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erade angesichts der gegenwärtig laut werdenden Forderungen von Politikern, die Kassenärztlichen Vereinigungen aufzulösen, sei es wichtig, dass sich die Ärzte zu schlagkräftigen Parallelorganisationen wie den Medi- Verbünden zusammenschließen, beton- te der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med.Manfred Richter-Reichhelm, beim 2.
Deutschen Medi-Kongress in Stuttgart am 28. September. Sollten solche Forderungen tatsächlich umge- setzt werden, stünden Organisa- tionen bereit, die zur Vertretung der ärztlichen Interessen bestens geeignet seien. Ein aktuelles Bei- spiel dafür, wie die Politik die kas- senärztliche Selbstverwaltung an den Rand drängen will, sei der Gesetzentwurf zum Risikostruk- turausgleich (RSA). Hier werde den Krankenkassen bei den Dis- ease-Management-Programmen (DMP) die alleinige Planungs- kompetenz zugewiesen, den Ärz- ten werde lediglich das Recht auf Anhörung eingeräumt. Die KBV fordert: Nicht nur die Krankheiten sollen vom Koordinierungsausschuss, einem pa- ritätisch besetzten Organ der gemeinsa- men Selbstverwaltung, definiert werden, sondern auch die Anforderungsprofile für die Disease-Management-Program- me sollen dort entwickelt werden.
In Stuttgart trafen sich die Vertreter der Medi-Verbünde (Nord-Württem- berg, Berlin, Trier) und der Ärztegenos- senschaft Schleswig-Holstein, um Infor- mationen über das bisher Erreichte aus- zutauschen und gemeinsam Strategien für weitere Projekte zu planen. So hat der Medi-Verbund Nord-Württemberg unter Führung von Dr. med. Werner Baumgärtner bereits eigene Orien- tierungshilfen für die Durchführung von Disease-Management-Programmen entwickelt, die den Krankenkassen an-
geboten werden sollen. Bis Jahresende sollen diese Orientierungshilfen für Hy- pertonie, Diabetes, koronare Herz- krankheit und Brustkrebs vorliegen.
Der Medi-Verbund will aber bei DMP nicht selbst als Vertragspartner der Krankenkassen auftreten, sondern es wird ein Vertragsabschluss über die Kassenärztliche Vereinigung ange- strebt. Baumgärtner, Vorsitzender der KV Nord-Württemberg, betonte die
Notwendigkeit, sich entschieden den Einkaufsmodellen von Krankenkassen entgegenzustellen. So stellten die von den Krankenkassen angebotenen Ein- zelverträge zur Akupunktur einen er- sten Versuch dar, solche Einkaufsmo- delle durchzusetzen. Alle Medi-Ärzte in Nord-Württemberg seien vor die Wahl gestellt worden, entweder aus bestehen- den „Dumping-Verträgen“ mit den Krankenkassen auszusteigen oder den Medi-Verbund zu verlassen. „Wer bei der Akupunktur als Medi-Arzt bereits in die Knie geht, fällt bei Disease-Man- agement-Programmen gleich um.“ In einem zweiten Schritt will der Medi- Verbund Verhandlungen mit den Kran- kenkassen aufnehmen, um für die Medi- Ärzte eine bessere Vergütung bei Aku- punktur-Leistungen zu erzielen. An-
dreas Rinck, Vorstandsmitglied der Ärztegenossenschaft Schleswig-Holstein, wies darauf hin, dass es bei einem 50- prozentigen Organisationsgrad nicht einfach sei, sich gegen die Akupunktur- verträge der Krankenkassen durchzu- setzen, solange diese mit den anderen Ärzten eine flächendeckende Versor- gung sicherstellen können.
Mit einer eigenen Pharma-Vertriebs- gesellschaft (Q-pharm AG), mit der Bündelung der Einkaufsmacht bei Pra- xisbedarf, Versicherungen, medizini- schen Geräten et cetera will die Ärzte- genossenschaft Schleswig-Holstein vor allem wirtschaftliche Vorteile an die Genossenschaftsmitglieder weitergeben.
Allerdings hat man hier genauso wie in den Medi-Verbünden die Erfahrung ma- chen müssen, dass es nicht einfach ist, die Mitglieder der Genossenschaft für die günstigen Angebote zu interessieren. Mit einer noch gezielteren Ansprache sollen die Vorteile für den Arzt deutlich ge- macht werden. Verstärkt versucht man sich in Schleswig-Holstein auf dem so ge- nannten Zweiten Gesundheitsmarkt, das heißt bei einem medizinischen Lei- stungsangebot jenseits der Gesetzlichen Krankenversicherung, zu positionieren.
Für den Medi-Verbund Nord-Würt- temberg kündigte Baumgärtner den unmittelbar bevorstehenden Abschluss zweier Verträge mit privaten Kranken- versicherungen an. Diese betreffen den Bereich „ambulantes Operieren“ und ei- nen PKV-Spezialtarif auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Verordnung und Versorgung mit ärztlichen Leistungen.
Vor allem um die Verhandlungsposi- tion gegenüber den gesetzlichen Kran- kenkassen zu stärken, strebt Baumgärt- ner einen gemeinsamen Medi-Verbund für ganz Baden-Württemberg an. Lang- fristig sollten sich die verschiedenen Medi-Verbünde und Genossenschaften bundesweit in einer Dachorganisation zusammenfinden. Thomas Gerst P O L I T I K
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A2552 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 40½½½½5. Oktober 2001
Medi-Kongress
Strategien für gemeinsame Projekte
Mit einer noch gezielteren Ansprache sollen die Vorteile der Medi-Verbünde für den Arzt verdeutlicht werden. Einkaufsmodelle der Krankenkassen stoßen auf Widerstand.
Gegen Einkaufsmodelle von Krankenkassen: Werner Baumgärtner, KV-Vorsitzender von Nord-Württemberg
Foto: Bernhard Eifrig