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Tumor(co)promovierende Effekte niederfrequenter Magnetfelder auf die Brustdrüse und die Bedeutung von Amylase für Zellproliferation und Magnetfeld-Wirkungen bei der Ratte

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Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Tumor(co)promovierende Effekte niederfrequenter Magnetfelder auf die Brustdrüse und die Bedeutung von Amylase für Zellproliferation und

Magnetfeld-Wirkungen bei der Ratte

Habilitationsschrift

zur Erlangung der Venia legendi

an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von

Dr. med. vet. Maren Fedrowitz Hannover 2009

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Lo-274/6)

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Nichtöffentliche wissenschaftliche Aussprache: 10. Juni 2010

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INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG ...1

1.1 Biologische Wirkungen von Magnetfeldern ...1

1.2 Physikalische Eigenschaften niederfrequenter MF und ihr Vorkommen in der Umwelt ...5

1.3 Tumorerkrankungen unter besonderer Berücksichtigung von Brustkrebs: Verbreitung, Ursachen, Entstehung...9

1.3.1 Verbreitung und Ursachen...9

1.3.2 Tumorentstehung und –promotion in der Brustdrüse...10

1.4 Bedeutung des genetischen Hintergrunds der verschiedenen Rattenstämme für den Ausgang wissenschaftlicher Untersuchungen ...16

1.4.1 Charakteristika verschiedener, häufig verwendeter Rattenstämme:... Auszuchtstämme...17

1.4.2 Charakteristika verschiedener, häufig verwendeter Rattenstämme: ... Inzuchtstämme...17

1.5 Experimentelle Ansätze zur Untersuchung der Wirkung niederfrequenter MF ... ...19

1.5.1 Die Brustdrüse der Ratte: Anatomie, Differenzierung und Histologie...19

1.5.2 Untersuchung der Tumor-promovierenden Wirkung niederfrequenter MF...21

1.5.3 Untersuchung der möglichen Wirkungsmechanismen niederfrequenter MF...23

2. FRAGESTELLUNGEN DER VORLIEGENDEN UNTERSUCHUNGEN ...27

2.1 Effekte durch MF-Exposition: Tumorpromotion und veränderte Zellproliferation im Brustdrüsengewebe ...27

2.1.1 Gesteigerte Proliferation im Brustdrüsengewebe durch MF-Exposition und Untersuchung der Melatonin-Hypothese durch Messung von Melatonin im Brustdrüsengewebe...27

2.1.2 Unterschiede zwischen Rattenstämmen als Ursache für mangelnde Reproduzierbarkeit von Versuchergebnissen...27

2.1.3 Suche nach MF-empfindlichen Rattenstämmen (Zellproliferation)...28

2.1.4 Weitere Charakterisierung der MF-empfindlichen Stämme bezüglich der Tumorpromotion (DMBA-Modell)...29

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2.2 Mechanismen der MF-Exposition (noch nicht veröffentlichte Ergebnisse) ...29 2.2.1 Genexpressionsanalysen zum Auffinden von Kandidatenproteinen...29 2.2.2 Weiterführende Untersuchungen der ermittelten Kandidatengene...29 2.2.3 Untersuchungen von Effekten einer In-vivo-MF-Exposition an Primärkulturen in vitro. ...30 3. ERGEBNISSE ...31 3.1 Unterschiedliche MF-Effekte auf Tumorpromotion und Zellproliferation bei

verschiedenen Rattenstämmen: Identifizierung eines MF-empfindlichen

Rattenstamms...31 3.1.1 Erhöhte Zellproliferation, aber unveränderte Melatoninkonzentration im

Brustdrüsengewebe weiblicher Sprague-Dawley-Ratten nach zwei Wochen MF- Exposition (Fedrowitz M, Westermann J & Löscher W, Cancer Res. 2002)...31 3.1.2 Unterschiede im DMBA-Brustkrebsmodell zwischen zwei Sprague-Dawley-

Substämmen in der Reaktion auf MF-Exposition (Fedrowitz M, Kamino K & Löscher W, Cancer Res. 2004)...33 3.1.3 Identifizierung der Fischer 344-Ratte als MF-empfindlichen Rattenstamm: Erhöhung

der Zellproliferation im Brustdrüsengewebe nach zwei Wochen MF-Exposition

(Fedrowitz M & Löscher W, Oncology 2005)...34 3.1.4 Tumorpromovierende MF-Effekte bei weiblichen F344-Ratten im DMBA-

Brustkrebsmodell (Fedrowitz M & Löscher W, Carcinogenesis 2008)...35 3.2 Untersuchungen zu den möglichen Wirkungsmechanismen niederfrequenter MF.

...37 3.2.1 Veränderungen der Genexpression im Brustdrüsengewebe von F344- und Lewis-

Ratten nach zwei Wochen MF-Exposition (50 Hz, 100 µT)...43 3.2.2 Untersuchungen zur Beteiligung von Amylase an den MF-Effekten: Veränderungen

der Amylase-Enzymaktivität im Brustdrüsengewebe weiblicher, juveniler Ratten nach MF-Exposition (50 Hz, 100 µT)...61 3.2.3 Veränderungen von Zellwachstum und Amylase-Wirkungen in epithelialen

Primärkulturen der Brustdrüse nach In-vivo-MF-Exposition: Unterschiede zwischen Zellen von F344- und Lewis-Ratten...86 4. ZUSAMMENFASSENDE DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE UND

GEMEINSAME DISKUSSION... 129 4.1 Unterschiedliche MF-Effekte auf Tumorpromotion und Zellproliferation bei

verschiedenen Rattenstämmen: Identifizierung eines MF-empfindlichen

Rattenstammes... 129

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4.2 Untersuchungen zu den möglichen Wirkungsmechanismen niederfrequenter MF.

... 141

5. ZUSAMMENFASSUNG ... 167

6. LITERATURVERZEICHNIS ... 170

7. DARSTELLUNG DES EIGENEN ANTEILS AN DEN WISSENSCHAFTLICHEN ARBEITEN... 193

8. DANKSAGUNG ... 195

ANHANG... 196

VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN UND GLOSSAR... 200

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Liste der Publikationen, die Bestandteil der Habilitationsschrift sind:

[1] Fedrowitz M, Westermann J & Löscher W (2002)

Magnetic field exposure increases cell proliferation but does not affect melatonin levels in the mammary gland of female Sprague-Dawley rats

Cancer Res. 62(5): 1356-63

[2] Fedrowitz M, Kamino K & Löscher W (2004)

Significant differences in the effects of magnetic field exposure on 7,12- Dimethylbenz[a]anthracene-induced mammary carcinogenesis in two substrains of Sprague- Dawley rats

Cancer Res. 64(1): 243-251

[3] Fedrowitz M & Löscher W (2005)

Power-frequency magnetic fields increase cell proliferation in the mammary gland of female Fischer 344 rats but not various other rat strains or substrains

Oncology 69: 486-498

[4] Fedrowitz M & Löscher W (2008)

Exposure of Fischer 344 rats to a weak power-frequency magnetic field facilitates mammary tumorigenesis in the DMBA model of breast cancer

Carcinogenesis 29(1): 186-193

Weitere, unveröffentlichte Untersuchungen:

[5] Fedrowitz M & Löscher W

Veränderungen der Genexpression durch MF-Exposition im Brustdrüsengewebe von F344- und Lewis-Ratten nach 2 Wochen MF-Exposition (50 Hz, 100 µT)

[6] Fedrowitz M, Hass R & Löscher W

Untersuchungen zur Beteiligung von Amylase an den MF-Effekten: Veränderungen der Amylase-Enzymaktivität im Brustdrüsengewebe weiblicher, juveniler Ratten nach MF- Exposition (50 Hz, 100 µT)

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[7] Fedrowitz M, Hass R & Löscher W

Veränderungen von Zellwachstum und Amylase-Wirkungen in epithelialen Primärkulturen der Brustdrüse nach In-vivo-MF-Exposition: Unterschiede zwischen Zellen von F344- und Lewis-Ratten

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1. Einleitung

1.1 Biologische Wirkungen von Magnetfeldern

Niederfrequente Magnetfelder (MF) kommen ubiquitär in der Umwelt vor. Das gilt insbesondere für industrialisierte Länder und Gegenden, denn niederfrequente MF treten zum Beispiel bei der Nutzung elektrischer Geräte auf und sind in der Regel künstliche, von Menschen erzeugte Felder. Im Gegensatz zu MF, die durch Wechselstrom induziert werden, also zeitlich mit einer bestimmten Frequenz (z.B. 50 Hz) variieren, ist das Erdmagnetfeld ein natürliches, statisches MF. Viele Tiere sind nachweislich in der Lage, das Erdmagnetfeld zu detektieren und nutzen es zur Orientierung (Presti & Pettigrew, 1980). Dazu zählen vor allem Wildtiere, wie zum Beispiel verschiedene Vogelarten (Wiltschko & Wiltschko, 1996), Fledermäuse (Holland et al. 2006), Nager (Olcese et al. 1988) und Meeresschildkröten (Lohmann, 1991), aber auch domestizierte Tiere wie die Haustaube (Bookman, 1977).

Künstliche, niederfrequente MF, die durch Stromleitungen erzeugt werden, können Physiologie und Fortpflanzung bei einigen Vogelarten beeinflussen (Fernie & Reynolds, 2005).

Seit mehr als 30 Jahren existieren Bedenken hinsichtlich gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Exposition in niederfrequenten und statischen MF. Einflüsse auf den Betrieb von überlebenswichtigen, elektrischen Geräten, wie zum Beispiel Herzschrittmachern, sind unstrittig (Yerra & Reddy, 2007). Ebenso gibt es eindeutige Wirkungen starker MF auf andere Organsysteme. So wird zum Beispiel das Gleichgewichtssystem durch Bewegungen in starken, statischen MF beeinträchtigt, was sich in Schwindel und Übelkeit äußert (Glover et al. 2007). Diese Felder treten beispielsweise beim Betrieb von bildgebenden Verfahren, wie Magnetresonanztomographen, auf. Darüber hinaus interagieren niederfrequente MF erwartungsgemäß mit biologischen Geweben, deren Zellen physiologisch Signale über elektrische Ströme weitergeben. So können Nerven- und Muskelgewebe durch MF- Exposition gereizt und stimuliert werden (Tenforde & Kaune 1987; Reilly, 1989; Bernhardt, 1992). Insbesondere das Zentralnervensystem ist empfindlich gegenüber Wechselwirkungen von exogenen MF und endogenen, elektrischen Feldern, die durch die Aktivität der Nervenzellen erzeugt werden. Auch bei geringen Expositionen ohne Reizung können MF die elektrische Aktivität und neuronale Erregbarkeit über Einflüsse auf die Zellmembran verändern (Sienkiewicz et al. 1991; Tenforde, 1993). MF-Exposition hat auch Auswirkungen auf die Reizleitung am Herzen. In Studien an freiwilligen Probanden konnten Veränderungen

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Probanden diese Felder bewusst wahrnehmen konnte (Cook et al. 1992; Graham et al. 1994).

Erst bei Exposition durch starke MF im Millitesla-Bereich kommt es zu flimmernden, visuellen Sinneswahrnehmungen durch magnetische Phosphene (Tenforde, 1996).

Grundsätzlich ist also unstrittig, dass MF biologische Wirkungen haben. Allerdings erlauben diese nachgewiesenen Wirkungen nicht zweifelsfrei die Schlussfolgerung, dass daraus auch nachhaltige, gesundheitliche Beeinträchtigungen resultieren (ICNIRP, 1998).

Eine bedeutsame Fragestellung über mehrere Jahrzehnte war und ist, ob niederfrequente MF in der Lage sind, Tumorerkrankungen zu begünstigen oder gar auszulösen (ICNIRP, 1998).

Die erste, Aufsehen erregende Studie wurde von Wertheimer & Leeper (1979) veröffentlicht.

Darin wurde gezeigt, dass eine Assoziation zwischen dem vermehrten Auftreten von Leukämie bei Kindern und einer erhöhten MF-Exposition besteht. Dieses Ergebnisse konnte inzwischen mehrfach reproduziert werden, unter anderem von Savitz et al. (1988). Auch für Brustkrebs wurde von einigen Autoren ein erhöhtes Risiko unter MF-Exposition festgestellt (Hardell et al. 1995; Loomis et al. 2004; Kliukiene et al. 2004), während andere keine Verbindung zwischen Exposition und Erkrankung zeigen (Vagerö & Olin, 1983; Johansen et al. 2007). Inzwischen wurde die mögliche Korrelation zwischen MF-Exposition und einem erhöhten Brustkrebsrisiko auch durch Übersichtsarbeiten und Metaanalysen beleuchtet (Kheifets & Matkin, 1999; Erren, 2001). Auch diese Arbeiten kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Während einige insgesamt Korrelationen finden, oder die Datenlage zumindest als nicht eindeutig interpretieren (Caplan et al. 2000; Erren, 2001), schlussfolgern andere, dass sich erhöhte Krebsrisiken nicht bestätigen lassen (Feychting & Forssén, 2006). Dies mag vor allem daran liegen, dass epidemiologische Studien oft im Hinblick auf die Kriterien der Populationsauswahl und die verschiedenen Möglichkeiten der alltäglichen Expositionsbestimmungen, also aufgrund von systematischen Fehlern, diskutiert und kritisiert werden müssen (Schüz & Albohm, 2008; Schüz et al. 2009). Eine Studie an Hunden, die ja in der unmittelbaren Nähe ihrer Besitzer leben und denselben niederfrequenten Feldern ausgesetzt sind, zeigte erhöhte Risiken für Lymphome in Abhängigkeit von der Exposition (Reif et al. 1995).

Vor allem die epidemiologischen Daten zur Leukämie im Kindesalter führten dazu, dass niederfrequente MF von der International Association for Research on Cancer (IARC), als

„möglicherweise kanzerogen für den Menschen“ eingestuft wurden (IARC, 2002).

Experimentelle Ergebnisse zu diesem Thema erscheinen weitaus widersprüchlicher. Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) schätzt die Risiken für andere Erkrankungen im Vergleich zu Leukämie als geringer ein. Die Datenlagen für

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kardiovaskuläre Erkrankungen und Brustkrebs deuten laut WHO eher darauf hin, dass diese nicht durch MF beeinflusst werden (WHO, 2007).

Obgleich inzwischen zahlreiche, epidemiologische und experimentelle (in vivo und in vitro) Studien durchgeführt wurden, bleibt die Datenlage für viele Erkrankungen - mit Ausnahme der Leukämie bei Kindern - immer noch strittig (ICNIRP, 1998; WHO, 2007). Dabei fehlen insbesondere Daten aus Laborversuchen, die die epidemiologischen Ergebnisse stützen könnten (ICNIRP, 1998). Übersichtsarbeiten zum Thema „karzinogene Effekte von MF”

machen die Diskrepanzen in den Ergebnissen von Studien unter Laborbedingungen deutlich, weil neben negativen Untersuchungen immer auch Versuche präsentiert werden, die eine co- karzinogene Wirkung zeigen und Anlass zu Diskussionen geben (Löscher & Liburdy, 1998).

In mehreren Studien der hiesigen Arbeitsgruppe von W. Löscher konnte über Jahre gezeigt werden, dass im Dimethylbenz[a]anthrazen (DMBA)-Brustkrebsmodell an Ratten durch MF- Exposition die Tumorinzidenz signifikant erhöht wurde (Mevissen et al. 1998; Thun- Battersby et al. 1999). Andere Arbeitsgruppen fanden keine MF-Effekte im DMBA-Modell und konnten die Ergebnisse nicht reproduzieren (Anderson et al. 1999). Insgesamt waren die überwiegenden Studien zu diesem Thema negativ, so dass Übersichtsarbeiten zu dem Schluss kommen, dass MF bei Nagern unter Laborbedingungen keinen Einfluss auf die Brustkrebsinzidenz haben (Boorman et al. 2000). Allerdings berücksichtigen die Autoren dieser Arbeiten vor allem die Anzahl der “positiven” und “negativen” Studien und fragen nicht nach den Ursachen für die unterschiedlichen Ergebnisse. Bei Anderson et al. (2000) finden sich erste Ansätze dazu, die in der vorliegenden Arbeit weiter untersucht wurden.

Die Schwierigkeiten in der Interpretation der Ergebisse sind vor allem dadurch begründet, dass die Wirkungsmechanismen möglicher MF-Effekte auf das Brustdrüsengewebe und die Zellproliferation noch nicht bekannt sind, obgleich verschiedene Hypothesen aufgestellt und bearbeitet wurden. Eine Erklärung für MF-Wirkungen bietet die so genannte “Melatonin- Hypothese” (Stevens 1987). Melatonin, das im Pinealorgan gebildet wird, hat unter anderem onkostatische Wirkungen auf unterschiedliche Tumortypen. Der physiologische Melatonin- Spiegel steigt in der Dunkelphase drastisch an. Durch MF werden die nächtliche Melatonin- Ausschüttung und damit auch die onkostatischen und antiestrogenen Melatonin-Effekte verringert. Auch bezüglich der Melatonin-Hypothese zeigten sich widersprüchliche, experimentelle Ergebnisse, wobei vor allem die Untersuchungen am Menschen die Hypothese nicht unterstützten (Touitou et al. 2006). Aufgrund der zahlreichen, widersprüchlichen Versuche an Nagern gibt es inzwischen Ansätze, die verschiedenen Studien systematisch auf

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eventuell entscheidend für den Versuchsausgang sind (Jahandideh et al. 2009). Neben In- vivo-Versuchen, die die Melatonin-Hypothese bestätigen konnten, wurde auch an Zellkulturen der etablierten MCF-7 Linie (humane Brustkrebszellen) gezeigt, dass MF die Melatonin- und Tamoxifen-Wirkungen verringern (Harland & Liburdy, 1997). Diese Ergebnisse konnten von anderen Arbeitsgruppen reproduziert werden (Blackman et al. 2001; Girgert et al. 2005).

Viele Arbeitsgruppen befassten sich bereits mit den möglichen genotoxischen Wirkungen von MF. Auf diesem Gebiet sind die Ergebnisse ebenfalls widersprüchlich, auch wenn der überwiegende Teil keine DNA-Strangbrüche durch MF-Exposition nachweisen konnte (McCann et al. 1998). Das gleiche gilt für die Beobachtungen, dass MF auf zelluläres Calcium oder auch auf Zellen des Immunsystems Einfluss nehmen (Yost & Liburdy, 1992).

Für beide Themenbereiche finden sich bestätigende und ablehnende Publikationen.

Niederfrequente MF werden häufig als Stressor betrachtet, denn verschiedene Untersuchungen konnten zelluläre Veränderungen stressabhängiger Proteine, wie zum Beispiel Heat-Shock-Proteine, nachweisen (Lin et al. 1997; Pipkin et al. 1999; Miyakawa et al. 2001). Andere Untersuchungen fanden keine derartigen Zusammenhänge zwischen Stressproteinen und MF (Coulton et al. 2001; Henderson et al. 2003). Die Ergebnisse zu Messungen von Stickoxid (NO) und Peroxiden unterstützen die These, dass MF-Exposition als zusätzlicher Stressfaktor das Auftreten reaktiver Verbindungen begünstigt (Adey, 1997;

Yoshikawa et al. 2000; Yokus et al. 2005). Diese Veränderungen haben durchaus gesundheitliche Auswirkungen. So konnte bei Landschnecken unter MF-Exposition eine erhöhte Mortalität beobachtet werden, die mit Stress in Verbindung gebracht wird (Ossenkopp et al. 1990). Darüber hinaus können MF in Kombination mit Karzinogenen das Auftreten zellulärer Entartungen in der Leber bei der Ratte fördern (Rannug et al. 1993). Dieser Befund unterstützt andere Studien, die von synergistischen, zellulären Effekten bei Einwirken von MF und anderen Stressoren berichten (Quaglino et al. 2004). Der Zusammenhang zwischen Stress und Tumorentstehung ist ebenfalls bereits beschrieben. Dettenborn et al. (2006) konnten zeigen, dass erhöhte Cortisol-Spiegel bei Frauen im alltäglichen Leben als Hinweis auf eine verstärkte Stressantwort mit dem Auftreten von Brustkrebs-spezifischen Veränderungen korreliert waren.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass einige biologische Wirkungen niederfrequenter MF zweifelsfrei nachgewiesen werden konnten. Allerdings erlauben die durchgeführten Studien zur Beteiligung von MF-Exposition an verschiedenen Erkrankungen, wie zum Beispiel Brustkrebs, auch nach mehr als 30 Jahren Forschung immer noch keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu den gesundheitlichen Risiken. Sowohl epidemiologische als auch

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experimentelle Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse, die umso schwieriger zu interpretieren sind, weil die zugrunde liegenden Faktoren und Mechanismen, die auf die Versuchsergebnisse Einfluss nehmen könnten, nicht bekannt sind. Dabei fehlen insbesondere Daten aus experimentellen Studien, denn die vorhandenen Studien konnten die gefundenen, epidemiologischen Korrelationen zwischen MF-Exposition und Erkrankung in den meisten Fällen nicht konsistent bestätigen und unterstützen (ICNIRP, 1998; WHO, 2007).

Daher besteht immer noch ein großer Bedarf an Untersuchungen der MF-Wirkungen unter kontrollierten Laborbedingungen. Die Arbeitshypothese der vorliegenden Arbeit war, dass die Auswirkungen von MF-Exposition auf biologische Gewebe in Laborstudien von dem genetischen Hintergrund der untersuchten Tiere oder Zellen abhängen. Damit ist die vorrangige Ursache für die widersprüchlichen Ergebnisse von MF-Effekten, die sich in In- vivo-Versuchen an Ratten zeigten, in den verwendeten, unterschiedlichen Rattenstämmen oder auch Sublinien der einzelnen Studien zu suchen. Einflüsse durch Verwendung genetisch unterschiedlicher Versuchstiere auf die Ergebnisse sind bereits aus Experimenten zu anderen Fragestellungen bekannt (Van Zwieten et al. 1984; Festing, 1993; Kelder & Ross, 2001;

Tennekes et al. 2004). Zur Überprüfung dieser Hypothese zu MF-Wirkungen sollte zunächst untersucht werden, welche Rattenstämme und Sublinien im Brustdrüsengewebe nach MF- Exposition Veränderungen der Zellproliferation zeigen und somit in diesem Gewebe als MF- empfindlich gelten können. Die Fragestellung nach den möglichen Wirkungsmechanismen im Brustdrüsengewebe sollte dann in vergleichenden Versuchen zwischen MF-empfindlichen und MF-unempfindlichen Stämmen bearbeitet werden.

1.2 Physikalische Eigenschaften niederfrequenter MF und ihr Vorkommen in der Umwelt

Die verschiedenen elektromagnetischen Felder in der Umwelt lassen sich aufgrund ihrer Frequenz und weiterer physikalischer Eigenschaften voneinander unterscheiden. Das elektrische Feld baut sich zwischen zwei ungleichen Ladungen auf und wird in der Maßeinheit Volt pro Meter (V/m) gemessen. Ein magnetisches Feld entsteht bei bewegten elektrischen Ladungen, also wenn zwischen zwei Polen ein Strom fließt. Das bedeutet, dass das elektrische Feld bereits besteht, wenn zum Beispiel ein elektrisches Haushaltsgerät an die Stromversorgung angeschlossen ist, das MF aber erst auftritt, wenn das Gerät auch in Betrieb genommen wird. Die Stärke magnetischer Felder wird in Ampere pro Meter (A/m) oder auch

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zeitlich konstant sind, werden als statisch bezeichnet. Ein ubiquitär vorkommendes statisches MF ist das Erdmagnetfeld, das sich zwischen den Polen der Erde ausbildet und ca. 40 µT beträgt. Dabei variiert die Stärke des Erdmagnetfelds in Abhängigkeit von der Lokalisation (z.B. 48 µT in Mitteleuropa, 60 µT an den Polen und 30 µT am Äquator).

Magnetische Wechselfelder treten zum Beispiel beim Gebrauch elektrischer Geräte mit der Frequenz 50 Hz (60 Hz in den USA) oder im Stromnetz der Bahn mit 16,67 Hz auf. Während das elektrische Feld durch elektrisch leitfähige Materialien, wie zum Beispiel Metalle, leicht abzuschirmen ist, können MF nur durch sehr spezielle Metalllegierungen abgeschwächt werden und durchdringen feste Materie normalerweise ungehindert. Sie nehmen allerdings mit der Entfernung zur Quelle stark ab, so dass durch Einhalten eines möglichst großen Abstands eine hohe Exposition vermieden werden kann.

Grundsätzlich werden nieder- und hochfrequente Felder unterschieden. In den einschlägigen Richtlinien werden Felder unter 100 kHz als niederfrequent, über 100 kHz als hochfrequent bezeichnet (ICNIRP, 1998). Bei hochfrequenten Feldern sind elektrisches und magnetisches Feld über die Maxwellschen Gleichungen verkoppelt und müssen somit gemeinsam betrachtet werden. Die Stärke hochfrequenter Felder wird als Leistungsflussdichte in W/m2 angegeben.

Hochfrequente Felder entstehen zum Beispiel bei der Benutzung von mobiler Telekommunikation (Gebrauch von Mobiltelefonen oder auch schnurlosen (DECT) Telefonen) und auch beim Betrieb von Sendeanlagen und Mobilfunkantennen. In diesem Zusammenhang wird häufig die Einheit SAR (specific absorption ratio) in W/kg Gewebe benutzt, die die Energieabsorption pro kg Körpergewebe beschreibt. Die Exposition durch elektromagnetische Felder mit Frequenzen über rund 100 kHz kann zu einer beträchtlichen Energieabsorption und einem beträchtlichen Temperaturanstieg führen (ICNIRP, 1998), durch den sich thermische Wirkungen dieser Felder auf biologische Gewebe erklären lassen. Die Exposition durch niederfrequente elektrische und magnetische Felder führt normalerweise zu einer vernachlässigbaren Energieabsorption und zu keinem messbaren Temperaturanstieg im Körper, so dass hier nur athermische Effekte niederfrequenter Felder diskutiert werden (ICNIRP, 1998).

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die verschiedenen Frequenzen elektromagnetischer Felder und ihr Vorkommen in der Umwelt.

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1 100 104 106 108 1010 1012 1014 1016 1018 1020 1022 Hz

Das elektromagnetische Spektrum

Elektrische

Energieversorgung

Infrarot- strahlung UV-

strahlung γ-Strahlung

Ionisierende Strahlung Nieder-

frequenz Hochfrequenz

Röntgenstrahlung Sichtbares

Licht

Ionisierend Nicht ionisierend

Radio und Fernsehen

Mobilfunk

Radar Satelliten Radio u.

Fernsehen

Abb. 1: Übersicht über das elektromagnetische Spektrum (aus Löscher, 2003).

Elektromagnetische Felder werden überwiegend durch den Menschen erzeugt und in verschiedene Frequenzbereiche aufgeteilt, die ganz unterschiedliche, physikalische Eigenschaften und biologische Wirkungen mit sich bringen.

Die vorliegende Arbeit befasst sich ausschließlich mit den biologischen Wirkungen von 50 Hz-MF, also niederfrequenten Feldern. Aufgrund der oben beschriebenen, physikalischen Unterschiede können Effekte durch diese Felder (z.B. durch Haushaltsgeräte) nicht direkt auf den Hochfrequenzbereich (z.B. auf den Mobilfunk) übertragen werden. In den beschriebenen Studien wurden vor allem MF-Effekte nach einer Exposition von 100 µT Flussdichte untersucht. Diese Flussdichte ist verglichen mit der alltäglichen Exposition sehr hoch.

Die mittlere MF-Exposition liegt für Europa bei ca. 0,07 µT und für Nordamerika bei ca. 0,11 µT (ohne Erdmagnetfeld). Unter Stromleitungen können auch MF von 20 µT auftreten (WHO, 2007). Dabei muss berücksichtigt werden, dass viele Stromleitungen unterirdisch verlaufen und im Gegensatz zu den oberirdischen nicht sichtbar sind. Dagegen erscheint eine 100 µT-MF-Exposition sehr hoch, gilt aber nach der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) als offizieller Grenzwert für die Exposition [Hz]

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Tab. 1: Grenzwerte der 26. BImSchV (niederfrequenter Bereich) für die allgemeine Bevölkerung. Die Grenzwerte orientieren sich an den bislang nachgewiesenen biologischen Effekten, die für die Gesundheit von Relevanz sind (Bundesamt für Strahlenschutz, 2009a).

Dazu zählen vor allem Effekte auf Gewebe, deren Funktionen maßgeblich von elektrischen Strömen abhängig sind, wie zum Beispiel akute Veränderungen in der Erregbarkeit des Zentralnervensystems und akute Effekte auf visuell evozierte Potentiale (ICNIRP, 1998). Es wurde zum einen ein Sicherheitsfaktor von 10 angelegt und zusätzlich ein Faktor von 5 für die Bevölkerung ergänzt (ICNIRP, 1998).

Frequenz f [Hz] Elektrische Feldstärke E [kV/m]

Magnetische Flussdichte B [µT]

50 5 100

16,67 10 300

Beim Betrieb elektrischer Haushaltsgeräte treten im Abstand von 30 cm in der Regel Expositionen auf, die unterhalb des Grenzwertes liegen (Bundesamt für Strahlenschutz, 2009b).

Tab. 2: Beispiele für die Expositionen durch elektrische Haushaltsgeräte (Quelle: Berichte der Strahlenschutzkommission (SSK), Heft 7, 1997 "Schutz vor niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern der Energieversorgung und -anwendung")

Repräsentative Werte magnetischer Flussdichten von Haushaltsgeräten in unterschiedlichen Abständen

gemessen in Mikrotesla (µT), Gebrauchsabstände in Fettdruck

Gerät 3 cm 30 cm 1 m

Haarfön 6 - 2000 0,01 - 7 0,01 - 0,3

Rasierapparat 15 - 1500 0,08 - 9 0,01 - 0,3

Bohrmaschine 400 - 800 2 - 3,5 0,08 - 0,2

Staubsauger 200 - 800 2 - 20 0,13 - 2

Leuchtstofflampe 40 - 400 0,5 - 2 0,02 - 0,25

Mikrowellengerät 73 - 200 4 - 8 0,25 - 0,6

Radio (tragbar) 16 - 56 1 < 0,01

Küchenherd 1 - 50 0,15 - 0,5 0,01 - 0,04

Waschmaschine 0,8 - 50 0,15 - 3 0,01 - 0,15

Bügeleisen 8 - 30 0,12 - 0,3 0,01 - 0,03

Geschirrspüler 3,5 - 20 0,6 - 3 0,07 - 0,3

Computer 0,5 - 30 < 0,01  

Kühlschrank 0,5 - 1,7 0,01 - 0,25 < 0,01

Fernsehgerät (Röhrengerät)

2,5 - 50 0,04 - 2 0,01 - 0,15

Bereits in 30 cm Abstand von den meisten Geräten wird der Wert der Grenzwertempfehlung von 100 µT deutlich unterschritten.

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Statische MF von mehreren Tesla treten beim Betrieb von Magnetresonanztomographen auf, die in der medizinischen Bildgebung eingesetzt werden. Hier existieren aufgrund der spärlichen Datenlage nur Empfehlungen zu Maximalexpositionen und noch keine Grenzwerte. Diese wären insbesondere für den Arbeitsschutz des medizinischen Personals wichtig, welches im Gegensatz zum Patienten weitaus längeren Expositionsdauern ausgesetzt ist.

Weitere Anwendungen, bei denen MF auftreten, sind zum Beispiel: Warensicherungsanlagen, Elektro- und MF-Therapien und Magnetheilmittel, wie Magnetkissen, -decken und -pflaster.

Grundsätzlich muss beachtet werden, dass einige Geräte, wie zum Beispiel die Mikrowelle, Mobiltelefone und auch Magnetresonanztomographen, sowohl niederfrequente als auch hochfrequente Felder produzieren.

1.3 Tumorerkrankungen unter besonderer Berücksichtigung von Brustkrebs:

Verbreitung, Ursachen, Entstehung 1.3.1 Verbreitung und Ursachen

Tumorerkrankungen sind nach den Herz-Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Todesursache beim Menschen. In den meisten Populationen lässt sich ein steigendes Krebsrisiko festmachen. Die Tumoren der Brustdrüse, die vor allem bei Frauen auftreten, liegen mit ca. 1 Million Neuerkrankungen pro Jahr weltweit hinter denen der Lunge, die mit weltweit 1,2 Millionen neu Erkrankten mehr Männer als Frauen betreffen (Ferlay et al. 2001).

Es zeigen sich deutliche geographische Unterschiede, wobei „höher entwickelte” Länder eine 2,5fach erhöhte Inzidenz aller Tumorerkrankungen aufweisen. Dies wird durch die so genannte „Verwestlichung” erklärt, die mit erhöhtem Zigarettenkonsum, ungünstiger Ernährung und wenig Bewegung einhergeht. Einen Diskussionspunkt stellen hier auch immer wieder die Expositionen durch nieder- und hochfrequente elektromagnetische Felder dar, die ebenfalls insbesondere in Industrieländern dominieren (Allen et al. 2006).

Für das Auftreten von Brustkrebs werden auch genetische Ursachen verantwortlich gemacht.

Die bekannten Gene, wie BRCA1&2 und TP53, deren Mutationen ein Risiko für Brustkrebs erhöhen, machen nur ca. 5-10% der Erkrankungen aus. Wenn allerdings eine Mutation dieser Gene vorliegt, liegt das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken bei 60-80% (Allen et al. 2006).

Insgesamt kann man momentan davon ausgehen, dass vor allem Umweltfaktoren und Lebensbedingungen das Auftreten von Brustkrebs beeinflussen. So weist Japan nur ein Viertel der Brustkrebs-Inzidenz der USA auf. Bei Migration von Japanerinnen in die

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Hauptrisikofaktoren für Tumoren, wie Tabak, Infektionen, Ernährung und Strahlung, erhöhen auch hormonelle Faktoren, die berufliche oder medizinische Exposition durch Karzinogene, Umweltverschmutzung und genetische Prädisposition das Tumorrisiko (Allen et al. 2006).

Bei unseren Haustieren haben Tumorerkrankungen der Brustdrüse besonders bei der Hündin eine Bedeutung, deren Inzidenzen in etwa denen beim Menschen entsprechen.

Mammatumoren machen ca. 50% der Neoplasien des weiblichen Hundes aus, und oft sind ältere Hündinnen im Alter von 8-12 Jahren betroffen. Dabei ist wiederum die Hälfte der Tumoren bösartig. Es kommt häufig zu Metastasen und Lokalrezidiven, wobei die Mortalität hoch ist (Nolte & Nolte, 2000). Für die Karzinogenese scheinen unter anderem auch hormonelle Einflüsse von Bedeutung zu sein, denn eine frühzeitige Kastration ist in der Lage, die Tumorinzidenz deutlich zu verringern (Schneider et al. 1969). Darüber hinaus zeigen sich Rassespezifitäten für bestimmte Tumortypen. Boxer, Retriever und Sennenhunde, ebenso wie Dobermann und Westhighland-Terrier, neigen kaum zu Mammatumoren (von Bomhard, 2001).

Bei der Katze liegt der Anteil der Mammatumoren bei ca. 25% der Neoplasien. Allerdings sind diese überwiegend maligne (80-90%) und metastasieren häufig in die regionalen Lymphknoten und die Lunge. Auch hier lassen sich Rassespezifitäten erkennen. So haben Siamkatzen und auch Europäische Kurzhaar einen besonders hohen Anteil an malignen Neoplasien der Brustdrüse (von Bomhard, 2001). Die felinen Tumorenzellen der Brustdrüse tragen im Unterschied zu den caninen selten Estrogenrezeptoren.

1.3.2 Tumorentstehung und –promotion in der Brustdrüse

Die Bezeichnung „Tumor“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet Umfangsvermehrung.

Diese Umfangsvermehrung muss je nach Lokalisation und Wachstum nicht unbedingt eine Bedrohung für Gesundheit und Leben seines Trägers sein. Hat der Tumor allerdings eine ungünstige Lage, oder zeigt er verstärktes Wachstum, kann es schnell über raumfordernde Prozesse zu Beeinträchtigungen der Organfunktionen kommen (Franks & Knowles, 2006).

Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Tumortypen, die nach verschiedenen Eigenschaften, wie zum Beispiel proliferative Aktivität und Tendenz zur Metastasierung, aber auch in Abhängigkeit von der Lokalisation charakterisiert werden, sind unter dem Begriff

„Tumorerkrankung“ viele verschiedene Erkrankungen mit unterschiedlichen Prognosen und Behandlungsstrategien zusammengefasst.

Generell werden gutartige (benigne) von bösartigen (maligne) Tumorformen unterschieden, wobei die malignen Primärtumoren in der Regel Tendenzen zu Metastasen aufweisen, also in

(19)

andere Organsysteme streuen können. Diese Metastasen und nicht der Primärtumor, der lange unerkannt bleiben kann, sind besonders beim Brustkrebs oft der Grund für lebensbedrohliche Zustände der Patienten (Hart, 2006).

Die Karzinogenese wird als Mehrstufenprozess beschrieben, in dem man verschiedene Phasen unterscheidet (Franks & Knowles, 2006):

1) In der Initiation findet die Schädigung der Zelle, in der Regel eine DNA-Schädigung statt.

Wenn die Zelle diese Schädigung überlebt, kann sie über Jahre in diesem Stadium verharren, ohne dass ein Tumor entsteht.

2) Die Promotion zeichnet sich durch die Vermehrung der vorgeschädigten Zelle und auch der ebenfalls geschädigten Tochterzellen aus, die zunächst eine präneoplastische Läsion und dann einen Tumor bilden.

3) Die Progression bezeichnet die Phase, in der einige Tumorzellen in der Lage sind, Gewebe zu infiltrieren und über Blut- und Lymphbahnen auch andere Organe des Körpers zu erreichen. Gelingt ihnen auch im neuen Organ eine Adhäsion und Proliferation, dann wird der neu entstehende Tumor im Unterschied zum Primärtumor als Sekundärtumor oder Metastase bezeichnet.

(20)

Abb. 2: Schema der Tumorentstehung von der vorgeschädigten Zelle zum soliden Tumor mit Gefäßversorgung und Fähigkeit zur Metastasierung. Die zeitliche Achse ist sehr variabel, abhängig von dem einwirkenden Karzinogen, der körpereigenen Abwehrmechanismen und weiteren Faktoren und kann beim Menschen mehrere Jahrzehnte betragen (nach Evan &

Vousden, 2001).

An jeder Stelle dieses Weges ist der Organismus möglicherweise in der Lage, vorgeschädigte Zellen oder auch Tumorzellen über Apoptose, Reparation oder andere Mechanismen zu eliminieren. Dazu konnten bereits eine Reihe von Stoffen identifiziert werden, die an der Detektion und Elimination von fehlerhaften Zellzyklen und Tumorzellen beteiligt sind.

Insbesondere der Zellzyklus steht unter strenger Kontrolle, um eine fehlerfreie DNA-Synthese und nur die Synthese nicht-geschädigter DNA zu gewährleisten.

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G1

RNA-/Proteinsynthese Tage-Wochen

G0

S G2

Mitose

30-90 min Ruhephase

DNA-Synthese 6-8 Std.

RNA-/Proteinsynthese prämitotisch, 2-3 Std.

Negative Wachstums- faktoren Kontakt-

inhibition

DNA-Schäden Replikations- strukturen

Prophase Metaphase

Anaphase

Unverbundene Kinetochore, fehlerhaft ausgerichtete Chromosomen DNA-Schädigungs

Checkpoint

DNA-Replikations Checkpoint

Spindelapparat Checkpoint

Abb. 3: Schema des Zellzyklus und Beeinflussung des Zellzyklus durch Kontrollmechanismen. Schädigung der DNA durch Einwirkung eines Karzinogens kann bei intakter Regulation einen Zellzyklus-Arrest und nachfolgend Reparatur oder Zelluntergang zur Folge haben (nach Elledge, 1996).

Nach Perioden intensiver Zellproliferation in Kultur, aber auch auf schädliche, intrinsische und extrinsische, Einflüsse, können Zellen über verschiedene Signalwege mit Zellalterung und Zellzyklusarrest reagieren (Ben-Porath & Weinberg, 2004).

(22)

Strahlung Oxidativer stress Telomer-

Dysfunktion Verlust des

Zellkontakts

ATM/ ATR p14/ ARF p16

p53 p21 Rb

Zellalterung

Zellzyklus-

arrest Morpholog.

Veränderung Chromatin- Inaktivierung Onkogen- Überexpression

Metabol.

Veränderung

Abb. 4: Schematische Darstellung der Zellseneszenz als allgemeines Programm zur Stressantwort. Verschiedene, physiologische Arten von Stress, aber auch schädliche Einflüsse können unterschiedliche Signalwege aktivieren. Die verschiedenen Stressstimuli bewirken unterschiedliche Effekte auf p53 und Rb, während der kombinierte Grad der Aktivierung den Beginn der Zellalterung bestimmt. Innerhalb dieses Programms laufen dann Veränderungen in Zellfunktion und Morphologie ab (nach Ben-Porath & Weinberg, 2004). ATM, ataxia telangiectasia mutated; ATR, ATM-related; Rb, retinoblastoma; p14/ARF, alternatives Produkt des INK2a Genlokus

Neben einer Schädigung der DNA und der unkontrollierten Vermehrung fehlerhafter DNA ist die Immortalisierung eines der wichtigsten Merkmale von Tumorzellen. Normale, gesunde Zellen erfahren nach einer gewissen Anzahl von Zellzyklen, die auch von der Umgebung und dem Gewebe abhängt, Zellalterung und Apoptose, oder sie erreichen einen Grad der Differenzierung ohne weitere Zellteilungen. Tumorzellen dagegen, und insbesondere die in malignen Tumoren, weisen einen geringen Differenzierungsgrad auf und entziehen sich der Zellalterung. Dies gelingt ihnen durch eine erhöhte Telomerase-Aktivität (Newbold, 2006).

Bei jeder Zellteilung verkürzen sich bestimmte Abschnitte der Chromatiden, die Telomere, um bis zu 200 Basenpaare bis zu einer kritischen Länge bzw. Kürze. Wird diese erreicht, kommt es für die Zelle zur Einleitung von Apoptose. In embryonalem Gewebe herrscht naturgemäß eine hohe proliferative Aktivität und eine hohe Aktivität an Telomerase, weil

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dieses Enzym die verlorenen Chromatid-Abschnitte wieder verlängert und so eine Apoptose verhindert, da dies für embryonales Gewebe sinnvoll ist. Mit der Geburt und Gewebedifferenzierung nimmt die Telomerase-Aktivität in den meisten Organen rasch ab.

Damit wird eine kontrollierte Proliferation über Apoptose und Differenzierung gewährleistet.

In Tumorzellen findet man, wie in embryonalem Gewebe, erhöhte Telomerase-Aktivität, wodurch die zelluläre Immortalisierung unter anderem ermöglicht wird.

An all diesen Prozessen des normalen Zellzyklus sind zahlreiche Proteine und Signalstoffe beteiligt. Für viele konnte inzwischen auch schon eine Beteiligung an der Proliferation von Tumorzellen gezeigt werden. Häufig sind Mutationen von Tumorsuppressorgenen oder Überexpressionen von Proto-Onkogenen oder Onkogenen involviert (Weinberg, 1994).

Ein prominentes Beispiel ist das Tumorsuppressorprotein p53. Dieses hat unter normalen Bedingungen unter Regulation des MDM2-Proteins eine sehr kurze Halbwertszeit (Lain &

Lane, 2006). Bei Veränderungen des Zellzyklus verlängert sich die Halbwertszeit, und es werden Signale für Reparation oder auch Apoptose gesetzt, also Schutzmechanismen gegen die Entstehung von Tumorzellen eingeleitet. Liegt allerdings eine Mutation des TP53-Gens vor, ist p53 womöglich nicht funktionell, und so kann es zur überschießenden Zellproliferation und Tumorbildung kommen. In einem großen Teil von Tumoren unterschiedlicher Organe konnten Mutationen von p53 gefunden werden. Dies führte zunächst dazu, in p53 einen Tumorpromotor zu sehen (daher TP53), bis die originäre Funktion aufgeklärt war.

Darüber hinaus nehmen auch die extrazelluläre Matrix und stromale (mesenchymale) Zellen Einfluss auf die Zellproliferation von epithelialen Zellen (Medina, 2004; Maffini et al. 2004).

Die Expression stromaler Gene in Tumoren kann zur Prognosestellung bei Tumorerkrankungen herangezogen werden (Karnoub et al. 2007; Finak et al. 2008).

Zunächst können die Zellen eines Tumors über Diffusion und die bestehenden Blutgefäße ernährt werden. Allerdings benötigt ein Tumor ab einer kritischen Größe (ab etwa einer Größe von 1-2 mm)mehr Sauerstoff und Nährstoffe, als es durch Diffusion möglich ist (Tahtis &

Bicknell, 2006). Daher sind die meisten Tumoren in der Lage, über sezernierte Faktoren das Einsprossen und die Neubildung von Blutgefäßen zu induzieren, um so Verbindungen zum Gefäßsystem herzustellen (Tahtis & Bicknell, 2006). Endothelzellen werden über Wachstumsfaktoren und Cytokine zu Zellteilung und gerichteter Migration angeregt und sorgen durch Anastomosen zu bestehenden Blutgefäßen für die Nährstoffversorgung und den Abtransport von Stoffwechselprodukten (Yancopoulos et al. 1998). Es entsteht ein komplexes

(24)

Entzündungszellen, wie Lymphozyten und Makrophagen (Dvorak, 1986). Über dieses Prinzip können dann aber nur die äußeren Zellen ernährt werden, so dass sich im Inneren eines schnell wachsenden Tumors in der Regel nekrotisches Material befindet.

Die Wirkung von niederfrequenten MF auf die Zellproliferation, ebenso wie bereits beschriebene, Tumor-promovierende Effekte dieser Felder, könnten durch Beeinflussung der Kontrollmechanismen des Zellzyklus (z.B. p53, Telomeraseaktivität) bedingt sein.

1.4 Bedeutung des genetischen Hintergrunds der verschiedenen Rattenstämme für den Ausgang wissenschaftlicher Untersuchungen

Zu den möglichen, gesundheitlichen Risiken durch MF-Exposition wurden bereits zahlreiche, epidemiologische Untersuchungen und Metaanalysen durchgeführt (Wertheimer & Leeper, 1979; Hardell et al. 1995; Erren, 2001). Für die MF-Effekte, die in einigen Studien gefunden wurden, fehlen allerdings konsistente, experimentelle Laborergebnisse (ICNIRP, 1998; WHO, 2007). In zahlreichen In-vivo-Experimenten dienten Labornager, insbesondere Ratten, dazu, MF-Wirkungen und ihre zugrunde liegenden Mechanismen zu untersuchen (Mevissen et al.

1998; Anderson et al. 1999; Boorman et al. 2000).

Für experimentelle Untersuchungen stehen zahlreiche Rattenstämme zur Verfügung, die von kommerziellen Züchtern nach bestimmten Zuchtprogrammen vermehrt werden. Grundsätzlich werden Auszucht- und Inzuchtprogramme unterschieden. Die unterschiedlichen, etablierten Stämme weisen bestimmte, mehr oder wenig spezifische Charakteristika auf, die sie für die jeweiligen Studien empfehlen. So weist die so genannte Zucker-Ratte zum Beispiel gute Voraussetzungen für den Einsatz in Versuchen zu Obesitas und Insulinresistenz auf (Kurtz et al. 1989 a & b). WAG/Rij-Ratten zeigen spontan epileptische Absencen, und eignen sich damit gut zur Untersuchung dieser Anfallsart (Coenen & Luijtelaar, 2003). Für einige der etablierten Rattenstämme sind auffällige Tumorinzidenzen bestimmer Organsysteme oder auch variierende Empfindlichkeiten und Resistenzen gegenüber der gängigen, experimentell eingesetzten Karzinogene bekannt. Daher muss, in Kenntnis der vorliegenden Stammcharakteristika, für geplante Forschungsprojekte entschieden werden, welche Ratten für die Untersuchungen geeignet sind. Allerdings kann sich diese Auswahl als schwierig erweisen, wenn die Mechanismen der zu untersuchenden Wirkungen nicht bekannt sind.

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1.4.1 Charakteristika verschiedener, häufig verwendeter Rattenstämme:

Auszuchtstämme

Auszuchtratten sind durch möglichst große genetische Variabilität charakterisiert und repräsentieren damit eher die genetische Vielfalt von Wildpopulationen. Die Tiere werden nach klar definierten Zuchtprogrammen verpaart, wobei darauf geachtet wird, den Inzuchtfaktor möglichst gering zu halten. Die Elterntiere sollten gar nicht oder maximal weit voneinander entfernt verwandt sein.

Sprague-Dawley-Ratte

Sprague-Dawley-Ratten sind als Auszuchtratten weit verbreitet und werden für zahlreiche Fragestellungen eingesetzt. Die weiblichen Sprague-Dawleys sind üblicherweise erste Wahl für die Verwendung im so genannten DMBA-Brustkrebs-Modell. Russo & Russo (1978) untersuchten an diesem Rattenstamm die Entwicklung der Brustdrüse und fanden die zeitlich versetzte Differenzierung der Drüsenkomplexe in Abhängigkeit von der Lokalisation.

Allerdings ist bekannt, dass Sprague-Dawleys unterschiedlicher Herkunft in vergleichbaren Versuchen unterschiedliche Ergebnisse produzieren können. So wurde auch beschrieben, dass sich Sprague-Dawley-Ratten unterschiedlicher Herkunft in ihrer Antwort auf das Karzinogen DMBA unterscheiden können (Van Zwieten et al. 1984). In diesem Fall können die unterschiedlichen Empfindlichkeiten gegenüber DMBA auf Unterschiede im Zuchtprogramm zurückgeführt werden.

Wistar-Ratte

Die Wistar-Ratte wird universell für viele unterschiedliche Studien genutzt. Auch hier gilt, dass sich Wistar-Ratten verschiedener Züchter in Reaktionen ihrer Parameter unterscheiden können. Darüber hinaus sind auch Abweichungen über die Zeit bei Ratten derselben Herkunft über genetischen Drift möglich (Eiben & Bomhard, 1999; Tennekes et al. 2004).

1.4.2 Charakteristika verschiedener, häufig verwendeter Rattenstämme:

Inzuchtstämme

Bei Inzuchtstämmen ist das Ziel, dass die Ratten möglichst wenig genetisch variabel sind, und damit im idealen Fall alle Tiere gleich auf ein bestimmtes Versuchsdesign reagieren. Dies wird wie bei den Auszuchtratten durch ein definiertes Zuchtprogramm erreicht, das hier allerdings durch Verpaarung eng verwandter Tiere, z.B. Bruder-Schwester, gekennzeichnet ist. In der Regel entstanden die verschiedenen Inzuchtratten aus bekannten Auszuchtstämmen durch züchterische Selektion und weisen daher zum Teil einen gemeinsamen genetischen

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Hintergrund auf. So besitzen zum Beispiel Fischer 344- und Lewis-Ratten mit der Sprague- Dawley-Ratte denselben Hintergrundstamm (Dhabdar et al. 1993).

Allerdings sind auch bei Inzuchtstämmen spontane Veränderungen möglich, die sich zum Beispiel im spontanen Auftreten von Erkrankungen äußern können (Dreyfuss & Gross, 1991).

Fischer 344-Ratte (F344)

Die F344-Ratte gilt als ein etablierter und genetisch homogener Rattenstamm, der für verschiedene Fragestellungen in der Forschung eingesetzt wird (Krebsforschung, Immunologie, Toxikologie). Neben vielen anderen Einsatzbereichen ist die F344-Ratte auch die Standardratte für Studien des National Cancer Institutes in den USA (NCI; National Toxicology Program, 1997). Häufig wird dieser Stamm auch für Transplantationsstudien von Tumorgewebe oder Kreuzungsversuche verwendet (Bartsch et al. 2000). Die F344-Ratte soll im Folgenden näher beschrieben werden, weil ihr im Laufe der hier beschriebenen Studien eine besondere Bedeutung zukommen wird.

Die F344-Ratte entstand im Rahmen von Experimenten von Dr. Maynie Rose Curtis in den USA (Rao & Boorman, 1990). Dr. Curtis bezog Anfang des 20. Jahrhunderts Ratten von verschiedenen Züchtern mit dem Ziel, Inzuchtstämme zu generieren und die genetische Beteiligung an Tumorinduktionen zu untersuchen. Der F344-Rattenstamm wurde 1920 durch die 344. Verpaarung von Ratten des Züchters Fischer gegründet. Im Jahre 1949 gelangte der Stamm an die National Institutes of Health (NIH) und wurde von hier ab 1951 an kommerzielle Züchter und wissenschaftliche Institutionen verteilt. Seit 1970 löste die F344- Ratte die Sprague-Dawley-Ratte als Standardratte der Studien des NCI ab, weil letztere als Auszuchtstamm unter anderem eine zu hohe Rate an Spontantumoren aufwies.

Fischer 344-Ratten reagieren auf toxische Chemikalien und potentielle Karzinogene qualitativ vergleichbar mit anderen Rattenstämmen, wobei quantitativ Unterschiede auftreten können.

Zusammengefasst zeigt die F344-Ratte meistens eine intermediäre Empfindlichkeit gegenüber Chemikalien und Kanzerogenen. In der Regel waren F344 im Vergleich zu anderen Ratten selten die empfindlichsten oder resistenten Ratten. So besitzen F344-Ratten auch eine intermediäre Empfindlichkeit gegenüber DMBA (Haag et al. 1992). In Untersuchungen auf die genetische Beteiligung bestimmter Gene konnte keines der bekannten Tumorresistenzgene oder Suszeptibilitätsgene bei der F344-Ratte gefunden werden (Gould & Zhang, 1991).

Lewis-Ratte

Die weiblichen Lewis-Ratten gelten ebenfalls als gut charakterisierter, genetisch homogener Rattenstamm, der häufig bei immunologischen Fragestellungen oder bei Kreuzungsversuchen

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eingesetzt wird. Lewis-Ratten gelten als histokompatibel zu der F344-Ratte (Dhabdar et al, 1993).

Copenhagen-Ratte

Copenhagen Ratten zeichnen sich laut Literatur durch eine genetisch bedingte DMBA- Resistenz aus (Isaacs, 1988), und es konnten Resistenzgene identifiziert werden (Isaacs, 1991; Haag et al. 2003). Untersuchungen des Brustdrüsengewebes nach Applikation von experimentell eingesetzten Karzinogenen, wie NMU oder DMBA, zeigen, dass es auch bei diesen Ratten zu hyperplastischen Läsionen kommt, die sich dann überwiegend zurückbilden und nicht weiter zu Tumoren promovieren (Korkola & Archer, 1999). Allerdings sind nur die epithelialen Zellen der Brustdrüse resistent, die stromalen reagieren dagegen bei lokaler DMBA-Applikation mit Tumoren (Kusunose et al. 1990). Die Resistenz wird unter anderem auf geringe Cyclin D1-Expression bei Copenhagen-Ratten zurückgeführt (Korkola et al.

1999). Das Ausbleiben von Tumoren nach Applikation von DMBA oder NMU kann nicht auf einen veränderten Metabolismus zurückgeführt werden (Moore et al. 1988). Außerdem wurde über Transplantationsversuche nachgewiesen, dass die Tumorresistenz des Brustdrüsengewebes durch die Brustdrüsenzellen bedingt ist (Quan & Lu, 2003).

Wistar Kyoto-Ratte

Auch bei Wistar Kyoto (WKY)-Ratten wird in der Literatur eine genetisch bedingte DMBA- Resistenz beschrieben (Haag et al. 1992). Im Gegensatz zu den DMBA-resistenten Copenhagen-Ratten, weisen die WKY-Ratten neben dem Resistenzgen auch multiple Mcs- (mammary carcinoma susceptibility) Gene, die bereits näher charakterisiert wurden (Lan et al.

2001).

WAG-Ratte

Die WAG-Ratte wird insbesondere als Model für Absencen-Epilepsie eingesetzt, da sich bei diesen Tieren spontane EEG-Veränderungen finden lassen (Coenen & Luijtelaar, 2003).

Darüber hinaus zeigt sich bei WAG-Ratten eine hohe Inzidenz an Tumoren endokriner Organe (Van Zwieten et al. 1979; Bouizar et al. 1987). Die Inzidenz spontaner Tumoren der Brüstdrüse beträgt ca. 29% (Solleveld et al. 1986).

1.5 Experimentelle Ansätze zur Untersuchung der Wirkung niederfrequenter MF 1.5.1 Die Brustdrüse der Ratte: Anatomie, Differenzierung und Histologie

Ratten besitzen sechs paarig angelegte Brustdrüsenkomplexe, die sich über die gesamte Rumpflänge der Körperunterseite erstrecken. Die ersten Komplexe finden sich links (L) und

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kaudal (L/R2) cervikal; thorakal (L/R3); abdominal (L/R4) und kranial (L/R5)/ kaudal (L/R6) inguinal). Die Anlage der Brustdrüse entspricht bei der neugeborenen Ratte einem blind endenden Gang, dem Hauptmilchgang, der von der angelegten Brustwarze ausgeht. Innerhalb der ersten Lebenswochen beginnt dieser Gang zu proliferieren, sich in drei bis sechs Gängen zu verzweigen und weitere Drüsenstrukturen zu bilden (Russo & Russo, 1978). Diese Strukturen lassen sich aufgrund ihrer histologischen Merkmale und Unterschiede in der Proliferationsaktivität voneinander abgrenzen. Die Zellen der so genannten terminalen Endknospen (terminal end buds – TEB) weisen die höchste proliferative Aktivität auf und sind gekennzeichnet durch mehrere Schichten (3-6) von mittelgroßen Epithelzellen, die dem TEB ein keulenförmiges Erscheinungsbild geben. Aus den TEBs entwickeln sich terminale Gänge und alveoläre Knospen (alveolar buds – AB), wobei letztere eine geringere Proliferation zeigen, aus weiter differenzierten Zellen bestehen und einen kleineren Durchmesser haben als TEBs. Mehrere ABs formen dann die Läppchen (Lobuli – Lob), so dass die Lob aus vielen Alveoli mit geringem Durchmesser und relativ flachen Epithelzellen bestehen. Die Lob-Zellen proliferieren bei der nicht-graviden Ratte nur noch wenig (Russo et al. 1979). Im Falle einer Trächtigkeit werden diese Epithelzellen wieder zur Teilung angeregt und sind in der Lage zur Milchproduktion. Die Anzahl der verschiedenen Strukturen im Drüsenkomplex verändert sich mit zunehmendem Alter der jungen, weiblichen Ratte. Die Zahl der TEBs steigt bis zu einem Alter von 21 Tagen an und fällt dann zügig bis zum Alter von 63 Tagen ab. Bei Ratten mit über 84 Tagen sind nur noch sehr wenige TEBs zu finden.

Die ABs dagegen nehmen ab dem Alter von 21 Tagen rasch zu und bleiben ab einem Alter von 42 Tagen konstant in ihrer Anzahl. Die Anzahl der Lobuli variiert relativ wenig (Russo &

Russo, 1978).

AB

TEB

Duct AB

TEB

Duct

Lob Abb. 5: Darstellung eines nicht vollständig

entwickelten Astes innerhalb der Brustdrüse einer juvenilen Sprague-Dawley-Ratte mittels Whole- Mount-Technik (Färbung: Toluidin-Blau)

Strukturen: TEB – terminale Endknospe; AB – alveoläre Knospe; Lob – Lobulus; Duct - Gang

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Die TEB-Strukturen sind aufgrund ihrer hohen proliferativen Aktivität besonders empfindlich gegenüber Karzinogenen, wie zum Beispiel Dimethylbenz[a]anthracen (DMBA) (Russo et al.

1979).

1.5.2 Untersuchung der Tumor-promovierenden Wirkung niederfrequenter MF 1.5.2.1 DMBA-Brustkrebsmodell

Das DMBA-Brustkrebsmodell an der Ratte, das von dem Nobelpreisträger Charles Huggins entwickelt wurde, gilt als gut etabliertes Modell für den Brustkrebs des Menschen (Huggins &

Yang, 1962). DMBA, das als Tumorinitiator und Promotor eingestuft wird, zählt zu den polyzyklischen, aromatischen Hydrocarbonen. Das Prinzip besteht darin, dass durch orale (intragastrale) Applikation von DMBA eine Tumorzellinitiation durch DNA-Schädigung im Brustdrüsengewebe induziert wird. Dabei entstehen vor allem maligne Tumoren (besonders Adenokarzinome). Die induzierten Tumoren sind zwar überwiegend maligne, zeigen aber in der Regel keine Tendenz zur Bildung von Metastasen, was in diesem Punkt nicht der Situation bei humanem Brustkrebs entspricht. Bei systemischer Applikation ist in der Regel nur die Brustdrüse betroffen, weil DMBA im Brustdrüsengewebe zu karzinogenen Metaboliten umgewandelt wird, die dann DNA-Addukte bilden und so eine Schädigung der DNA hervorrufen, die in Entartung der Zelle zur Tumorzelle resultiert (Moore et al. 1988).

Für das Brustkrebsmodell werden üblicherweise weibliche, juvenile Sprague-Dawley-Ratten genutzt, weil dieser Rattenstamm unter anderem die notwendige Empfindlichkeit gegenüber DMBA besitzt, während sich andere Stämme zum Teil als zu unempfindlich erwiesen haben.

In Untersuchungen von Russo & Russo (1978) wurde gezeigt, dass das ideale Alter für die DMBA Applikation bei 50-52 Tagen liegt. Sind die Ratten älter als 85 Tage, bzw. ist die Entwicklung des Brustdrüsengewebes vollständig abgeschlossen (spätestens ab ca. 85 Tagen), so ist DMBA nicht mehr in der Lage, Tumoren zu induzieren, oder es treten vor allem benigne Tumoren auf (Russo & Russo, 1996). Zielstruktur von DMBA sind die TEBs des Drüsengewebes, also Strukturen, die eine hohe proliferative Aktivität aufweisen. Sind diese Strukturen nicht oder nur noch wenig vorhanden, wie es bei differenziertem Drüsengewebe der Fall ist, kann DMBA nicht mehr seine volle Wirkung entfalten.

Im Allgemeinen entwickeln sich einige Wochen nach der Applikation von DMBA palpierbare Tumoren der Gesäugeleiste. Die Versuche können je nach Design und gesetztem Endpunkt mehrere Wochen oder auch Monate dauern. Auswertbare Parameter sind in diesem Modell

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DMBA-Gabe (Tumorinzidenz), Anzahl an Tumoren pro Ratte, und Größe der Tumoren. Nach der Nekropsie schließt sich eine histologische Klassifikation der Tumoren an. Als Endpunkt des Versuches kann eine bestimmte Größe des Tumors gesetzt werden, zum Beispiel Sektion des Tieres bei 2 cm Tumordurchmesser, oder es wird eine bestimmte Versuchsdauer festgelegt, zum Beispiel Sektion aller Tiere nach drei Monaten. Mit Hilfe dieses Modells kann die Wirkung von Substanzen oder Einflüssen als Tumorpromotor oder Kokarzinogen überprüft werden. Außerdem wird es zur Induktion von Brustdrüsentumoren für Transplantationsstudien genutzt. Ein anderes chemisches Brustkrebsmodell, das sehr häufig verwendet wird, ist das so genannte NMU-Modell. NMU (N-nitroso-N-methylharnstoff) ist wie DMBA ein Tumorinitiator und Promotor und gehört zu den alkylierenden Agenzien. Es wird üblicherweise am 21. Lebenstag intravenös appliziert (Russo & Russo, 1996).

Untersuchungen der Arbeitsgruppe um Jill D. Haag und Michael D. Gould (Ariazi et al.

2005a) zeigten, dass DMBA empfindlicher auf das Drüsengewebe reifer (acht Wochen alt) F344-Ratten wirkte, während NMU besonders stark zytotoxisch und karzinogen auf die Epithelzellen bei unreifen F344 Ratten (drei Wochen alt) wirkte. Dies wird auf eine verstärkte Mutagenese zurückgeführt und einer damit einhergehenden vermehrten Karzinogenese (Ariazi et al. 2005b). Für DMBA sind diese Unterschiede in der Effektivität nur durch das Vorhandensein von TEBs im Verhältnis zu ABs zu erklären, und bestätigen so das empfindliche Fenster für DMBA von 50-56 Tagen. Es konnte auch klar gezeigt werden, dass die altersabhängigen Unterschiede in der Wirkung nicht an einer unterschiedlichen Bildung der karzinogenen DMBA-Metaboliten oder von DNA-Addukten oder gar an einer veränderten Zelltoxizität lagen (Moore et al. 1988). Diese Studien verwendeten bewusst F344 statt Sprague-Dawley-Ratten, weil F344 nur eine intermediäre Empfindlichkeit gegenüber DMBA zeigen, und sich so subtile Effekte besser zeigen als bei den hohen Tumorinzidenzen der Sprague-Dawleys (Haag et al. 1992).

1.5.2.2 Proliferationsmarker

Tumorzellen können unter anderem dadurch charakterisiert werden, dass geschädigte DNA vorliegt, die zelluläre Proliferation unkontrolliert abläuft, und die Zellalterung nicht einsetzt (Evan & Vousden, 2001). Daran sind beispielsweise Veränderungen an Tumorsuppressorgenen oder Proto-/Onkogenen beteiligt (Weinberg, 1994), die die Kontrollmechanismen des physiologischen Zellzyklus beeinflussen und die Einleitung von Zellzyklusarrest oder Apoptose bei fehlerhaft synthetisierter DNA verhindern (Elledge, 1996). Karzinogene, wie zum Beispiel DMBA, wirken vor allem auf proliferierende Zellen,

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so dass ein verstärktes Tumorrisiko insbesondere bei erhöhter Zellproliferation vorliegt (Russo & Russo, 1996).

Zur Untersuchung der Proliferation im Gewebe können verschiedene Marker gemessen werden. Eine andere Möglichkeit besteht in der Bestimmung von Enzymaktivitäten, wie zum Beispiel ODC (Ornithindecarboxylase)-Aktivitäten, die sich bei vermehrter Zellproliferation erhöhen. Das Protein Ki67 und die Substanz Bromdesoxyuridin (BrdU) gelten als klassische Proliferationsmarker, werden zum Beispiel auch zur Messung von Proliferation im Tumorgewebe genutzt und dienen als Hilfe für Diagnose und Prognose von Tumorerkrankungen (Dolbeare, 1995b).

Ki67 stellt ein endogenes Protein dar und wird in Zellen exprimiert, die sich im Zellzyklus befinden unabhängig von den einzelnen Zyklusphasen. Es kann über Antikörperreaktionen immunhistochemisch sichtbar gemacht werden. BrdU dagegen ist eine exogene Substanz und gilt als Thymidinanalogon. Es wird nach Applikation in vivo anstelle von Thymidin in der S- Phase des Zellzyklus in die DNA eingebaut und kann dort zum Beispiel immunhistochemisch nachgewiesen werden (Dolbeare, 1995a). Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten, BrdU einzusetzen: zum einen wird es über mehrere Tage oder Wochen appliziert, oder es kann nur über nur eine einmalige Applikation kurz vor Probenentnahme Auskunft über die aktuelle Proliferation im Gewebe geben. Im Zusammenhang mit BrdU wird auch immer wieder diskutiert, ob die Ergebnisse zur Zellproliferation durch BrdU-Einbau bei Reparationsvorgängen der Zellen verfälscht werden könnten. Damit würde im Extremfall nicht Proliferation, sondern Reparation, also Zellschädigung, gemessen. Allerdings ist davon auszugehen, dass das Signal, welches durch Einbau der wenigen BrdU-Moleküle beim Reparationsvorgang generiert wird, in den meisten Fällen zu schwach sein wird, um von Bedeutung zu sein. Im Vergleich dazu werden in der S-Phase bei der Duplikation der DNA weitaus mehr BrdU-Moleküle eingebaut, die dann ein eindeutiges Signal geben.

1.5.3 Untersuchung der möglichen Wirkungsmechanismen niederfrequenter MF 1.5.3.1 Genexpressionsanalysen

Seit einigen Jahren werden häufig Genexpressionsanalysen in Form von Microarrays auch für das Brustdrüsengewebe eingesetzt, um zahlreiche RNA-Expressionen gleichzeitig in Proben zu untersuchen und so mögliche Kandidatengene zu finden, die sich als Biomarker für Tumoren eignen (Lemkin et al. 2000; Papaconstaninou et al. 2006). Um die Gene zu identifizieren, die bei Rattenstämmen Karzinogen-Resistenz im Brustdrüsengewebe

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vermitteln, wurden zum Beispiel Genexpressionsanalysen vergleichend bei resistenten und empfindlichen Stämmen durchgeführt (Quan & Lu, 2003).

Dabei gibt der Microarray Auskunft über die RNA-Expression eines Gens oder besser eines Transkripts. Zuvor muss die RNA möglichst undegradiert aus dem Gewebe präpariert werden, in komplementäre DNA (cDNA) oder cRNA umgeschrieben und mit dem entsprechenden Array (Genchip) hybridisiert werden. Dabei binden komplementäre Abschnitte der Probe mit den zugehörigen Sequenzen (Transkripten) auf dem Array.

Gebundene Sequenzen werden über Fluoreszenzsignale ausgelesen und durch ihre Lokalisation auf dem Chip den jeweiligen Genen/ Transkripten zugeordnet. Zur Auswertung der zahlreichen, gewonnenen Daten kommt spezielle Software zum Einsatz. Dabei werden unter anderem auch Normalisierungen und Filter angewendet, um falsch positive Daten zu identifizieren und ausschließen zu können. Einige Software-Programme sind auch in der Lage, über so genannte Pathway-Analysen die Veränderung innerhalb bestimmter Gruppen von Genen, z.B. Proliferations-assoziierte Transkripte, die miteinander agieren, aufzudecken.

Neben den Arrays, die das gesamte Genom umfassen und mehrere zehntausend Transkripte untersuchen, können auch Arrays zum Einsatz kommen, die nur Transkripte eines bestimmtes Bereiches enthalten, zum Beispiel Proliferations- oder Tumormarker oder auch Entzündungsparameter. Eine Veränderung der Genexpression ist zwar ein Hinweis auf einen Effekt, lässt allerdings noch keine Schlussfolgerungen hinsichtlich des Verhaltens des zugehörigen Proteins zu. Daher folgen einem Microarray in der Regel noch gezielte Proteinanalysen zur Bestimmung des Gehaltes (quantitativ; Western Blot oder Immunhistochemie) und der Proteinfunktion (funktioneller Enzymassay).

1.5.3.2 Primärkulturen des Brustdrüsengewebes

Primärkulturen der epithelialen Zellen des Brustdrüsengewebes von Mensch, Ratte oder Maus werden vergleichend zu etablierten, permanenten Zellinien oder Primärkulturen von Tumoren in Studien eingesetzt (Darcy et al. 1995; Novaro et al. 2003; Latimer et al. 2003; Zhang et al.

2007; Hass & Bertram, 2009). Der entscheidene Vorteil von Primärkulturen liegt darin, dass sie überwiegend noch diejenigen Charakteristika aufweisen, die auch in vivo im Gewebe zu finden sind (Daniel et al. 1984). Sie repräsentieren damit besser die In-vivo-Situation, obgleich beachtet werden muss, dass sich unter Kulturbedingungen auch Veränderungen einstellen können. Bestimmte Untersuchungsansätze sind nur über Primärkulturen durchführbar. So konnten für Tumorzellkulturen von Brustkrebspatienten unterschiedliche Empfindlichkeiten gegenüber den gängig eingesetzten Chemotherapeutika gefunden werden

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(Hass & Bertram, 2009). Derartige Versuchsansätze können zukünftig zum einen dazu dienen, dass für neue Substanzen im Vergleich zu den üblichen Zytostatika durch Versuche an primären Kulturen von Tumorbiopsien verlässlichere Vorhersagen für die individuelle Wirksamkeit am Patienten möglich sind. Darüber hinaus wäre auch eine individuellere Therapie von Brustkrebspatienten nach Identifizierung der geeigneten Substanzen an Kulturen des jeweiligen Tumors möglich. Nachteile von primären Zellkulturen sind vor allem darin zu sehen, dass sie nur über eine geringere Anzahl von Passagen kultiviert werden können (ca. 3-4, zum Teil auch mehr), weil sie der Zellalterung unterliegen (Dimri et al.

2005). Dabei können alters- und kulturabhängige Veränderungen der Zellen auftreten, die die Versuchsergebnisse beeinflussen. Es muss aber erwähnt werden, dass auch permanente Zelllinien genetischen Veränderungen unterliegen und ihre Charakteristika und Phänotypen wechseln können. Trotz der biologischen Vorteile von Primärkulturen gegenüber permanenten Zellinien werden letztere aufgrund der einfacheren Anwendbarkeit häufiger eingesetzt.

Außerdem können primäre Kulturen unter Umständen mehr als einen Zelltyp aufweisen (z.B.

Epithelialzellen, kontaminiert mit Fibroblasten). Daher werden, neben der Klassifizierung des zellulären Phänotyps, Markerproteine in den Zellen nachgewiesen, um die Reinheit der Kultur zu bestätigen. Epitheliale Kulturen der Brustdrüse (normale und Tumorzellen) sind zum Beispiel positiv für das strukturelle Protein Cytokeratin (Taylor-Papadimitriou et al. 1989;

Godfroid et al. 1991). Fibroblasten dagegen exprimieren als stromale Zellen das Protein Vimentin, das allerdings auch bei Tumorzellen epithelialen Ursprungs nachgewiesen werden kann. Vimentin gibt Hinweise auf die Migrationseigenschaften der Zellen und wird im Hinblick auf das Metastasierungpotential von Tumorzellen untersucht (Gilles et al. 1996 &

1999; Gilles & Thompson, 1996). Darüber hinaus wurde beschrieben, dass auch „normale“

Epithelzellen in Kultur Vimentin exprimieren können. Diese sind dann über Doppelmarkierungen (Cytokeratin & Vimentin) von stromalen Zellen zu trennen. Es kann bei zunächst epithelialen Zellen, die nach einiger Zeit in Kultur Vimentin-positiv werden, auch eine so genannte epitheliale-mesenchymale Transition (EMT) vorliegen. EMT ist in vitro und in vivo beschrieben (Kokkinos et al. 2007) und wird auch mit erhöhtem Metastasierungseigenschaften verbunden (Guarino & Giordano, 1995; Gilles & Thompson, 1996; Korsching et al. 2005; Guarino et al. 2007).

Um die Anwendbarkeit interessanter Primärkulturen zu erleichtern, können die Zellen über verschiedene Methoden immortalisiert werden. Transfektion der Zellen mit geeigneten viralen

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Primärkulturen erfolgreich zur Immortalisierung eingesetzt werden (Dimri et al. 2005). Durch diese Transfektionen werden Mechansimen, wie Zellalterung und Apoptose, ausgeschaltet und zum Beispiel Wachstumsfaktoren, wie EGF (epidermal growth factor), vermehrt exprimiert (McAndrew et al. 1994). Allerdings konnten unter den geeigneten Bedingungen (Wachstums-steigernde Substanzen, Transportproteine und weitere Faktoren) primäre Granulosazellen aus den Ovarien von Ratte und Schwein auch ohne genetische Manipulationen über lange Zeit kultiviert werden (Horisberger, 2006). Spontane Immortalisierungen von primären Kulturen wurden für Zellen von Ratte (Oligodendrozyten, Pankreas- und Hodenzellen), Maus und Schaf (Brustdrüsenzellen) beschrieben (Pringproa et al. 2008; Masamune et al. 2003; Hoeben et al. 1995; Dimri et al. 2005; Düchler et al. 1998).

Dagegen scheinen humane Primärzellen der Brustdrüse in Kultur keine spontane Immortalisierung zu zeigen (Dimri et al. 2005).

Grundsätzlich werden zwei unterschiedliche Verfahren zur Präparation von Primärkulturen aus Brustdrüsengewebe oder Tumorbiopsien beschrieben. Die epithelialen Zellen können über enzymatischen Verdau des Gewebes und Kultivierung von Epitheloiden gewonnen werden (Novaro et al. 2003). Dabei besteht die Möglichkeit, dass Proteine, die die Zellen auf der Oberfläche exprimieren, durch die enzymatische Behandlung zerstört werden. Bei einer anderen Methode werden die gesamten Gewebestücke auf die Kulturplatte gegeben. Nach einiger Zeit unter den richtigen Bedingungen sprossen Epithelzellen aus dem Gewebe aus.

Letztere Vorgehensweise (Explant-Verfahren) dauert im Allgemeinen länger, führt aber zu reinen Epithelkulturen mit vollständigerer Expression von Oberflächenproteinen (Hass &

Bertram, 2009).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass epitheliale Primärkulturen des Brustdrüsengewebes entscheidende Vorteile gegenüber permanenten Zelllinien mitbringen, und ihr Einsatz für viele Fragestellungen sinnvoll und notwendig ist. Allerdings ist die Verwendung primärer Zellkulturen mit einem erhöhten Aufwand verbunden und eine Charakterisierung der Kultur über Markerproteine unerlässlich.

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