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Archiv "Bürokratiekosten: 600 Informationspflichten für den Vertragsarzt" (25.12.2006)

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A3450 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 51–52⏐⏐25. Dezember 2006

P O L I T I K

N

ach Einschätzungen der OECD und der Weltbank zählt Deutschland zu den Ländern mit der höchsten Bürokratiebelas- tung. Das Gesundheitswesen ist auf- grund der hohen Regulierungsdich- te in besonderem Maße von Büro- kratie betroffen. Die Abschaffung unnötiger Bürokratie ist somit seit

geraumer Zeit eine der Hauptforde- rungen der niedergelassenen Ärzte.

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat – erst- mals in dieser Form – die Bürokratie- kosten in der ambulanten Versorgung mit dem Ziel gemessen,

–die Bürokratiekosten zu quan- tifizieren

—die Hauptkostentreiber zu iden- tifizieren

˜die Verursacher zu benennen.

Mit Unterstützung der KPMG Deutsche Treuhandgesellschaft hat die KVWL das wissenschaftlich und politisch anerkannte Standard-Kos- ten-Modell zur Messung der Büro- kratiekosten eingesetzt. Dieses Ver- fahren wurde bereits erfolgreich in den Niederlanden, Dänemark und Großbritannien angewandt. Auch die Bundesregierung hat sich im Rah- men des Programms „Bürokratieab- bau und bessere Rechtsetzung“ ver- pflichtet, das Standard-Kosten-Mo- dell flächendeckend einzusetzen.

Das Modell geht von der Annah- me aus, dass aus gesetzlichen Rege- lungen Informationspflichten wie Berichts-, Dokumentations- und Meldepflichten mit dazugehörigen Verwaltungstätigkeiten resultieren.

Diese Verwaltungstätigkeiten sind für die Unternehmen mit bestimm- baren Kosten verbunden (Zeitauf- wand mal Tarif). Aus dem Produkt der Kosten und der jährlichen Häu- figkeit ergeben sich die jährlichen Kosten für eine einzelne, durch die Rechtsvorschrift verursachte Akti- vität. (Grafik 1)

Anforderungen von Behörden, Krankenkassen und KVen

Für die Messung der Bürokratie- kosten von Vertragsärzten war es zunächst notwendig, den Bürokratie- kostenbegriff zu spezifizieren. Büro- kratiekosten im Sinne der Standard- kostenmessung wurden definiert als jene Kosten, die einem Vertragsarzt entstehen, um seinen gesetzlich for- mulierten Informationspflichten ge- genüber staatlichen Instanzen und Organisationen (Behörden, Kran- kenkassen, KV) nachzukommen und die nicht in seiner Unternehmerei- genschaft begründet sind.

Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus niedergelassenen Vertragsärzten, Juristen, Verwaltungsexperten der KVWL und Methodenspezialisten von KPMG, identifizierte nahezu 600 Informationspflichten und An- forderungen für den Vertragsarzt.

Diese wurden aus einer Analyse des Sozialgesetzbuches, der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschus- ses, der Bundesmantelverträge sowie

BÜROKRATIEKOSTEN

600 Informationspflichten für den Vertragsarzt

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe hat den

bürokratischen Aufwand in der Arztpraxis gemessen. Die Bürokratie kostet demnach bundesweit jährlich rund 1,6 Milliarden Euro.

Niedergelassene Vertragsärzte klagen über die zunehmende Büro- kratie, die immer mehr Zeit in An- spruch nimmt.

Foto:Georg J.Lopata

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A3452 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 51–52⏐⏐25. Dezember 2006

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der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abgeleitet.

Für jede dieser Informationsan- forderungen wurde ein sogenannter Standardprozess definiert, das heißt eine Abfolge von Tätigkeiten, die zur Erfüllung der Informationsan- forderung notwendig sind. Zur Mo- dellierung der Standardprozesse wurde von einer Liste mit 14 Stan- dardaktivitäten ausgegangen, mit deren Hilfe alle Prozesse zur Erfül- lung von Informationspflichten ab- gebildet werden können (Tabelle).

Einfache, mittelschwere und komplexe Tätigkeiten

Um die benötigte Zeit zu ermitteln, wurde jede Tätigkeit in einer ersten Einschätzung mit einem Zeitwert versehen, je nachdem ob die Tätig- keit als einfach, mittelschwer oder komplex eingestuft wurde. Diese Zeitwerte sowie die Standardprozes- se hat die Arbeitsgruppe überprüft.

Exemplarisch sei auf den Prozess der Erstellung von Erst- und Folgedoku- mentation im Rahmen eines Disease- Management-Programms hingewie- sen (Grafik 2).

Abschließend hat die KPMG den Zeitbedarf der Informationspflich- ten mit den in der KV ermittelten beziehungsweise bekannten Häu- figkeiten multipliziert. Das Ergeb- nis zeigt den zeitlichen Aufwand in den Arztpraxen zur Bewältigung bürokratischer Tätigkeiten. Bewer- tet mit dem Stundensatz für ärztli-

che beziehungsweise Mitarbeiter- tätigkeiten, ergibt sich der Aufwand in Euro für jeden bürokratischen Prozess. Eine Arztstunde wurde nach Berechnung der KBV mit 70,14 Euro bewertet.

Die Bürokratiekosten für das Jahr 2005 betragen für die niedergelasse- nen Ärzte und Psychotherapeuten in Westfalen-Lippe insgesamt 160 Mil- lionen Euro. An der Spitze stehen die Dokumentationspflichten bei geneh- migungspflichtigen Leistungen und

Früherkennungsuntersuchungen. Es folgen die Praxisgebühr, DMP und Krankenkassenanfragen.

Analysiert man die Prozesse im Einzelnen (Grafik 4), entstanden die höchsten Bürokratiekosten im Zu- sammenhang mit der diagnosti- schen Radiologie. Erwartungsge- mäß folgen die „Bürokratieklassi- ker“ Praxisgebühr, Gesundheitsun- tersuchung, DMP und Anfragen der Krankenkassen auf den weiteren Plätzen. Unterstellt man vergleich-

GRAFIK 2

Beispiel: Metaprozess. Dieser Prozess umfasst die Erst- und Folgedokumentation der verschiedenen DMP-Programme:

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einarbeitung/ Empfang von Sammeln von Einschätzung der Eingabe der Durchführung

Ausdrucken Routinebildung Informationen Informationen erforderlichen Informationen von Berechnungen/

der Ergebnisse

Daten Schätzungen

– – m (6 Min.) – m (5 Min.) – –

8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

Kontrolle/ Einholen von

Erklärung/ Senden von

Qualitäts- Informationen Konsultation

Erläuterung Zahlungsweise

Informationen Archivierung sicherung Dritter

– – – – – e (1 Min.) –

Ergebnis 12 Minuten für den mittleren Bericht DMP e = einfach

m = mittel GRAFIK 1

Standardkostenmodell

Gesetzliche Regelungen

Richtlinien, Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften

Informationspflichten und Informationsanforderungen Berichterstattung, Genehmigung, Anerkennung, Bekanntmachung,

Registrierung, Anzeige, Freistellung

Verwaltungstätigkeiten in Unternehmen

Häufigkeit und Anzahl der Betroffenen/Benötigte Zeit und Tarif zur Erledigung der standardisierten Tätigkeiten im Unternehmen

Kosten pro Verwaltungstätigkeit Jährliche Verwaltungstätigkeit (Q) Periodizität

(F) Anzahl der Fälle

(N) Anschaffung

(A) Tarif

(T) Zeit

(H)

Bürokratiekosten = P × Q

× + ×

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bare Werte in den übrigen KV-Be- reichen, so betragen die Bürokratie- kosten bundesweit circa 1,6 Milliar- den Euro pro Jahr, allein für den Einzug der Praxisgebühr rund 220 Millionen Euro.

Die vorliegende Untersuchung hat erstmalig die Bürokratiebelastung von Vertragsärzten transparent ge- macht und quantifiziert. Die jeweili-

gen Normgeber (Bundesregierung, Gemeinsamer Bundesausschuss so- wie Spitzenverbände der Ärzte und Krankenkassen) sind mit der durch- geführten Messung über die größten

„Kostentreiber“ informiert. Sie sind somit in der Lage, die notwendigen Veränderungen zu realisieren.

In einem ersten Schritt sollten insbesondere die Dokumentations-

pflichten bei Vorsorge- und Gesund- heitsuntersuchungen auf Notwen- digkeit und Umfang geprüft wer- den. Weiterhin sind die Dokumen- tationspflichten bei den Disease- Management-Programmen weiter zu vereinfachen. In der psychothera- peutischen Versorgung sollte eine deutliche Verschlankung des Gut- achterverfahrens erwogen werden, da der Aufwand zur Beantragung ei- ner Psychotherapie in keinem Ver- hältnis zu den eigentlichen Kosten der Therapie steht.

Bürokratie-TÜV für künftige Regelungen

Insbesondere wird die Politik sich an ihrem eigenen Versprechen zur Ent- bürokratisierung messen lassen müs- sen. Dazu sollte jedes Jahr bundes- weit ein KV-Bürokratie-Report er- stellt werden, der die Fortschritte do- kumentiert. Ergänzend ist sinnvoll, einen Normenkontrollrat/Bürokra- tie-TÜV für den Gesundheitsbereich im Gesetzgebungs-/Richtlinienge- bungsverfahren zu installieren, der unnötige Bürokratie bei zukünftigen Regelungen verhindert.

Der vollständige Bericht zur Bürokratiekostenmessung unter:

www.kvwl.de. I

Dr. Thomas Kriedel, Thomas Müller Holger Boehnert*

GRAFIK 3

Top 20 der Informationsanforderungen in Mio. AA/p.a.

34,5 19,7

13,7 10,7 8,7 8,0 7,7 6,9 6,3 4,4 3,7 3,6 2,6 2,6 2,3 2,3 2,0 1,6 1,2 Erstdokumentation DMP KHK Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeit für Krankengeldzahlung Erstdokumentation DMP Diabetes Typ 2 Bericht für Gutachter bei Beantragung von Psychotherapie Bescheinigung Arbeitsunfähigkeit Folgedokumentation DMP KHK Verordnung der häuslichen Krankenpflege Dokumentation der Mammographie Anfragen der KK oder des Medizinischen Dienstes Verordnung stationärer Krankenhausbehandlung Dokumentation Kinderuntersuchung Dokumentation bei ambulanten Operationen Folgedokumentation DMP Diabetes Typ 2 Dokumentation der Krebsfrüherkennung Anfragen der KK und MDK zur Arbeitsunfähigkeit Dokumentation Kernspintomographie Dokumentation der Gesundheitsuntersuchung Einbehalt der Praxisgebühr Dokumentation radiologischer Leistungen TABELLE

Standardtätigkeiten und Standardzeiten

Standardtätigkeit Zeitbedarf in Minuten nach Komplexität

einfach mittel komplex

1. Einarbeitung 1 10 21

2. Empfang der Information 1 2 3

3. Sammeln erforderlicher Informationen 1 6 19

4. Einschätzung erforderlicher Informationen und Zahlen/Daten 2 6 15

5. Ausfüllen oder Eingabe der erforderlichen Daten 1 5 9

6. Durchführung von Berechnungen oder Schätzungen 2 5 12

7. Ausdrucken der Ergebnisse 0 3 5

8. Kontrolle und mögliche Korrektur der Ergebnisse 1 12 69

9. Einholen von Informationen Dritter 2 20 100

10. Konsultationen 0 10 34

11. Erklärungen, Erläuterungen 1 14 54

12. Ausführen von Zahlungsanweisungen 1 4 5

13. Senden der Informationen 1 1 5

14. Archivierung der Informationen 1 2 3

* Dr. Thomas Kriedel ist Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen- Lippe, Thomas Müller ist Ressort-Geschäfts- führer der KVWL, und Holger Boehnert ist Prokurist bei der KMPG.

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