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Dezember 1994 RA Helmut Loehr Mitglied des Vorstandes der Bayer AG Das 2

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Zweites Finanzmarktförderungsgesetz —

Auswirkungen in der unternehmerischen Praxis

— Jahrestagung des Forschungsinstituts für Leasing — 7. Dezember 1994

RA Helmut Loehr

Mitglied des Vorstandes der Bayer AG

Das 2. Finanzmarktförderungsgesetz ist Ende Juli dieses Jahres von Bundestag und Bun- desrat verabschiedet worden. Teile des Gesetzes — insbesondere die Insiderregelungen

— sind zum 1. August 1994 in Kraft getreten, die übrigen Bestimmungen werden ab dem 1. Januar 1995 wirksam. Ziel des Wertpapierhandelsgesetzes ist es, das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des deutschen Finanzmarktes und damit die Attraktivität und Wett- bewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu fördern. Die Botschaft des 2. Finanz- marktförderungsgesetzes liegt darin, daß es nachdrücklich und für alle Welt erkennbar das Aktionärsinteresse in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Das ist in Deutschland in der Vergangenheit keine Selbstverständlichkeit gewesen.

Im Laufe der letzten Jahre haben sich allerdings die Rahmenbedingungen für die Finan- zierung der Unternehmen grundlegend geändert. Ausschlaggebend waren die Deregulie- rung der Finanzmärkte sowie die Fortschritte auf dem Gebiet der Daten- und Kommuni- kationstechnik. Sie haben dazu geführt, daß die nationalen Finanzmärkte zu einem glo- balen Kapitalmarkt verschmelzen. Der internationale Wettbewerb um das knappe Kapital ist härter geworden. Institutionelle und ausländische Investoren gewinnen zunehmend an Gewicht, und Aktionärsrechte werden auch bei uns aktiver wahrgenommen.

Das Management internationaler Unternehmen muß sich heute daran messen lassen, ob und in welchem Umfang es den Wert des Aktionärsvermögens steigert. Die Unter- nehmen in Deutschland haben diese Herausforderung angenommen. So haben wir in den letzten Jahren die Investor Relations-Arbeit bei Bayer beständig intensiviert und die ex- terne Berichterstattung laufend ausgeweitet.

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Zusätzlich sind wir Anfang dieses Jahres dazu übergegangen, unsere interne und externe Berichterstattung zu vereinheitlichen. Die großen deutschen Börsengesellschaften richten ihre Abschlüsse zunehmend an den internationalen Bilanzierungsgrundsätzen aus. Ziel ist eine aktionärorientierte Steuerung und Führung des Unternehmens. Daran ist zu erken- nen, welche Bedeutung die Kapitalbeschaffungskosten zur Aufrechterhaltung der inter- nationalen Wettbewerbsfähigkeit gewonnen haben. Das 2. Finanzmarktförderungsgesetz wird in diesem Zusammenhang allgemein als eine Verbesserung der Rahmenbedingungen am Finanzplatz Deutschland begrüßt. Es bestand hier im internationalen Vergleich ein großer Nachholbedarf. Eine gesetzliche Regelung war überfällig.

Für die Informationspolitik der Unternehmen — und ich möchte dies im folgenden kon- kret am Beispiel der Bayer AG erläutern — sind drei Kernpunkte des Gesetzes von be- sonderer Bedeutung.

Erstens: Das neue Insiderrecht.

Zweitens: Die Bestimmungen zur Ad hoc-Publizität von erheblich kursrelevanten Tatsachen.

Drittens: Die Vorschriften zur Erhöhung der Transparenz bezüglich der Stimm- rechtsverhältnisse bei deutschen Aktiengesellschaften.

An die Stelle der freiwilligen „Insiderhandels-Richtlinien“ tritt nun die gesetzliche Insi- derregelung des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes. Dessen Grundgedanke läßt sich etwa wie folgt skizzieren:

Für die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte ist das Vertrauen der Anleger von ent- scheidender Bedeutung. Ihr Vertrauen beruht insbesondere auf der Zusicherung, daß sie gleichbehandelt werden. Ein Informationsvorsprung Einzelner ist dagegen mit Vorteilen gegenüber anderen Anlegern verbunden und gefährdet dieses Vertrauen. Die Anleger bleiben dem Markt fern, wenn sie dort Insiderhandel vermuten.

Zur Sicherung des Vertrauens der Anleger sieht das 2. Finanzmarktförderungsgesetz das Verbot von Insidergeschäften sowie zivil- und strafrechtliche Folgen vor. Damit geht das neue Gesetz weit über die bisher in Deutschland geltenden freiwilligen Regelungen hin- aus. Ein vertraulicher Umgang mit Unternehmensinformationen, die sich erheblich positiv oder negativ auf den Kurs der Bayer-Aktie auswirken können, ist nicht nur für den Ruf von Bayer am Kapitalmarkt, sondern angesichts der Strafandrohung durch das neue Ge- setz vor allem auch für die einzelnen Mitarbeiter von wesentlicher Bedeutung.

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Einem Insider ist es verboten, Insiderpapiere unter Ausnutzung seiner Kenntnis von einer Insidertatsache für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern oder die Insidertatsache einem Dritten mitzuteilen oder zugänglich zu machen.

Ein Beispiel kann hier leichter als viele Worte verdeutlichen, was gemeint ist:

Angenommen ein Bayer-Mitarbeiter weiß, daß sein Geschäftsbereich in wenigen Tagen den Erwerb eines großen Anteils an einer börsennotierten französischen Gesellschaft bekanntgeben wird.

Aufgrund des neuen Gesetzes ist es dem Mitarbeiter verboten, Aktien dieses franzö- sischen Unternehmens für sich oder für einen anderen zu erwerben. Das Insiderverbot gilt europaweit und nicht nur für Wertpapiere deutscher Emittenten. Zu beachten ist weiter, daß nicht lediglich der Kauf verboten ist, sondern auch die Weitergabe der Inside- rinformation sowie jeglicher Hinweis darauf, daß man mit dem Kauf der Aktien des fran- zösischen Unternehmens einen guten Gewinn erzielen könnte. Das war bisher nicht so, und diesen neuen Tatbestand der Unzulässigkeit des „stock tipping“ muß sich jeder Mit- arbeiter im eigenen Interesse bewußt machen.

Gesetzlich verboten ist nicht nur die Weitergabe von Insiderinformationen nach außen, sondern auch die Weitergabe an Kollegen — sofern dies nicht aus betrieblichen Gründen erforderlich ist. Selbstverständlich war der vertrauliche Umgang mit Unternehmens- informationen schon immer geboten, aber die Strafbestimmungen sind neu.

Bei Bayer haben wir in einem Vorstandsrundschreiben an alle leitenden Mitarbeiter aus- drücklich auf die geänderte Situation hingewiesen. Außerdem wurde ein entsprechender Artikel in „Bayer-intern“, einer Mitarbeiterpublikation, veröffentlicht.

Ein erhöhtes Risiko einer unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen besteht bei Hintergrundgesprächen mit Journalisten und bei der Darstellung der Unternehmens- situation gegenüber einem Kreis von Finanzanalysten. Wir bereiten solche Veran- staltungen daher sorgfältig vor. Im Hinblick auf mögliche kritische Fragen werden vorab Antworten formuliert und schriftlich festgehalten. Neue Tatsachen mit erheblicher Kurs- relevanz können nicht Gegenstand solcher Gespräche sein.

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Wer ist nun im einzelnen betroffen?

Primärinsider sind Personen, die

- als Mitglieder von Geschäftsführungs- oder Aufsichtsgremien, - aufgrund ihrer Beteiligung am Unternehmen,

- aufgrund ihres Berufes, ihrer Tätigkeit oder ihrer Aufgabe bestimmungs- gemäß

Kenntnis von einer Insidertatsache erhalten.

Primärinsider sind also Personen, die unmittelbar Zugang zu Insiderinformationen haben oder über diese verfügen — in dem Beispiel ist der Bayer-Mitarbeiter ein Primärinsider.

Primärinsider können aber auch Aktionäre sein — dann typischerweise Großaktionäre, weil es sicherlich zu den Ausnahmen gehören wird, wenn ein Kleinaktionär aufgrund seiner Beteiligung Insidertatsachen erfährt. Bestimmungsgemäß erfahren Insidertatsachen wohl vor allem Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte, aber auch Beamte von Aufsichtsbehörden, zum Beispiel von der Finanzverwaltung.

Sekundärinsider

Sekundärinsider sind solche, die von Insidertatsachen zufällig, also nicht be- stimmungsgemäß erfahren. Beispiele sind der Taxifahrer oder die Ehefrau eines Mitar- beiters.

Was sind Insiderpapiere?

Gemeint sind alle Wertpapiere, die an einer inländischen Börse oder einer Börse in einem anderen EU-Staat zum Handel zugelassen sind. Beispiele sind Aktien, Optionen, Opti- onsscheine, Bezugsrechte auf Aktien oder Anleihen.

Was sind Insidertatsachen?

Dabei handelt es sich um öffentlich nicht bekannte, erheblich kursrelevante Tatsachen über Emittenten oder Insiderpapiere. Es muß sich also um eine Tatsache handeln, nicht nur um eine Meinung, ein Gerücht oder eine Vermutung, und die Tatsache muß sich auf einen Emittenten oder auf ein Insiderpapier beziehen: in meinem Beispiel die Aktie des französischen Unternehmens.

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Verstöße gegen das Insiderrecht werden

- mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe geahndet, sie werden - die Abschöpfung von Gewinnen aus Insidergeschäften zur Folge haben, und

sie werden

- möglicherweise Schadenersatzansprüche von Anlegern gegenüber Insidern und Emittenten entstehen lassen.

Neben dem direkten Verbot des Insiderhandels enthält das 2. Finanzmarktförderungs- gesetz noch weitere Vorschriften, die Insiderhandel verhindern sollen. Der sogenannten Ad hoc-Publizität kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu, da die rechtzeitige Veröffentlichung kursbeeinflussender Tatsachen dem Mißbrauch von Insi- derkenntnissen präventiv entgegenwirkt.

Neue, nicht öffentlich bekannte Tatsachen, die im Tätigkeitsbereich von Bayer eintreten, müssen ab dem 1. Januar 1995 unverzüglich veröffentlicht werden, wenn sie wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäfts- verlauf geeignet sind, den Kurs der Bayer-Aktie erheblich zu beeinflussen. Dabei kann bereits die Frage, ob eine „Tatsache“ vorliegt, im Einzelfall durchaus zweifelhaft sein.

Interne Daten, die in Strategieüberlegungen und Planungsprozessen erarbeitet werden, sind keine veröffentlichungspflichtigen Tatsachen. Es kann nicht angehen, Informationen, die Wettbewerbsvorsprünge begründen sollen, preisgeben zu müssen. Vertraulichkeit in einem angemessenen Rahmen ist weiterhin zulässig.

Besonders zu erwähnen sind mehrstufige Entscheidungsprozesse, insbesondere Be- schlüsse des Vorstands, die der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. In der Praxis besteht mit dem Vorstandsbeschluß — um es einmal vorsichtig auszudrücken — eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Durchführung einer Maßnahme. Bei entsprechender Kursrelevanz wird daher bereits die Beschlußfassung des Vorstands als eine Insidertatsa- che anzusehen sein. Bei besonderen Gegebenheiten wird es sich empfehlen, bereits den Vorstandsbeschluß bekanntzugeben mit dem Hinweis, daß die Zustimmung des Auf- sichtsrats noch aussteht.

Im Regelfall muß es dabei bleiben, daß die Veröffentlichung erst nach der Aufsichts- ratssitzung zu erfolgen hat, da erst dann die Umsetzung der beschlossenen Maßnahme feststeht.

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- Zunächst sind die Geschäftsführungen der Börsen, an denen die Bayer- Aktien zum Handel zugelassen sind, sowie das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel zu informieren.

- 20 bis 30 Minuten später muß die kursrelevante Tatsache in einem Börsen- pflichtblatt oder über ein elektronisches Informationssystem veröffentlicht werden.

Die Vorabinformation von Börse und Bundesaufsichtsamt gibt diesen die Möglichkeit, den Handel in Bayer-Aktien gegebenenfalls vorübergehend auszusetzen. Dadurch soll erreicht werden, daß alle Marktteilnehmer wichtige Informationen gleichzeitig erhalten und damit die Chancengleichheit beim Aktienhandel gewährleistet ist. Erst, wenn die neue Information ausreichend weit verbreitet ist, wird der Handel wieder zugelassen. Um Kursaussetzungen zu vermeiden, werden Ad hoc-Meldungen vorzugsweise außerhalb der täglichen Handelszeiten vorzunehmen sein.

Die frühzeitige Bekanntgabe von Unternehmensinformationen und der intensive laufende Dialog mit der Öffentlichkeit haben in den letzten Jahren dazu geführt, daß die Finanz- märkte von Entwicklungen bei Bayer nicht überrascht wurden. Das gilt tendenziell für alle großen börsennotierten Gesellschaften. Wir haben laufend Kontakt mit Journalisten, geben jährlich rd. 300 Presse-Informationen heraus und sind fast täglich mit Unterneh- mensmeldungen in der Presse.

Anders sieht es vielleicht bei kleineren Gesellschaften aus, die nicht diesen permanenten Pressekontakt pflegen. Da könnte sich schon eher einmal eine Art „Informationsstau“

aufbauen, der dann durch eine formelle Bekanntgabe beseitigt werden muß. Bei den gro- ßen DAX-Gesellschaften sehe ich dieses Problem weniger.

Teilweise sind die Unternehmen dazu übergegangen, sogenannte Clearingstellen, ein- zurichten. Ihre Aufgabe ist die Überprüfung aller Geschäftsvorfälle auf insiderrelevante Inhalte und das Erfordernis einer möglichen Ad hoc-Publizität. In Konzernen mit einer ausgeprägten Holdingstruktur sind solche Einrichtungen sehr sinnvoll.

Der Bayer-Konzern ist dagegen ausgesprochen straff organisiert. Wir haben 20 Ge- schäftsbereiche, die direkt an den Vorstand berichten. Die Geschäftsbereichsleiter tragen jeweils die weltweite Gewinnverantwortung für ihren Bereich. Für alle Geschäftsbereiche gibt es aber nur einen Bereich Öffentlichkeitsarbeit mit der Zentrale in Leverkusen. Jede wichtigere Pressemitteilung wird mit dieser Zentrale abgestimmt. Ganz generell ist jeder Pressekontakt dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit vorbehalten bzw. mit ihm abzustimmen.

Vor diesem Hintergrund haben wir zumindest bisher keine Notwendigkeit für die Ein- richtung einer zusätzlichen zentralen Clearingstelle gesehen.

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Wir haben bei Bayer allerdings eine Projektgruppe für Fragen der Ad hoc-Publizität eta- bliert. Diese Projektgruppe setzt sich aus Vertretern der Bereiche Konzernfinanzen (In- vestor Relations), Recht und Öffentlichkeitsarbeit zusammen. Sie ist immer dann gefragt, wenn konkret die Vermutung besteht, daß der Fall einer Ad hoc-Publizität vorliegen könnte.

Grundsätzliche Änderungen in der Informationspolitik oder der Organisation unserer Öffentlichkeitsarbeit sind daher bei Bayer nicht erforderlich, und Ad hoc-Meldungen im Sinne des Finanzmarktförderungsgesetzes werden eher die Ausnahme bleiben. Dennoch wird bei jeder Tatsache, die im Tätigkeitsbereich von Bayer eintritt und nicht öffentlich bekannt ist, zukünftig besonders der Aspekt der Kursrelevanz überprüft werden müssen.

Unsere jüngste Akquisition des nordamerikanischen Selbstmedikationsgeschäfts von Sterling Winthrop für eine Milliarde Dollar war z.B. ein Fall, der eine Ad hoc-Meldung erforderlich gemacht hätte. Allerdings muß ich betonen, daß die entsprechende Presse- meldung keinerlei Auswirkungen auf unseren Aktienkurs hatte. Die Öffentlichkeit war bereits in den vorangegangenen Wochen frühzeitig über unsere Absichten informiert worden, so daß niemand von der dann veröffentlichten Transaktion überrascht wurde.

Ähnlich war es bei der Bekanntgabe unseres Joint Venture mit Hoechst auf dem Gebiet der Textilfarbstoffe. Diese Vereinbarung haben wir am 24.11.1994 bereits als Ad hoc- Meldung behandelt und entsprechend den neuen Bestimmungen veröffentlicht. Auch hier hatten wir lange vorab bekanntgegeben, daß wir mit anderen europäischen Wettbewer- bern über mögliche Kooperationen sprechen. Die Meldung an sich war dann keine Über- raschung mehr und hat nicht zu einem Kursausschlag geführt.

Die Frage, wann eine erhebliche Kursrelevanz zu vermuten ist, hat der Gesetzgeber be- wußt offengelassen. Ob eine im Unternehmensbereich eingetretene Tatsache der Ad hoc- Publizität unterliegt, muß daher von Fall zu Fall geprüft werden. Letztlich wird man hin- terfragen müssen, ob die betreffende Tatsache soviel Gewicht besitzt, daß mit der Ver- wertung ihrer Kenntnis ein halbwegs sicherer Insidervorteil erzielt werden kann. Als Richtwert für eine erhebliche Kursbeeinflussung wird allgemein eine Schwankung von 5% und mehr angesehen. Eine solche Kursbewegung als Folge von Unternehmensnach- richten ist bei Bayer in den letzten fünf Jahren nicht festzustellen. Bei der Größe und breiten Diversifikation von Bayer werden im Regelfall selbst wichtige Nachrichten nur zu begrenzten Kursausschlägen führen.

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Ein kurzer Katalog von Tatsachen, die möglicherweise eine erhebliche Kursrelevanz ha- ben könnten, wurde inzwischen von der Deutsche Börse AG erarbeitet.

Beispiele können sein:

- Kapitalmaßnahmen

- Akquisitionen oder Verkäufe von Teilen des Unternehmens

- Erheblich von Markterwartungen abweichende Geschäftsentwicklung oder - Rechts- und Patentstreitigkeiten

Alle Mitarbeiter, die unternehmenspolitische Fragen zu beantworten haben, Interviews oder Statements abgeben, haben wir daher nochmals per Vorstandsrundschreiben auf- gefordert, die Aktien-Kursrelevanz ihrer Aussagen zu bedenken und alle wichtigen Ver- öffentlichungen vorher mit dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit abzustimmen. Besteht der Eindruck, daß eine Ad hoc-Meldung erforderlich ist, wird der Bereich Konzernfinanzen einbezogen, um gegebenenfalls die Börsen und das Aufsichtsamt zu informieren.

Der besondere Stellenwert der Ad hoc-Publizität kommt auch darin zum Ausdruck, daß die Einhaltung dieser Veröffentlichungspflicht der Überwachung durch das neue Bundes- aufsichtsamt für den Wertpapierhandel unterliegt und Verstöße mit einer Geldbuße bis zu 3 Millionen D-Mark geahndet werden.

Zusätzlich zur Ad hoc-Publizität sind für die Börsenberichterstattung der Bayer AG Ser- vice-Meldungen vorgesehen. Zunächst zur Regel-Publizität:

Die regelmäßigen Unternehmensnachrichten — wie Quartalsberichte, Dividendenan- kündigungen, Einladungen zur Hauptversammlung, Pressemitteilungen der Bilanz- pressekonferenz etc. — werden wie bisher den in- und ausländischen Börsen vorab zur Verfügung gestellt. 20 bis 30 Minuten später werden die Unternehmensnachrichten an Agenturen, Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen übermittelt.

Vor unseren Pressekonferenzen haben wir früher regelmäßig die leitenden Mitarbeiter im Rahmen einer großen Vortragsveranstaltung über die laufende Geschäftsentwicklung bei Bayer informiert. Das gehörte sozusagen zum guten Ton. Schließlich sollten die eigenen Führungskräfte direkt und vorab informiert werden und nicht erst durch die Medien er- fahren, wie es um ihr Unternehmen steht. Diesem verständlichen Bedürfnis können wir jetzt nicht mehr nachkommen. Unsere Informationsveranstaltungen für leitende Mitar- beiter finden seit Gültigkeit des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes erst unmittelbar nach den Pressekonferenzen statt. Und unter personalpolitischen Gesichtspunkten ist dies ein schwerwiegender Nachteil der neuen Regelungen.

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Als Service-Meldungen bezeichnen wir in Zukunft solche wichtigeren Unternehmens- nachrichten, die gleichwohl nicht der Ad hoc-Publizität unterliegen. Sie werden nach Abstimmung zwischen den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Konzernfinanzen eben- falls vorab an in- und ausländische Börsen übermittelt. Damit wird dem generellen In- formationsbedürfnis der Börsen Rechnung getragen.

Als dritten und letzten Punkt möchte ich eingehen auf die Mitteilungs- und Ver- öffentlichungspflichten bei Erreichen, Über- oder Unterschreiten bestimmter Stimm- rechtsanteile an börsennotierten Gesellschaften.

Durch zusätzliche Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sollen die Marktteil- nehmer Kenntnis davon erhalten, wer eine wesentliche Beteiligung an einer börsen- notierten Gesellschaft hält. Durch diese Meldepflichten sollen u.a. schleichende Unter- nehmensübernahmen verhindert werden.

Schließlich ist es für jeden Anleger interessant zu wissen, ob sich jemand ein größeres Paket Aktien eines bestimmten Unternehmens zusammenkauft. Der Weg, auf dem die Öffentlichkeit Kenntnis von einer Veränderung der Aktionärsstruktur eines Unterneh- mens erhält, ist zweistufig. Das Gesetz unterscheidet zwischen dem Meldepflichtigen und dem Veröffentlichungspflichtigen.

Sollte Bayer künftig durch Erwerb, Veräußerung oder auf andere Weise 5, 10, 25, 50 oder 75 % der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft mit Sitz im Inland er- reichen, über- oder unterschreiten, so sind die betreffende Gesellschaft sowie das Bun- desaufsichtsamt innerhalb von spätestens sieben Kalendertagen darüber zu informieren.

Falls umgekehrt Bayer eine entsprechende Meldung von einem Investor erhält, besteht die Verpflichtung, diese Information unverzüglich — jedoch spätestens neun Kalenderta- ge nach Zugang — in einem Börsenpflichtblatt zu veröffentlichen.

Bayer ist zur Zeit nicht meldepflichtig im Sinne des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes.

Es gibt keine börsennotierte deutsche Gesellschaft, an der Bayer einen nennenswerten Stimmrechtsanteil hält, und daran wird sich auch sobald nichts ändern.

Interessant ist für uns der andere Fall, in dem ein Investor darüber informieren muß, wenn er z.B. 5% der Bayer-Aktien hält. Bisher ist diesbezüglich noch keine entsprechen- de Meldung erfolgt. Lediglich die Allianz AG hat im Vorgriff auf die neue Regelung öf- fentlich bekanntgegeben, daß sie unter anderem einen Dauerbestand an Bayer-Aktien hält, der sich auf 5% unseres Grundkapitals beläuft. Die Allianz ist damit der größte be- kannte Einzelaktionär bei Bayer.

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Vermutlich hält die Allianz noch deutlich mehr Bayer-Aktien. Das 2. Finanzmarkt- förderungsgesetz unterscheidet nämlich zwischen einem Dauerbestand und einem Han- delsbestand an Wertpapieren. Einen Handelsbestand muß die Allianz nach ent- sprechender Genehmigung durch das Bundesaufsichtsamt nicht melden, solange er un- terhalb einer Meldeschwelle von 5% der Stimmrechte liegt. De facto läuft das 2. Finanzmarktförderungsgesetz damit auf eine untere Meldeschwelle von 10% hinaus.

Außerdem gilt, daß die von einer Kapitalanlagegesellschaft gehaltenen Stimmrechte nicht von dem Mutterunternehmen berücksichtigt werden müssen. Die Allianz kann also in ihren Spezialfonds noch zusätzlich über erhebliche Bestände an Bayer-Aktien verfügen, ohne diese in die Meldepflicht einbeziehen zu müssen. Diese Ausnahmen sind sachge- recht, weil andernfalls Handel- und Fondsaktivitäten stark behindert würden. Sicherlich wird das Bundesaufsichtsamt streng darauf achten, daß über die Ausnahmetatbestände der mit der Meldepflicht verfolgte Zweck nicht ausgehebelt wird.

Insgesamt hat die Diskussion des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes in den Medien in den letzten Monaten sehr breiten Raum eingenommen, und das ist auch gut so. Ein wei- ßer Fleck auf der Landkarte der Rahmenbedingungen für einen effizienten Kapitalmarkt in Deutschland bleibt allerdings offen. Anzusprechen ist hier das Thema eines Takeover Code. Eine EU-Übernahme-Richtlinie ist seit langem überfällig. Hier hat es in Brüssel seit 1990 keinen Fortschritt gegeben. Insbesondere hat die Verpflichtung des Überneh- mers zum Angebot an alle noch verbliebenen Aktionäre beim Erreichen einer bestimmten Schwelle zu grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten geführt.

Einen Alleingang im Sinne einer gesetzlichen Regelung nur für Deutschland halte ich nicht für sinnvoll. Es muß das Bestreben aller sein, schnellstmöglich zu einer vertretbaren Lösung für eine europäische Übernahme-Richtlinie zu kommen. Abgesehen hiervon bringt das 2. Finanzmarktförderungsgesetz fundamentale Verbesserungen. Das offenbar an deutschen Börsen häufig praktizierte und vom Ausland heftig kritisierte „front run- ning“ gehört hoffentlich der Vergangenheit an. Und auch z.B. das Bundeswirtschaftsmi- nisterium untersucht derzeit, inwieweit vorab bekanntgewordene offizielle Veröffentli- chungen neuer Wirtschaftsdaten zu „Insider-Geschäften“ ausgenutzt worden sind. Solche Insider-Lecks müssen gestopft werden.

Das neue Gesetz trägt dazu bei, indem es auf breiter Ebene eine institutionelle Stärkung der Aktionärsinteressen signalisiert. Dieses Signal sollte im Hinblick auf die Finanzie- rungsbedingungen der Unternehmen so stark wie möglich ausfallen. Andererseits darf man die Auswirkungen auf die unternehmerische Praxis, also insbesondere auf die Infor- mationspolitik der Unternehmen nicht überbewerten. Hier wünsche ich mir für die Zu- kunft mehr Sachlichkeit und weniger Aufgeregtheit.

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Erstens sind uns die Regeln für den Umgang mit vertraulichen Informationen seit langem bekannt. Zweitens werden Ad hoc-Meldungen — wie bereits ausgeführt — auch in Zu- kunft eher die Ausnahme bleiben.

Erforderlich ist insgesamt eine pragmatisch orientierte Gesetzesauslegung durch das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel und eine praktikable Anpassung der In- formationspolitik der Unternehmen an die Erwartungen der Finanzmärkte.

Die Unternehmenswirklichkeit läßt sich nun einmal nicht in standardisierte Definitionen verpacken, ein Dilemma, das auch bei der Abfassung des sogenannten Leitfadens der Deutsche Börse AG sichtbar wurde. Eine formalistische Denkweise könnte unter Um- ständen dazu führen, daß Unternehmen jedwede Nachricht als erheblich kursrelevant kennzeichnen und veröffentlichen. Dies würde zu Fehlinterpretationen bei den Marktteil- nehmern führen und den Unternehmen mehr schaden als nutzen. Denkbar ist umgekehrt auch, daß sich die Unternehmen zukünftig, um die Gefahr einer eigenen Falschbewertung von Tatsachen zu vermeiden, auf die gesetzlich vorgeschriebene Publizität beschränken und jegliche darüber hinausgehende Kommunikation einstellen. Im Ergebnis würde dem Markt damit weniger Information zufließen als bisher, und gerade das Gegenteil soll ja erreicht werden.

Bei Bayer wird daher auch in Zukunft die Investor Relations-Arbeit weiter ausgebaut und gezielt das Gespräch mit Finanzanalysten und institutionellen Investoren gesucht. In solchen Hintergrundgesprächen oder in Interviews mit Journalisten sind schon bisher keine erheblich kursrelevanten Insiderinformationen weitergegeben worden, und das wird auch in Zukunft nicht geschehen. Die Betonung liegt jedoch auf dem Wort „erheblich“.

Denn es wäre sicherlich eine Illusion zu glauben, ich könnte mich eine Stunde mit einem Finanzanalysten unterhalten, ohne dabei die Meinung dieses Analysten über Bayer zu beeinflussen. Selbstverständlich nimmt der Finanzanalyst nach jedem Gespräch ein zu- mindest leicht verändertes Bild von Bayer mit nach Hause. Nur deshalb hat er doch ein Interesse, ein Unternehmen zu besuchen, und gerade darin besteht doch auch die wichti- ge volkswirtschaftliche Funktion dieser Informationsmittler und -multiplikatoren.

Ich hoffe deshalb im Interesse des deutschen Finanzmarktes, daß das neue Wert- papieraufsichtsamt unter der Leitung von Herrn Wittich einen pragmatischen Kurs ein- schlagen und sich nicht zu einer überdimensionierten Behörde wie der amerikanischen Securities and Exchange Commission, SEC, mit ihren 2.300 Mitarbeitern entwickelt.

Um eine unerwünschte Aufblähung des Verwaltungsapparates zu verhindern und den- noch den zweifellos hohen Anforderungen gerecht zu werden, sollte meines Erachtens schon frühzeitig an Instrumente wie das „Out-sourcing“ gedacht werden.

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Zum Beispiel könnte man unabhängige Universitätsinstitute, die sich mit Kapitalmarkt- fragen empirisch auseinandersetzen, damit beauftragen, geeignete Methoden und Mo- delle — gewissermaßen das Handwerkszeug der Aufsicht — für die neue Behörde zu entwickeln oder fortzuentwickeln. An geeigneten Kapitalmarkt-Forschungsinstituten mit hohem Know-how fehlt es nicht.

Die große Herausforderung für das Aufsichtsamt wird nicht darin bestehen, Verstöße gegen das 2. Finanzmarktförderungsgesetz zu entdecken, sondern sie zu beweisen. Das jedenfalls zeigen die bisherigen Erfahrungen vor allem im angelsächsischen Ausland. So hat es z.B. in Großbritannien seit Einführung des Insidertatbestands 1980 lediglich 34 Gerichtsverfahren gegen Insider gegeben, in denen 23 Personen verurteilt worden sind.

Zu wünschen ist, daß das 2. Finanzmarktförderungsgesetz eine starke vorbeugende Wir- kung entfaltet und es erst gar nicht zu Verstößen und Sanktionen kommen muß. Alle Beteiligten sind gehalten, sich dafür zu engagieren, daß zu den im 2. Finanz- marktförderungsgesetz behandelten Fragen sich ein neues Bewußtsein, eine verbesserte Aktienkultur entwickelt.

In vier Wochen nimmt das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel seine Arbeit auf. Es wird seinen eigenen Arbeitsstil finden, und es kann sich eines großen Interesses und einer breiten Unterstützung seitens der börsennotierten Unternehmen gewiß sein.

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