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KI - Methoden in der Finanzwirtschaft

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KI - Methoden in der Finanzwirtschaft

1. Einleitung

Allgemeiner einleitender Abschnitt:

Finanzmarkt: Marktsituation: hoch kompetitive, globalisierte und deregulierte Märkte mit hohem Innovationsdruck; hohe Anforderungen an das Know-How und die Fähigkeit zur ständigen Aktualisierung des Know-Hows...

In den Finanzabteilungen der Unternehmen, bei den Trägerinstitutionen der Börsen und insbesondere in den Finanzdienstleistungsunternehmen kommt dem Produktionsfaktor Information und den informationsverarbeitenden Prozessen eine überragende Bedeutung zu. Dabei läßt sich eine deutliche Tendenz weg von der reinen Verwaltung großer Datenmengen hin zur Notwendigkeit der Nutzung von Methoden mit höherem Abstraktionsgrad und Fokussierung auf die Wissensbereitstellung und Wissensverarbeitung erkennen.

Entscheidungsträger in diesem Bereich sehen sich einer Vielzahl zeitkritischer Entscheidungsprobleme unter Unsicherheit und mit hoher Komplexität gegenüber. Komplexe Ziele, eine Vielzahl von Handlungsalternativen und Konsequenzen in zahlreichen Dimensionen erschweren die Entscheidungsfindung. Dabei ist es in der Regel unmöglich, alle relevanten Daten aus sämtlichen Bereichen mit hinreichender Genauigkeit und Zeitnähe für a) die Entscheidungsfindung und b) prognostische Zwecke aus der Gesamtheit der Daten zu extrahieren, zu filtern und dem Entscheider zur Verfügung zu stellen. Es sind oftmals eine Vielzahl unscharfer Informationen zu verarbeiten, z.B.

bei Trendmeldungen in Wirtschaftsnachrichten oder bei Kundenpräferenzen in der Finanzberatung um Handlungs- und/oder Produktentscheidungen zu treffen. Für Finanzdienstleister ergibt sich aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks zusätzlich die Anforderung, innovative, kundenindividuelle Produkte anzubieten.

Gang der Arbeit:

Der vorliegende Beitrag zum Themenkomplex „KI-Methoden in der Finanzwirtschaft“ gliedert sich in drei Abschnitte. Aufbauend auf einer Liste finanzwirtschaftlicher bzw. bankbetrieblicher Aufgabenbereiche sowie verschiedener Methoden der Künstlichen Intelligenz wird im ersten Abschnitt untersucht, auf welche Art und Weise Künstliche Intelligenz zur Lösung finanzwirtschaftlicher Problemstellungen beitragen kann (Gestaltungs- und Innovationspotential). Dabei wird in Abschnitt 2 versucht, verschiedene Problembereiche im Kontext finanzwirtschaftlicher Fragestellungen

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finanzwirtschaftlichen Aufgabenfeldern vorliegen. Daran anschließend wird analysiert, inwieweit verschiedene Methoden der Künstlichen Intelligenz geeignet sind, die aufgeführten Probleme zu bewältigen. Auf dieser Basis kann dann das Potential konkreter Methoden der Künstlichen Intelligenz für die informationstechnische Unterstützung der verschiedenen Aufgabenbereiche aufgezeigt werden.

Diese Analyse beruht im wesentlichen auf den Erkenntnissen und Erfahrungen, die die Autoren aus der Durchführung verschiedener KI-Projekte in der Domäne gewinnen konnten, und auf zahlreichen Diskussionen mit Wissenschaftlern und Praktikern und soll als Diskussionsgrundlage verstanden werden. Sie erhebt daher keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und Beweisbarkeit.

******

Schwerpunkt des zweiten Abschnitts ist eine Darstellung des aktuellen Einsatzes von KI-Methoden in dieser Domäne. Dazu werden einige konkrete Anwendungen beispielhaft vorgestellt (Einsatzspektrum).

In einem dritten Schritt wird dann diskutiert, in welche Richtungen Forschungsaktivitäten in diesem Bereich aktuell gehen und in Zukunft gehen können (Einsatzpotential).

*****

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2. Gestaltungs- und Innovationspotential von KI-Methoden für die Finanzwirtschaft

2.1 Betrachtungsebenen in der Finanzwirtschaft - Eine Systematik relevanter Problembereiche

Traditionell wird in der Betriebswirtschaftslehre unter dem Begriff der „Finanzwirtschaft“ die Finanzwirtschaft des Unternehmens verstanden (vgl. z.B. Franke/Hax[1990]). Eine Analyse des Einsatzpotentials der Informationstechnologie, hier speziell der Künstlichen Intelligenz, erfordert jedoch ein über die rein betriebliche Finanzwirtschaft hinausgehendes Verständnis der Domäne. Daher soll der Betrachtungsgegenstand sowohl in diesem einführenden Artikel als auch im vorliegenden Themenheft umfassender verstanden werden. Neben der betrieblichen Finanzwirtschaft wird das Themenheft „KI- Methoden in der Finanzwirtschaft“ auch den Bereich der Märkte für Finanztitel sowie den Finanzdienstleistungssektor umschließen (vgl. Abbildung 1).

Finanzwirtschaft

betriebliche Finanzwirtschaft

Märkte für Finanztitel

Finanzdienst- leistungen funktionale

Ebene institutionelle Ebene

Kapitalmarkt Geldmarkt Kreditmarkt

Banken Versicherungen sonstige

Finanzdienstleister Abb.1: Systematik finanzwirtschaftlicher Bereiche

Zentrales Ziel in der betrieblichen Finanzwirtschaft ist die Deckung des Kapitalbedarfs für die auf leistungswirtschaftlicher Ebene durchzuführenden Investitionen sowie die Wahrung des finanziellen Gleichgewichts der Unternehmung (vgl. z.B. Schmidt/Terberger[1996, S.14f.]). Analysiert man die konkreten Aufgaben der betrieblichen Finanzwirtschaft, so findet sich in der Literatur (vgl. z.B.

Busse[1993, S.15]) oftmals eine Aufgliederung in eine funktionale und eine institutionelle Betrachtungsebene. Während die funktionale Betrachtung primär auf die finanzwirtschaftlichen Abläufe im betrieblichen Geschehen zielt, stehen bei der institutionellen Betrachtung Aufgaben des Finanzmanagements, konkret des Finanzstruktur- und des Finanzprozeßmanagements, im Vordergrund.

Es lassen sich hier drei zentrale Teilbereiche finden, die hinsichtlich des Einsatzpotentials von KI- Methoden zu untersuchen sind: die Finanzplanung (vgl. Witte/Klein [1983]), die Investitionsplanung

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Elton/Gruber[1995]). Die Finanzplanung macht es sich primär zur Aufgabe, für die Deckung des Kapitalbedarfs sowie die Sicherstellung der Liquidität zu sorgen. Planungsinstrumente in der Finanzplanung sind die strategische Vermögens- und Kapitalstrukturplanung, die Kapitalbedarfs-, die Kapitalflußrechnung, sowie die Liquididitätsplanung und das operative Cash-Management. Während in der Investitionsplanung die Kapitalbudgetierung, d.h. die Auswahl vorteilhafter Investitionsprojekte im Vordergrund steht, befaßt sich das Portfoliomanagement mit der Portfolioplanung und -optimierung sowie mit Fragen der Risikoanalyse und des Risikomanagements von Finanzportfolios.

Die informationstechnische Unterstützung im Teilbereich Märkte für Finanztitel ist insbesondere im Hinblick auf die Realisation elektronischer Handelsplattformen und elektronischer Märkte (vgl. Picot et al. [1995]) zu betrachten: Zum einen muß dabei die Zusammenführung der Kontraktpartner realisiert werden, zum anderen ist für eine effiziente und sichere Abwicklung von deren Markttransaktionen Sorge zu tragen und eine Überwachung des Handels zu ermöglichen (vgl. Mott[1996]). Besonders auf diesem Gebiet ergeben sich aufgrund der Internationalisierung der Finanzmärkte enorme Herausforderungen für viele Bereiche der Informationstechnologie. Idealerweise sollten alle Marktteilnehmer aus beliebigen Teilen der Erde mit ihren heterogenen Plattformen und Systemen Zugang zu diesen Märkten haben.

Im Bereich der Finanzdienstleistungen ist zwischen einer Produkt- und einer Prozeßbetrachtungsweise zu differenzieren. Auf der Produktebene steht die Generierung innovativer Anlage- und Finanzierungsinstrumente (vgl. Weinhardt[1995]) im Vordergrund der Betrachtung. Auf der Prozeßebene handelt es sich im Finanzdienstleistungssektor primär um Beratungsprozesse im sogenannten „Front Office“, d. h. an der Kundenschnittstelle, sowie um Abwicklungsprozesse im sogenannten „Back-Office“. Dabei sind Fragestellungen der informationstechnischen Unterstützung zur Erstellung von Kundenprofilanalysen, zur Gestaltung von Verträgen, im Rahmen von Allfinanzberatungsprozessen (vgl. Süchting [1991], Buhl/Will 1993]) und - damit unmittelbar verbunden - im Cross Selling sowie bei der SB-Beratung zu analysieren. Weiterhin können hier grundsätzlich Anlage- bzw. Kreditberatungsprozesse unterschieden werden. Im Rahmen der Anlageberatung lassen sich die Segmente Portfolio Selection (vgl. Markowitz [1952]), Wertpapieranalyse (vgl. Steiner/Bruns [1995]), Portfoliorisikoanalyse und -management (vgl. Dressbach [1996]), sowie Kursprognose in Form von technischer Analyse (vgl. Welcker [1991]) und/oder Fundamentalanalyse (vgl. Göcken/Schulte [1991]) aufzeigen. Im Kreditbereich sind Einsatzpotentiale von Methoden der Künstlichen Intelligenz in den Bereichen Kreditanalyse, Risikobewertung (vgl. Gerdsmaier/Krob[1994]), Bonitätsprüfung sowie Unternehmens- und Bilanzanalyse (vgl. Rosenhagen/Schwarze[1994]) zu untersuchen.

Will man nun grundsätzliche Einsatzmöglichkeiten von Methoden der Künstlichen Intelligenz in der Finanzwirtschaft herausarbeiten, erscheint die obige detaillierte Betrachtung einzelner Teilaufgaben

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wenig operabel. Es sind daher grundsätzliche Gemeinsamkeiten der einzelnen Teilaufgaben zu suchen und - im Sinne der Problemstruktur - ähnliche Teilaufgaben zu aggregieren. Dabei kristallisieren sich fünf zentrale finanzwirtschaftliche bzw. bankbetriebliche Aufgabenbereiche heraus:

Planung: Gesamtheit aller informationsbeschaffenden und -verarbeitenden Aktivitäten, die, basierend auf Vorausschätzungen, Vorausrechnungen und der Beurteilung möglicher Handlungsalternativen, die zukünftige finanzielle Situation des Unternehmens (auch eines Finanzdienstleistungsunternehmens) oder des zu beratenden Kunden gestalten.

Beratung/Front Office: Bereitstellung von Produkt- und Methodenwissen an der Kundenschnittstelle.

Financial Engineering: Kundenindividuelle Gestaltung komplexer Finanzpakete bzw. neuer Finanzprodukte zur Sicherung und zum Ausbau von Wettbewerbsvorteilen des Finanzdienstleisters bzw. zur Nutzensteigerung des Kunden.

Analyse: Untersuchung und Beurteilung aktueller oder potentieller Kontraktpartner sowie verschiedener Kapitalmarktinstrumente auf der Basis finanzanalytischer und/oder statistischer bzw. ökonometrischer Verfahren zur Entscheidungsvorbereitung und/oder Entscheidungsunterstützung.

Abwicklung/Back Office: Umsetzung der Front-Office-Aktivitäten eines Finanzdienstleisters sowie von Entscheidungen im Finanzbereich einer Unternehmung und deren Überwachung.

Die aufgeführten Aufgabenbereiche sind in der finanzwirtschaftlichen bzw. bankbetrieblichen Realität nicht gänzlich überschneidungsfrei. So ist z.B. im Bereich Beratung die Analyse und auch oftmals das Financial Engineering integraler Bestandteil eines Kundengespräches. Für die folgende Betrachtung sollen jedoch die einzelnen Aufgabenbereiche als disjunkte Teilmengen gesehen und gesondert hinsichtlich des Einsatzpotentials für Methoden der Künstlichen Intelligenz untersucht werden.

Auf der Basis dieser Aufgabenstrukturierung werden nun die oben aufgeführten Einzelaufgaben finanzwirtschaftlichen Handelns wie folgt systematisiert:

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Planung Beratung / Front Office

Financial Engineering

Analyse Abwicklung / Back Office

Liquiditätsplanung

Kapitalbedarfsplanung

Kapitalflußrechnung

Kapitalbudgetierung

(Eigen-)Kapitalallokation

Risikomanagement

...

Vertragsgestaltung

Anlageberatung

Portfolio Selection

Risikomanagement

Kreditberatung

Allfinanzberatung

SB-Beratung

...

Produktinnovationen bei:

Anlageprodukten

Finanzierungsprodukten

Allfinanzprodukten

...

Kundenprofilanalyse

Wertpapieranalyse

Portfolioanalyse

Risikobewertung

Bonitätsprüfung

Chartanalyse

Fundamentanalyse

...

Zahlungsverkehr

Vertragsabwicklung

Vertragsüberwachung

Elektronische

Märkte/Börsen

SB-Banking

innerbetriebliche

Verrechnung

...

Tabelle 1: Systematisierung finanzwirtschaftlicher und bankbetrieblicher Einzelaufgaben

2.2 Problemfelder finanzwirtschaftlicher und bankbetrieblicher Aufgabenbereiche

Aus den in Abschnitt 1 skizzierten Aufgabenbereichen können relevante Problemfelder in drei Dimensionen spezifiziert werden: Komplexität, Unsicherheit und Innovationsbedarf. Dabei besteht die Komplexität zum einen bezüglich der Entscheidungsfindung als solcher bzw. der hierfür notwendigen finanzanalytischen Methoden. Die Komplexität kann sich auch aus dem Vorliegen inhärent verteilter Problemstellungen ergeben. Unsicherheit zeigt sich insbesondere bei einer schwach- oder unstrukturierten Problemstellung, bei einem hohem Prognosebedarf oder bei der Notwendigkeit zur Verarbeitung unscharfer Daten. Innovationsbedarf kann sich zum einen auf die Produktebene beziehen, zum anderen aber auch auf die Fähigkeit, aus Daten und Prozessen für neue

Entscheidungs- und Prozeßgestaltungsprobleme zu lernen.

Tabelle 2 stellt dar, in welchem Ausmaß die spezifizierten Probleme bei den oben aufgeführten finanzwirtschaftlichen und bankbetrieblichen Aufgabenbereichen vorliegen. Dabei kann es sich nur um qualitative Aussagen handeln, die nicht mehr als eine Tendenz aufzeigen. Diese Bewertungen sollen dem eher Informatik-geschulten Leser im Sinne eines tutoriellen Überblicks dennoch einige hilfreiche Hinweise geben.

Komplexität Unsicherheit durch Innovationsbedarf

der Entschei- dungsfindung

bei Vorliegen

schwache Problem-/

Prognose- charakter

Datenun- schärfe

für Produkte/

im Sinne von

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bzw. der finanzana- lytischen Methoden

einer inhärent verteilten Problem- stellung

Prozeßstruktur Dienst-

leistungen

Lernen aus Daten und Prozessen

Planung

++ +++ + ++ ++ o o

Beratung / Front Office

++ +++

1

+++ o

2

+++ o +++

Financial Engineering

+++ +++ ++ o +++ +++ ++

Analyse

+++ + + +++

3

++ + +++

Abwicklung / Back Office

+ ++ ++ o + + +

Legende: +++ - sehr hoch, ++ - hoch, + - gering, o - nicht relevant

Tabelle 2: KI-relevante Problemstellungen in finanzwirtschaftlichen Aufgabenbereichen Alle Felder der obigen Matrix zu erläutern, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für das Verständnis sollen im folgenden beispielhaft drei Felder der obigen Matrix besprochen werden (siehe Markierung):

1In der Beratung ist die Komplexität bei Vorliegen einer inhärent verteilten Problemstellung sehr hoch. Eine inhärent verteilte Problemstellung in diesem Aufgabenbereich liegt insbesondere dann vor, wenn für das zu lösende Kundenproblem Produkt- und Methodenwissen gleichzeitig aus

verschiedenen finanzwirtschaftlichen Bereichen gefordert ist, z.B. aus den Bereichen Leasing, Immobilienfinanzierung, Lebensversicherung und Bausparen. Einen typischen Anwendungsfall stellt in diesem Kontext die Allfinanzberatung dar.

2Der Prognosebedarf in der Beratung kann als „nicht relevant“ eingestuft werden, da die Notwendigkeit zur Durchführung von Prognosen in diesem Segment im wesentlichen bei der Kundenprofil-, der Wertpapier- und der Portfolioanalyse gegeben ist. Diese Teilaspekte werden jedoch unter dem separaten Aufgabenbereich Analyse subsumiert und im Kontext der Beratung nicht berücksichtigt.

3 Der Prognosebedarf im Aufgabenbereich Analyse ist sehr hoch, denn quasi alle Analyseaufgaben erfordern die gedankliche Vorwegnahme zukünftiger Entwicklungen, wie z.B. die Entwicklung der Kreditwürdigkeit eines Kunden (Kundenprofilanalyse) oder die Kursentwicklung in der Wertpapier- oder Portfolioanalyse.

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Auf der Basis der Zuordnung der verschiedenen Probleme zu den Aufgabenbereichen wird nun in Abschnitt 2.3 analysiert, welche KI-Methoden a) zur Bewältigung der aufgezeigten Probleme beitragen können und sich damit b) für die informationstechnische Unterstützung in den einzelnen

Aufgabenbereichen eignen.

2.3 Eignung von KI-Methoden für finanzwirtschaftliche und bankbetriebliche Aufgabenbereiche

In der Künstlichen Intelligenz-Forschung haben sich eine Vielzahl von Methoden für verschiedene Anwendungsbereiche etablieren können. Für konkrete finanzwirtschaftliche Problemstellungen sind jedoch nicht alle diese Methoden grundsätzlich geeignet und fallen daher aus der nachfolgenden Analyse heraus. Im folgenden werden deshalb solche Methoden herausgegriffen, denen die Autoren besonderes Potential für die Lösung finanzwirtschaftlicher Problemstellungen zuweisen:

• Konnektionismus (Ritter et al. [1991])

• Verteilte Künstliche Intelligenz (VKI) (Müller[1993])

• Qualitatives Schließen /Fuzzy Theorie (Kuipers [1994], Zimmermann[1991])

• Diagnose/Klassifikation (Puppe[1990])

• Planung/Konfiguration (Puppe[1990])

• Case-Based-Reasoning(Althoff, Aamodt[1996])

(Da dem Leser dieser Zeitschrift die Teilgebiete der KI i.d.R. geläufig sind, sollen diese Methoden im folgenden nicht ausführlich erläutert werden; es wird lediglich auf entsprechende Quellen verwiesen.) Spezielle KI-Methoden, wie z.B. Sprachverarbeitung, Mustererkennung, Artificial Life und Bildverstehen bzw. -verarbeitung, sind für konkrete Aufgaben in der multimedialen Kundenberatung und der Kundenselbstbedienung geeignet. Ihr Einsatzpotential in diesem Bereich istzum einen unmittelbar erkennbar und zum anderen nicht spezifisch für finanzwirtschaftliche Anwendungsdomänen. Sie werden daher in der weiteren Analyse vernachlässigt.

Tabelle 3 stellt die Eignung der oben genannten KI-Methoden für die Bewältigung der in Abschnitt 2.2 aufgeführten Problembereiche dar.

Eignung der KI-Methode bei

hoher Komplexität starker Unsicherheit durch hohem Innovationsbedarf der Entschei-

dungsfindung bei Vorliegen

schwache Problem-/

Prognose- charakter

Datenun- schärfe

für Produkte/

im Sinne von

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bzw. der finanzana- lytischen Methoden

inhärent verteilter Problem- stellung

Prozeßstruktur Dienst-

leistungen

Lernen aus Daten und Prozessen Konnek-

tionismus

+ + ++ +++

1

++ o +++

Verteilte Künstliche Intelligenz

++ +++ + + ++ +++

2

+

Qualitatives Schließen / Fuzzy Theorie

o

3

o ++ + +++ ++ o

Diagnose/

Klassifikation

+ + +++

4

+ ++ ++ +

Planung/

Konfiguration

+ ++ ++ + + +++

2

+

Case-Based- Reasoning

++ + ++ + + o +++

5

Legende: +++ - besonders gut geeignet, ++ - geeignet, + - gering, o - nicht relevant

Tabelle 3: Eignung von ausgewählten KI-Methoden für die Bewältigung finanzwirtschaftlicher Problembereiche

Analog zur Vorgehensweise in Tabelle 2 werden auch hier exemplarisch nur einige Einträge der Tabelle diskutiert:

1 Bei vielen finanzwirtschaftlichen Fragestellungen ist es erforderlich, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren. Da die Wirkungszusammenhänge zwischen den relevanten Einflußparametern für die jeweiligen Entwicklungen häufig unklar bzw. nicht bekannt sind, eignet sich das Prinzip Künstlicher Neuronaler Netze besonders gut für die Projektion von Vergangenheitsdaten in die Zukunft.

2 Die Entwicklung innovativer Produkte im Finanzdienstleistungsbereich beinhaltet nicht die

Entwicklung grundlegend neuer Produkte, vielmehr liegt der Innovationscharakter in der neuartigen Kombination bereits bestehender Produkte. Hieraus läßt sich direkt die besondere Eignung des Zusammenwirkens autonomer intelligenter Agenten im Sinne der VKI und die der Methode der Konfiguration bei der Kombination bestehender Produkte zu neuen Finanztiteln erklären.

3 Da qualitatives Schließen und Fuzzy-Set-Theorie bei der Entscheidungsfindung und bei den

erforderlichen finanzanalytischen Methoden nur dann eine Rolle spielen, wenn diese auf unsicheren Daten basieren, leisten sie keinen unmittelbaren Beitrag zur Bewältigung der Komplexität.

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4 Liegt eine schwach oder unstrukturierte Problemstellung vor, so kann eine Zuordnung von Problemmerkmalen (Symptomen) zu Problemlösungen (Diagnosen) aus vordefinierten Mengen (Klassen) über die KI-Methoden Diagnose/Klassifikation geschehen.

5 Sofern die jeweilige Problemstruktur ein Lernpotential beinhaltet und vergangene Problemfälle und deren bewertete Lösungen vorliegen, ist es zweckmäßig, diese Fälle mit der Methodik des Case- Based-Reasoning auszuwerten und so eine schnellere und höherwertige Problemlösung zu erreichen.

Kombiniert man nun die Aussagen von Tabelle 2, der Analyse der Problembereiche in den finanzwirtschaftlichen Aufgabenbereichen, mit denen von Tabelle 3, der Analyse der Eignung von KI- Methoden zur Bewältigung der genannten Problembereiche, so lassen sich über den Abgleich des Profils der finanzwirtschaftlichen Problemstellung mit dem Lösungspotential konkreter KI-Methoden potentielle Einsatzgebiete von KI-Methoden für die Finanzwirtschaft herausfinden.

Profil der finanzwirtschaftlichen

Problemstellung

Lösungspotential durch KI-Methode

Abb.2: Profilabgleich von finanzwirtschaftlicher Problemstellung und KI-Methode Hierzu sollen beispielhaft einige Ergebnisse aus den Tabellen analysiert werden:

a) Liegt ein Problem aus dem Teilbereich Beratung, z.B. ein Anlage-, Kredit- oder Allfinanzberatungsproblem, vor, so trifft man typischerweise auf eine hohe Komplexität bei Vorliegen einer inhärent verteilten Problemstellung und auf hohe Unsicherheit durch das Vorliegen unscharfer Daten. Es handelt es sich hierbei meist um eine schwach strukturierte Problemstellung - daher ist es zweckmäßig, aus der Vorgehensweise vergangener Beratungsprozesse zu lernen. Besteht das Kernproblem in der Verteiltheit des erforderlichen Wissens, bieten sich die Methoden der Verteilten Künstlichen Intelligenz an. Dabei können einzelne Agenten des Systems mit Hilfe der Fuzzy-Set- Theorie der Bewältigung unscharfer Datenmengen dienen, während die Gestaltung des Prozeßablaufs in der Beratung auf Basis eines CBR-Ansatzes auf vergangene Beratungsfälle zurückgreifen kann und somit ein Lernen ermöglicht wird.

b) Handelt es sich hingegen um ein Analyseproblem, konkret eine Wertpapier- oder Portfolioanalyse, so hat man eine hohe Komplexität zu bewältigen, die sich aufgrund der finanzanalytischen Methoden, des hohen Prognosebedarfs und der Notwendigkeit aus vergangenen Daten (hier: vergangenen

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volkswirtschaftlichen Datenkonstellationen) zu lernen ergibt. Hier bieten sich die Ansätze aus dem Gebieten Konnektionismus, speziell Künstliche Neuronale Netze und/oder CBR-Methoden an.

c) Geht es hingegen um die informationstechnische Unterstützung eines Abwicklungsproblems, z.B. um die Überwachung eines Kreditvertrages, so ergibt sich aus der Auswertung der Tabellen 2 und 3 kein unmittelbar erkennbares Einsatzpotential für KI-Methoden. Erfolgt die Kreditüberwachung nicht über eine zentrale Stelle, sondern über verschiedene Organisationseinheiten eines Kreditinstituts, z.B. über die zentrale Kreditabteilung, den Kreditbearbeiter einer Zweigstelle und das Meldewesen, so kann die Koordination der einzelnen Teilaufgaben über eine Geschäftsprozeßunterstützung mit VKI-Methoden erfolgen.

Diese Anwendungsfälle zeigen: Ordnet man ein konkretes finanzwirtschaftliches Problem einem der spezifizierten Aufgabenbereiche zu, so ist es möglich, - über einen Abgleich des Problemprofils des jeweiligen Aufgabenbereichs mit dem Lösungspotential verschiedener KI-Methoden - Hinweise für die Auswahl konkreter KI-Methoden zur informationstechnischen Unterstützung der Problemstellung zu erlangen. Bei vielen Problemstellungen erweist es sich zusätzlich als sinnvoll, das komplexe Gesamtproblem in einzelne Teilprobleme zu zerlegen und für diese die jeweils adäquate Problemlösungsmethode zu wählen. Über die Integration der einzelnen Methoden (vgl. Weinhardt et al.[1994]) kann dann eine zweckmäßige Bearbeitung des Gesamtproblems erreicht werden.

3. Aktueller Einsatz von KI-Methoden in der Finanzwirtschaft

Der vorstehende Abschnitt hat in Tabelle 3 deutlich gemacht, daß zahlreiche finanzwirtschaftliche Aufgabenstellungen Merkmale aufweisen, die mit konventionellen Methoden nicht bzw. nur unter Inkaufnahme wesentlicher Einschränkungen gelöst werden können und deshalb den Einsatz dedizierter KI-Methoden nahelegen. Im Gegenzug stellt sich deshalb die Frage, welche dieser KI-Methoden bereits Eingang in die Entwicklung finanzwirtschaftlicher Applikationen gefunden haben und welche Erfahrungen dabei gewonnen werden konnten. Diese Perspektive steht im Mittelpunkt der nun folgenden Betrachtungen.

3.1. Untersuchungsansatz und -methodik

Empirische Untersuchungen zum Einsatzstand von KI-Methoden in finanzwirtschaftlichen Anwendungen sind, bezogen auf die Technologie der Expertensysteme, bisher vor allem von Mertens [vgl. Schultz & Mertens 1996] sowie, als Längsschnittstudie über den Einsatz von Expertensystemen in (deutschsprachigen) Banken, von Krcmar [Krcmar, Dolinsky & Schwabe 1991, 1994] vorgelegt worden. Beide Datensammlungen fokussieren auf den Beitrag einer bestimmten KI-Methode zur Lösung betriebswirtschaftlicher Probleme. Dagegen liegen zu der hier interessierenden Frage, welche

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zu lösen, bisher noch keine verwertbaren Erkenntnissse vor. Der Stand der empirischen Forschung muß insoweit als unbefriedigend angesehen werden. Um dennoch einen Überblick über den bisher erreichten Problemlösungsbeitrag von KI-Methoden in finanzwirtschaftlichen Domänen zu gewinnen, haben die Autoren dieses Beitrags eine Bestandsaufnahme und Auswertung des in der deutschsprachigen wissenschaftlichen Literatur publizierten Materials vorgenommen. Die Beschränkung auf die wissenschaftliche Literatur motiviert sich direkt aus der Methodenorientierung der Zeitschrift KI und die darauf gegründete thematische Ausrichtung des vorliegenden Themenhefts.

So wurden zunächst diejenigen Publikationen erfaßt, die in den beiden zentralen Organen der Fach- bereiche 1 (Künstliche Intelligenz — Zeitschrift KI, seit 1989) und 5 (Wirtschaftsinformatik — Zeitschrift Wirtschaftsinformatik, seit 1990), in den Tagungsbänden der German Workshop Workshops on AI (seit 1989) bzw. der KI-Konferenzen (1993-1995) sowie der zweijährig stattfindenden Expertensystem- und Wirtschaftsinformatik-Konferenzen (seit 1991 bzw. 1993) einschließlich des „KI- Methoden in der Finanzwirtschaft“-Workshops 1994 publiziert wurden. Des weiteren wurden die den Verfassern bekannten themenbezogen relevanten Dissertationen und Sammelbände berücksichtigt bzw. ausgewertet.

Einschränkungen dieser Vorgehensweise ergeben sich aus methodischer Sicht dadurch, daß damit zwar die aus Sicht der Verfasser wesentlichen „Publikationsorgane“ erfaßt worden sind, ein

„Übersehen“ von an anderer Stelle (andere Zeitschriften, englischsprachige Veröffentlichungen im Ausland über deutsche Projekte) publizierten Arbeiten jedoch nicht ausgeschlossen werden kann. Bei Autoren aus der „KI-Gemeinde“ spielen im deutschsprachigen Bereich andere Publikationsorgane allerdings so gut wie keine Rolle. Bei Autoren, die eher der Wirtschaftsinformatik und der betrachteten Anwendungsdomäne zuzurechnen sind, muß hier allerdings damit gerechnet werden, daß das eine oder andere in der Praxis realisierte System nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften, sondern in Anwenderzeitschriften beschrieben wird. Ähnlich verhält es sich mit Veröffentlichung von Ergebnissen: während methodenorientierte (und damit forschungsnahe) Arbeitsergebnisse im allgemeinen in der Literatur dokumentiert werden dürften, wird bei konkreten Systementwicklungen in der Praxis aus strategischen Gründen von einer Veröffentlichung oft abgesehen.

Ein weiteres Problem stellen Doppelzählungen dar, die sich dann ergeben, wenn Autoren ihre Arbeiten in ähnlicher Form an verschiedenen Stellen präsentieren. Schließlich ist zu beachten, daß die hier gewählte Form der Auswahl zu einer systematischen Unterrepräsentation der sogenannten grauen Literatur führt, der gerade für die frühe Bekanntgabe von Forschungsergebnissen eine wesentliche Aufgabe zukommt. Ein weiterer Aspekt schließlich betrifft die Zuordnung der aufgefundenen Literaturquellen zu einem oder mehreren KI-Teilgebieten. Hier wurde generell so verfahren, daß, ausgehend von einer entsprechenden Inhaltsanalyse, lediglich eine Zuordnung zu einem, maximal zwei KI- Teilgebieten vorgenommen wurde. Die Einteilung der KI- Teilgebie te orientierte sich dabei an der

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Fachgruppengliederung des FB 1 „Künstliche Intelligenz“ der Gesellschaft für Informatik, da sich die Autoren davon eine „Direktansprache“ interessierter KI-Arbeitsgruppen erhoffen. Dabei wird unterstellt, daß jedes dieser Teilgebiete (gewissermaßen im Sinne einer Tool Box) für einen insoweit spezifischen Kranz an KI-Methoden steht.

3.2. Ergebnisse der Literaturanalyse

Tabelle 4 gibt einen ersten Überblick über die Ergebnisse der Literaturanalyse.

KI-Teilgebiet 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 Summe

Konnektionismus 1 2 1 1 5

Maschinelles Lernen 1 1

Intelligente Lehr- und Lernsysteme 1 1

Verteilte Künstliche Intelligenz 3 1 7 2 2 15

Qualitatives Schließen 1 1

Fuzzy-Systeme 1 1 2

Diagnostik und Klassifikation 1 1

Planen und Konfigurieren 3 1 1 5

Fallbasiertes Schließen 1 1

Expertensystem-Prototypen 4 4 2 12 2 2 26

Summe 4 8 2 8 23 5 8 58

Tabelle 4: KI-Methoden in der Finanzwirtschaft — Übersicht

Beim Vergleich mit der Gliederung des Fachbereich 1 fällt zunächst auf, daß die Themengebiete Bildverstehen, Artificial Life, Deklarative KI-Programmierung, Adaptivität und Benutzermodellierung, Deduktionssysteme, Nichtmonotones Schließen, Wissensrepräsentation und die Verarbeitung natürlicher Sprache in der ausgewerteten Literatur nicht im Zusammenhang mit der Lösung spezifisch finanzwirtschaftlicher Probleme diskutiert wurden. Diese Beobachtung korrespondiert mit der in Abschnitt 2.3 getroffenen Feststellung, daß zahlreiche KI-Methoden eine grundsätzliche Relevanz für die Entwicklung intelligenter Softwarelösungen (auch) in der Finanzwirtschaft besitzen. Ähnliches gilt für Methoden aus den Bereichen Maschinelles Lernen und Intelligente Lehr- und Lernsysteme (je 1 Nennung). Methoden aus diesen KI-Teilgebieten werden im folgenden deshalb nicht weiter betrachtet.

Die Häufung der Publikationen im Jahr 1994 erklärt sich vor allem durch das Erscheinen des Sammel- bandes Kirn & Weinhardt, der 13 thematisch relevante Beiträge enthält (Konnektionismus: 2, Knowledge Engineering: 5, Planen und Konfigurieren: 1, Verteilte KI: 4). Da dieser Band Beiträge enthält, die auf einem KI-Workshop im Jahr 1993 vorgestellt worden waren, wird dadurch gleichzeitig die Zahl der Nennungen in 1993 reduziert. In den Jahren 1993 und 1995 fanden jeweils die seit 1993 im zweijährigen Turnus abgehaltenen WI-Konferenzen statt.

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Eine deutsche Besonderheit stellt die Häufung von Arbeiten im Bereich der Verteilten KI dar. Diese kann im wesentlichen auf drei Ursachen zurückgeführt werden:

(1) Die dramatische Informatisierung des Bankgeschäfts [Wegener 1995] hat längst die dort verantwortlichen Entscheider für alle Belange der zunehmend intelligenteren Verarbeitung dezentralisiert vorliegender Informationen in einem hohen Maß sensibilisiert.

(2) Vor diesem Hintergrund hat das von der DFG für die Jahre 1992-1996 ausgerichtete Schwer- punktprogramm „Verteilte DV-Systeme in der Betriebswirtschaft“ mit der von den Gutachtern dort geforderten hohen Anwendungsorientierung die Ausrichtung mehrerer Projekte auf den Allfinanzsektor begünstigt.

(3) Dieser schließlich stellt insofern eine deutsche Besonderheit dar, als es bei dem im angel- sächsischen Sprachraum üblichen Trennbankensystem aus rechtlichen Gründen ungleich schwieriger ist, Finanzprodukte wie in der Bundesrepublik gängig kunden- und damit bedarfsorientiert zu Produktbündeln mit komplexer Eigenschaftsstruktur zusammenzufügen.

Schließlich fällt auf, daß es offenbar eine Reihe von KI-Methoden gibt, denen aufgrund der in Abschnitt 2.2 vorgenommenen Diskussion eine besondere Bedeutung für finanzwirtschaftliche Applikationen zukommt, die nach den Ergebnissen der Literaturauswertung bis heute jedoch offenbar nur eine untergeordnete Rolle bei der Systementwicklung spielen. Diese Fälle werden in Abschnitt 3.2.4 einer gesonderten Betrachtung unterzogen.

3.2.1 Konnektionismus

Konnektionistische Verfahren kommen bisher vor allem für Prognoseaufgaben (Aktienkurse und - renditen) sowie für typische Ratingaufgaben (Klassifikation) wie Bonitätsbeurteilungen und Unternehmensbewertungen zur Anwendung. Im Vergleich zu anderen Methoden der KI werden sie erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit für finanzwirtschaftiche Applikationen eingesetzt.

Der Einsatz konnektionistischer Verfahren zu Prognosezwecken steht in direkter Konkurrenz zu erprobten statistischen Verfahren, daher liegen dort auch zahlreiche „Benchmarking-Möglichkeiten“

vor. Hier sei ausnahmsweise einmal auf einen gerade auch unter methodischen Aspekten interessanten englischsprachigen Beitrag verwiesen [Haefke 1994]. Ebenso zu erwähnen sind hier die Arbeiten von Poddig, die sich mit dem Problem der kleinen Testmenge befassen, das viele Prognosaufgaben in finanzwirtschaftlichen Applikationen kennzeichnet [Poddig 1994]. In diesem Bereich ist trotz der vergleichsweise kurzen „take-off-Zeit“ heute bereits sichtbar, wie die Suche nach Lösungen für anwendungsspezifische Probleme auch die Entwicklung von KI-Methoden vorantreibt. Von manchen Autoren wird dabei auch betont, daß konnektionistisch unterfütterte Prognoseverfahren bessere

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Ergebnisse liefern würden als konventionelle Verfahren. Die Bewertung konnektionistischer Verfahren ist jedoch noch nicht so weit abgeschlossen, daß die in der betrieblichen Praxis bisher eingesetzten konventionellen Verfahren von diesen bereits abgelöst würden.

Im Hinblick auf den Einsatz von Neuronalen Netzen zu Zwecken der Klassifikation sind zum Beispiel die Arbeiten von Baetge zu nennen [Baetge 1996]. Bei diesen Arbeiten geht es nicht primär um die Weiterentwicklung einer KI-Methode, sondern um deren Anwendung, um die Komplexität einer in praxi sehr anspruchsvollen, zeitaufwendigen Aufgabe — der Unternehmensbewertung —in hinreichend kurzer Zeit auf sachlich hohem Niveau lösen zu können. Vergleichbare finanzwirtschaftliche Aufgabenstellungen sind zum Beispiel die Bonitätsprüfung oder das Kundenrating.

Die bei diesen Arbeiten erzielten Ergebnisse zeigen, daß konnektionistische Lösungsansätze das Methodenrepertoire des Betriebswirts in bestimmten Fällen sinnvoll ergänzen bzw. erweitern können.

3.2.2 Verteilte Künstliche Intelligenz

Methodische Ansätze der verteilten Künstlichen Intelligenz sind für finanzwirtschaftliche Anwen- dungen im wesentlichen aus zwei Gründen interessant: Zum einen bieten sie eine natürliche Möglichkeit, die inhärente Verteilung von (Allfinanz-)Beratungsprozessen abzubilden und systemtechnisch zu unterstützen. Aus dieser Perspektive besitzt der Methodeneinsatz gleichzeitig eine gewisse Nähe zu Arbeiten aus dem Bereich des Computer Supported Cooperative Work. Andererseits zeigt die aktuelle Entwicklung, daß der Austausch von Finanzdienstleistungen nicht auf konventionelle Märkte (Börsen) beschränkt ist, sondern sich zukünftig immer mehr auf elektronischen Märkten unter Einbeziehung (bis hin zur Dominanz) ‘maschineller Akteure’ abspielen wird [Wegener 1995].

Während Arbeiten zur Unterstützung des Verteilungsapsekts im allgemeinen vor allem anwendenden Charakter besitzen und sich der Methoden der verteilten Künstlichen Intelligenz (VKI) zur Lösung betriebswirtschaftlicher Probleme bedienen [vgl. Kirn 1991, Heissel & Müller-Wünsch 1994], weisen erste Arbeiten zur VKI-gestützten Entwicklung elektronischer Märkte bisher noch ein gewisses Methodendefizit im Bereich der Koordination auf, das unter anderem durch die Einführung von Auktionen in VKI-Szenarien gelöst werden kann [Weinhardt 1996]. Hier überwiegen derzeit also Arbeiten, die eine anwendungsgerechte Weiterentwicklung von Koordinationsmethoden zum Ziel haben und sich dabei auf unterschiedliche in der VKI geleistete Vorarbeiten (u.a. Agentenmodelle, Rationalitätsbegriffe, Intentionalitätskonzepte usw.) abstützen.

3.2.3 Problemlösungsstrategien: Diagnose/Klassifikation und Planen/Konfigurieren

Während sich die frühen Ansätze zur Nutzung von KI-Methoden zunächst darauf beschränkten, bereits vorhandene Methoden für den Systementwurf mehr oder minder direkt zu übernehmen, wurde mit den

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konzeptionell und technisch tiefer liegende Methoden zur Entwicklung von Expertensystemen für die Lösung spezifischer finanzwirtschaftlicher Probleme einzusetzen [Weinhardt 1993, Leist & Winter 1993].

Dieser Schritt deutet gleichzeitig auf eine bislang noch nicht abschließend diskutierte mögliche Ursache für die frühen Fehlschläge der Expertensystemtechnologie hin: ein eventuell unzureichender bzw.

inadäquater Methodeneinsatz bei der Entwicklung von KI-Anwendungen, der unter Umständen auf ein im Rahmen des Technologietransfer nicht ohne weiteres zu vermeidendes Gefälle an KI- Kompetenz von der KI-Forschung bis hin zu der Entwicklung konkreter Anwendungen zurückgeführt werden muß.

3.2.4 Expertensystem-Prototypen

Wie Tabelle 4 zeigt, wurde in der Vergangenheit ein erheblicher Aufwand in die Entwicklung von Expertensystem-Prototypen für die unterschiedlichsten Arten von finanzwirtschaftlichen Anwendungen investiert. Eine genauere Betrachtung ergibt allerdings, daß diese Prototypen sehr unterschiedliche finanzwirtschaftliche Fragestellungen adressieren. Die Beispiele reichen von der Unterstützung ausgewählter Aspekte des Kapitalanlageprozesses über die Bonitätsbeurteilung von Kreditkunden bis hin Unterstützung der Suche nach neuen, innovativen Finanzprodukten [vgl. ..., Schwarze et.al. 1994 (2*), Stickel 1994].

Darüber hinaus ist (kritisch) festzustellen, daß es sich bei den in der Literatur dokumentierten Systemen (Prototypen) im Regelfall um eher einfache Systeme handelt, deren Beschreibung nicht ohne weiteres eine Zuordnung zu bestimmten Problemlösungsstrategien oder Repräsentationsverfahren erlaubt. Diese Beobachtung wirft die Frage nach dem Reifegrad des Einsatzes von KI-Methoden in der betreffenden Systementwicklung auf, so zum Beispiel, wenn der ohne Zweifel komplexe Suchprozeß nach der einen anspruchsvollen Privatkunden befriedigenden Produktbündelstruktur durch ein einfaches Regelwerk und simple Breitensuche realisiert werden soll.

Insgesamt steht die hohe Zahl der Nennungen an dieser Stelle also nicht notwendigerweise auch für eine entsprechende „Dichte“ des wissenschaftlichen Diskurses, sondern ist eher als Hinweis auf eine Vielzahl mehr oder minder unverbunden nebeneinander stehender Versuche zu verstehen, KI-Metho- den zur Bewältigung anwendungsspezifischer Probleme zu evaluieren und ggf. auch (zu Testzwecken) einzusetzen.

3.2.5 Methoden zur Verarbeitung unscharfen und unsicheren Wissens sowie heuristische Verfahren zur Reduktion der Komplexität von Zustandsräumen

Vergleicht man schließlich die Aussagen der Tabelle 3 mit den in Tabelle 4 enthaltenen Ergebnissen, dann fällt auf, daß die gerade für finanzwirtschaftliche Problemstellungen als wesentlich angesehenen Methoden zur Verarbeitung unscharfen und unsicheren Wissens sowie heuristische Verfahren zur

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Reduktion der Komplexität von Zustandsräumen in der Literatur bisher noch kaum diskutiert und in die praktische Anwendung überführt wurden.

Diese Lücke konnte auch bei der von den Autoren vorgenommenen Erweiterung der Literaturanalyse auf englischsprachige Veröffentlichungen nicht ohne weiteres geschlossen werde. Es liegt deshalb die Schlußfolgerung nahe, daß sich die Anwendung technisch tieferliegende Konzepte offenbar nur (sehr) langsam erschließt, und daß der Dialog bzw. der Wissensaustausch zwischen methodenorientierter KI- Forschung und domänenspezifischer Systementwicklung in Zukunft weiter vertieft, vielleicht auch auf eine etwas breitere Basis gestellt werden sollte. Dabei ist aus Anwendungssicht allerdings auch zu fragen, inwieweit die in der KI hierzu entwickelten Lösungsmethoden bereits so ausgereift sind, daß sie für einen produktiven Einsatz in betrieblichen Anwendungen heute tatsächlich schon in Frage kommen.

4. Schlußfolgerungen

Die vorstehende Diskussion hat gezeigt,

(1) an welchen Stellen die spezifischen Eigenschaften finanzwirtschaftlicher Fragestellungen den Einsatz von KI-Methoden nahelegen bzw. sogar erfordern,

(2) wo wir im Hinblick auf den Einsatz von KI-Methoden gegenwärtig stehen und welche Entwicklungen sich hinsichtlich des Eisnatzes von KI-Methoden in der Finanzwirtschaft derzeit abzeichnen sowie

(3) welche Defizite aufgearbeitet werden müssen und welche zukünftigen Anknüpfungspunkte für weitere Arbeiten von Bedeutung sind

Hervorzuheben ist, daß die Ergebnisse der Literaturanalyse den Eindruck nahelegen, daß der für einen produktiven Austausch von Wissen erforderliche Tiefgang der „Verzahnung“ zwischen domänenspezifischen und methodenspezifischen Fragestellungen / Arbeitsansätzen habe in Teilbereichen begonnen. Andererseits ist aber auch zu fragen, warum für die KI zentrale Konzepte und Methoden trotz eines offenkundigen Bedarfs (vgl. Sektion 2) bisher noch nicht in der Domäne Fuß gefaßt haben. Sind die Methoden zu technisch und damit eventuell nur eingeschränkt

„kommunizierbar“, oder sind sie vielleicht doch noch nicht so ausgereift, wie es der Einsatz in produktiven Anwendungen erfordern würde? Ebenfalls vorstellbar ist, daß es sich (wenigstens in Teilen) auch um ein Problem auf Seite der Anwendungssystementwicklung handeln kann, die sich der Einführung neuer Entwurfsmethoden vielleicht nicht bereitwillig genug öffnet.

Schließlich ist festzustellen, daß der hier dokumentierte Einsatz von KI-Methoden in der Finanzwirt- schaft den dort heute stattfindenden Umbruch — Dematerialisierung von Leistungsprozessen,

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von „KI in der Finanzwirtschaft“ selbst dann eigentlich nur mit Zurückhaltung gesprochen werden, wenn man die auf internationaler Ebene zu beachtenden Foren (jährliche Konferenzen „AI on Wallstreet“ und AI Applications, Workshops der AAAI SIG on AI in Business, die Workshop-Serie

„Neural Networks in the Capital Market etc.) in Rechnung stellt. Die aus der Sicht dieses Beitrags vielleicht zutreffendere Formulierung „KI auf dem Weg in die Finanzwirtschaft“ spricht dagegen präziser an, um welche Frage es hier kurzz- und mittelfristig gehen muß: Erhöhung der Dialogbereitschaft und nachhaltige Intensivierung des Austausches zwischen der methodenorientierten KI und der auf Problemlösungen angewiesenen Finanzwirtschaft.

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Referenzen

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