Architekturen für Location Based Services TelNav : Telefon-Navigations-Center
Peter Volkmer ExperTeam AG Emil-Figge-Straße 85
44227 Dortmund PV@ExperTeam.de
Workshop, 32. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik, 30.09.2002 – 02.10.2002 Abstract:Mit der Entwicklung des Navigations-Centers „TelNav“ durch die Ex- perTeam AG wird ein innovativer „Location Based Service (LBS)“ geschaffen, der mittels Ortung und Navigation über das Mobiltelefon oder den PDA („Personal Digital Assistent“) jeden Nutzer, der irgendwo in Deutschland unterwegs ist, auf dem optimalen Weg schnell und sicher zu seinem Ziel führt. Dies geschieht unab- hängig vom kartografierten Straßennetz und steht Autofahrern, Fußgängern, Rad- fahrern und Bootsführern gleichermaßen zur Verfügung. Autofahrer stehen nach Verlassen ihres Fahrzeuges nicht mehr „allein da“, sondern werden auch auf „der letzten Meile“ sicher geführt.
Die hohe Genauigkeit der Navigation wird durch die „Digitale Luftbildkarte Deutschland (DLK®)“ erzielt. Die DLK stellt erstmals eine flächendeckende Ab- bildung Deutschlands mit einer Auflösung von 50 cm, fotografiert aus 3500 Meter Höhe, dar. Durch die vollständige Georeferenzierung über GPS-Koordinaten kön- nen „geocodierte Objekte (GCO)“ direkt lokalisiert werden, z.B. Gebäude mit pos- talischer Adresse, Hauseingänge, Hotels, Restaurants, Museen, Autowerkstätten.
Bei der Navigation läßt sich damit nicht nur eine Straße, sondern auch eine be- stimmte Hausnummer oder eine Lade-Rampe finden.
Schon vor der Betriebsaufnahme der UMTS-Netze kommen GSM-Handys und PDAs der neuesten Generation mit Grafikdisplay, GPS Ortung und schneller Da- tenübertragung (GPRS) zum Einsatz. Somit werden kein spezielles Navigationsge- rät und auch keine kostenintensiven Aktualisierungen von Landkarten-CDs mehr benötigt.
Alle relevanten Informationen werden jederzeit aktuell in einem Navigations- Center zusammengeführt. Die Aktualität der Daten wird durch die permanente Pflege der DLK und der geografischen Daten durch die Redakteure im Navigati- ons-Center erreicht. Der TelNav Nutzer wird von einem ortskundigen Navigati- onsassistenten persönlich beraten und betreut. Der Navigationsassistent ermittelt und kontrolliert die optimale Route, führt den Benutzer um alle Staus und Baustel- len herum und sucht auf Wunsch noch das nächste Hotel oder den nächsten freien Parkplatz. Abweichungen von der Route werden stetig überprüft und automatisch in die aktuelle Routenplanung einbezogen.
1. Einleitung
Standortbezogenene Dienste („Location Based Services“, kurz LBS) gelten für UMTS als die kommende Killer-Applikation in der Mobilfunkbranche. UMTS wird nur durch leistungsstarke LBS erfolgreich sein. Location-based Services nutzen die Möglichkeit, ein eingeschaltetes Endgerät jederzeit zu orten und basierend auf diesen Standortkennt- nissen maßgeschneiderte Dienstleistungen und Informationen aus der Region anzubie- ten.
Das von ExperTeam entwickelte Telefon-Navigations-Center, kurz TelNav, ist ein inno- vativer Location-based Service, der jeden Abonnenten, der irgendwo in Deutschland unterwegs ist, auf optimalem Wege zu seinem Ziel führt und mit wertvoller Zusatzin- formation versorgt.
2. Basis
Die hohe Genauigkeit der Navigation wird erzielt durch die Nutzung der „Digitalen Luftbildkarte Deutschland (DLK®)“ - bereitgestellt von der Geospace GmbH, einer Tochter der ExperTeam AG. Die DLK stellt einen flächendeckenden, homogenen Da- tensatz von digitalen Orthophotos mit hoher Auflösung und Lagegenauigkeit (50 cm) dar.
Alle Gebäude in Deutschland, sowie die „Points of Interest“ (POI) werden als geocodier- te Objekte (GCO) mit ihren geografischen Koordinaten direkt auf den Luftbildern der DLK erfasst und dargestellt. Die GCOs werden von der Geopunkt GmbH & Co. KG in Gera erstellt. Dies sind z.B. Gebäude mit ihrer postalischen Adresse, Hauseingänge, Hotels, Restaurants, Museen, Autowerkstätten. Bei der Navigation läßt sich damit nicht nur eine Straße, sondern auch eine bestimmte Hausnummer oder eine Lade-Rampe fin- den. Zusätzliche Straßenattribute beinhalten Abbiegeregeln, aber auch Hinweise auf Straßenbreite und Durchfahrtshöhe oder eine Klassifikation der „Straße“ als Autobahn, Landstraße, Radweg oder Wanderweg.
Alle relevanten Informationen werden jederzeit aktuell im Navigations-Center zusam- mengeführt. Die Aktualität der Daten wird durch die permanente Pflege der DLK, GCO und Straßendaten durch die Redakteure im Navigations-Center erreicht.
Der TelNav Nutzer wird persönlich von einem ortskundigen Navigationsassistenten aus einem Navigations-Center betreut und benötigt lediglich ein speziell ausgestattetes Mo- biltelefon oder PDA und eine Anmeldung beim TelNav-Dienst über seinen Mobilfunk- Provider.
Die zum Einsatz kommenden Handys der „dritten Generation“ verfügen über größere grafikfähige Displays und werden von einigen Anbietern heute bereits mit GPS-Chip bzw. GPS-Aufsteckmodul angeboten. Im GSM-Netz wird die schnelle Datenübertragung (ca. viermal so schnell wie im GSM-Netz) mit GPRS paketvermittelt durchgeführt. Im
UMTS-Netz werden noch wesentlich höhere Übertragungsgeschwindigkeiten möglich sein. In den neuen UMTS-Handys sind diese Funktionalitäten voll integriert.
Programmierbares mobiles Endgerät (GSM/GPRS oder UMTS )
Navigations -Center
GPRS-Verbindung Ortung über GPS
Navigation auf Basis der
DLK®
GSM -Verbindung
Abb. 1: Übersicht TelNav
3. Leistung
Dieser Location-based Service wird noch vor der Betriebsaufnahme der UMTS-Netze (Universal Mobile Telecommunications System) in Deutschland zur Verfügung stehen;
unabhängig von UMTS ist eine Nutzung auf Basis von GSM (Global System for Mobile Communication) und GPRS (General Packet Radio Service, als Erweiterung des GSM- Standards) zur Datenübertragung sowie der Ortungskomponente GPS (Global Positio- ning System) möglich. Beim UMTS-Dienst sind solche Komponenten automatisch vor- handen.
Zwei Vorteile machen den neuen Navigationsservice besonders attraktiv: Zum einen benötigt der Nutzer kein spezielles Navigationsgerät, insbesondere auch keine Landkar- ten-CDs, die meist nicht ganz aktuell sind. Erforderlich ist lediglich ein Handy. Zum anderen wird mit Hilfe der digitalen Luftbildkarte eine besonders hohe Genauigkeit bei der Lokalisierung und Navigation erreicht, die bisher nicht möglich war. Selbstverständ- lich können auch komplette Routen über Strecken geführt werden, die von herkömmli- chen Navigationssystemen gar nicht erfasst werden, beispielsweise Routen für Radfahrer über land- und forstwirtschaftliche Straßen oder Routen auf Wasserstraßen für Bootsfüh- rer.
Spannend wird es oft am Ende der Route, auf der "letzten Meile": Man sieht das Ziel, findet aber keinen Parkplatz oder ist an der Einfahrt schon vorbei. Häufig kann man noch nicht einmal anhalten, geschweige denn zurücksetzen. Fährt man weiter, ver- schwindet man auf Nimmerwiedersehen im Einbahnstraßendschungel. Herkömmliche Navigationssysteme lotsen nur bis zu einem mehr oder weniger großen Hausnummern- bereich. TelNav hingegen führt exakt bis zur gewünschten Hausnummer, und auf der DLK kann der Navigationsassistent sogar die richtige Einfahrt erkennen und z. B. einen LKW zielgenau dorthin routen.
4. Funktionsweise
Der Anrufer, der eine Routenberechnung oder eine ortsbezogene Information benötigt, wählt mit seinem Mobiltelefon den Dienst an. Das GPS-Modul im Handy ermittelt die Koordinaten der aktuellen Position. Das Handy überträgt unmittelbar und automatisch auf dem Datenkanal (GPRS oder zukünftig UMTS) diese Koordinaten an das Navigati- ons-Center.
Im Navigations-Center nimmt ein Navigationsassistent den Anruf an. Vorher wird mit- tels „Skill Based Routing“ durch einen Abgleich zwischen den besonderen Anforderun- gen des Anrufers und den Kenntnissen des Assistenten eine optimale Dienstleistungsqualität dadurch hergestellt, dass möglichst ein Navigationsassistent mit spezifischen Ortskenntnissen und eventuell benötigten Sprachkenntnissen den TelNav- Nutzer bedient. Da die Position des Anrufers durch die GPS-Koordinaten dem Navi- gations-Center bekannt gemacht wird, kann der Anruf unmittelbar zum jeweils für dieses Gebiet zuständigen Navigationsassistenten durchgestellt werden. Eventuell geforderte Sprachkenntnisse kann der Anrufer über Tastatureingaben anfordern. Somit kann exakt auf das Profil des Anrufers reagiert werden.
Die Position des Nutzers wird als Koordinate auf der DLK eingetragen und der entspre- chende Ausschnitt der DLK auf dem Bildschirm des Navigationsassistenten dargestellt.
Der Anrufer äußert seine Wünsche. In der Regel wird dies eine Zielangabe sein, mit der Bitte, die optimale Route dorthin zu ermitteln. Die Zielangabe kann als Adresse – Straße, Hausnummer – oder als "Point of Interest" (POI) angegeben werden, beispielsweise ein öffentliches Gebäude, ein Hotel, eine Sehenswürdigkeit und vieles andere mehr. Die Anschrift eines POI muß nicht bekannt sein: Sie wird vom System ermittelt.
Darüber hinaus können auch Zwischenziele, die der Nutzer auf der Route oder zusätzlich auf seinem Wege ansteuern möchte, in Form von Adressen oder POIs berücksichtigt werden. Außerdem ist der Navigationsassistent in der Lage, entsprechend den Wünschen des Anrufers geeignete Hotels oder Restaurants vorzuschlagen und Reservierungen vor- zunehmen.
Mit Hilfe des Routenplaners bestimmt der Navigationsassistent die optimale Route.
Dabei werden vielfältige Informationen berücksichtigt, beispielsweise der Fahrzeugtyp und die aktuelle Verkehrslage. Bei LKW-Routen ("Profi-Logistik") kommen so z.B.
zusätzlich Durchfahrtshöhen, zulässige Gewichte, Steigungen ins Spiel. Diese Daten
liegen als „Straßenattribute“ (minimale Straßenbreite, minimale Durchfahrtshöhe, ...) in einer Datenbank vor, ebenfalls mit Referenz zu ihrer Position in der DLK.
Wenn der Nutzer es wünscht, kommt die "Tracking"-Funktion zum Einsatz: Das Naviga- tions-Center registriert dann anhand der permanent übertragenen aktuellen GPS- Koordinaten Abweichungen des Nutzers von der berechneten Route und überträgt ent- sprechende Korrekturinformationen. Die hohe Aktualität der Navigation wird durch die Berücksichtigung von dynamischen, ortsbezogenen Verkehrsinformationen wie Staus und Straßensperrungen bei der Routenplanung gewährleistet. Die Routen der geführten Anrufer werden rechtzeitig korrigiert und weichen den Staus aus.
5. Technische Implementierung
Das Navigations-Center setzt sich zusammen aus den Teilsystemen Navigation und Kommunikation. Vorgelagert ist die Erfassung und Pflege der digitalen Luftbildkarte sowie die Grunderfassung der geocodierten Objekte und der Straßendaten.
Abb. 2: Bestandteile von TelNav
Das TelNav-Teilsystem Kommunikation vermittelt die Kommunikation zwischen dem mobilen Endgerät und dem Teilsystem Navigation. Hier erfolgt die Annahme, Prüfung und „Skill-Based“-Weiterleitung von Sprach- und Dateninformationen an den richtigen Assistenten. Als einheitliches Protokoll wird im Kommunikationssystem das IP- Protokoll sowohl für Daten wie für Sprache benutzt („Voice over IP“).
Das TelNav-Teilsystem Navigation besteht aus den Redaktionsarbeitsplätzen zur Pflege der Geodaten und Aufnahme aktueller Zusatzinformationen und den Arbeitsplätzen der Navigationsassistenten zur Darstellung der Anruferposition und Routenplanung auf der DLK sowie der Datenbereitstellung für das Endgerät.
GSM/GPRS - Provider Arbeitsplatz Administrator
Internet
Endgerät 1
GSM/GPRS Internet-Router ISP1
4 MBit/s Internet-Router ISP2 1 MBit/s
Endgerät n GSM/GPRS Backbone 1 GBit/s (switched, vollständig redundant)
Quality of Service: geeignet für IP-Telefonie
TSK - Telephonie 2..n Stück
TSK - Workflow 2..4 node cluster (2) Sicherungslibrary Service-Server
Datenbank-Server 2..4 node cluster (2)
1 TB DLK GeoDaten Im- und Export
Image Server 2..n Stück (2)
Switch 1 100 MBit/s Switch 2
100 Mbit/s Switch n
100 MBit/s
Arbeitsplatz Redakteur Arbeitsplatz NA
IP/Gateway bzw. TK-Anlage
Öffentliches Telefonnetz 250 GB
Windows 2000 Advanced Server Microsoft SQL-Server 2000
Windows 2000 Server Backup / Recovery Windows 2000 Server
Applikationsserver DLK-Zugriff
HV-Fileserver
maximal 250 Arbeitsplätze in unterschiedlicher Aufteilung Fileserver
Routen-Server 2..n Stück (4) Windows 2000 Server
Applikationsserver Routenberechnung
Geodaten-Server 2..n Stück (6) Windows 2000 Server
Applikationsserver Geodaten
Tracking-Server 2..n Stück (2) Windows 2000 Server
Applikationsserver Tracking
6. Ausblick
Im zweiten Quartal 2003 wird das erste Navigations-Center in Mecklenburg- Vorpommern in Betrieb genommen. Von hier aus können Anrufer in ganz Deutschland navigiert werden. Weitere Navigations-Center sind insbesondere im Hinblick auf spezia- lisierte Zielgruppen und Einsatzszenarien denkbar:
• Notfall- und Rettungsdienste: Die Aktivierung von Notfall- und Rettungsdiens- ten kann durch den Hilfesuchenden ganz einfach per Druck auf die Notruftaste erfolgen. Über die GPS-Ortung erscheint die exakte Position des Hilfesuchen- den direkt auf der automatisch eingeblendeten Luftbildkarte im Navigations- Center und der Retter kann direkt hingeführt werden.
• Gesundheitswesen: Bei Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist die Mobilität häufig eingeschränkt, da sie ständig medizinische Befunde prüfen müssen. Bei einem eintretenden Notfall – aktiv erkannt durch diese Geräte oder über einen automatischen Call-Check abgefragt - kann auch automatisch Hilfe zum Kranken geroutet werden.
• Automobil-Clubs und Automobil-Hersteller: Über die Notruffunktion kann der Pannendienst eines Automobil-Clubs oder eines bestimmten Automobil- Herstellers angerufen und zum Hilfesuchenden geführt werden.
• Touristik: City-Guides ermöglichen eine Online-Führung zu Sehenswürdigkei- ten oder öffentlichen oder kulturellen Einrichtungen der Stadt. Zusätzlich wer- den auch deren Öffnungszeiten benannt. Autofahrer können direkt zu freien Parkplätzen geführt werden.
• Anbieter von Navigationssystemen: Heute eingesetzte Navigationssysteme ba- sieren auf den kartografierten Straßendaten, die nicht die Genauigkeit der digi- talen Luftbildkarte und nicht den Umfang und die Aktualität der geocodierten Objekte und Straßenattribute liefern.
• Transport und Logistik: TelNav hilft nicht nur, Einfahrten und Zufahrtswege zu finden, es kann sogar Fahrtrouten bis in die letzte Verästelung eines Betriebsge- ländes hinein darstellen. Der Auslieferungsfahrer wird geroutet bis vor die Rampe.
7. Literatur
ExperPraxis 2003/2004; ExperTeam-Jahrbuch für die Praxis der Informationsverarbei- tung (in Vorbereitung)