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Daniel Tobias Bauer:Das Bildungsverständnis des Theologen Friedrich Schleier- macher (= Praktische Theologie in Geschichte und Gegenwart, Bd. 16), Tübingen, Mohr Siebeck 2015, XI u. 207 S.,€54,00

Besprochen vonProf. Dr. Andreas Kubik:Professur für Praktische Theologie und Religions- pädagogik, Institut für Evangelische Theologie Universität Osnabrück, Neuer Graben 29/Schloss, 49074 Osnabrück, E-Mail: andreas.kubikboltres@uni-osnabrueck.de

DOI 10.1515/zpt-2016-0500

Eine evangelische Religionspädagogik, die sich zum Begriff der Bildung in ein positives Verhältnis setzt, wird sich immer auf Schleiermacher berufen. Die Frage ist nur: auf welchen Schleiermacher? Den Mitbegründer der wissenschaftlichen Pädagogik? Den Systemphilosophen, der seinem breiten philosophischen Werk keine abschließende Gestalt geben konnte? Oder gar auf den Erneuerer der evangelischen Dogmatik?

Vorliegende Bonner Dissertation hält ein deutliches Plädoyer für letztere Op- tion. Unter den Anläufen Schleiermachers, einen Bildungsbegriff zu konzipieren, sei letztlich nur der desTheologenSchleiermacher–wie der Titel bereits deutlich macht – in sich konsistent und für eine Religionspädagogik sinnvoll zu ge- brauchen. Um diese These zu untermauern, werden von B. erstens der Philosoph und der Theologe Schleiermacher sehr weit voneinander abgerückt und zweitens die Philosophie Schleiermachers, insbesondere dessen„Dialektik“, als ein letzt- lich gescheitertes Projekt angesehen, was sich aber drittens für die Bildungs- bedeutung des Theologen Schleiermachers nicht negativ auswirke.

Ein solches Buch kann nach zwei Hinsichten betrachtet werden: zum einen hinsichtlich seines Ertrages für die Schleiermacher-Forschung im engeren Sinne, zum anderen bezüglich seines religionspädagogischen Diskussionsbeitrages. Die erste Perspektive soll naturgemäß an diesem Besprechungsort nicht im Vorder- grund stehen. Es sei nur angedeutet, dass ich in dieser Hinsicht ein wenig skep- tisch bin. Stutzig macht zunächst die Menge an Quellen, die B. behandelt: Er be- spricht nacheinander die„Monologen“, die„Reden“, die„Weihnachtsfeier“, die

„Dialektik“ und die „Glaubenslehre“ (die „Pädagogik“-Vorlesungen allerdings nicht). Hinzu kommen Exkurse zur„Philosophischen Ethik“, der„Hermeneutik“ und zur„Enzyklopädie“. Nach meinem Dafürhalten könnte man über den bil- dungstheoretischen Ertrag fast jedes dieser Werke eine Dissertation schreiben. Die Breite der Quellenbasis geht angesichts der Kürze des Buchs (190 Seiten) auf die Intensität der Interpretation. Ferner leuchten mir zwei seiner Grundprämissen nicht recht ein. Die erste: Schleiermacher komme als Philosoph sich als Theologen sozusagen immer wieder selbst in die Quere, weshalb man seine„dogmatische

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Theologie von seinem philosophischen System loslösen sollte“(3). Die„Reden“ (aber nur die erste Auflage) seiennoch nichtvon dem Wunsch nach einem Aus- gleich mit philosophischen Interessen tangiert: Sie stellen angeblich den

„Glücksfall eines hiervon noch unbeeinflussten theologischen Werkes“(44) dar;

die„Glaubenslehre“2. Aufl. hingegen verfolge jenes Interessenicht mehr. Diese These erscheint problematisch, wenn man sich vor Augen hält, welch gründliche philosophische Studien–vor allem zu Aristoteles, Leibniz, Spinoza und Kant– den„Reden“vorausgegangen waren. Diesen Hintergrund führt B. nicht mit. Vor allem aber impliziert die These, dass Schleiermacher zu bestimmten Phasen seines Schaffens zutiefst inkonsistent gedacht und dies noch nicht einmal gemerkt habe –etwa in den frühen 1820er Jahren, als er an„Dialektik“und„Glaubenslehre“

parallel arbeitete.

Die zweite Grundannahme: Schleiermachers dogmatische Theologie müsse unabhängig von seiner Philosophie betrachtet, ja „aus einer philosophischen Engführung“(128) gelöst werden. Diese These kann entweder so verstanden wer- den, dass theologische Dogmatik einen vollständig anderen Status hat als eine philosophische Theorie des Absoluten: Dann ist mir keine Forschungsposition bekannt, die das anders sieht (B. bezieht sich für sie ja auch auf Hans-Joachim Birkner und andere Großmeister der Schleiermacher-Forschung). Oder sie wird so verstanden, dass zur Interpretation der „Glaubenslehre“ die philosophischen Hauptwerke nicht heranzuziehen sind. Dann sehe ich aber nicht, wie man ver- meiden soll, dass die Religion ihre Beziehung zum sonstigen menschlichen Geis- tesleben verliert. Religion ist etwas anderes als Philosophie, aber um wissen- schaftlich über Religion zu reden, stehen keine andere Sprache und keine anderen Denkmittel zur Verfügung als die, welche uns die philosophische Fakultät an die Hand gibt. Die Theologie hat ja – folgt man Schleiermachers„Kurzer Darstel- lung“ –keine eigene Methode.

Die mehrfach angekündigte „genauere“ (3. 28) bzw. „präzisere“ (36) Unter- suchung– „genauer“und„präziser“als beispielsweise Ulrich Barth oder Ursula Frost–besteht m. E. im Wesentlichen in Neubewertungen einzelner Textpassagen, die zwar nicht„provokant“(VII. 3), aber doch immer wieder originell sind und beim Wiederlesen der Quellen den einen oder anderen Widerhaken auswerfen dürften– und als Außenseiterposition hat sich das Buch in Abgrenzung zu einem von B. ver- muteten„Mainstream“(49) der Schleiermacher-Forschung ja auch selbst klassifi- ziert. Damit geht bei B. auch ein Verweis auf Forschungsbeiträge einher, die in der gegenwärtigen Diskussion nicht mehr die größte Rolle spielen: Sein Buch ist maß- geblich von der Schleiermacher-Deutung Gerhard Ebelings inspiriert.

Wenden wir uns also der zweiten Perspektive zu. B. entwirft einen dreistufigen Bildungsbegriff, den Schleiermacher „impliziert, aber nicht selbst entwickelt“

(183) habe–und in dieser Rekonstruktion versteht das Buch wohl seinen ureige-

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nen Forschungsbeitrag. Ich kann nun nicht verhehlen, dass ich gegen diese Auffassung, sofern sie als Schleiermacher-Philologie gelten soll, wiederum einige Bedenken hätte, die auszuführen hier aber auf eine ausführliche Diskussion von B.s Hauptbelegstellen hinaus liefe. Ich konzentriere mich daher auf die Dar- stellung jener Bildungskonzeption selbst.

Bildung ist zum einen„menschheitliche Bildung“(58): Wir kommen als Men- schen mit den kulturellen Errungenschaften der Menschheit in möglichst umfas- senden Kontakt, rezipieren sie auf unsere naturgemäß begrenzte Weise und wer- den darin zu unserer eigenen Individualität gebildet, durch welche wir wiederum die Menschheit auf unsere persönliche Weise darstellen. (Diesen Aspekt hätten die

„Monologen“angezielt, die„Reden“entwickelt und die„Glaubenslehre“immer- hin festgehalten.) Die Nähe dieser Facette zum neuhumanistischen Bildungsbe- griff, namentlich Humboldts, wird von B. mehrfach herausgestellt.

Bildung ist zum zweiten„religiöse Bildung“(1.58.174 u.ö.). Gemeint ist die Bil- dungswirkung, welche die Religion auf die Seele eines Menschen hat, also das

„Bildende der Religion“(139). Die religiöse Erfahrung für sich ist schlechthin un- verfügbar, ereignet sich in strikter Passivität, ist gnadenhafte Offenbarung. Wenn das Wesen der Religion aber in der Vermittlung zur Sphäre des Göttlichen besteht, so erfüllt sich–laut B. bereits in den„Reden“ –die Intention der Religion wirklich erst in der Christologie, also im Bezug auf den Mittler, der seinerseits keiner Ver- mittlung bedarf. Christus als der Repräsentant einer‚stetigen Kräftigkeit des Got- tesbewusstseins‘teilt dieses den Hörenden mit. In dieser Begegnung geschieht ein

„Entschränken der nach außen hin abgeschlossenen Person durch das sich in diese Hineinbilden der unverfügbaren göttlichen Universalität“(169). Die religiöse Erfahrung als„Resonanzerfahrung“(ebd.) ist in dieser Hinsicht personbildend, weil sie den Menschen erst in die Liebe zu anderen stellt, und weltbildend, weil sie

„auf das Miteinander Aller mit Allen zielt“(167).

Die religionspädagogische Pointe besteht darin, dass religiöse Bildung nach B.

in ihrem Kern nicht im Reden über Religion oder gar im Versuch der rationalen Durchdringung der religiösen Erfahrung besteht:„Der christlich gebildete Mensch entsteht eben nicht aus Gründen, sondern nur aus dem Ernstnehmen des Ereig- nisses, das sich uns aus Gnade ereignet.“(171) Mithin ist„der Gottesdienst […]

primärer Ort der religiösen Bildung“(175); dazu treten„lebensgeschichtliche Re- sonanzerfahrungen und Jugendspiritualität“(ebd.). Ohne dies ist in der religiösen Bildung alles nichts. Dabei geht es aber nicht um deren didaktische, probeweise Inszenierung, sondern es müssen„verstärkt außerschulische Geschehnisse in den Blick genommen werden.“(185)

In Christus kommt die Menschheit zu ihrem eigentlichen Ziel; die, die von ihm

‚gebildet‘wurden, sind nach dem Wort des Paulus‚neue Kreatur‘. Deshalb erfüllt die religiöse Bildung auch die wahre Bestimmung des Menschen, deshalb„be-

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deutet die Selbstgegenwart des Geistes Gottes […] das Wesen der Humanität überhaupt“. (162) In der Begegnung mit Christus, also in der Gegenwart des Geistes, kommt Menschsein zu seiner Erfüllung. Dieser religiöse Bildungsbegriff ist „somit in der Lage, genau das auszusagen, worauf jeder humanistische Bil- dungsbegriff abzielt.“(165) In der Tat, so dürfte sich das Christentum immer wie- der selbst begriffen haben. Es wäre aber interessant gewesen zu erfahren, was B.

von einer These wie der Joachim Kunstmanns, den er ansonsten häufiger zu- stimmend zitiert, hält: „Bilden ist immer Sich-bilden.“ (Religionspädagogik, 2. Aufl., Tübingen 2010, 337). Ich denke, man muss entweder sagen: Dem huma- nistischen Bildungsbegriff fehlt etwas, oder: Es ist schwer, B.s Auffassung von

‚religiöser Bildung‘unter einen allgemeinen Begriff von Bildung zu subsumieren.

Jene Intention zielt also auf alle Menschen als solche. Aus diesem Umstand folgert B.,„dass es hier […] nicht um etwas spezifisch Christliches geht.“(161) Diese unvermutete These ist vermutlich auch der Grund für eine weitere riskante Interpretation: Nach B. sei Schleiermacher im Ganzen nur eine„sehr begrenzte Pluralismusfähigkeit“(2) zu attestieren, was heute nicht mehr weiterführe. Schuld daran sei wiederum seine Philosophie mit ihrer „Korrespondenztheorie von Wahrheit“(2). Folglich seien„Reden“(1. Aufl.) und„Glaubenslehre“(2. Aufl.) von jenem Attest auszunehmen. Die„Reden“zumal nähmen gegenüber anderen Re- ligionen „einen agnostisch-offenen und lernbereiten Standpunkt ein, ohne im Geringsten den Wahrheitsanspruch des Christentums einzuschränken“(61; wort- gleich auf 181. Hintergrund für diese Interpretation bildet die Stelle„Reden“, 304, in der Originalpaginierung). Wie beides freilich miteinander in Einklang zu brin- gen ist, bleibt offen. Nach meiner Einschätzung liegt die Sache eher umgekehrt:

Ein Bildungsverständnis wie dieses Ineinander von‚menschheitlicher‘und‚reli- giöser‘Bildung ist auch dort noch christlich, wo es sich selbst nicht mehr als christlich artikuliert. Von daher kann dann auch das Vorliegen wahrer Religiosität in anderen Religionen anerkannt werden. Wie Schleiermacher es in einer der–von B. nicht geschätzten–späteren Auflagen der„Reden“schreibt:„Ich aber meinte, es sei ächt christlich, die Frömmigkeit überall aufzusuchen und unter welcher Gestalt es auch sei anzuschauen.“(KGA I/12, 145). Das Verständnis von‚religiöser Bildung‘in diesem Sinne scheint mir den eigentlichen Kern der Arbeit auszu- machen.

Es bleibt noch die dritte Facette des Bildungsbegriffs nachzutragen: die„theo- logische Bildung“(181). Sie besteht darin, dass der Gehalt des religiösen Gefühls in seiner Positivität nunmehr„kognitiv durchdrungen“(175) wird. (Erneut scheint mir die Herleitung aus der Quelle–in diesem Fall„Glaubenslehre“, 2. Aufl., § 101 –fragwürdig: Schleiermacher erörtert dort das Problem der Identität von‚alter‘ und ‚neuer‘Kreatur und nicht die angebliche nötige Reduktion des uns über- fordernden überschwenglichen Gehalts„durch unsere individualisierende Ratio“

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[183].) Religiöse Erfahrung drängtimmerauf Reflexivwerdung, und genau dazu dient z. B.„der schulische Religionsunterricht oder die universitäre Theologie.“ (175) Da auch die Christinnen und Christen an der‚menschheitlichen Bildung‘ teilnehmen, besteht die eigentliche theologische Aufgabe in der„Dolmetschung des religiösen Gefühls in Formen der allgemeinen Nachvollziehbarkeit“ (181).

Somit wird im Anschluss an Habermas–den B. mehrmals nennt, aber nicht zitiert oder bibliographiert – dieser Begriff von theologischer Bildung für„eine Kon- senstheorie von Wahrheit“(189) veranschlagt. Im säkularen bzw. postsäkularen Diskurs über den Grund und das Ziel von Bildung hat Theologie die Gehalte der Religion allgemein nachvollziehbar zu vertreten–und kann dies nach B.s Mei- nung auch.

Zusammengefasst: Wer sich verlässlich über Schleiermacher informieren will, sollte m. E. besser zu einem Buch aus dem‚Mainstream‘greifen; mir scheinen bei B. die Thesen vielfach zu gewagt und die Interpretationen mitunter eine Spur zu entdeckerfreudig. Wer in der Schleiermacher-Forschung sein eigenes Verständnis überprüfen möchte, kann dies gerade an den gelegentlich bewusst unkonven- tionellen Lesarten B.s tun. Wer sich hingegen aus rein religionspädagogischem Interesse dem Buch zuwendet, findet auf den Seiten 138 (bzw. 165)-190 ein theo- logisches Bildungsverständnis, dessen Diskussionswürdigkeit ich ausdrücklich unterstreiche.

Sarah Demmrich:Religiosität und Rituale. Empirische Untersuchungen an ost- deutschen Jugendlichen (Arbeiten zur Praktischen Theologie 62), Leipzig, Evan- gelische Verlagsanstalt 2016, 384 S.,€58,00

Besprochen vonSebastian Engelmann, M.A.:Jena Lehrstuhl für Historische Pädagogik und Erziehungsforschung, Institut für Bildung und Kultur, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Am Planetarium 4, 07743 Jena, E-Mail: sebastian.engelmann@uni-jena.de

DOI 10.1515/zpt-2016-0038

Religionspsychologie ist, laut Michael Domsgen im Vorwort der Dissertations- schrift von Sarah Demmrich, in Deutschland ein nur wenig beforschtes Themen- gebiet. Ganz anders hingegen sehe es im angloamerikanischen Kontext aus. Die empirisch vorgehende Arbeit zuReligiosität und Ritualenerschien zu Beginn die- ses Jahres in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig und zielt darauf, diese Forschungslücke zu schließen.

Die leitenden Fragestellungen der Arbeit sind,„ob und welche religiöse Erfah- rungen während persönlicher Rituale gemacht werden, wie Jugendliche diese Ri- tuale lernen und welche Funktionen diese in ihrer psychischen Entwicklung ein-

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