ihren ideengeschichtlichen Voraussetzungen. Heidelberg:

Winter 1965. Zu den aktuelleren Studien, welche die Gattung in einer vergleichbaren Weise durch die Nennung konstanter Merkmale definieren, zählen: Frank Baudach: Planeten der Unschuld – Kinder der Natur: die Naturstandsutopie in der deutschen und westeuropäischen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts. Tübingen: Niemeyer 1993; ähnlich auch: Hildegard F. Glass: Future Ci- ties in Wilheminian Utopian Literature. New York u. a.: Lang 1997; Franziska Hug: Die Gattung der Utopie im Wandel. Samuel Butlers Erewhon und George Orwells Nineteen Eighty-Four als Beispiele. Trier: Wissenschaftlicher Verlag 2007; Ulrike Rotmann: Geschlechterbeziehungen im utopischen Roman. Analyse männlicher Entwürfe. Würzburg: Königshausen & Neumann 2003.

Auch in der neueren politikwissenschaftlichen Utopieforschung wird mit einem vergleichba- ren Gattungsbegriff operiert: Andreas Heyer: Bibliographie der Forschungsliteratur. ( = Heyer:

Sozial utopien der Neuzeit. Bibliografisches Handbuch. Bd. 1) Münster: LIT 2008, S. 5. Heyer orientiert sich an Saages Utopiebegriff.

39 Berghahn, Seeber (Hg.): Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart. 1983, S. 17.

40 Berghahn, Seeber (Hg.): Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart. 1983, S. 95. An- hand derselben drei Aspekte gelangt auch Stockinger in Ficta Respublica etwa zeitgleich zu einem Gattungsbegriff der Utopie.Allerdings geht Stockinger einen Schritt weiter, wenn er die genannten Aspekte in einen funktionalen Zusammenhang stellt. Das primäre Charakteristikum der Gattung sieht er nämlich in ihrer Rolle, den Leser von der Negativität seiner Wirklichkeit zu

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Zur Einordnung dieses Ansatzes ist es notwendig, seinen wissenschaftsge- schichtlichen Standort zu bedenken: Es handelt sich um eine Pionierarbeit der germanistischen Utopieforschung, deren Veranschlagen eines ›größten gemein- samen Nenners der Gattung‹ der Notwendigkeit geschuldet ist, einen zum dama- ligen Zeitpunkt von der Germanistik noch zu wenig erfassten Gegenstand in seiner Breite überhaupt erst in den Blick zu rücken. Gattungsbewegungen, also verschiedene Varianten von Utopie, werden in dieser Studie, die fast sechs Jahr- hunderte umfasst – ihr Untertitel lautet ›Von Morus bis zur Gegenwart‹ –, nur in diachroner Perspektive erfassbar. Wenn auch nicht eingehend behandelt, werden durch diesen weit gefassten Utopiebegriff historische Gattungsbewegungen ange- sprochen.

Während ein solcher Gattungsbegriff in den frühen 1980er-Jahren notwen- dig war, um einen historisch weit verästelten Gattungszusammenhang über- haupt erst zu konstituieren, birgt er in Studien aus Folgejahrzehnten die Gefahr, die Utopie als eine gänzlich unbewegliche und starre Gattung zu entwerfen.

Das ist immer dann der Fall, wenn ein derartiger Gattungsbegriff auf einen ver- gleichsweise engen historischen Zeitraum angewendet wird und nicht zum Aus- gangspunkt genommen wird, um verschiedene Textprofile zu unterscheiden.

Beispielhaft hierfür ist die in anderer Hinsicht verdienstvolle Untersuchung von Affeldt-Schmidt, die einen aus sieben Texten bestehenden Korpus aus der Zeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter dem allgemeinen Gattungsbegriff der ›Fortschrittsutopie‹ fasst: Fortschrittsutopien »sind fiktionale Texte in der Gattungstradition der literarischen Utopie seit Thomas Morusʼ ›Utopia‹, die im deutschsprachigen Raum im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluß des zeitgenössischen Fortschrittsglaubens und der damit einhergehenden Dyna- misierung des Geschichtsverständnisses ihre Gattungsformen und -intentionen ausprägen«.41 Problematisch ist, dass Affeldt-Schmidt ihren Gattungsbegriff normativ einsetzt und über die von den Texten selbst gebildeten Bezüge stellt.

Sogenannte »Responsion[en]«,42 Utopien, die markiert auf andere Utopien ant- worten, werden nicht als Teil der Gattung anerkannt. Das hat zur Folge, dass syn- chrone Bewegungen innerhalb der Gattung, die aufgrund des engen Zeitraums der Studie beschreibbar wären, gekappt werden.

Aus der Besprechung der beiden Studien wird ein Problem ersichtlich, das weniger die Kriterien der skizzierten Gattungsbegriffe als das ›handling‹

überzeugen (funktional). Die anderen beiden Aspekte (Inhalt und Form) ordnet Stockinger dem Erreichen dieser Leserwirkung unter. Vgl. Stockinger: Ficta Respublica. 1981, S. 94–99.

41 Affeldt-Schmidt: Fortschrittsutopien. 1991, S. 98.

42 Affeldt-Schmidt: Fortschrittsutopien. 1991, S. 101.

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dieser Begriffe betrifft. Gattungsbegriffe, die aus konstanten Merkmalen gebil- det werden, können, wo sie als ›umbrella term‹ dienen, Bewegungen innerhalb der Gattung durchaus sichtbar machen (Berghahn/Seeber). Ähnlich gebildete Begriffe können, wo sie als normative Setzung gehandhabt werden, dazu führen, dass die Gattung als unbeweglich entworfen ist.

Im Gegensatz stehend zu einem Gattungsbegriff wie dem von Berghahn/

Seeber, der sich an historisch übergreifenden Konstanten orientiert, hat Wilhelm Voßkamp erstmals zehn Jahre nach dem ›Bielefelder Projekt‹ einen Vorschlag vorgelegt, in dem Bewegungen innerhalb der Utopie bereits auf der Ebene des Gattungsbegriffes mit eingeschlossen sind. In einer 1990 und dann 2004 entwor- fenen Typologie geht er davon aus, dass ›literarische Utopien‹ zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen historischen Kontexten unterschiedliche Antwor- ten auf die Frage nach dem menschlichen Glück gäben.43 Diese Antworten, so Voßkamp, hätten stets die Form von ›Gegenbildern‹. Von dieser Überlegung aus- gehend differenziert er zwischen drei verschiedenen Ausformungen utopischer Gegenbilder: Solche der Frühen Neuzeit würden sich dadurch auszeichnen, dass sie Realität negierten und ihre Differenz zur Wirklichkeit markierten (›Negation‹);

utopische Gegenbilder seit dem 18. Jahrhundert wären dadurch gekennzeichnet, dass sie den besseren Zustand in einem kontinuierlichen Prozess der Vervoll- kommnung darstellten und somit antizipierten (›Antizipation‹); und seit Beginn des 20.  Jahrhunderts würden diese sich durch ihre permanente Veränderung auszeichnen, durch die andere Zustände ermöglicht, aber nicht mehr konkreti- siert würden (›Kategorie des Möglichen‹). Eine Stärke dieser Typologie ist, dass sie historisch aufgebaut und doch nicht im Sinne einer einsinnigen Teleologie aufzufassen ist, zumal der Blick für textinterne Interferenzen zwischen den ver- schiedenen Typen geöffnet bleibt.Der zuvor genannten Gattungsbegriffen gegen- über größte Mehrwert besteht darin, auf Grundlage einer die Texte verbinden- den Gemeinsamkeit – dem Entwurf eines utopischen Gegenbildes als Antwort auf die Frage nach dem Glück – eine Gattung zu konstituieren, innerhalb derer die Beschreibung von Varianten, also Gattungsbewegungen, nicht nur möglich, sondern vorausgesetzt ist.

43 Voßkamp: Utopie als Antwort auf Geschichte. 1990, S. 273–283; Wilhelm Voßkamp: Entzeit- lichung. Utopien und Institutionen. In: Temporalität und Form. Konfigurationen ästhetischen und historischen Bewusstseins. Hg. von Wolfgang Lange, Jürgen Paul Schwindt und Karin Westerwelle. Heidelberg: Winter 2004, S. 21–37. Einige dieser Überlegungen kehren wieder in:

Wilhelm Voßkamp: Utopie. In: Handbuch der literarischen Gattungen. Hg. von Dieter Lamping.

Stuttgart: Kröner 2009, S. 740–750.

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Eine erste Einschränkung hierzu ist, dass diese Bewegungen ähnlich wie bei Berghahn/Seeber nur die diachrone Ebene, also nur historische Varianten der Utopie, betreffen und nicht jene der Synchronie.44 Eine zweite Einschränkung ist, dass zur Beschreibung dieser gattungsinternen Bewegungen die Gattungsreihe (Morus, Louis-Sébastien Mercier, Jewgenij Samjatin) an keiner Stelle überschrit- ten wird. Gattungsinterne Bewegungen werden auf der Basis von Voßkamps Typologie als innergenerische Bewegungen erklärt: Die Relation der Utopie zu anderen Gattungen aber und ihre daraus resultierenden Varianten werden nicht angesprochen.45

Über einen solchen Ansatz hinaus gehen Studien, die versuchen, die Utopie durch Vergleiche mit anderen Gattungen zu beschreiben. Von besonderem Inter- esse sind dabei jene, in denen die Schwierigkeit einer Abgrenzung exponiert und zum Forschungsgegenstand gemacht wird und die Gattungsreihe also verlassen wird.46 Der Anspruch solcher Arbeiten liegt nicht darin, einen trennscharfen Gat-

44 Jürgen Fohrmann zeigt in einer Analyse von Merciers L’An 2440, dass mit Voßkamps Typo- logie auch intratextuelle Überlagerungen beschreibbar werden. Merciers Utopie wird von Voß- kamp als Prototyp des Gegenbildes ›Antizipation‹ gehandelt. Fohrmann zeigt, dass Merciers Text, trotzdem er sein Gegenbild in der Zukunft ansiedelt und es damit antizipiert, stark von einem binären Schema geprägt sei, wie es in frühneuzeitlichen Raumutopien üblich ist. Vgl.

Jürgen Fohrmann: Utopie und Untergang. L.-S. Merciers L’An 2440. In: Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart. Hg. von Berghahn, Seeber. 1983, S. 105–124; 110.

45 Eine weitere Schwierigkeit dieser Trias ist, dass Voßkamp ›Negation‹, ›Antizipation‹ und ›Ka- tegorie des Möglichen‹ nicht nur auf die Form des jeweiligen utopischen Gegenbildes, sondern auch auf andere, jeweils verschiedene Aspekte der jeweiligen Texte bezieht. ›Negation‹ zum Bei- spiel bezeichnet bei Voßkamp eine Textoperation, während ›Antizipation‹, ein Begriff aus Blochs Utopiekonzeption, bei Voßkamp in erster Linie mit einem spezifischen Darstellungsproblem ver- bunden ist, und die ›Kategorie des Möglichen‹ weder eine Textstrategie noch ein Darstellungs- problem, sondern vielmehr eine Schnittstelle zwischen der Gattung und den Utopiedebatten in den 1920er-Jahren bezeichnet. Dadurch entsteht hinsichtlich der Merkmale, anhand derer die Gattung definiert wird, Inkonsistenz.Zwar lässt sich einwenden, dass diese Ambivalenz der He- terogenität des Materials geschuldet ist, dennoch unterminiert sie die Stringenz der Argumen- tation.

46 Müller unternimmt in seinem Überblickswerk Gegenwelten einen Gattungsvergleich, der auf Trennschärfe abzielt. In einem Vergleich zwischen Utopie – er spricht wiederholt von »klassi- scher Utopie« –, Robinsonade und phantastischer Literatur (Müller: Gegenwelten. 1989, S. 14–19, 31–34) hebt er ausgehend von gemeinsamen Elementen auch Differenzen zwischen diesen Gat- tungen hervor, bspw. die Präsenz von Konflikten in der Robinsonade gegenüber deren Fehlen in der Utopie. Wenn Müllers Gegenüberstellungen sich als derart schematisiert erweisen, dass sich zu einigen Punkten problemlos Gegenbeispiele vorbringen ließen,bleibt dennoch sein Ver- fahren festzuhalten, die Utopie durch einen auf Differenzen angelegten Vergleich mit anderen Gattungen zu profilieren und damit die Abgeschlossenheit der Gattungsreihe zu überschreiten.

Einen Gattungsvergleich zwischen Utopie und Robinsonade unternimmt erstmals: Fritz Brüg-

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tungsbegriff zu gewinnen, sondern, diese Trennschärfe gerade infrage zu stellen und die Verschränkung der Utopie mit anderen Gattungen nachzuzeichnen.

Ein illustratives Beispiel für einen solchen Vergleich stellt Voßkamps Aufsatz

»Utopie und Utopiekritik in Goethes Romanen Wilhelm Meisters Lehrjahre und Wilhelm Meisters Wanderjahre« dar. Seine Lektüre ist einer Position der For- schung entgegengestellt, nach der die Utopie in der deutschsprachigen Literatur des 18. Jahrhunderts auf Kosten des Bildungsromans verschwinde.47 Voßkamps Argumentation zielt darauf ab, ein solches Entweder-oder zu verabschieden und die Wilhelm-Meister-Romane als ›modifizierte Utopien‹ zu lesen. Der Bildungs- roman, so Voßkamp, »läßt sich als eine eigentümliche Ausprägung der literari- schen Zeit utopie charakterisieren, weil er ein formales Telos formuliert: Allseitige Vervollkommnungsfähigkeit des Subjekts in der Zeit – und eine literarische Form bietet, in der Möglichkeit (und Grenzen) der Realisierung dieser Utopie darge- stellt werden können«.48 Von Voßkamps triadischer Typologie her argumentiert lässt sich behaupten, dass sich Utopie und Bildungsroman in der Kategorie der

›Antizipation‹ berühren, wobei es gemäß Voßkamp der Bildungsroman sei, der ein Modell der Utopie adaptiert und verarbeitet.

Aus dieser Argumentation ergibt sich eine Konzeption von Utopie, in der gegenüber den genannten Gattungsbegriffen eine Verunsicherung der Gat- tungsgrenzen erzeugt wird, mit der aber der Grad an Präzision gerade zunimmt.

Denn die Utopie wird hier nicht zugunsten einer größeren Übersichtlichkeit von anderen Gattungen geschieden, vielmehr werden die Gattung überschreitende Aspekte aufgewiesen, hier: die Präsenz von Merkmalen der Utopie in anderen Gattungen. Dadurch wird der Blick verstärkt auf das Problem der Integration und Verarbeitung von Gattungselementen sowie daraus folgende Gattungsmodifika- tionen gerichtet.49

gemann: Utopie und Robinsonade. Untersuchungen zu Schnabels Insel Felsenburg (1731–1743).

Weimar: A. Duncker 1914. Eine stark an Müllers Arbeit angelehnte Definition der Utopie findet sich in: Glaser: Utopische Inseln. 1996.

47 Diese These entwickelt Stockinger, der behauptet, dass das Verhältnis von menschlichem Glück und öffentlicher Ordnung in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts mit anderen Erzählverfahren als denen der Utopie verhandelt werde, und der auf die Durchsetzung des Bil- dungsromans hinweist. Ludwig Stockinger: Aspekte und Probleme der neueren Utopiediskussi- on in der deutschen Literaturwissenschaft. In: Utopieforschung. Hg. von Voßkamp. Bd. 1. 1982, S. 120–142; 120 f.

48 Wilhelm Voßkamp: Utopie und Utopiekritik in Goethes Romanen Wilhelm Meisters Lehr- jahre und Wilhelm Meisters Wanderjahre. In: Utopieforschung. Hg. von Voßkamp. Bd. 3. 1982, S. 227–249; 227.

49 Eine weitere Arbeit, die mit einem Gattungsbegriff operiert, auf dessen Grundlage auch Mo- difikationen der Gattung beschreibbar werden, ist: Helge Jordheim: Der Staatsroman im Werk

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Halten wir fest, dass sich in Voßkamps Fallstudie die Konzeption von Utopie insofern signifikant verändert, als sie nicht mehr als eine von anderen Gattungen abgeschlossene Einheit behandelt wird. Dadurch werden Gattungsbewegungen beschreibbar, die sich nicht innerhalb, sondern zwischen den Gattungen ereig- nen.50 Ein überaus produktiver Effekt dieses Ansatzes ist, dass dadurch die uto- pieimmanente Gattungsgeschichte, welche die Anlage einer Fülle von Arbeiten der germanistischen Utopieforschung prägt, aufgebrochen wird.

Ein Problem des zuletzt genannten Ansatzes ist, dass er nur die Frage nach der Utopie in anderen Gattungen, aber nicht die nach anderen Gattungen in der Utopie stellt.

Einen die skizzierten Aufsätze in diesem Sinne erweiternden Beitrag hat schließlich Dominik Hagel mit »Robinsonade und Telemachie. Rahmenlinien des

Wielands und Jean Pauls. Gattungsverhandlungen zwischen Poetologie und Politik. Tübingen:

Niemeyer 2007. Ausgehend von einer arbeitshypothetischen Skizzierung der Gattung anhand sechs thematischer Elemente sowie der Annahme eines Prototyps (Fénelons Télémaque) (vgl.

S. 5 f., 31–37) richtet Jordheim den Blick auf die Reflexion und Transformation von Gattungsmerk- malen. Das Augenmerk der Arbeit liegt auf den Verschiebungen von Gattungselementen, für die Jordheim die dem New Historicism entlehnte Denkfigur und Formulierung von »Verhandlun- gen« setzt, wobei der Gegenstand der Verhandlung »Gattungsmaterial«(S. 23, 37–43) sei. Das bei Voßkamp und Jordheim auszumachende Interesse an der Verarbeitung oder ›Verhandlung‹ von Gattungen steht thematisch in einem Zusammenhang mit der Debatte über Gattungsmischun- gen. Vgl. Rüdiger Zymner: Gattungstheorie. Probleme und Positionen der Literaturwissenschaft.

Paderborn: Mentis 2003; Rüdiger Zymner (Hg.): Handbuch Gattungstheorie. Stuttgart: Metzler 2010, S. 52–54; Marion Gymnich, Birgit Neumann und Ansgar Nünning (Hg.): Gattungstheorie und Gattungsgeschichte. Trier: Wissenschaftlicher Verlag 2007; Klaudia Seibel: Mixing Genres:

Levels of Contamination and the Formation of Generic Hybrids. In: Gattungstheorie und Gat- tungsgeschichte. Hg. von Gymnich, Neumann und Nünning. 2007, S. 137–150. Man denke auch an die zwischen dem 27. und 29. März 2014 in Freiburg im Breisgau abgehaltene Konferenz ›Poetik der Gattungsmischung‹.

50 Ein in dieser Hinsicht vergleichbares Interesse liegt einer Studie Stefan Höppners zugrun- de, die nach der Bedeutung der Utopie in Arno Schmidts Romanen Kaff, Gelehrtenrepublik und Schule der Atheisten fragt. Vgl. Stefan Höppner: Zwischen Utopia und Neuer Welt. Die USA als Imaginationsraum in Arno Schmidts Erzählwerk. Würzburg: Ergon 2005. Höppner stellt fest, dass Schmidt die Utopie in seinen Romanen sowohl unterhöhle als auch rehabilitiere (S. 364 f.).

Er unterminiere sie, weil seine Romane keine besseren Welten mehr darstellen, und rehabilitiere sie, weil sie für den Rezipienten die Funktion hätten, Imaginationsräume zu schaffen (S. 67–71;

90). Mehr noch als Voßkamp akzentuiert Höppner, wohl auch aufgrund der größeren histori- schen Distanz zwischen Schmidts Romanen und den herangezogenen Beispielen der Gattung Utopie, die Reflexion von Elementen der Utopie im Roman.

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Utopischen im 18. Jahrhundert« vorgelegt.51 Dieser Aufsatz analysiert die Bezie- hungen zwischen den Gattungen der Utopie, Robinsonade und Telemachie im 18. Jahrhundert und kommt zu dem Schluss, dass Robinsonade und Telemachie als »Grenzlinien der utopischen Gattung«52 funktionieren und die Utopie inso- fern prägen, als dass sie eine Auflösung ihrer Statik herbeiführten. Wenn Hagel schließlich bemerkt, dass »Telemachie und Robinsonade […] die Erzählmuster an[bieten], in die sich die utopische Gattung im 18. Jahrhundert einhaken kann«,53 dann wird deutlich, dass er davon ausgeht, dass die Utopie Elemente der beiden anderen Gattungen in sich aufnimmt und sich dadurch verändert. Ähnlich wie Voßkamp untersucht also auch Hagel Bewegungen zwischen den Gattungen. Die Voßkamp’sche Analyse erweiternd, fragt er aber nicht nach dem ›Export‹ von Ele- menten der Utopie in anderen Gattungen, sondern danach, welche Gattungen die Utopie mit welchen Effekten in ihre Schematik ›importiert‹.

3.1.2  Gattungsdynamik I: Synchrone Bewegungen und Bewegungen in die Utopie

Fasst man zusammen, worin mit Blick auf die Beweglichkeit der Gattung die Vorarbeiten und Mängel der dargestellten Utopiekonzeptionen bestehen, ergibt sich folgendes Bild: Berghahn/Seebers Verwendung eines Gattungsbegriffes als

›umbrella term‹ und Voßkamps triadisches Modell ermöglichen es, diachrone Gattungsbewegungen, also historische Varianten der Utopie, in den Blick zu nehmen. Die Arbeiten zu den Wilhelm-Meister-Romanen und den Verschränkun- gen von Telemachie, Robinsonade und Utopie bieten weiter Ansätze, um Bewe- gungen zwischen der Utopie und anderen Gattungen beschreibbar zu machen.

Mit Blick auf Letztere fällt auf, dass die Frage, wie andere Gattungen Elemente der Utopie aufgreifen, öfter gestellt wurde als die, welche Elemente die Utopie ihrerseits aufgrund welcher Kontexte und mit welchen Effekten in ihre Gattungs- logik integriert.

Vor der Folie der skizzierten Gattungskonzepte erweist sich die Utopie insge- samt als eine in der Literaturwissenschaft erst schwach reflektierte Gattung. Zwei Aspekte im Besonderen sind in ihre Konzeption als eine Gattung noch zu wenig

51 Michael Dominik Hagel: Robinsonade und Telemachie. Rahmenlinien des Utopischen im 18. Jahrhundert. In: Gattungs-Wissen. Wissenspoetologie und literarische Form. Hg. von Michael Bies, Michael Gamper und Ingrid Kleeberg. Göttingen: Wallstein 2013, S. 19–34.

52 Hagel: Robinsonade und Telemachie. 2013, S. 20.

53 Hagel: Robinsonade und Telemachie. 2013, S. 32.

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eingegangen: (1) dass nicht nur andere Gattungen Elemente der Utopie aufgrei- fen, sondern auch die Utopie Elemente anderer Gattungen und dass diese Aneig- nungsprozesse (2) zu synchronen Bewegungen innerhalb der Gattung führen. Um diese Pointe deutlich werden zu lassen, sei noch einmal an das eingangs zitierte Beispiel der Utopien von Amersin und Bebel verwiesen, das gezeigt hat, dass sich zur selben Zeit zwei verschiedene Varianten von Utopie gegenüberstehen, eine stärker romanhafte und expositorische, eine am Entwicklungsroman und am Traktat orientierte. Es ist diese spezifische Form von Gattungsbewegung, die sich synchron vollzieht und aus dem Umstand resultiert, dass zeitgleiche Utopien Elemente jeweils anderer Gattungen aufgreifen, die eingangs als Gattungsdyna- mik bezeichnet worden ist und um die es der vorliegenden Studie geht. Als eine besondere Variante von Gattungsbewegung stellt die Gattungsdynamik ein Phä- nomen dar, zu dessen Beschreibung die literaturwissenschaftlichen Instrumen- tarien zwar ansatzweise ausgebildet worden sind, das aber als solches noch nicht erfasst worden ist. Der Untersuchungszeitraum der vorliegenden Studie, wäh- renddessen die Utopie aus verschiedenen, sie begünstigenden oder unter Druck setzenden Umständen Elemente anderer Gattungen aufgreift und in ihre eigene Gattungslogik einbaut, erfordert es aber, den Fokus auf die daraus resultierenden Bewegungen innerhalb der Gattung einzustellen und also die Gattungsdynami- ken der Utopie sichtbar zu machen.

3.1.3  Dynamisierung von Gesellschaft: Statt des ›Gegenbild-Paradigmas‹

Ein weiteres, aus den skizzierten Konzeptionen der Gattung resultierendes Defizit wird deutlich, wenn man diese abschließend vor der Folie der angloamerikani- schen Utopieforschung betrachtet. Überblickt man die vorgestellten Strategien, eine Gattung Utopie zu profilieren, wird man zu dem Schluss kommen, dass die Gattung überwiegend als auf ihre Schreibgegenwart reagierend beschrie- ben wird.Dieser Befund erhärtet sich, führt man sich noch einmal die Aussagen vor Augen, welche mit Blick auf die spezifischen Leistungen der Utopie getrof- fen werden: Berghahn/Seeber behaupten, die Utopie leiste eine Kritik an den Missständen ihrer Gegenwart und entwerfe eine ihrer Ausgangswelt gegenüber alternative Gesellschaftsordnung. Voßkamp behauptet in seiner Typologie, die Gattung antworte auf die Frage nach dem menschlichen Glück und negiere ihre eigene Gegenwart.Ähnlichen Überlegungen begegnen wir auch in Studien, die zu Utopien aus der Zeit von 1848 bis 1930 verfasst worden sind. Thomas Glaw behauptet, die Ordnung der Utopie sei der bestehenden Ordnung »kontrapunk- tisch entgegengesetzt«, und Thomas Eicher spricht von ihrer Eigenschaft, einen

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»Gegenentwurf zu einer gesellschaftlichen Realität« vorzustellen.54 Diesen Bestimmungen ist gemein, dass sie die Utopie als eine Gattung entwerfen, die in besonderer Weise – sei es als Kritik an, Gegenbild oder -entwurf zu bzw. Nega- tion von Wirklichkeit – auf ihre Entstehungskontexte reagiert. Das ist besonders auffällig vor dem Hintergrund der angloamerikanischen Utopieforschung, in der es eine Tendenz gibt, die Utopie als eine Gattung zu konzipieren, welche inner- halb ihrer jeweiligen Schreibgegenwart soziale Wirkungsmacht entfaltet. Hierbei werden verschiedene Formen von Wirkung unterschieden: Phillip E. Wegner spricht etwa von dem Potenzial der Gattung, politische Debatten zu initiieren:

»Indeed, one of the most exciting aspects of studying these works in their con- texts is witnessing the passionate and engaged public discussion they often provoked.«55 Hier wird deutlich, dass die Gattung anders als in der Germanistik nicht als eine Debatten aufnehmende, sondern auslösende Form charakterisiert wird. Noch weiter geht Wegner, wenn er es als ein Potenzial der Gattung aner- kennt, eine realitätsbildende Kraft zu entfalten: »Much more than the rhetorical play or idle-day-dreams for which they are too often dismissed, narrative utopias participate in a significant way in the making of their social and cultural reali- ties […].«56 Das passive Bild, das die Germanistik von der Gattung gezeichnet hat, steht nicht nur den zitierten Forschungspositionen entgegen, sondern auch ihrer historisch evidenten Wirkungsmacht, welche in dieser Studie als Dynamisierung von Gesellschaft gefasst wird.

54 Vgl. Thomas Glaw: Realität und Utopie. Studien zu Staatsverständnis und Zukunftsvision im deutschsprachigen Roman nach 1871. München: Literatur in Bayern 1999, S. 34; Thomas Eicher, Anna Lieder und Michelle Amecke-Mönnighoff (Hg.): ›Das goldene Zeitalter der Zukunft‹. Utopi- en um 1900. Dortmund: Projekt 1997, S. 7.

55 Phillip E. Wegner: Imaginary Communities. Utopia, the Nation and the Spatial Histories of Modernity. Berkeley u. a.: University of California Press 2002, S. XIX. Vgl. auch Wegners Hinweis, die Utopie leiste »political interventions« (S. XXIII).

56 Wegner: Imaginary Communities. 2002, S. 40. Ein derart verstandenes Potenzial erinnert an den Utopiebegriff Fredric Jamesons, Wegners akademischen Lehrer, der jene Versuche mit einschließt, bei denen in Utopien vorgestellte Entwürfe in die Praxis überführt werden. Fredric Jameson: Varieties of the Utopian. In: Jameson: Archaeologies of the Future. The Desire Called Utopia and Other Science Fictions. London, New York: Verso 2007, S. 1–9; 1. Clemens Peck hat seine 2012 erschienene Studie über Theodor Herzls AltNeuLand an Jamesons Utopiebegriff aus- gerichtet und damit auch Herzls politisches Engagement unter den Begriff der Utopie gestellt.

Vgl. Clemens Peck: Im Labor der Utopie. Theodor Herzl und das AltNeuLand-Projekt. Berlin:

Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 2012, S. 13–20. Seeber hat kürzlich auf das Problem des Handelns als eine Konsequenz dystopischer Entwürfe hingewiesen. Vgl. Hans Ulrich Seeber:

Präventives statt konstruktives Handeln. Zu den Funktionen der Dystopie in der angloamerika- nischen Literatur. In: Möglichkeitsdenken. Utopie und Dystopie in der Gegenwart. Hg. von Wil- helm Voßkamp, Günter Blamberger und Martin Roussel. München: Fink 2013, S. 186–205; 201.

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Dass sich ein solches Bild dennoch durchgesetzt hat, mag damit zusammen- hängen, dass die literaturwissenschaftliche Utopieforschung sich von einer uto- piekritischen Gattungskonzeption, wie sie die Staatswissenschaft zur Mitte des 19. Jahrhunderts gezeichnet hat, nie wirklich gelöst hat. Schon von Mohl stellt ja, um es zu wiederholen, eine Wirkung der Gattung ›für das Leben‹57 in Abrede, weil er die Wirkungsmacht der in seiner Schreibgegenwart vorwiegend sozialis- tischen Utopie eindämmen möchte.58 Nicht die ideologische Haltung von Mohls, sehr wohl aber seine Konzeption der Gattung hat die Germanistik, so scheint es, unausgesprochen fortgeschrieben. Indem die vorliegende Studie an angloameri- kanische Ansätze anknüpfend dieses Paradigma hinterfragt, soll die Tatsache, dass Utopien auf ihre Entstehungskontexte antworten, nicht in Abrede gestellt werden. Es soll jedoch eine weitere, zu wenig erschlossene Dimension der Utopie herausgearbeitet werden.

3.2  Utopie als ein integrativer Begriff: Bewegungen zwischen Gattung und Diskurs

In der germanistischen Forschung der letzten dreißig Jahre ist der Begriff Utopie nicht nur als Bezeichnung für eine Gattung präsent. Die Literaturwissenschaft hat auch einen vom Gattungsbegriff losgelösten Utopiebegriff übernommen und weiterentwickelt, wie er in der Philosophie und Soziologie des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts bei Bloch und Mannheim entwickelt worden ist.59 Es ist beson- ders das Utopiekonzept Blochs, das in der Literaturwissenschaft Bedeutung erlangt hat. Anders als Mannheim, der in seiner Wissenssoziologie nach den jeweiligen gesellschaftlichen Standorten ›utopischen Bewusstseins‹ fragt und diese Fähigkeit ganzen Gesellschaftsgruppen zuordnet, steht bei Bloch die Frage im Zentrum, wie und in welcher Weise sich ›utopisches Bewusstsein‹ mitunter in der Kunst und damit auch der Literatur manifestiere.60 Die zentrale Rolle, die

57 Von Mohl: Die Staats-Romane. 1845, S. 61.

58 Über den ideologischen Standort der von Mohl’schen Utopieforschung informiert: Robert Leucht: Entschärfte Gegenbilder. Staatswissenschaft und Utopie, 1845–1855. In: Jahrbuch Forum Vormärz Forschung 17 (2011), S. 205–220.

59 Arnhelm Neusüss: Einführung. In: Utopie. Hg. von Neusüss. 1968, S. 13–112; 23.

60 Zu Mannheims Verwendung des Begriffs ›utopisches Bewußtsein‹, siehe: Mannheim: Ideo- logie und Utopie. 1995, S. 184–225. Zu Blochs Verwendung, siehe: Ernst Bloch: Antizipierte Re- alität – Wie geschieht und was leistet utopisches Denken? In: Ernst Bloch. Abschied von der Utopie? Hg. von Gekle. 1980, S. 101–115; 106. Der Begriff des ›utopischen Denkens‹ findet sich darin auf S. 101.

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Bloch der Kunst beimisst, mag ausschlaggebend dafür sein, dass sein Utopiebe- griff in der Literaturwissenschaft als methodischer Impuls eine viel stärkere Reso- nanz erfahren hat als jener Mannheims. Im Folgenden gilt es, Blochs Konzeption von Utopie so weit zu skizzieren, dass zum einen dessen vielfache Wirkung auf die literaturwissenschaftliche Diskussion nachvollziehbar wird und zum anderen jene Anknüpfungspunkte herausgearbeitet werden, die mit Blick auf die in dieser Studie vertretene Neukonzeption der Gattung Utopie relevant sind.

3.2.1  Blochs Utopiekonzept und dessen Folgen für die Literaturwissenschaft In dem 1965 erschienenen Aufsatz »Antizipierte Realität – Wie geschieht und was leistet utopisches Denken«, in dem Bloch wesentliche Argumentationsmuster seines Hauptwerkes Das Prinzip Hoffnung, geschrieben zwischen 1938 und 1947, zusammenfasst, geht er davon aus, dass der Mensch »per se ipsum ein reflektie- rend antizipierendes Wesen«61 sei. Das »Utopische«, ein Begriff, den Bloch hier erstmals in der Formulierung vom »Topos des Utopischen« aufgreift und der in der vorliegenden Studie schon zuvor, bei der Rekonstruktion der Begriffsgeschichte von Utopie, Erwähnung fand, wird von Bloch als konstituierendes Merkmal des Menschen verstanden: »Das Utopische selbst ist das Charakteristikum des Menschen.«62 Damit akzentuiert Bloch die menschliche Fähigkeit, verändern zu wollen und die Zukunft im Gegensatz zu einer bloßen Wiederholung des Ver- gangenen als ein »echtes Noch-Nicht«63 zu begreifen. Bloch spricht weiter von

»Sehnsucht«, »Hoffnungen«, »Tagträumen«,64 einem »in uns Dämmernde[n]«,

61 Bloch: Antizipierte Realität. 1980, S. 101.

62 Bloch: Antizipierte Realität. 1980, S. 106. Dass Blochs Konzeption von Utopie anthropolo- gisch begründet ist, zeigt auch die Struktur von Das Prinzip Hoffnung, in dessen erstem Teil,

›Kleine Tagträume‹, er einen chronologischen Durchgang durch das menschliche Leben, von den Tagträumen des Kindes zu denen des Alters, unternimmt.Bloch: Das Prinzip Hoffnung.

Bd. 5. Kapitel 1–32. 1985, S. 21–45.

63 Bloch: Antizipierte Realität. 1980, S. 108.

64 Bloch: Antizipierte Realität. 1980, S. 113. Argumentativ und begrifflich orientiert sich Bloch an Denkfiguren der Psychoanalyse, die er jedoch kritisch ergänzt. So ist etwa sein Begriff des

›Noch-Nicht-Bewußten‹ ein Bewusstsein, das im Gegensatz zum Unbewussten nichts mit der Vergangenheit zu tun hat, sondern mit der Zukunft, sowohl in Anlehnung an die Psychoanalyse formuliert als auch gegen sie gerichtet (Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Bd. 5. Kapitel 1–32. 1985, S. 149–161).Bloch behauptet kritisch, dass es in der Klasse der Bourgeoise, in der die Psychoana- lyse entstand, ein »Mißtrauen gegen die Zukunft« gäbe. Vgl. Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Bd. 5.

Kapitel 1–32. 1985, S. 155.

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einer »Dämmerung nach vorwärts« und einem »Noch-Nicht-Bewußte[n]«65 und bezeichnet damit ein genuin menschliches Bewusstsein.

Ihre Wirkungsmacht hat Blochs Utopiekonzeption innerhalb der Literatur- wissenschaft nun weniger aufgrund dieser anthropologischen Dimension entfal- tet als aufgrund der Tatsache, dass Bloch in eben dieser Konzeption von Utopie der Kultur und damit auch der Literatur eine besondere Rolle beimisst. Das

›utopische Denken‹, das den Menschen nach Bloch auszeichnet, entstehe und gewinne in verschiedenen Formen und Bereichen äußere Gestalt: in der Kunst, in der Philosophie und Wissenschaft, aber auch in Teilen der Massen- und Alltags- kultur. Blochs Konzept ist somit von der Vorstellung bestimmt, dass sich ›utopi- sches Denken‹ in verschiedenen Formen manifestiere. Diese Formen werden von ihm nicht unter einen generalisierenden Begriff gestellt; vielmehr liegt das all diese kulturellen, wissenschaftlichen und alltäglichen Manifestationen Verbin- dende in einem sie bestimmenden Prinzip: dem ›Prinzip Hoffnung‹.66 In diesem Sinne ist Blochs Hauptwerk als eine Enzyklopädie der mannigfaltigen Manifesta- tionen ›utopischen Bewusstseins‹ zu lesen.

Obwohl Bloch verschiedene Begriffe analog zu jenem der Utopie verwendet, etwa den der »Antizipation« oder des »Novums«,67 und obwohl die Grenzen zwi- schen diesen Begriffen nicht immer trennscharf auszumachen sind, wird eines deutlich: dass Bloch den Begriff der Utopie gegenüber einer Konzeption von Utopie als einer Gattung erweitert.

Das dahinterstehende Ziel ist es, die heterogenen Veräußerungen ›utopischen Bewusstseins‹ in den Blick zu nehmen. Hierzu lesen wir in Das Prinzip Hoffnung:

Allerdings war es bisher nur bei den Sozialutopien selbstverständlich, dass sie – utopisch sind: erstens, weil sie so heißen, und zweitens, weil das Wort Wolkenkuckucksheim meist im Zusammenhang mit ihnen, und nicht nur mit den abstrakten unter ihnen, gebraucht worden ist. Wodurch, wie bemerkt, der Begriff Utopie sowohl ungemäß verengert, nämlich auf Staatsromane beschränkt wurde, wie vor allem auch, durch die überwiegende Abstrakt- heit dieser Staatsromane […] Und desgleichen blieb Utopisches erstaunlicherweise in den Situationen und Landschaften der Malerei und Poesie unentdeckt, in deren Verstiegenhei- ten wie besonders in deren weit hinein- und hinausschauenden Möglichkeits-Realismen.

Und doch ist in allen diesen Sphären, inhaltlich abgewandelt, utopische Funktion am Werk, schwärmerisch in den geringeren Gebilden, präzis und realistisch sui generis in den großen. […] Daher die Breite der im Teil Konstruktion [so lautet der Titel des dritten Teils von Das Prinzip Hoffnung; RL] versammelten Antizipationen, Wunschbilder, Hoffnungsinhalte.

65 Bloch: Antizipierte Realität. 1980, S. 108.

66 Inge Münz-Koenen: Konstruktion des Nirgendwo. Die Diskursivität utopischen Denkens bei Bloch, Adorno, Habermas. Berlin: Akademie 1997, S. 23–25.

67 Münz-Koenen: Konstruktion des Nirgendwo. 1997, S. 39.

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Daher – vor wie hinter den Staatsmärchen – die angegebene Notierung und Interpretation medizinischer, technischer, architektonischer, geographischer Utopien, auch der eigentli- chen Wunsch-Landschaften in Malerei, Oper, Dichtung.68

Utopie bezeichnet bei Bloch also keine Gattung, sondern eine besondere Quali- tät, die Kunstwerken eigen sein kann. Sein Projekt ist es, ebendiese Qualität in den verschiedensten Artefakten aufzuspüren und das ›unentdeckt Gebliebene‹

zu entdecken. Mit Blick auf den 15. Abschnitt des zweiten Teils von Das Prinzip Hoffnung wäre diese Qualität dahingehend zu präzisieren, dass die Kunst als ein Raum begriffen wird, in dem ein Übersteigen der jeweils herrschenden Ideologie erreicht werden kann.69

Ein anderer zentraler Begriff bei der Bestimmung dieser potenziellen Qua- lität von Kunst ist der des ›Vor-Scheins‹, der besonders die Bedeutung der zeitli- chen Komponente in Blochs Utopiekonzeption anzeigt. Bloch sieht die Substanz großer Kunstwerke in ihrem »Vor-Schein«,70 das heißt in ihrer Fähigkeit, eine Ahnung von Künftigem zu vermitteln:

Künstlerischer Schein ist überall dort nicht nur bloßer Schein, sondern eine in Bilder ein- gehüllte, nur in Bildern bezeichenbare Bedeutung von Weitergetriebenem, wo die Exagge- rierung und Ausfabelung einen im Bewegt-Vorhandenen selber umgehenden und bedeutenden Vor-Schein von Wirklichem darstellen, einen gerade ästhetisch-immanent spezifisch dar- stellbaren. Hier wird belichtet, was gewohnter oder ungestumpfter Sinn noch kaum sieht, an individuellen Vorgängen wie an gesellschaftlichen, wie an naturhaften.71

Betrachtet man die skizzierten Positionen Blochs strukturell, dann zeigt sich sowohl auf der anthropologischen Ebene, auf der sich ›utopisches Bewusstsein‹

bildet, als auch auf jener der Kunst, in der es sich manifestiert, eine Denkfigur, die um die Vorstellung eines Überschusses kreist. Fohrmann hat eine solche Konzeption von Utopie in dem Aufsatz »Über Utopie(n)« deshalb als eine »Sur- plus-Theorie«72 bezeichnet: »Karl Mannheims ›seinstranszendierende Haltung‹,

68 Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Bd. 5. Kapitel 1–32. 1985, S. 13–15. Der in diesem Zitat verwende- te Begriff der ›utopischen Funktion‹ ist als ein spezifischer Wert zu verstehen, der das »bewußt- gewußt[e]« (S. 163) Hoffen und Phantasieren von einem bloßen »wishful thinking« (S. 164) unter- scheidet, das lediglich auf ein »Leer-Mögliche[s]« (S. 164), jedoch nicht auf ein »Real-Mögliches«

(S. 164) abzielt.

69 Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Bd. 5. Kapitel 1–32. 1985, S. 174–180.

70 Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Bd. 5. Kapitel 1–32. 1985, S. 242–258.

71 Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Bd. 5. Kapitel 1–32. 1985, S. 247.

72 Jürgen Fohrmann: Über Utopie(n). In: Germanisch-romanische Monatszeitschrift 43 (1993), S. 369–382; 375.

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Raymond Ruyers Überlegungen zur Utopie, Ernst Blochs Tagtraum-Metaphysik […] gewichten Utopie als eine vom nun allgemeinen Gattungssubjekt (wie zeitbe- dingt auch immer) ausgehende Überschuß-Haltung, als ein im Menschen selbst vorhandener, immer gültiger, doch noch nicht oder nie abgegoltener Mehrwert.«73 Für die Frage nach der Anschließbarkeit des Bloch’schen Utopiekonzepts für die literaturwissenschaftliche Arbeit ist schließlich noch ein letzter Aspekt von Bedeutung. Obwohl Bloch zwischen verschiedenen Qualitäten von Utopie, in den großen Kunstwerken auf der einen Seite und in Praktiken der Massenkul- tur auf der anderen, unterscheidet, reicht seine Erforschung des »utopischen Vorkommen[s] in der Welt«74 weit über die Grenzen der Hochkultur hinaus. Inge Münz-Koenen schreibt in diesem Zusammenhang:

Blochs Spurensuche in einer ›ästhetischen Wirklichkeit‹ gilt anerkannten Kunstwerken gleichermaßen wie den in Kitsch und Kolportage ausgemalten Wunschlandschaften der kleinen Leute und (nicht minder wichtig) den kleinen poetischen Entdeckungen im Alltag, die er in kleinen Geschichten erzählt. Zur ›ästhetischen Wirklichkeit‹ gehört danach glei- chermaßen die Blaskapelle auf dem Ausflugsdampfer wie das erlösende Trompetensignal in Beethovens Fidelio; das Karussell, der Karl-May-Roman, die Kitschpostille, der Kintopp, der Hochstapler – all dies sind Signaturen der Sehnsucht nach einer anderen als der vorge- fundenen Welt.75

3.2.2  Verschränkungen von Utopie und zeitgenössischen Wissenschaftsdiskursen

Überblickt man nun die verschiedenen Wege, auf denen Blochs Konzeption von Utopie innerhalb der Literaturwissenschaft weitergeführt worden ist, dann lassen sich drei Richtungen unterscheiden: eine frühe Rezeption, die Blochs Erweite- rung des Utopiebegriffes gegen einen Gattungsbegriff von Utopie stark macht;76

73 Fohrmann: Über Utopie(n). 1993, S. 375.

74 Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Bd. 5. Kapitel 1–32. 1985, S. 4.

75 Münz-Koenen: Konstruktion des Nirgendwo. 1997, S. 35.

76 In literaturwissenschaftlichen Arbeiten der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre wird Blochs nicht gattungsgebundene Konzeption von Utopie als Befreiung gesehen und affirmativ aufgenommen. Vgl. Gert Ueding: Ernst Blochs Philosophie der Utopie. In: Utopieforschung.

Hg. von Voßkamp. Bd. 1. 1982, S. 293–304; Burghart Schmidt: Utopie ist keine Literaturgattung.

In: Literatur ist Utopie. Hg. von Gert Ueding. Frankfurt a./M.: Suhrkamp 1978, S. 17–44; sowie in: Gert Ueding: Utopie in dürftiger Zeit. Studien über Ernst Bloch. Würzburg: Königshausen &

Neumann 2009. In Texten von Ueding und Schmidt fällt allerdings eine starke Affizierung der Beschreibungsebene durch die Ebene des Beschriebenen auf. Statt Blochs Ideen kritisch wei-

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spätere Ansätze, in denen Blochs Utopiebegriff für poetologische Fragestellungen aufgegriffen wird;77 und schließlich Studien eines kulturwissenschaftlich interes- sierten Zweiges, in dem ein Utopiebegriff entfaltet wird, der zwar wie jener Blochs von einem Gattungsbegriff losgelöst ist, für eine genauere Analyse der Gattung aber dennoch fruchtbar gemacht werden kann. Lediglich der zuletzt genannte Zweig ist für das von der vorliegenden Studie verfolgte Ziel, die Gattung als eine dynamische Form zu profilieren, relevant, weshalb sich die nun folgenden Aus- führungen darauf beschränken, diesen Ansatz sowie seine Anknüpfungspunkte genauer zu bestimmen.

terzuentwickeln werden diese allzu affirmativ wiederholt. Auch in aktuelleren Studien sind li- terarische Texte lediglich Illustrationsmaterial für Blochs Utopiebegriff. Siegrun Wildners Deu- tungsarbeit besteht etwa darin, die Denkprozesse von Figuren in den Texten Irmgard Morgners mittels Blochs Vokabular als Utopien zu beschreiben und diese Einsicht als Argument dafür zu verwenden, dass ihre Romane das ›Prinzip Hoffnung‹ umsetzen. Vgl. Siegrun Wildner: Experi- mentum mundi. Utopie als ästhetisches Prinzip. Zur Funktion utopischer Entwürfe in Irmtraud Morgners Romanwerk. St. Ingbert: Röhrig 2000, S. 63–79. Die Beobachtung einer allzu affirma- tiven Bloch-Rezeption hat Stockinger schon 1982 am Ende seiner Bestandsaufnahme gemacht:

Stockinger: Aspekte und Probleme der neueren Utopiediskussion in der deutschen Literaturwis- senschaft. 1982, S. 120–142, 132–137. Vgl. auch: Stockinger: Ficta Respublica. 1981, S. 32–41. Sto- ckinger schlägt vor, dass eine Anwendung von Blochs Utopiebegriff auf die Analyse von Texten darin bestehen könne, jene Funktion, die Bloch der Literatur im Sinne einer besonderen Quali- tät beimisst, im jeweiligen Kontext einer historischen Situation zu bestimmen. Vgl. Stockinger:

Aspekte und Probleme der neueren Utopiediskussion in der deutschen Literaturwissenschaft.

1982, S. 133.Mit diesem Plädoyer ist Stockinger sowohl Bloch als auch dem sozialgeschichtlichen Interesse des ›Bielefelder Projekts‹ verpflichtet, in dessen Rahmen sein Beitrag erschienen ist.

77 Ein anderes Echo erfährt Blochs Utopiebegriff in literaturwissenschaftlichen Studien, die nach seinem Zusammenhang zu den sprachlichen Prozessen fragen, die ihn hervorbringen, so etwa bei: Hansjörg Bay: Ohne Rückkehr. Utopische Intention und poetischer Prozeß in Höl- derlins Hyperion. Paderborn: Fink 2003. Unter Zuhilfenahme Bloch’scher Formulierungen be- schreibt Bay zunächst den Protagonisten aus Hölderlins Hyperion, der Glück nicht nur erlebe, sondern auch erhoffe (S. 150).Die Arbeit bleibt hierbei nicht stehen, sondern versucht weiter, die sichtbar gemachte Struktur von ihrer sprachlichen Dimension her zu erschließen. Bay zeigt, wie der wiederholte Prozess des Anlaufnehmens und Scheiterns des Protagonisten auch die Text- struktur affiziere (S. 403–416). Ein solches Erkenntnisinteresse verfolgt erstmals Hans Holländer in Der Bildcharakter des Vor-Scheins, auch in der Sprache. Gegenstand ist Blochs eigene Prosa, wobei es um den Zusammenhang zwischen dem Gegenstand von Blochs Hauptwerk und dessen Sprache geht: So wie das Thema von Blochs Prinzip Hoffnung die Transgression wäre, so würde sich auch Blochs Sprache dadurch auszeichnen, dass sie die Grenzen der philosophischen Spra- che überschreite. Vgl. Hans Holländer: Der Bildcharakter des Vor-Scheins, auch in der Sprache.

In: Materialien zu Ernst Blochs Prinzip Hoffnung. Hg. von Burghart Schmidt. Frankfurt a./M.:

Suhrkamp 1978, S. 439–446.

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Programmatisch formuliert findet sich das Erkenntnisinteresse dieses Zweigs der Utopieforschung in dem Vorwort zu dem Sammelband Exploring the Utopian Impulse. Essays on Utopian Thought and Practice:

The research of the Centre [gemeint ist das ›Ralahine Centre for Utopian Studies‹ in Lime- rick; RL] therefore aims to identify and study utopian tendencies as and when they are articulated through theories, texts (literary, both eutopian and dystopian; legal; politi- cal; theological; filmic; visual; musical; architectural; and others), and social practices (such as religious and secular intentional communities, political movements, and cultural practices).78

Im Blickfeld stehen hier also zunächst ›utopische Tendenzen‹ (›utopian ten- dencies‹) und ihre verschiedenen Manifestationen in Texten, Filmen, Musik und Architektur sowie in sozialen und politischen Praktiken. Die Grundlage für dieses Interesse bildet die Bloch’sche Erweiterung des Begriffs der Utopie über einen Gattungsbegriff hinaus. Allerdings werden Utopie als Gattungs- und Qua- litätsbegriff einander nicht entgegengesetzt: Utopie meint hier das eine wie auch das andere, weshalb von einem ›integrativen Utopiebegriff‹ die Rede sein soll.

Für die Potenziale eines solchen Begriffes besonders aufschlussreich erweisen sich Arbeiten des Amerikaners Fredric Jameson, auf den sich auch das ›Ralahine Centre for Utopian Studies‹ bezieht.79 Die Paraphrase seines 1996 in der Aufsatz- sammlung Archaeologies of the Future erschienenen Aufsatzes »Longevity As Class Struggle«80 soll das für die hier verfolgte Neubewertung der Gattung Utopie relevante Interesse dieses Zweiges an den Verschränkungen zwischen ›utopi- schen Tendenzen‹ in Texten der Gattung Utopie und außerliterarischen Diskur- sen sichtbar machen. Die methodische Grundlage, um solche Verschränkungen zu thematisieren, schafft Jameson durch seinen, in der Einleitung von Archaeo- logies of the Future entwickelten Utopiebegriff. Jameson versteht Utopie erstens als eine literarische Gattung in der Nachfolge von Morus’ Utopia; zweitens – in Anlehnung an Bloch  – als einen menschlichen Impuls; und drittens als eine Praxis, Utopien umzusetzen.81 Anders als in den deutschsprachigen Debatten, in denen Utopie als Gattungsbegriff und als Begriff einer spezifischen Qualität von Kunst gegeneinander ausgespielt werden, koexistieren diese in den Arbeiten

78 Michael J. Griffin und Tom Moylan (Hg.): Exploring the Utopian Impulse. Essays on Utopian Thought and Practice. Bern: Lang 2007, S. 12.

79 http://www3.ul.ie/ralahinecentre/(aufgerufen am 19.10.2015).

80 Jameson: Longevity as Class Struggle. In: Jameson: Archaeologies of the Future. 2007, S. 328–

344.

81 Jameson: Varieties of the Utopian. 2007, S. 1–9.

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des Amerikaners.82 In »Longevity as Class Struggle« operiert Jameson mit einem solchen dreiteiligen Utopiebegriffund setzt damit ein, die Motive der Unsterblich- keit und des langen Lebens in einer Reihe von literarischen Texten, darunter auch Gattungstexten der Utopie, in den Blick zu nehmen: in George Bernhard Shaws Back to Methuselah (1921), Karel Čapeks The Makropoulos Secret (1922), Robert A.

Heinleins Methuselah’s Children (1958), Robert Sheckleys Immortality, Inc. (1958), Clifford D. Simaks Why Call Them Back From Heaven? (1967), Robert Silverbergs To Live Again (1969) und Joe Haldemans Buying Time (1989).83 Ausgehend von Jamesons Grundannahme, dass politische Fragen innerhalb von Gesellschaften in die Kunst verschoben würden und der Interpret diese rückzuübersetzen habe – er spricht von »displaced political [questions]«84 –, wird das Motiv des langen Lebens als symbolischer Ausdruck eines Klassengegensatzes gelesen. Hinter dem Privileg der Unsterblichkeit vermeint Jameson eine gesellschaftliche Konstella- tion zu erkennen, in der einige wenige der Mehrheit gegenüber privilegiert wären, und weist darauf hin, dass auch im gegenwärtigen amerikanischen Gesundheits- wesen ein langes Leben oder dessen Verlängerung angepriesen würde. Damit lenkt Jameson den Blick an einen Punkt, an dem sich ein Thema der Literatur und eine gesellschaftliche Tendenz berühren.

Für die vorliegende Studie ist dieser Aufsatz deshalb von so großer Bedeu- tung, weil er auch die Frage nach dem Verhältnis aufwirft, welches die Gattung Utopie zu außerliterarischen Diskursen unterhält. Auf Grundlage dieses ›integra- tiven Utopiebegriffs‹ rücken Beziehungen in den Blick, die – den Fallstudien Voß- kamps und Hagels vergleichbar – über die Abgeschlossenheit der Gattungsreihe hinausweisen, zugleich aber nicht Verschränkungen mit anderen Gattungen in den Blick nehmen, sondern mit außerliterarischen Diskursen.

Beziehungen dieser Art sind Gegenstand auch eines von Rolf Steltemeier herausgegebenen Sammelbandes der deutschsprachigen Utopieforschung: Neue Utopien. Zum Wandel eines Genres. Die Ausgangsthese des Bandes lautet, dass das Utopische in unserer Zeit neue und verschiedene Formen angenommen habe.

Es zeige sich in der Science-Fiction, als Instrument der Forschung, als technik- futuristische Vision und politischer Entwurf und wäre seinem Charakter nach stark an Einzelproblematiken interessiert sowie pragmatisch und nur auf Tempo-

82 Die Rivalität der beiden Utopiebegriffe in der deutschsprachigen Utopieforschung ist den in Fußnote 76 in diesem Kapitel skizzierten Arbeiten zu entnehmen; zuletzt auch der Diskussion in der Zeitschrift Erwägen, Wissen, Ethik. Siehe hierzu Fußnote 34, ebenfalls in diesem Kapitel. Eine Vorlage für Jamesons ›integrativen Utopiebegriff‹ bildet: Lyman Tower Sargent: The Three Faces of Utopianism Revisited. In: Utopian Studies 5.1 (1994), S. 1–37.

83 Jameson: Longevity as Class Struggle. 2007, S. 328–345.

84 Jameson: Longevity as Class Struggle. 2007, S. 340.

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ralität angelegt.85 Anders als bei Jameson lassen sich die in Gattungstexten und anderen Bereichen aufzuweisenden Manifestationen des Utopischen ideologisch auf keinen gemeinsamen Nenner bringen, zumal sie anarchistische Positionen, Plädoyers für künstliche Intelligenz und für ein geeintes Europa umfassen. Mit Jameson vergleichbar ist, dass auch hier die Frage nach dem ›Gattungstext im Kontext zeitgenössischer Diskurse‹ gestellt ist.

Ein ›integrativer Utopiebegriff‹, wie ihn Jameson und Steltemeier bilden, stellt eine erste Grundlage dar, um beschreiben zu können, wie Utopien außerlite- rarische Diskurse aufgreifen und in die Gattung integrieren. Er ermöglicht es, den Fokus auf einen Zusammenhang einzustellen, der aufgrund der Verhärtungen zwischen den Utopiekonzepten innerhalb der Germanistik (Utopie als Gattung/

Utopie als Textqualität) lange Zeit nicht in den Blick genommen werden konnte.

Der Zusammenhang zwischen der Gattung Utopie und ihren zeitgenössischen Diskursen ist, auch wenn er in den Studien von Jameson und Steltemeier nicht vertieft wird, für die zur Diskussion stehende Neubewertung der Gattung überaus relevant. Es sind die verschiedenen Formen, in denen Utopien zeitgenössische Diskurse aufgreifen, anhand derer der dynamische Charakter der Gattung – aus einer anderen Perspektive – sichtbar wird und durch deren Analyse er präziser erfasst werden kann.

3.2.3  Gattungsdynamik II: Synchrone Bewegungen und Bewegungen in die Utopie

Wirft man einen Blick zurück auf die Einsichten des Abschnitts 3.2, wird man fest- halten können, dass die germanistische Literaturwissenschaft einen von Bloch inspirierten Utopiebegriff übernommen und weiterentwickelt hat, der zunächst in Erweiterung, ja in einzelnen Fällen sogar in Opposition zu Konzeptionen von Utopie als einer Gattung stand. Die Besprechung der zuletzt genannten Studien hat jedoch gezeigt, dass ausgerechnet hier ein Problem aufgeworfen wird, das auch für die in dieser Studie entworfene Neubewertung der Gattung Utopie als einer dynamischen Form von Bedeutung ist: jenes der Beziehungen, welche die Gattung zu außerliterarischen, besonders wissenschaftlichen Diskursen unter- hält.

85 Rolf Steltemeier u. a.: Vorwort. In: Neue Utopien. Zum Wandel eines Genres. Hg. von Rolf Steltemeier. Heidelberg: Manutius 2009, S. 8–18; 8, 11. Ein Defizit des Bandes besteht darin, dass der im Untertitel angezeigte Wandel eines ›Genres‹ zu neuen Formen des Utopischen nicht an- gesprochen wird.

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Die Analyse der Verschränkungen der Gattung mit wissenschaftlichen Dis- kursen ist deshalb von so großer Bedeutung, weil in den je unterschiedlichen Beziehungen, welche die einzelnen Texte der Gattung zu diesen unterhalten, abermals Gattungsbewegungen manifest werden. Utopien greifen zwischen 1848 und 1930 Elemente wissenschaftlicher Diskurse auf und integrieren diese in je anderer Weise in ihre Gattungslogik. Aus diesen je verschiedenen Aneig- nungsprozessen resultieren synchrone Varianten, welche die Utopie als eine dynamische Gattung zeigen. Auf das eingangs zitierte Fallbeispiel zurückkom- mend, wird deutlich, wie zwei zeitgleich verfasste Utopien in je unterschiedli- cher Weise auf denselben Diskurs, nämlich die Evolutionsbiologie, zurückgrei- fen. Während Amersin Partikel dieses Diskurses für die Ebene der ›Geschichte‹, zur Beschreibung von Figuren aufgreift, kehren diese bei Bebel auf der Ebene des ›discours‹ wieder, als Metaphern für gesellschaftliche Entwicklungen. In den unterschiedlichen Formen, in denen die Texte diesen Diskurs nun aufgreifen und in die Gattung einarbeiten, werden Bewegungen zwischen verschiedenen Vari- anten der Gattung und, weil sie sich zeitgleich gegenüberstehen, Gattungsdy- namiken sichtbar. Eine genauere Bestimmung der jeweiligen Formen, in denen Utopien wissenschaftliche Diskurse aufgreifen, ist also ein wichtiges Mittel, um die Utopie als eine agonale Formation und dynamische Gattung auszuweisen.

Jamesons ›integrativer Utopiebegriff‹ liefert hierzu einen wichtigen Ausgangs- punkt; und doch muss auffallen, dass eine differenzierte Analyse, wie genau sich das Verhältnis zwischen der Gattung und zeitgenössischen Diskursen gestaltet, in seinen Arbeiten nicht geleistet wird. In den genannten Studien wird lediglich von einer Kopräsenz bestimmter Motive, Themen und Diskurse ausgegangen.

Man kann deshalb zu dem Schluss kommen, dass die Utopie auch hinsichtlich ihrer diskursgeschichtlichen Bestimmung eine erste schwach reflektierte Gattung darstellt, wobei besonders zwei Fragen noch zu wenig adressiert worden sind: (1) welche Denkfiguren, Modelle oder Semantiken außerliterarischer Diskurse von Gattungstexten aufgegriffen werden und (2) inwiefern zeitgleiche Utopien das je verschieden tun, wodurch jene Bewegungen zwischen Varianten von Utopie ent- stehen, die in der vorliegenden Studie als Gattungsdynamik bezeichnet werden.

Die Vertiefung dieser Fragen bildet einen weiteren Ausgangspunkt, um die in der Studie vertretene Neubewertung der Gattung zu entfalten.

Tritt man nun einen Schritt aus der hier entwickelten Argumentation zurück und erinnert sich an jene Ansätze, die zur Beschreibung der Utopie als einer Gattung entwickelt worden sind (vgl. Abschnitt 3.1 in diesem Kapitel), wird ein Zusammenhang deutlich: Ähnlich wie bei der Frage, welche Elemente anderer Gattungen die Utopie mit welchen Effekten aufgreift, zeigt sich auch hier bei der Frage, welche Elemente anderer Diskurse die Utopie mit welchen Effekten auf- greift, ein Forschungsdefizit: Die jeweiligen Aneignungsprozesse wurden weder

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eingehend verfolgt noch in synchroner Perspektive aufeinander bezogen. An dieser Stelle setzt nun die vorliegende Studie ein: Es geht ihr darum, die in etwa zeitgleichen Utopien verschieden gestalteten Aneignungsprozesse sowohl von Elementen anderer Gattungen als auch von Diskursen zu rekonstruieren und aus deren Differenzen synchrone Varianten der Gattung aufzuweisen und die Utopie so als dynamische Form sichtbar zu machen.86

4  Theoretische und methodische Prämissen

Um die These der Studie, nach der die Gattung Utopie zwischen 1848 und 1930 ein in zweifacher Hinsicht dynamisches Profil aufweist, erhärten zu können, ist es notwendig, die zur Debatte stehenden Texte sowohl in einer spezifischen Weise aufeinander zu beziehen als auch unter bestimmten Gesichtspunkten zu betrachten. Über die Ansätze, an denen sich die Studie hierzu orientiert, gibt vorliegender Abschnitt in sechs Schritten Auskunft. Die skizzierten theoretischen und methodischen Prämissen sind nicht als Selbstzweck zu verstehen, sondern als Navigationsmittel durch das heterogene Korpus dieser Untersuchung.

4.1  Synchronie statt Diachronie

Um sichtbar zu machen, dass die einzelnen Utopien voneinander abweichende ideologische und ästhetische Profile aufweisen, die oftmals aus wechselseitiger Absetzung hervorgehen, ist es notwendig, mit einem als solchen unausgespro- chenen Dogma der germanistischen Utopieforschung zu brechen: der Praxis, die einzelnen Utopien ausschließlich als Bestandteil einer diachronen Gattungs- reihe zu betrachten.87 Einer solchen Vorgehensweise entgegengesetzt werden die einzelnen Texte hier im Rahmen engerer historischer Zeiträume aufeinander

86 Mit diesem Interesse ordnet sich die vorliegende Studie in die kürzlich erwachte Debatte über das Verhältnis der Kategorien ›Gattung‹ und ›Diskurs‹ ein. Vgl. hierzu Gamper, Bies, Kleeberg (Hg.): Gattungs-Wissen. 2013, sowie den Sammelband: Gunhild Berg (Hg.): Wissenstexturen. Li- terarische Gattungen als Organisationsformen von Wissen. Frankfurt a./M.: Lang 2014.

87 Exemplarisch: Berghahn, Seeber (Hg.): Literarische Utopien von Morus bis zur Gegen- wart. 1983. Auch dreißig Jahre später wird die Geschichte der Gattung gerne in diachroner Per- spektive dargestellt. Zuletzt impliziert Susanna Layh in einer auf Differenzierung angelegten, komparatistischen Studie, dass sich die Dystopie von ihrer traditionellen Ausprägung (1920er- bis 1940er-Jahre), über die Anti-Utopie (zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts) bis zur kritischen Dystopie (seit den 1990er-Jahren) entwickle. Vgl. Susanna Layh: Finstere neue Welten. Gattungs-

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