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EDITORIAL

ARS MEDICI 9 | 2019

313

Wer mit heranwachsenden Kindern zusammenwohnt, wird die Szenerie vielleicht kennen: Obgleich im Alltag gar nicht mal so selten im Hause durchaus anwesend, wäre der Sohn oder die Tochter dennoch gefühlt irgendwie gar nicht da, wenn nicht selbst durch geschlossene Zimmertüren noch deutlich vernehmbare, mehr oder weniger artikulierte Aus- rufe des Nachwuchses nicht nur das Gegenteil, sondern auch höchste emotionale Anspannung beweisen und gleichzeitig auch verraten würden, was ihn gerade wieder einmal so umfassend und nachhaltig vereinnahmt.

Die Rede ist von PC, Konsole etc. und von dem, was darauf, landauf, landab, Stund um Stund, «gezockt» wird: Compu- terspiele, zuletzt überwiegend wohl Fortnite Battle Royal – ein comicartiges Kampfspiel, bei dem sich zahlreiche einge- loggte Gegner gegenseitig virtuell ohne jegliches Blutver- giessen und dabei durchaus kreativ eliminieren müssen, bis nur noch einer übrig bleibt. Gewiss: Das Genre der soge- nannten Shooterspiele hat Schlimmeres zu bieten – und doch ringen besorgte Eltern mit ihren Sprösslingen auch hier um das rechte Mass, also um die Frage, was für letztere noch sozial und gesundheitlich verträglich ist. Und genau diese Auseinandersetzung ist richtig und wichtig, auch wenn sie oft Nerven kostet. Denn wirklich gefährdet, sich selbst in ihrem Tun zu verlieren, sind gerade diejenigen Ju- gendlichen, deren Eltern sie aus Bequemlichkeit oder falsch verstandener Toleranz einfach machen lassen – dies gilt selbstverständlich nicht nur für Aktivitäten am Bildschirm.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Computer- und Videospielsucht im vergangenen Jahr in die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) aufgenommen (1).

Doch bei allem berechtigten Augenmerk auf die tatsäch- lich existierenden Risiken des exzessiven Gamings bleibt die Ausweitung des Krankheitsbegriffs auf die dort oder in anderen Bereichen, wie Essen oder Sex, vordergründig zu beobachtenden Abhängigkeitsmuster unter Fachleuten

nicht zuletzt aufgrund einer bis anhin unzureichenden Datenlage fragwürdig. So kann etwa Schokolade wie vieles andere durchaus abhängig machen, aber Schokoladen- sucht ist sicher dennoch keine eigenständige Krankheit, sondern allenfalls ein Symptom von Affekt- oder anders gelagerten psychischen Störungen.

Auch wenn alkohol- oder drogensüchtige Menschen zum Teil noch immer kurzerhand abgestempelt werden, ihr Leben nicht im Griff zu haben – das (An-)Erkennen der Sucht als Krankheit hat hier allmählich dazu beigetragen, den Betroffenen das Stigma des persönlichen Versagens zu nehmen. Dies ist ein erster, sicherlich entscheidender Schritt auf dem Weg dahin, die Hintergründe zu verstehen, damit eine Therapie auch wirkliche Hilfe sein kann. Jegli- ches abhängiges Verhalten per se als krankhaft zu definie- ren, droht gleichwohl den Blick auf die wirklichen Ursachen zu verstellen. Denn am Ende einer verkürzten Kausalkette könnte als womöglich neues Brandmal dann die Krankheit selbst stehen ...

Pauschale Denkmuster führen selten zur Erkenntnis. Eine aktuelle Studie konnte erneut nachweisen, dass selbst in- tensive Beschäftigung mit gewaltdarstellenden Videospie- len bei Jugendlichen nicht mit aggressivem Verhalten asso- ziiert ist (2). Was der Konsum solcher Bilder auf Dauer nicht nur mit Adoleszenten macht, ist damit zwar nicht gesagt – die Ursachen, warum manch junger Mensch plötzlich zum Amokläufer wird, sind aber letztlich anderswo und nicht selten in frühkindlichen, im familiären Umfeld erlittenen Traumen und mithin in einem wachsenden Selbstwertver- lust zu verorten. Die Familien sind also mehr denn je gefor- dert, die ins Haus gestreamte, bisweilen rohe Bilderflut zu kanalisieren. Bevor der Arzt ins Spiel kommen kann, was ohnehin die entsprechende Einsicht und Bereitschaft des Nachwuchses voraussetzen würde, wäre ein aufrichtiges Interesse seitens der Eltern für die Interessen der Kinder ein Anfang und könnte zu beidseits ersehnten neuen Begeg- nungen führen.

Im persönlichen Fall des Editorialisten hatte der Sohn dem Vater auf Nachfrage die Faszination von Fortnite zu vermit- teln versucht – was nur ansatzweise gelang, aber auch an- derenfalls die Debatten nicht abgefedert hätte. Doch als jüngst sein PC streikte und neu aufgesetzt werden musste, überraschte der Filius mit der Aussage, das Spiel vorerst nicht wieder neu installieren zu wollen, da es ihn inzwi- schen anöde. Wir lernen: Langeweile ist vielleicht unser stärkster Antrieb ...

Ralf Behrens

1. https://www.who.int/features/qa/gaming-disorder/en/

2. Przybylski AK, Weinstein N: Violent video game engagement is not associated with adolescents' aggressive behaviour: evidence from a registered report. R Soc Open Sci 2019; 6(2): 171474.

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