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Die Forschung fordert ein Grundrecht ein: Offener Zugang zu wissenschaftlichem Wissen ("open access")

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MONATSSCHRIFT FÜR KUNSTWISSENSCHAFT MUSEUMSWESEN UND DENKMALPFLEGE

60. J A H R G A N G N o v e m b e r 2007 HEFT 11

HERAUSGEGEBEN VOM ZENTRALINSTITUT FÜR KUNSTGESCHICHTE IN MÜNCHEN MITTEILUNGSBLATT DES VERBANDES DEUTSCHER KUNSTHISTORIKER E.V

VERLAG HANS CARL, NÜRNBERG

Editorial

Die Forschung fordert ein Grundrecht ein:

Offener Zugang zu wissenschaftlichem Wissen (»open access«)

Derzeit besteht wieder einmal Anlaß, sich um die Zukunft speziell der geisteswissenschaftli­

chen Forschung zu sorgen. Unmittelbare Gefahr droht von Gesellschaft und Politik.

Man schätzt Wert und Nutzen des Geisteswis­

senschaftlers gering und möchte ihn sich als Freizeitunterhalter vorstellen: Vor einiger Zeit konnte die Werbung der Deutschen Post eine

»Speed Academy« erfinden (www.speed-aca demy.de). Aber selbst Institutionen, die Wis­

senschaft und Kultur mittragen, setzen geistige Arbeit und Arbeitszeit des einzelnen Wissen­

schaftlers niedrig an. Auf welchem Niveau hat man vor einiger Zeit die Diskussion über das Arbeitszeitaufkommen der deutschen Hoch­

schullehrer geführt! Die in den Geisteswissen­

schaften verbreitete Arbeitslosigkeit macht jeden ersetzbar; Planstellen werden bei jeder Gelegenheit abgeschafft. Das Hochschulrecht erlaubt z. B. in Bayern den Universitäten, ihre Privatdozenten um Gotteslohn anreisen, leh­

ren und gutachten zu lassen; selbstverständ­

lich müssen sie dennoch Studiengebühren für ihre Kinder zahlen. Dies gilt für alle Geistes­

wissenschaftler. Speziell im Bereich der Kunst­

historiker sind Museumsdirektoren und Amts­

leiter der Versuchung ausgesetzt, Studien­

abgänger mit Kurzverträgen höchstem Leistungsdruck auszusetzen und sie danach wieder in den Wettlauf um den nächsten Aus­

beutungsjob zu entlassen.

Jeder muß sich fragen, ob er nicht zu dieser Marginalisierung unseres Fachs beigetragen hat - Ergebnis hartnäckiger Weigerung, Qua­

litätsnormen zu definieren, oder altgewohnter Verachtung für »Weltliches«. Den allgemeinen Wertbegriffen gemäß dürfte auch kunsthisto­

rische Kompetenz nicht unter Wert behandelt und ohne Honorar zur Verfügung gestellt wer­

den. Gegen die fortschreitende Ökonomisie­

rung von Kultur und Wissenschaft ist der ein­

zelne machtlos.

Die neuen Medien, wirksame Werkzeuge der

Ökonomie, haben mit der Möglichkeit, Texte

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Originalveröffentlichung in: Kunstchronik, 60 (2007), S. 505-507

(2)

Editorial

und Bilder im M o m e n t weltweit zu verbreiten, bisher unbezweifelte Auffassungen v o n geisti­

gem Eigentum in Frage gestellt. Eigentümer und Verwalter von geistigem Eigentum aller Art begreifen dies als C h a n c e , in neuen D i m e n s i o n e n die Z u g a n g s k o n t r o l l e als ein­

trägliches Geschäft zu gestalten, v o m L e o ­ n a r d o - C o d e x bis z u m E - J o u r n a l . Finanziell reglementierter Z u g a n g bedeutet, daß Infor­

mationen zumindest teilweise unter Verschluß g e n o m m e n werden - eine Parallele z u m z u n e h m e n d e n Brauch deutscher Amter, Unter­

lagen unter d e m V o r w a n d v o n Datenschutz

»zum internen G e b r a u c h « abzuschotten. Ein prächtiges Beispie! für kommerzielle Privati­

sierung öffentlichen R a u m e s hat kürzlich Claude M i g n o t mitgeteilt: D i e F o n d a t i o n Le Corbusier erhebt A n s p r u c h auf G e b ü h r e n für jede A b b i l d u n g eines Bauwerks des A r c h i t e k ­ ten;, ein französisches Gesetz läßt die d a z u erforderliche L ü c k e (Droits sur l'image, droit ä l'image: l'image architecturale, Les nouvelles de l'INHA n° 28, M ä r z 2 0 0 7 , S. zf.). Als vor Jahren in Florenz laut über ein V e r m a r k t u n g s ­ m o n o p o l der Brunelleschi-Kuppel nachgedacht wurde, hatte m a n n o c h darüber gelacht.

Wer in den letzten J a h r e n Fotos für die kunst­

historische Forschung bestellte oder u m R e p r o ­ duktionsgenehmigung bat, hat eine starke Bürokratisierung und Preisanstiege in s c h w i n ­ delnde H ö h e n miterlebt. In vielen Fällen gehen sie nicht auf die M u s e e n und Ä m t e r selbst zurück, sondern auf Obrigkeiten, die ihre nachgeordneten Behörden und die ihnen anvertrauten Kulturgüter finanziell ausbeuten wollen. M a n c h e r Eigentümer geht weiter und gibt Bilder überhaupt nicht mehr als F o t o a b ­ zug oder D i a ab, sondern stellt zwecks besse­

rer K o n t r o l l e lediglich Datensätze auf Zeit zur Verfügung. Susan M . Bielstein, die über den Vormarsch exzessiver Bildrechtevermarktung in den U S A informiert, berichtet über einen Fall, d a ß der Bildeigentümer Einsicht in den vorgesehenen K o n t e x t verlangte, aber nach Erfüllung seiner Forderung der C h i c a g o U n i - versity Press die R e p r o d u k t i o n s g e n e h m i g u n g

versagte (Permissions. A Survival Guide. Blunt Talk about Art as Intellectual Property, C h i ­ cago 2 0 0 6 , S. 6). D a n k b a r hervorzuheben ist, daß es nach wie vor eine sehr große A n z a h l Institutionen gibt, die sich d e m häßlichen Trend verweigern, auf sozialverträgliche Preise sehen oder bei wissenschaftlichen Arbeiten ganz auf R e p r o d u k t i o n s g e b ü h r e n verzichten.

Gegen alle Versuche, den Z u g a n g der Ö f f e n t ­ lichkeit zu Quellen und Arbeitsmaterial z u kanalisieren (und ihn dort, w o er längst besteht, zu verschließen), wendet sich » O p e n Access«, eine Bewegung, die in diesem Heft in ihrer Bedeutung für die Kunstgeschichte aus­

führlicher vorgestellt wird. » O p e n Access«

dient als Oberbegriff für unterschiedliche K o n z e p t e , die im Sinne der grundsätzlichen

»Berliner Erklärung« v o m 22. O k t o b e r 2003 den offenen Z u g r i f f auf wissenschaftlich rele­

vante I n f o r m a t i o n e n unterstützen (vgl.

www.open-access.net; ferner: bttp-.llarchiv.

twoday.net/stories/j440j88/). D i e Berliner Erklärung richtet sich ausdrücklich auch an die kulturverwahrenden Institutionen Archive, Bibliotheken, M u s e e n . Unter den kooperieren­

den Institutionen finden sich unter anderen die F U Berlin, die Universitäten v o n Bielefeld, Göttingen und K o n s t a n z , D F G , M a x - P l a n c k - Gesellschaft und Leibniz Gemeinschaft. A u c h das Zentralinstitut für Kunstgeschichte schließt sich der Forderung nach o f f e n e m Z u g a n g an;

die v o n i h m angebotenen oder mitgetragenen Dienstleistungen sind im Internet kostenfrei zugänglich: R D K - w e b (http:// rdk.zikg.net/

gsdl/cgirbin/library.exe), Farbdiaarchiv (ge­

m e i n s a m mit F o t o M a r b u r g : http:llwwiv.

zi.fotothek.org), arthistoricum.net (gemeinsam mit der Universität Heidelberg: http://www.

arthistoricutn.net), u m nicht v o m O P A C der Bibliothek zu reden. A u c h die v o n der Interna­

tionalen Vereinigung der kunsthistorischen Forschungsinstitute ( R I H A ) geplante O n l i n e - Zeitschrift soll kostenfrei zugänglich sein.

Z u den Unterzeichnern der Berliner Erklärung z u m » O p e n Access« gehört nur ein einziges deutsches M u s e u m , die Dresdner Staatlichen 506

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Open Access

Kunstsammlungen; hinzukommen die sechs der Leibniz Gemeinschaft angehörigen For­

schungsmuseen, darunter das Deutsche Museum in München und das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg. Solange aber das Verwalten, Pflegen und Verbreiten kultu­

reller Überlieferung zu den Aufgaben des Staa­

tes gehört, müssen mindestens öffentliche Institutionen auch weiterhin ein genuines Interesse daran haben, die wissenschaftliche Erforschung ihrer Bestände zu fördern statt sie

durch finanzielle Reglementierungen zu behin­

dern. Das gilt in analoger Weise - zumindest moralisch - wohl auch für private Eigentümer.

Herausgeber und Redaktion danken herzlich Klaus Graf, der dieses Heft konzipiert und gestaltet hat. - In Vorbereitung ist ein Beitrag von Sophia Bornhagen: »Kunstwissenschaft und Urheberrecht in der Informationsgesell­

schaft. Urheberrechtliche Hintergründe com­

putergestützter Kunstgeschichte in Deutsch­

land.«

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Referenzen

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