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Wenn die Transfusionsindikation umstritten ist ...

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Ausgabe 14 2010

Antwort:

Formal ist diese Frage einfach zu beantworten. Im Jahr 1989 wurde eine spezielle „Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Bluttrans- fusion“ zwischen dem Berufsverband der Deutschen Anästhesisten und dem Berufsverband der Deutschen Chirurgen geschlossen (1). In dieser Vereinbarung ist die Frage nach der medizinischen und juristischen Ver- antwortung für die Indikationsstel- lung und die Durchführung einer Bluttransfusion in der intraoperativen Phase klar geregelt. Es heißt dort:

„2. Intraoperative Phase

2.1 Chirurg und Anästhesist infor- mieren sich wechselseitig über von der Norm abweichende Blutverluste.

2.2 Der Anästhesist entscheidet über die Bluttransfusion und führt sie durch. Die Indikation zur Bluttransfusion ist streng zu stellen. Der Anästhesist trägt

die ärztliche und rechtliche Ver- antwortung

• für die Entscheidung, ob und zu welchem Zeitpunkt eine intraoperative Bluttransfusion angezeigt ist und

• für die Beachtung der Sorg- faltsregeln, die für die Durchführung der Bluttrans- fusion gelten.“

Daraus lässt sich unzweideutig ableiten, dass die ärztliche und recht- liche Verantwortung für die Indika- tionsstellung und ebenso für die praktische Durchführung der Blut- transfusion in der intraoperativen Phase beim Anästhesisten liegt, auch im beschriebenen Fall.

Mit der Frage, ob die Verantwor- tung für die Indikationsstellung zur intraoperativen Bluttransfusion nicht doch in Teilen auch dem Chirurgen

zufalle, hat sich Walter Weißauer befasst (2). Er schrieb: „Zweifelhafter könnte sein, wer die Indikation zur Bluttransfusion stellt.

Zu denken ist an das Verursacher- prinzip und an den Grundsatz, dass derjenige, der mit seiner Methode Komplikationen verursacht, auch für die Zwischenfallstherapie zuständig ist. Die nähere Analyse führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die Aufgabe des Operateurs primär darin besteht, die Blutung zu stillen. Da größere Blutverluste die Sauerstoffkapazität und das Blutvolumen reduzieren, wir- ken sie sich im Bereich der Vitalfunk- tionen aus, deren Überwachung, Aufrechterhaltung und Wiederher- stellung intraoperativ zu den Aufga- ben des Anästhesisten gehören. Der Anästhesist trägt damit die Verant- wortung für die Entscheidung, ob und von welchem Zeitpunkt ab eine Transfusion durchzuführen ist, was zu transfundieren (Blut, Blutderivate) ist und in welcher Menge.“

Die rechtliche Relevanz der Verein- barung der beiden Berufsverbände für die gesamte operative Medizin - und nicht nur für die eigentliche Chi- rurgie - steht heute außer Frage.

Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat zum einen die Bedeutung der Vereinbarung für das Haftungsrecht anerkannt (3) und ihr zum anderen Ausstrahlungswirkung auf alle opera-

Wenn die Transfusionsindikation umstritten ist ...

Frage:

Im vorliegenden Fall wollte der Chirurg die Transfusion, der Anäs- thesist sah sie als nicht indiziert an und verweigerte die Transfusion.

Daraufhin sah sich der Chirurg außer Stande, die Operation fortzufüh- ren und beendete den Eingriff. Wie steht es in einem solchen Fall um die juristische Verantwortung für die Durchführung oder Nicht-Durch- führung der Transfusion, wenn sich im OP Anästhesist und Chirurg nicht einig sind, ob transfundiert werden soll oder nicht?

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tiven Fachgebiete in der Medizin zugebilligt (4). Klinisch ist die Antwort auf die Frage vielleicht aber doch komplizierter, worüber sich aber ohne weitere Kenntnis der Details dieses Einzelfalls nur spekulieren lässt. War die Indikationsablehnung durch den Anästhesisten vielleicht falsch, weil sich dem Chirurgen ein operatives Bild bot, das ihn sehr kon- kret und gut begründet eine plötzlich verstärkte Blutung bei Operations- fortsetzung fürchten lassen musste?

Hinzu können logistische Aspekte kommen, die mit der Indikationsstel- lung zur Transfusion interferieren.

Waren im konkreten Fall schon gekreuzte Erythrozytenkonzentrate im OP-Bereich vorhanden? Oder ging es darum, sie überhaupt erst anzufordern? Wie lange wäre das zeitliche Intervall zwischen Indika- tionsstellung und Transfusionsbeginn im konkreten Fall voraussichtlich gewesen? Wäre im Falle einer zu starken Anämisierung mit der mög- lichen Folge der Entwicklung einer diffusen Blutungsneigung die gesamte Palette der Hämotherapie einschließlich Thrombozyten und Gerinnungsfaktorkonzentraten aller Art verfügbar gewesen?

Diese Fragen zeigen, dass die Indi- kationsstellung zur Transfusion durchaus von vielen Begleitumstän- den abhängen kann. Darüber hinaus muss die Indikationsstellung zur

Transfusion natürlich und vor allem individuelle gesundheitliche Gege- benheiten beim einzelnen Patienten einbeziehen. Die generelle Forderung nach strenger Indikationsstellung lässt daher vielerlei Ermessensspiel- räume offen. Zwar sind die richtigen Transfusionstrigger für kreislaufsta- bile Patienten auf Intensivstationen inzwischen einigermaßen gut durch Studien abgesichert. Aber dies gilt keineswegs genauso für die intra- operative Phase, wo zum Beispiel hämostaseologische und rheolo- gische Überlegungen Anlass geben können, etwas weniger restriktive Transfusionstrigger anzuwenden als bei Patienten auf der Intensivstation (5).

Ganz sicher ist die Entscheidung über eine Transfusion in der intraope- rativen Phase kein geeigneter Gegen- stand, um grundsätzliche Streitig- keiten auszutragen. Wenn im kon- kreten Fall eine an sich indizierte Fortsetzung oder Erweiterung eines operativen Eingriffs unterblieben ist, erweckt dies den Verdacht, dass mindestens einer der beteiligten Ärzte seinen Entscheidungsspiel- raum, der in dieser Frage immer besteht, nicht angemessen ausge- schöpft hat. Andererseits muss man

aber auch feststellen, dass selbstver- ständlich alleine die Drohung des Operateurs mit dem Abbruch des Eingriffs den Anästhesisten nicht davon abhalten darf, die Transfusion abzulehnen, wenn sie (offensichtlich) nicht indiziert ist.

Der vorgestellte Fall zeigt zweierlei gut. Erstens: Chirurg und Anästhesist sitzen vor Gericht in einem Boot. Der Anästhesist trägt die Verantwortung für die Nicht-Durchführung der Blut- transfusion und der Chirurg für die Nicht-Fortführung der Operation.

Fällt die Entscheidung über das intra- operative Vorgehen im Konsens, sind die haftungsrechtlichen Gefahren für beide Ärzte geringer. Zweitens: Medi- zinische Vereinbarungen, Richtlinien und Leitlinien werden niemals die uneingeschränkte Bereitschaft zum optimal aufeinander abgestimmten kollegialen ärztlichen Handelns zum Wohle des Patienten ersetzen können.

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Ausgabe 14 2010

Prof. Dr. med. Robert Zimmermann

Abteilung für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie am Universitätsklinikum Erlangen

Dr. jur. Albrecht W. Bender Universitätsklinikum Erlangen

Die Literaturhinweise fi nden Sie im Internet zum Download unter:

www.drk-haemotherapie.de

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