66 Erdkunde Band VII
mulde). Fast 300 Anmeldungen und der rege Besuch der Vortrage und Kolloquien bewiesen das grofie In
teresse der Schulgeographen an einer solchen Tagung und verleihen dem Wunsche der Tagungsteilnehmer, Fortbildungskurse ahnlicher Art hauflger zu veran stalten und schulamtlich zu unterstiitzen, starken Nachdruck. C. Troll
Eine geographisch-kartographiscbe Ausstelltmg iiber die habsburgischen Lande und ihre allgemeine
Bedeutung
Im jjGlobusmuseum" zu Wien findet zur Zeit eine Ausstellung statt (die sechste seit seinem Bestehen1)), welche der kartographischen Darstellung der ehemals Habsburgischen Lande gewidmet ist. Die Ausstellung,
die tiefes geographisches und geschichtliches Wissen
beweist, wurde von R. Haardt, unter Mitarbeit von
E. Wolden, U. Hantscb und H. Vetters organisiert.
Wie man aus dem elegant gehaltenen, reich illu strierten Katalog ersieht, sind fur die Ausstellung 13 Bande mit Stadtansichten, 9 Bande mit Illustra tionen und 33 Stadt- und Landschaftsansichten ge sammelt worden. In der Einfiihrung von Hantscb wird die territoriale Entwicklung der habsburgischen Herrschaft von ihrem Ursprung an bis zum ersten Weltkrieg behandelt. In von reicher Kenntnis zeu
genden Ausfuhrungen zeigt er das stete Anwachsen, welches durch dynastische Biindnisse, Erbschaften und Eroberungen erreicht wurde, und wie es gelang, die sprachlich und nach geschichtlicher Uberlieferung ver schiedensten Volker zu einen. Zuruckblickend be schreibt Hantscb das Vordringen der Habsburger von ihrem urspriinglichen Besitz im 13. Jahrhundert, der aus Usterreich, Steiermark und Krain bestand, durch den Anschlufi von Karnten (1335) und Tirol (1363) zunachst nach Westen gegen die Schweiz hin
(14. Jahrhundert). Dabei bezogen sie die Grenz gebiete des Deutsch-Romischen Reiches, die mit dem Osten und Westen in Verbindung staniden und die Hauptstrafien nach Italien beherrschten, in ihren Herrschaftsbereich ein und strebten dann im Jahre
1382 zur Adria und nachTriest (trotz der sich wider setzenden Republik Venedig, die selbst Gebietserwei terungen erhoffte). Sie gestatteten jedoch diesen Ge bieten eine gewisse Autonomic, die allerdings Maxi milian im 16. Jahrhundert auf hob, indem er alle
Lander unter seiner Herrschaft vereinte. Wahrend
seiner Regierung kamen noch die italienischen Ge biete des Trentino (Rovereto, Valsugana, Val di Non, Arco und Lodrone, die den ?Kanton an der italienischen Grenze" bildeten) hinzu. Er eroberte Burgund, Bohmen und Ungarn (zwischen 1515 und 1526) und verband die beiden letzteren zu einer Per sonalunion, die nach 1627 erblich wurde. Im folgen den Jahrhundert dehnte sich die osterreichische Herr
schaft bis nach Siebenbiirgen und nach der Schlacht von Wien (1683) bis zum Herzogtum Mailand und Sardinien aus. Letzteres wurde spater gegen Sizilien
ausgetauscht.
*) Die vorhergehenden Ausstellungen zeigten: 1. Das
Wekbild im Wandel der Zeiten (1947); 2. Alt-Wien in Plan und Bild (1948); 3. Entschleierung Afrikas (1949);
4. Coronelli (1950); 5. Kolumbus (1951).
Doch gerade diese enorme Ausdehnung, so fahrt Hantsch fort, fiihrte die Krise des Kaiserreiches her
bei. Karl V. suchte ihr abzuhelfen, indem er Neapel, Sizilien, Parma und Piacena an die spanischen Bour bonen abtrat. Doch im 18. Jahrhundert unter Maria Theresia gingen das Elsafi, die Lausitz und Schlesien
verloren, wahrend Galizien und die Bukowina als
mageres Entgelt zur osterreichischen Krone kamen.
So bestand im Jahre 1804 das Kaiserreich Osterreich
aus den Landern Osterreich, Steiermark, Karnten, Bohmen, Mahren, dem osterreichischen Schlesien, Ga
lizien, der Bukowina und Ungarn, und, nach der Niederlage Napoleons, noch aus alien Landern der ehemaligen Republik Venedig, die durch den Vertrag Napoleons von Campoformio fiir immer zerstort worden war. Mit dem italienischen Risorgimento
verliefien die Osterreicher die Lombardei und das Veneto, erhielten jedoch in dem Vertrag von Berlin im Jahre 1878 die Oberherrschaft iiber Bosnien und die Herzegowina, die sie sich 1908 endgiiltig einver
leibten. Der mit Ungarn im Jahre 1867 abgeschlossene Ausgleich schuf die Doppelmonarchie Osterreich Ungarn, zwei unabhangige Staaten, die nur in der
Person des Herrschers bei diplomatischen Reprasen tationen, in der MiHtarorganisation und im Wirt
schaftsleben vereint waren. Im ersten Weltkrieg
wurde diese grofie mitteleuropaische Macht durch das erwachende Nationalbewufitsein der verschiede
nen ihr angehorenden Volker zerstort, eine Macht,
in der, wie Hantsch sagt, ?viele gliickliche Moglich keiten fiir eine grofie Zukunft schlummerten, aufge
lost, bevor noch der zukunftsreiche Gedanke ihrer Umbildung in eine foderative Staatengemeinschaft
durchgefiihrt werden konnte".
Man bemerkt mit Beifall, dafi diese Worte Hantschs die offensichtliche Auslegung der geschicht
lichen Begebenheiten eines Volkes und Landes in geo graphischem Sinne sind, nicht im Hinblick auf die Ereignisse, die einen Einzelnen oder einen sozialen
Organismus betreffen, sondern im Gesamten gesehen,
d. h. mit einem Blick fiir die Synthese des Allge meinen und die Abstraktion des Besonderen, der wahrhaft geographisch ist. Und diese Worte Hantschs wirken wie ein Verweis oder eine Ermahnung fiir
alle diejenigen, welche die Geschichte nur vom aus schliefilich philosophisch-ethischen, nicht vom geogra
phisch-raumlichen Gesichtspunkt aus sehen.
Unter den auf der Ausstellung gesammelten Land karten interessieren besonders diejenigen von Vischer
aus dem 17. Jahrhundert, die Osterreich und die Steiermark darstellen, die von Miiller aus dem 18. Jahrhundert, die Ungarn, Bohmen und Mahren zeigen, und diejenige Zaucbenbergs, von Karnten (1718). Von den ausgestellten Banden (alle aus dem 17. Jahrhundert) verdienen die verschiedenen Topo graphien von Zeiller-Merian, Vischer und Valvasor besondere Beachtung. Die 9 Bande mit Illustrationen von Volkstrachten, die alle aus dem 18. und 19. Jahr
hundert stammen, stellen charakteristische Figuren
und Volksmotive dar. Das alteste dieser Werke ist:
?Hungariae Prodromus" des Belius (1723), und das jiingste ist das bekannte Buch Kretschmers iiber deut sche Volkstrachten (1870). 33 Ansichten verschonern
Berichte und kleine Mitteilungen 67 die Ausstellung mit Anblicken von Stadten und Orten
des weiten Kaiserreiches und bringen eine lebhafte,
pittoreske Note hinein.
Doch notwendiger als bei der Beschreibung der Ausstellung zu verweilen, die, wie der Zustrom des Publikums und das einheitliche Interesse der Wissen
schaftler beweist, von bemerkenswerter Wichtigkeit ist, erscheint es, auf ihre tiefe Bedeutung in nicht nur
demonstrativer, darstellender Hinsicht einzugehen,
sondern sie vor allem in wissenschaftlichem Sinn konstruktiv zu beachten. Man findet hier ein Beispiel
jener monographisch-geographischen Ausstellungen (entweder auf einen Autor oder auf eine Gruppe
von Autoren bezogen, ein bestimmtes Land oder Ge
biet, wie die friiheren Ausstellungen des Globus
museums und unsere ?Mostra Marchigiana del Coro
nelli", Fano, 1950 2), darstellend), deren Notwendig keit, wie wir schon lange behaupten3), ein dringen des Bediirfnis zur Verbreitung geographischen Inter esses und Geistes ist, das leider in gewissen Landern noch ganz fehlt, mit dem Ziel, Grenzen (die sich oft
im Laufe der Zeit durch Einflusse geschichtlicher Fak toren verschieben) der verschiedenen historischen und kulturellen Einheiten im Raume festzuhalten. Viele
dieser Gebiete haben, im modernen, rationalen Sinn,
noch keine genauen Bezeichnungen, aufier in Affir mationen allgemeiner, regionaler Einheitsprinzipien, die oft diskutiert, nicht immer anerkannt und manch mal den Bewohnern nicht bewufit sind.
Diese Ausstellungen, die im allgemeinen einem
Kartographen, oder geokartographischem Material iiber ein bestimmtes Gebiet, oder mehreren Karto
graphen, die sich mit einem bestimmten Gebiet be
fassen, gewidmet sind, waren ein uberaus wichtiger
Beitrag zur Einordnung und Nutzbarmachung alten Materials. Die Kataloge, die streng wissenschaftlich
von geographischen Spezialisten verfalk sind, wiir den zu einem bedeutenden Repertoire und zum Be standsverzeichnis fiir jedes Gebiet und das dort be
wahrte alte kartographische Material. Damit ware
die Moglichkeit von Zweifeln oder Fehlern, bei oft plotzlichen Nachforschungen von seitem nationaler Kulturgemeinschaften fiir kulturelle, nationale oder
internationale Zwecke, ausgeschlossen.
Die Wiener Ausstellung steigt aus diesen Griinden von lokaler Wichtigkeit zu einer grofieren beispiel haften Bedeutung empor. Ing. Haardt und seinen Mitarbeitern, die wieder einmal eine Probe ihrer Or
ganisationsfahigkeit und Liebe zur Geographie ge geben haben, gebiihrt alle Hochachtung. Sie haben eines der schonsten und bedeutungsvollsten Beispiele der Sammlung von Zeugnissen, die auf ein Gebiet bezogen sind, geliefert und wufiten diese Dokumente mit wissenschaftlich-geographischer Einfiihlung dar zustellen. Diese Anerkennung ist um so echter und tiefempfundener, als sie aus Italien kommt, dem Lande, das in seinen wissenschaftlichen Anstalten und
2) F. Bonasera, Vincenzo Coronelli e la Marche ? Cata logo della Mostra Marchigiana del Coronelli ?
Fano, Biblioteca Federiciana 1950.
3) F. Bonasera, Vincenzo Coronelli Geografo, Carto grafo, Costruttore di Globi in ?Miscellanea Francescana",
A I (1951) pp 99?139.
Archiven besonders reich an altem Kartenmatexial
ist, welches von seinen begeisterten Gelehrten stu
diert und in dem gleichen Sinne, wie die Wiener Freunde mit ihrer vornehmen kulturellen Tradition
es tun, ausgearbeitet und verwertet wird.
Francesco Bonasera
IV. Internationaler Kongrefi fiir Anthropologic und Ethnologie Der IV. Internationale Kongrefi fiir Anthropolo gic und Ethnologie wurde vom 1. bis 8. September
1952 in Wien abgehalten. Der Altmeister der deut schen Volkerkunde, Prof. Dr. P. Wilhelm Schmidt (SVD), prasidierte den Vertretern von 51 Nationen
(unter Nichtteilnahme der Oststaaten), deren statt
liche Zahl von etwa 750 Teilnehmern in 20 Sektio nen einige 300 Referate behandelte. Wir beschran ken uns hier auf einen kleinen Ausschnitt der The men, die eine besondere Beziehung zum Problemkreis
der ?Erdkunde" haben.
Eine hervorragende Kennerin der amerikanischen
Altertumskunde, H. M. Wormington (Denver), be richtete iiber ?The Present Status of Studies Pertain ing to Early Man in the New World", vor allem also iiber die Resultate, welche die Radiokarbonmethode bis jetzt fiir die Datierung der Besiedlung Amerikas zeitigte. Die bisherigen Ergebnisse bestatigen die Existenz des Menschen vor mehr als 10 000 Jahren;
Folsomklingen sind vor mehr als 9000 Jahren bis
nach Texas verbreitet gewesen, das Faustkeilmate
rial des Typus Sandia friiher bereits im nordameri kanischen Siidwesten. Wahrend sich fiir manche jiin geren Daten ja teils betrachtliche Korrekturen der bisherigen Zeitansatze ergeben haben, bestatigt also die Radiokarbonmethode bis heute die Annahme, dafi Amerika gegen Ende der Eiszeit besiedelt wurde;
die Ausbreitung des Menschen bis in den Siidkonti nent ist dabei eine verhaltnismafiig schnelle gewesen, da Patagonien schon vor mehr als 8000 Jahren besie delt war. ? Ober die ?Pflanzenwelt des urgeschicht
lichen Menschen" im allgemeinen aufierte sich Elise Hofmann (Wien): ?Wahrend wir hinsichtlich der
Pflanzenwelt des Palaolithikers nur auf sparliche
Holzkohlenreste von seinen Feuerstellen angewiesen
sind, wie Reste von Nadelholzern und wenigen Laub holzern, wir aber iiber die Pflanzen, die ihm als Nah rung dienten, kaum bestimmte Angaben zu machen vermogen, ist unser Wissen iiber die Pflanzen, die sich der Mensch des Neolithikums, der Bronzezeit und Eisenzeit dienstbar zu machen verstand, auf Grund zahlreicher Funde wohl fundiert. Ganz be
sonders wertvolle Auf sehlusse ergeben z.B. die Pfahl baufunde der Schweiz und des Mondsees in Ober osterreich. Ein prachtiges Fundmaterial bietet auch der urgeschichtliche Bergbau im Hallstatter Salz
herg."
Mit dem Menschen in Beziehung zur Tierwelt be fafiten sich mehrere Referate, auf jagerischem Hori zont Kustaa Vilkuna (Helsinki) mit ?Lachsfang als Gesamtproblem". Nach eingehenden Untersuchungen am Bottnischen Meerbusen und seinen Zufliissen sind Fanggerate wie Verfahren je nach der Saison (dem
?Lachs-Fahrplan"), d. h. der Bewegung der Tiere