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3.2 Nichtthermische Wirkungen niederfrequenter Felder 3.2.1 Wirkungen auf Nervenzellen

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3.2 Nichtthermische Wirkungen niederfrequenter Felder 3.2.1 Wirkungen auf Nervenzellen

Reizwirkungsmodell

Bild 3.2/1 zeigt das Ersatzschaltbild der Zellmembran. Die über die Zellmembran fließende Stromdichte Jm ist durch (3.2-1) gegeben. Die Leitwerte für die Ionen sind nichtlineare, kom- plexe Funktionen, die aus Differentialgleichungen berechnet werden, also „gesteuerte Leit- werte“. Die sogenannten Nernstpotentiale sind u.a. durch die Ionenkonzentrationen, die Temperatur und die Ladungszahlen der Ionen bestimmt und entsprechen im Ersatzschaltbild Spannungsquellen. (Vergleiche die Potentiale an den Elektroden im Dielektrikum eines Akkumula- tors).

, (3.2-1) cm Membrankapazität

gNa, gK nichtlineare Leitwerte für Na+ und K+

gL linearer Leitwert für den Leck- strom

JK, JNa Ionenstromdichten;

JL Leckstromdichte;

EK, ENa, EL Nernstpotentiale.

Bild 3.2/1: Ersatzschaltbild der Zellmembran (nach Hodgkin-Huxley), auch „Kabelmodell“,hier ohne äußeren eingeprägten (Stör)strom. Man kann sich diese nur wenige Nanometer dicke Membran geometrisch als dünnen Schlauch um ein Stück eines Axons oder aber noch vereinfachender als die schlauchartige Hülle eines ganzen Axons vorstellen: Inside = „zylindrisches“ Axon-Inneres, Membran =

„Schlauch“.

An der Zellmembran wirken hohe elektrische Kräfte: Bei einem Membranruhepotential von - 90 mV und einer Membrandicke von etwa 10 nm beträgt die Spannung 90 kV/cm (!).

(Durchschlagsfestigkeit trockener Luft: 20-30 kV/cm; Glas: 100 kV/cm.) Die Leitfähigkeiten der Membran für die Na- und K-Ionenströme sind eng mit dem elektrischen Feld verknüpft.

Änderungen des chemischen Ruhezustands bewirken Veränderungen der elektrischen Ei- genschaften. Diese Änderungen verursachen die funktionalen Reaktionen der Nerven und Muskeln.

Bei körpereigener Stimulation entsteht ein elektrisches Aktionspotential durch die Aktivität der Ionenpumpe in der Zellmembran. Dieses elektrische Signal (Spike) läuft entlang des Axons bis zum Ende in den präsynaptischen Bereich unmittelbar vor dem Synapsenspalt.

Dort wird das Signal chemisch über Neurotransmitter an die postsynaptische „Empfänger- Zelle“ übertragen.

Den Mechanismus der Reizwirkung eingeprägter elektrischer Ströme auf Nervenzellen kann man nach dem obigen Modell von Hodgkin-Huxley darstellen. Wird durch das äußere Feld ein Strom eingeprägt, der über die hochohmige Zellmembran fließt, so entsteht dort ei- ne polarisierende oder depolarisierende Spannung, vgl. Bild 3.2/2. Erreicht eine depolarisie- rende Spannung den Wert des so genannten Aktionspotentials, so wird der Nervenreiz aus- gelöst. Im gegenteiligen Fall (zusätzliche Polarisierung, d.h. noch stärker negatives Potential im Zellinneren), wird die Erregbarkeit der Nervenzelle vermindert (Inhibition).

(

K Na L

)

m

m J J J

dt c dU

J = + + +

(2)

a) Eingeprägter Strom fließt durch lang gestreckte Nervenzelle, Axon

b) Vereinfachtes elektrisches Ersatzschaltbild

Bild 3.2/2: Modell für die Reizwirkung eingeprägter Ströme auf Nervenzellen.

a) Welcher eingeprägte Strom ist nötig um entlang der langgestreckten Nervenzelle eine Spannung aufzubauen, die das Aktionspotential erreicht?

b) Im Ersatzschaltbild baut sich nach dem Einschalten eines konstanten Stroms (Strom- sprungfunktion) zufolge des Stromflusses durch den Widerstand am Kondensator eine Spannung auf.

Aus Bild 3.2/2b kann man einfache Gleichungen für den Zeitverlauf von Ladung und Span- nung an der Membran sowie für die Zeitkonstante der Aufladung herleiten: Betrachten wir einen Strom i(t), der zum Zeitpunkt t = 0 nach einer Stufenfunktion von der Amplitude 0 auf 1 geschaltet wird. Dann gilt

um (t) ……… Membranspannung (3.2-2) mit

tM = rm.cm .. Membran-Zeitkonstante

cm ………… Kapazität eines Membransegmentes rm ……... Widerstand eines Membransegmentes.

Für die Stromstärke IA eines Stromimpulses, der an der Membran innerhalb der Zeit t die Spannung UA (Aktionspotential) erzeugen soll, gilt

. (3.2-3)

Für t ® ¥ wird IA = UA/R.

Die Ladung QA, die erforderlich ist, um an der Membran die Spannung UA zu erzeugen, ist

. (3.2-4)

Bild 3.2/3 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Strom und Ladung an der Membran.

Weiters sieht man den Energieverbrauch zur Erzeugung einer Stimulation in Abhängigkeit von der auf eine gewebespezifische Konstante normierten Impulsdauer.

( )

t i

( )

t .R I.R.( )

uM = R = 1-e-tM

tM

R U I

A

A -

= - e 1

tM

. t R t. U I

QA A A -

= -

= 1 e

(3)

Bild 3.2/3: Berechneter (normali- sierter) Zusammenhang von Strom, Ladung und Energiever- brauch (Vertikalachse) für die Errei- chung der Stimulationsschwelle an einer Zellmembran bei Anregung mit einem rechteckförmigen, uni- polaren Stromimpuls,

(Horizontalachse: Pulsdauer auf die Membranzeitkonstante normiert)

Es existieren zwar kompliziertere Rechenmodelle, diese liefern jedoch qualitativ gleiche Er- gebnisse wie das einfache Modell. Experimentell bestimmte Werte der Membran- Zeitkonstanten hängen stark von der Gewebeart ab. Ein typischer Mittelwert für

periphere Nervenzellen ist 0,3 ms, für den Herzmuskel 3 ms.

Sehsinn, Gehör und Tastsinn benötigen kleine Zeitkonstanten für schnelle Reaktionen, der Herzmuskel hingegen soll gerade nicht auf Kurzzeitereignisse reagieren und hat daher eine größere Zeitkonstante!

Schwellwerte der Stromstärke/Stromdichte bzw. Gewebefeldstärke für die Sti- mulation von Nervenzellen bei Niederfrequenz und bei Impulsen

(„Wahrnehmungsschwellen“ und ihre zeitlichen Abhängigkeiten)

Bei markscheidenhaltigen Nervenfasern im peripheren Nervensystem (PNS-tissue, Peri- pheral Nervous System), zu Muskeln und zu Sinneszellen des Menschen liegt die Reiz- schwelle bei einer Gewebefeldstärke von 4-6 V/m.

ACHTUNG: bei elektrischen Feldern ist immer zwischen den äußeren (messbaren) Feld- stärken und den Feldstärken im Inneren des Körpers zu unterscheiden (Gewebefeldstärken)

!!! Siehe auch Kapitel 3.5, „Zusammenhang zwischen äußeren und inneren Feldgrößen“.

Bei stärkerem Stimulus entstehen nach der Wahrnehmung Unbehagen und dann Schmerz. Die niedrigste Schwelle für eine nicht mehr tolerierbare Nervenreizung setzt man 20 % über dem Mittelwert der Wahrnehmungsschwelle an (ICNIRP, International Commissi- on on Non-Ionizing Radiation Protection).

Für die Reizschwelle im Cortex (CNS-tissue, Central Nervous System) werden für gepulste Felder etwa 10 V/m im Gewebe angegeben. Dies bestimmt man durch transkranielle magne- tische Stimulation.

Frequenzabhängigkeit / Wiederholfrequenz: Oberhalb von ca. 1 kHz steigen die Schwell- werte an, weil die Zeit, die für die Akkumulation von Ladung zur Verfügung steht, immer kür- zer wird. Unterhalb von ca. 10 Hz steigen sie ebenfalls an, weil sich die Nervenzelle an den langsamen Depolarisationsstimulus anpasst.

Im Frequenzbereich zwischen 10 Hz und 100 Hz (50 Hz !!!) sind die Schwellwerte von Ge- webefeldstäken (bzw. von Gewebe-Stromdichten) am niedrigsten, daher gelten in diesem Bereich auch die niedrigsten Grenzwerte für äußere Felder. Hier geht es vor allem um die Frequenzen des technischen Wechselstroms.

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Muskelzellen sind wesentlich unempfindlicher als Nervenzellen. Besondere Beachtung ver- dient hier der Herzmuskel, bei dem jede anormale Funktion lebensgefährlich sein kann. Die Fibrillationsschwellen liegen jedoch noch um zumindest einen Faktor 50 über den Reiz- schwellen für Muskelfasern. Hier beginnen die Schwellen bereits oberhalb von ca. 120 Hz anzusteigen, aufgrund der wesentlich längeren Zeitkonstanten der Muskelzellen im Vergleich zu markscheidenhaltigen Nervenfasern.

Körperbewegungen werden vom Motorcortex (Zentrallappen) über motorische Nervenfasern ausgelöst, die auf den Muskelfasern enden. Die Endplatten dieser Nerven übertragen Aktionspotentiale an die Muskelfasern. Die Kraftwirkung des Muskels wird durch die Bewegung von Aktin- und Myosinfilamenten ausgelöst, die sich ineinan- derschieben. Dabei bindet jeweils ein Myosinkopf abwechselnd, so dass quasi „ein Fuß nach dem anderen“ vor- gesetzt wird. Die Bewegung erfolgt gerichtet, da Myosin auf dem Aktinfilament nur in eine Richtung wandern kann. Die Motoraktivität wird durch den sogenannten Querbrückenzyklus beschrieben, vgl. Bild 3.2/4.

Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4

Myosin bindet an Aktin Myosinköpfchen spalten ATP zu ADP und Phos-

phat und führen dabei ihren Kraftschlag aus.

Myosinköpfchen lösen sich unter Aufnahme von

ATP vom Aktin.

Myosin im Ruhezustand

ATP: Adenosintriphosphat, Energieträger in Zellen

ADP: Adenosindiphosphat entsteht durch Hydrolyse aus ATP

Bild 3.2/4: Querbrückenzyklus (Myosin: gelb; Aktin: rosa)

Effekte, die unterhalb der Stimulationsschwelle auftreten

Sowohl bei in-vitro-

(außerhalb eines lebenden Organismus, „im Reagenzglas

“) als auch bei in-vivo-

(in einem lebenden Organismus)

Experimenten findet man Effekte, die unterhalb der Stimulationsschwellen auftreten. Eine Abnahme der Erregbarkeit von Nervenzellen zufolge der Wirkung einer polarisierenden Gewebefeldstärke ist nachweisbar. Die Empfindlichkeit von Gehirnzellen des Hippocampus wurde z.B. einem in-vitro Experiment gemessen. Ab- hängig von der polarisierenden Gewebefeldstärke veränderte sich die Spikeamplitude bei Reizung mit 25 bis 250 ms langen Pulsen, vgl. Bild 3.2/5.

Bild 3.2/5: Änderung der

Spikeamplitude bei Gehirnzellen (Hippocampus) in Abhängigkeit von der Gewebefeldstärke (in-vitro Expe- riment). Dies entspricht einer „Arbeits- punkt-Verschiebung“ im Sinn einer IN/OUT-Kennlinie.

Ein in-vivo nachgewiesener Effekt, der auch unterhalb der genannten Reizschwellen auftritt, ist die Induktion sogenannter Phosphene durch Magnetfelder oder elektrische Felder. Er be- wirkt die Wahrnehmung flackernder Lichterscheinungen an der Peripherie des Sehfeldes.

Die minimale Flussdichte zur Auslösung von Magnetophosphenen beträgt ca. 5 mT bei 20 Hz und steigt sowohl bei niedrigeren als auch bei höheren Frequenzen an. Man nimmt an, dass das elektrische Feld hier direkt die Nervenzellen in der Retina anregt. Die entspre- chenden elektrischen Feldstärken liegen bei ca. 50-100 mV/m bei 20 Hz. Bild 3.2/6 zeigt den

(5)

Aufbau der Netzhaut. Sie besteht aus fünf Schichten hoch spezialisierter Nervenzellen. Die Photosensoren sind die Stäbchen und Zäpfchen:

Ø Stäbchen: Durchmesser 3 µm; 120 Millionen; sehr lichtempfindlich (1 Photon à 1 mV), Absorptionsmaximum bei 500 nm (à Sehen bei Mondlicht)

Ø Zapfen: Durchmesser: 2 µm; 6 Millionen; rot-grün-blau; brauchen 200 Photonen

Bild 3.2/6: Photosensoren in der Retina und Schema der Reaktion einzelner Neurone

Bild 3.2/7a zeigt Ergebnisse eines Experimentes, in dem bei acht Versuchspersonen mittels Elektroden am Hinterkopf („transcranial Alternating Current Stimulation“, TACS) Phosphene ausgelöst wurden. Beim stärksten Stimulationsstrom von 1000 µA betrug das Maximum der Stromdichte unter der Stimulationselektrode 83 µA/cm2. Das Intensitätsmaximum der Wahr- nehmungen trat in der Dunkelheit bei ca. 12 Hz auf, in beleuchteter Umgebung bei ca. 18 Hz.

Bild 3.2/7b zeigt die Wahrnehmungsschwellen. Bild 3.2/8 gibt die von den Versuchspersonen berichteten Wahrnehmungen wieder (Phosphene in grau).

Bild 3.2/7: Links: Intensitätswahrnehmung der Phosphene über der Frequenz der Stimulation.

Rechts: Stimulations (=Wahrnehmungs-)schwellen für Phosphene. A) in heller, B) in dunkler Umge- bung

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Bild 3.2/8: Zeichnungen der von sechs Versuchspersonen wahrgenommenen Phosphene

Bild 3.2/9a zeigt mittlere Schwellwerte für Stimulation durch Magnetfelder. Es wird Ganzkörperexposition in einem räumlich homogenen Feld angenommen. Bild 3.2/9b zeigt die Grenzwerte nach ICNIRP 2010.

Während Nervenzellen eine Depolarisation von etwa 15 bis 20 mV benötigen, um ein Aktionspotential zu erzeugen, können synaptische Prozesse durch Änderung des präsy- naptischen Membranpotentials bereits bei weniger als 1 mV ausgelöst werden.

Relativ geringe Änderungen des präsynaptischen Potentials können damit eine prozen- tuell wesentlich stärkere Änderung des postsynaptischen Potentials verursachen. Die post- synaptische Zelle summiert die präsynaptischen Inputs mehrerer Zellen. Hier kann sowohl eine Erregung als auch eine Inhibition (Hemmung) entstehen. Die Synapsen sind damit die empfindlichsten Punkte im Nervensystem.

Bild 3.2/9: Mittlere Stimulationsschwellen bei Magnetfeld-Exposition.

Vertikal: magnetische Flussdichte in mT (Effektivwert rms) Horizontal: Frequenz der Stimulation in Hz,

MPE: Maximum Permissible Exposure (“general public” entspricht “Allgemeinbevölkerung”, “con- trolled environment” entspricht „berufliche Exposition“, dazwischen Schutzfaktor 5 )

(7)

Bild 3.2/9b: Frequenzgang der Grenzwerte für die magnetische Flussdichte äusserer räum- lich homogener Magnetfelder zwischen 1 Hz und 10 MHz. Aus: ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection), Guidelines for limiting Exposure to time-varying Electrical and Magnetic Fields (1 Hz to 100 kHz), 2010.

Die Unterscheidung zwischen der Feldexposition der Allgemeinbevölkerung (general public exposure) und der Befeldung beruflich exponierter Personen (occupational exposure, con- trolled environment) ist wesentlicher Teil aller EMFW-Schutzkonzepte. Sie wird sich in je- weils einem Faktor 5 für Feldstärken auch in den Grenzwertfestlegungen in den folgenden Kapiteln wieder finden.

Bild 3.2/10 gibt eine Übersicht der Stromdichte-Schwellwerte für verschiedene Wirkungen an Nerven- und Muskelzellen als Funktion der Frequenz. Die Mehrzahl der Stromdichte-Daten stammt aus Tierversuchen. Vor allem hinsichtlich des Frequenzverlaufes ist die Umlegung der Ergebnisse auf den Menschen mit Unsicherheiten behaftet. Die gezeigten Daten der Fib- rillationsschwellen beinhalten eine Unsicherheit um den Faktor 2 - 3. Bei herzkranken Perso- nen können auch bei niedrigeren Stromdichten bereits Störungen der Herztätigkeit auftreten.

Das Bild stammt zwar aus 1983, aber es zeigt recht übersichtlich die Größenordnungen und Frequenzabhängigkeiten.

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Zentrale Frage im Hinblick auf die Festlegung von Grenzwerten: welche äußeren Feld- stärken oder welche äußeren Ströme sind notwendig um im Inneren des Gewebes die Stromdichten in Bild 3.2/ zu erzeugen, bzw. entsprechende Gewebe-Feldstärken im Körperinneren 1µA/cm2 = 10 mA/m2

Bild 3.2/10: Schwellenwerte der elektrischen Stromdichte für verschiedene Wirkungen an Nerven- und Muskelzellen

a1, a2 ….. Stimulation von Sinnesrezeptoren mit Elektroden (Wahrnehmung durch den Pro- banden)

A ...…... Alle Kurven oberhalb von Kurve A hängen mit der Erzeugung von Aktionspo- tentialen zusammen, d. h. mit der Erzeugung von Reizwirkungen an Nerven oder Muskeln durch elektrische Feldstärken bzw. Stromdichten im Körper b1, b2-b5 . Störung der Herzaktion

b6 ……… Schwellwerte für Kammerflimmern (300 µA/cm2 bei 50 Hz)

b7 ……… Auslösung von Extrasystolen (Zwischen-Herzschläge) (80 µA/cm2 bei 50 Hz) c1, c2 .…. Stimulation von Einzelzellen im Gehirn (Messungen mit Mikroelektroden)

d ………. Reizschwelle für die Nerv-Muskel Erregung nach der Reiztheorie von Schäfer, be- zogen auf 50 µA/cm2 bei 50 Hz

e ………. Erzeugung von Membranspannungen von 10 mV durch elektrische Felder in der Umgebung von Nervenzellen

g ………. Erzeugung von Membranspannungen von 0,1 mV durch elektrische Felder in der Umgebung von Nervenzellen

h ..…….. Erzeugung von Phosphenen (Lichterscheinungen) im Auge durch Reizung mittels Elektroden

i ……….. Flimmererscheinungen im Magnetfeld

j ……….. Änderung von Reaktionspotentialen durch Magnetfelder

EEG …... Aus EEG - Signalen berechnete, natürliche mittlere Stromdichten zufolge der elektrischen Aktivität des Gehirns selbst

Zusammenfassung: Oberhalb von Kurve A: Bereich möglicher Schädigung bei Stromdicht- en größer als ca. 20 bis 30µA/cm2 für Frequenzen um 50 Hz.

Unterhalb von Kurve B: Sicherer Bereich

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3.2.2 Wahrnehmung von Wirkungen an der Körperoberfläche

Wahrnehmung niederfrequenter elektrischer Felder (Haarvibrationen)

Für niedrige Frequenzen kann die Körperoberfläche als elektrisch gut leitend angesehen werden. Sie hat daher in guter Näherung überall konstantes Potential (=Erdpotential). An der Körperoberfläche treten Feldüberhöhungen von bis zu einem Faktor 20 auf.

Das elektrische Feld bewirkt eine mit der Frequenz wechselnde Aufladung der relativ hochohmigen Behaarung, so dass zwischen den Haaren und der Hautoberfläche Kräfte wirksam werden und eine Vibration des Haarschaftes anregen. Diese Vibration wird über die Haarwurzel und die Haarzwiebel zu den Haarfollikeln hin übertragen, wo Berührungs- und Vibrationsrezeptoren die Bewegung registrieren können, vgl. Bild 3.2/11. Das Haar wird mit der doppelten Feldfrequenz aus seiner Ruhelage abgelenkt.

Die Wahrnehmungen sind daher:

- Haarvibrationen - "Kribbeln" der Haut.

Bild 3.2/11: Vibration der Haare im elektrischen Wechsel- feld

Bei Untersuchungen an Personen, die mit erhobener Hand unter einer Hochspannungslei- tung stehen, konnte bei 5 % der Probanden eine Wahrnehmung des Feldes ab 1 kV/m festgestellt werden. Eine belästigende Wahrnehmung setzt bei 1 % der Probanden bei er- hobenem Arm ab 5,5 kV/m ein, vgl. Bild 3.2/12. Sticheln auf der Haut wird ab 7 kV/m, vibrie- rendes Kopfhaar ab 9 kV/m als belästigend empfunden. Unterschiedliche Wetterbedingun- gen führen zu keinen signifikanten Änderungen bei den Wahrnehmungen.

Die Frequenzabhängigkeit der Wahrnehmungseffekte ist in Bild 3.2/13 dargestellt.

Bild 3.2/12: Wahrnehmung elektri- scher Felder unter Hoch- spannungsleitungen in 1m Höhe

(10)

Bild 3.2/13: Mittlere Wahrneh- mungsschwellen für Haarvibrationen als Funktionen der Fre- quenz

Feldstärke von ca. 10kV/m mit:

220kV-Leitung in 20m über Grund, oder 110kV-Leitung in 10m über Grund oder (fiktiv) 11kV in ca. 1m über Grund

Experimentelle Ergebnisse verschiedener Autoren stimmen relativ gut überein. Man findet stets Unterschiede zwischen den Schwellwerten für Männer, Frauen und Kinder. Allerdings ist es schwierig, Reizschwellen für die Versuchspersonen exakt zu definieren. Weiters be- stehen bei Versuchen unter Hochspannungsleitungen Täuschungsmöglichkeiten durch Au- ßentemperatur, Wind und den Höreffekt ("Surren" der Leitung,

d.s. Spitzenentladungen nahe am Leitungskabel wo die Feldstärke am höchsten ist

).

Elektrisierungen bei Berührungen von elektrisch leitenden Körpern in EMF

Große, elektrisch leitende Körper, die sich in einem elektromagnetischen Feld befinden, kön- nen gegenüber Erde Spannung führen. Berührt man einen solchen Leiter, so können durch die gegen Erde fließenden Ableitströme spürbare Elektrisierungen auftreten. Von besonders sensiblen Personen können niederfrequente Ströme bei Dauerkontakt bereits ab 200 µA wahrgenommen werden. Der Prozentsatz solcher "elektrosensibler" Personen könnte neue- ren Untersuchungen zufolge 1 - 2 % der Bevölkerung ausmachen. Im allgemeinen wird an- genommen, dass für die Durchschnittsbevölkerung die Wahrnehmungsgrenze im Frequenz- bereich von 10 Hz - 100 Hz über 0,5 mA liegt. Bei IEC wird die 50 % - Wahrnehmungsgrenze mit 1 mA angenommen.

Von Erde isolierte, elektrische Leiter, die bei Berührung Elektrisierungen auslösen können, sind z. B. Dachrinnen, Baugeräte, PKW oder größere Kfz, Werkzeuge oder Weidezäune. Es erfolgt zunächst ein kurzzeitiger Entladeimpuls, der unmittelbar bei der Berührung auftritt.

Anschließend fließt ein Dauerstrom, der bei weiter bestehen bleibendem Kontakt aus dem Leiter über die Person gegen Erde fließt.

Ein Dauerstrom von 1 mA bei 50 Hz (Ableitstrom) fließt durch eine aufrecht stehende Per- son, wenn die ungestörte elektrische Feldstärke

Ø 70 kV/m beträgt, oder

Ø 9 bis ca. 11 kV/m beträgt und die Person z. B. einen im Feld stehenden PKW berührt, vgl. Bild 3.2/14a.

In einer isolierten, plattenförmigen Anordnung entsteht ein Dauerstrom von etwa 3 µA/m2 pro kV/m, d. h. 1 mA entsteht bei ca. 300 m2.kV/m.

Entladung einer Ladungsmenge von 0,5 µC:

Ø Isolierte Person in einem Feld von 10 kV/m entlädt sich über einen geerdeten Gegen- stand

Ø Geerdete Person berührt einen isolierten Leiter von 40 m2 Fläche, Feldstärke 1 kV/m, vgl. Bild 3.2/14b).

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a) Dauerentladung durch eine Person: Erforderliche ungestörte Feldstärke für einen gerade spürba- ren Dauerstrom von 1 mA (KFZ oder Metallplatte sind Kapazitäten die ständig nachgeladen werden)

b) Impulsentladung durch eine Person: Erforderliche ungestörte Feldstarke für einen gerade spürba- ren Entladungsimpuls von 0,5 µC

Bild 3.2/14: Skizzen von Situationen, in denen spürbare Elektrisierungen bei 50 Hz auftreten können Man erkennt aus den in Bild 3.2/14 angegebenen Werten, dass die Feldstärke bzw. die Auf- fangfläche, die notwendig ist, um einen spürbaren Effekt in einem Feld zu erzeugen, für Mik- roschocks (spürbare Entladungen) um etwa eine Größenordnung geringer ist, als für einen spürbaren Dauerstrom.

Ähnliche Entladungsimpulse können auch infolge elektrostatischer Ladungstrennung auftre- ten. Zum Beispiel kann sich eine Person mit etwa 100 pF Kapazität beim Aufstehen aus ei- nem Kfz-Sitz aus Kunststoff auf etwa 10 kV aufladen, entsprechend einer Ladungsmenge von 1 µC.

Wirkungen niederfrequenter Ableitströme – Basis für

Schutzkonzepte

Elektrische Ströme können je nach Stromstärke und Frequenz verschiedene Reaktionen auslösen, die von einer Wahrnehmung des Stromes durch ein Gefühl der Wärme (Gleich- strom) oder durch ein Prickeln (Wechselstrom) bis zu zwanghaften Muskelkontraktionen (Loslass-Ströme) und darüber zu Atemlähmungen und Kammerflimmern reichen.

Tabelle 3.2/1 enthält eine Zusammenstellung der Stromwirkungen, geordnet nach steigender Stromstärke, für 60 Hz Wechselstrom. Werte für 50 Hz unterscheiden sich davon nur ge- ringfügig. Die Werte gelten für Männer, die Schwellen für Frauen liegen etwa bei 2/3 der an- gegebenen Werte.

Effektivwert der Reaktion/Schwelle Prozentsatz der Probanden

Stromstärke (mA) (männliche Erwachsene)

0,13 Wahmehmung bei Berührung 1 %

0,36 -"- 50 %

0,49 Wahrnehmung bei Griffkontakt 1 %

1,10 -"- 50 %

9 Unwillkürliche Muskelkontraktionen (Loslass- strom)

0,5 %

16 -"- 50 %

23 Atemschwierigkeiten 50 %

100 Kammerflimmern (Erwachsene mit 70 kg,

Einwirkdauer 3 Sek.) 0,5 %

Tab. 3.2/1: Reaktionsschwellen für 60 Hz-Ströme,

vergleiche mit den Auslöseströmen von

Fehlerstromschutzschaltern /FI-Schalter)

(12)

Für Kinder gelten noch niedrigere Werte, z. B. 4,5 mA als 0,5 % Schwelle für die Loslass- stromstärke und 35 mA als 0,5 % Schwelle für Kammerflimmern (Kinder mit 20 kg).

Gleichströme werden erst bei höheren Stromstärken wahrgenommen (1 mA: 1 %; 5,2 mA:

40 %, Griffkontakt) als 50 (60) Hz Ströme. Für höhere Frequenzen steigen die Schwellwerte ebenfalls an. Ströme, die zu einer möglicherweise gefährlichen Schreckreaktion bei der Be- rührung von Metallteilen führen können, liegen zwischen 2,2 mA und 3,2 mA (50 % Frauen) je nachdem, wie der Kontakt hergestellt wird. Diese Stromstärken stellen bereits eine gewis- se Gefährdung dar. Kontinuierliche Ströme (60 Hz) werden ab 2 mA als unangenehm emp- funden.

Wird die Stromstärke weiter gesteigert, so erreicht man die Schwelle der Loslassströme. Dort kommt es zu unwillkürlichen Muskelkontraktionen, sodass ein einmal gefasster, Strom füh- render Teil nicht mehr ausgelassen werden kann. Loslassströme stellen an sich noch keine unmittelbare Gefahr dar, jedoch kommt es bei lang anhaltender Einwirkung von Strömen über der Loslass- (let-go-) Schwelle zu Atmungsschwierigkeiten und schließlich zum Ersti- ckungstod. Daher müssen Loslassströme bei langer Exposition als lebensgefährlich angese- hen werden.

Die Loslassströme sind ähnlich wie die Wahrnehmungsschwellen frequenzabhängig und er- reichen die niedrigsten Werte zwischen etwa 15 Hz und 300 Hz. Die 1 % Schwelle für Gleichstrom liegt bei 60 mA, bei 74 mA sprechen schon 50 % der Probanden an.

Bei noch höheren Stromstärken werden Stromdichten erreicht, bei denen das Herz zu unko- ordinierten Kontraktionen angeregt wird, so dass die Pumptätigkeit völlig ausbleibt. Wenn dieses so genannte Kammerflimmern (Fibrillation) einmal eingesetzt hat, kehrt das Herz nur selten von selbst in den normalen Rhythmus zurück. Erfolgt keine künstliche Defibrillation, so tritt der Tod ein.

Aus Tierversuchen kann man schließen, dass die Fibrillationsschwellen dem Gewicht der Tiere proportional sind und daraus entsprechende Werte für den Menschen ermitteln.

Bild 3.2/15: Loslassströme als Funktion der Fre- quenz

Wahrnehmung von Funkenüberschlägen

Greift eine Person auf ein elektrisch geladenes Objekt in einem niederfrequenten elektri- schen Feld, so kommt es bereits vor dem Kontakt zu einem Funkenüberschlag. Die Entla- dung wird ausgelöst, sobald in einem schmalen Spalt zwischen Finger und Leiteroberfläche die elektrische Durchschlagfeldstarke überschritten wird. Diese Funkenüberschläge werden wahrgenommen, selbst wenn sie einem Strom entsprechen, der weit unter der Empfindungs- schwelle für Dauerkontaktströme liegt, da die lokale Stromdichte auf der Haut hohe Werte annimmt. Berührt man z. B. den Türgriff eines kleinen PKW (Objektkapazität ca. 700 pF), so

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Dr. Garn, Seite 3.2.13 spürt man die Entladung ab ca. 600 V. Die Wahrnehmungsschwelle hängt auch von Lufttem- peratur und Luftfeuchtigkeit ab und ist bei trockenem Wetter am höchsten. Die Schwellwerte, bei denen die Empfindungen beginnen, unangenehm zu werden, liegen um einen Faktor 2 - 4 über den Schwellwerten für die Wahrnehmung.

Berührungsströme in Hochfrequenzfeldern

Auch bei Berührung elektrisch leitender Gegenstände, die sich in einem Hochfrequenzfeld befinden, können Ströme über den Körper gegen Erde fließen. Diese Ströme können je nach Stromstärke Schreckreaktionen, Schocks oder Verbrennungen hervorrufen. Bild 3.2/16 zeigt experimentell ermittelte Wahrnehmungsschwellen für Berührungsströme, die heute für die Grenzwertfestsetzung herangezogen werden.

Bild 3.2/16: Wahrnehmungs- schwellen für

Berührungsströme im Frequenzbereich von 10 kHz bis 10 MHz

Von äußeren Feldern werden im Körper durch kapazitive Einkopplung (Influenz), indukti- ve Einkopplung (Induktion) und galvanische Kopplung (Berührung, Ableitung) Gewebe- feldstärken bzw. Gewebe-Stromdichten erzeugt. Selbst wenn die stimulierenden äußeren Felder homogen sind, so sind wegen der inhomogenen räumlichen Verteilungen von Leitfä- higkeit und Dielektrizitätskonstanten die Felder bzw. die Stromverteilungen im Körper inho- mogen. Blut z.B. hat im Vergleich zu Knochen oder Fett eine deutlich höhere Leitfähigkeit.

Für sehr einfache Abschätzungen muss daher immer über Flächen und Volumina gemittelt werden. Genaue Simulationen erfordern die Modellierung der dielektrischen Eigenschaften des Gewebes mit hinreichender Ortsauflösung.

Für die Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder, die die körpereigenen Nervenreiz- leitungsmechanismen beeinflussen können, sind Schutzkonzepte mit frequenzabhängigen Grenzwerten etabliert worden. Die darin formulierten Grenzwerte, auch „Basisgrenzwerte“

genannt, gelten für Feldstärken und Stromdichten im Körpergewebe. Einer Messung zu- gänglich sind jedoch nur die äußeren Felder. Die dafür festgelegten Grenzwerte werden

„Referenzgrenzwerte“ genannt. Es sind jene Feldstärken homogener äußerer Felder die nach mathematischer Anwendung von Körpermodellen zur Berechnung der Gewebefeldstär- ken die Einhaltung der Basisgrenzwerte im Körperinneren garantieren. Bilder 3.2/17, 3.2/18.

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Dr. Garn, Seite 3.2.13 Bild 3.2/17: Frequenzgang der BASIS-Grenzwerte für die elektrischen Gewebefeldstärken im Körperinneren zwischen 1 Hz und 10 MHz. PNS, Peripheral Nervous System, CNS, Central Nerv- ous System.Aus: ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection), “Guidelines for limit- ing Exposure to time-varying Electrical and Magnetic Fields (1 Hz to 100 kHz)”, 2010.

Bild 3.2/18: Frequenzgang der REFERENZ-Grenzwerte für die elektrischen Feldstärken räumlich homogener äusserer Felder zwischen 1 Hz und 10 MHz. Bei Einhaltung dieser GW wird die EInhaltung der Gewebefeldstärken garantiert. Aus: ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection), „Guidelines for limiting Exposure to time-varying Electrical and Magnetic Fields (1 Hz to 100 kHz)“, 2010.

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