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Die Produzenten in moralisierten Märkten

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Academic year: 2022

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Nadine Arnold*

Die Produzenten in moralisierten Märkten Producers in Moralized Markets

https://doi.org/10.1515/zfsoz-2019-0005

Zusammenfassung: In Studien zu moralisierten Märkten bildet die Produktionsseite einen blinden Fleck. Dieser Artikel erforscht, wie sich eine moralisch aufgeladene Idee verändert, wenn sie an die Orte der Produktion getragen wird. Unter Bezugnahme auf die neo-institutionalistische Translationstheorie wird untersucht, wie das für morali- sierte Märkte exemplarische Modell des Fairen Handels durch ghanaische Produzentenorganisationen übersetzt wird. Die empirische Studie zeigt, dass die Moralisierung an die Konsumarena gekoppelt ist und die Fairtrade-Idee während ihrer Reise in die Produktionsarena zu einem Treiber der organisationalen Rationalisierung mutiert. Der Artikel erklärt, wie die Synchronität dieser unterschiedli- chen Interpretationen des Fairtrade-Modells sichergestellt wird und beleuchtet die Schattenseiten der intensivierten Organisationsbestrebungen auf der Produktionsseite.

Schlagwörter: Markt; Moralisierung; Organisation; Stan- dards; Translation; Fairtrade.

Abstract: The literature on moralized markets has not paid sufficient attention to the production side. This article ex- amines how a morally infused idea changes if it is carried to the production site. Anchored in neo-institutional trans- lation theory, the article explores how the Fairtrade model is locally translated by Ghanaian producer organizations.

The empirical study shows that the moralization trend is coupled to consumption and that the idea of Fairtrade transforms into a driver of organizational rationalization during its journey to the producers. The article explains how the synchronicity of these different interpretations of the Fairtrade model is ensured and highlights the draw- backs of intensified organizational efforts on the produc- tion side.

Keywords: Market; Moralization; Organization; Stand- ards; Translation; Fairtrade.

1 Einleitung

Infolge einer Moralisierung von Märkten zirkuliert eine Vielfalt von wertgeladenen Ideen zwischen den teilweise weit voneinander entfernten Marktteilnehmern. Während die Konstruktion und Bedeutung moralisch aufgeladener Ideen in der Konsumarena breit erforscht ist (z.  B. Arnold

& Hasse 2016; Fourcade & Healy 2007; Koos et al. 2016;

Schenk et al. 2016; Stehr 2007; Stehr et al. 2006; Thévenot 2015), besteht kaum Wissen über ihre Bedeutung auf der Produktionsseite. In Studien zu moralisierten Märkten bilden die Produzentenorganisationen einen blinden Fleck. Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Artikel der Frage, wie sich eine wertgeladene Idee verändert, wenn sie von der Konsum- in die Produktionsarena ge- tragen wird. Eine Auseinandersetzung mit den Zuliefe- rern von moralisierten Märkten ist notwendig, weil die Sichtweise der Produzentenorganisationen oft verborgen bleibt, obwohl gerade sie und ihr Handeln den Moralisie- rungstrend begründen.

Im Fokus dieses Artikels stehen die Produzentenorga- nisationen, die am Rande der Gesellschaft die moralisch aufgeladenen Ideen umsetzen. Ein Perspektivenwechsel hin zu weniger sichtbaren Organisationen mit geringen Ressourcen wird durch die Standpunkttheorie gefordert, da er zu einer Objektivierung unseres Wissens beiträgt (Harding 1992, 2005) und kritische Analysen von Organi- sationsphänomenen ermöglicht (Adler & Jermier 2005).

Um die Bedeutung einer wertgeladenen Idee für margina- lisierte Produzentenorganisationen zu erforschen, greife ich auf die neo-institutionalistische Translationstheorie zurück. Diese betont, dass zirkulierende Ideen lokal um- geformt werden und ihnen Bedeutungsverschiebungen inhärent sind (Czarniawska & Sevón 2005a; Czarniaws- ka-Joerges & Sevón 1996; Hasse & Passarge 2015; Wedlin

& Sahlin 2017). Auf der Grundlage einer vertieften Aus- einandersetzung mit der Translationsliteratur bestimme ich drei miteinander verbundene Einflussfaktoren für Bedeutungsverschiebungen: 1) die Bedeutungsträger, die die Idee in neue Kontexte transportieren, 2) der soziale

*Korrespondensautorin: Nadine Arnold, Soziologisches Seminar, Universität Luzern, Frohburgstrasse 3, Postfach 4466, CH-6002 Luzern, Schweiz, nadine.arnold@unilu.ch

Unterstützung: Dieser Artikel entstand im Rahmen des durch den Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschungsprojekts

„Standards as Mediators of Governance“ (nr. 164996).

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ihre moralische Komponente und fungiert als Treiber des effizienten und rationalen Organisierens in den alltägli- chen Arbeitsprozessen der Produzentenorganisationen.

Die Fallstudie analysiert diese lokale Übersetzung kritisch und erklärt, wie es zu den unterschiedlichen Interpretatio- nen in der Konsum- und Produktionsarena kommt. Der Be- deutungsträger – ein Zertifizierungsstandard, entwickelt durch eine intermediäre Partei – übersetzt das Fairtra- de-Modell in berechenbare Anreize und Anforderungen, die den organisationalen Aufbau der Produzentenorgani- sationen stärken. Vor Ort koordinieren spezialisierte Or- ganisationsmitglieder die standardkonforme Übersetzung und Rückübersetzung des Fairtrade-Modells, um das für die Partizipation am Fairen Handel notwendige Zertifikat zu erhalten. Zudem begünstigen situative Gegebenheiten der ghanaischen Ananasindustrie eine zweckrationale In- terpretation des Fairtrade-Modells.

Der Artikel bildet den Startpunkt für eine systema- tische Auseinandersetzung mit der bislang vernachläs- sigten Produktionsseite von moralisierten Märkten. Mit dem Argument, dass das Phänomen der Moralisierung die Konsumarena fokussiert und sich in der Produktions- arena als Treiber der organisationalen Rationalisierung entfaltet, trägt der Artikel zu einem realitätsnäheren Ver- ständnis von moralisierten Märkten bei. Die Erkenntnisse sind auch bereichernd für die neo-institutionalistische Translationstheorie, die sich bislang vorwiegend mit uni- lateralen Übersetzungen durch ressourcenstarke Organi- sationen beschäftigt hat. Ergänzend dazu beschäftigt sich dieser Artikel mit marginalisierten Organisationen und be- schreibt einen bilateralen Übersetzungsprozess, bei dem die wertgeladene Idee in der Produktions- und Konsuma- rena zeitgleich auf unterschiedliche Weise interpretiert wird. Damit macht der Artikel die anhaltende Natur von Translationsprozessen empirisch greifbar. Nicht zuletzt sind die Ergebnisse für die Literatur zum Thema Fair- trade von Interesse, denn die Studie beschäftigt sich mit Plantagen und einem Nischenprodukt im Fairen Handel (Ananas), zwei wenig erforschten Sachverhalten.

2  Moralisierte Märkte und die Vernachlässigung der Produktionsseite

Moralisierte Märkte zeichnen sich durch das aktive Auf- greifen von moralischen Bedenken und Verpflichtungen aus, die unter klassisch ökonomischen Gesichtspunkten wenig rentabel erscheinen. Es existiert eine breite Viel- falt an Ideen. Diese reichen von biologisch, transparent, CO2-neutral und fair bis hin zu tierfreundlich. Die Ideen sind allesamt sozial konstruiert und veränderlich (Four- cade & Healy 2007). Sie manifestieren sich in den gehan- delten Produkten und Dienstleistungen, den staatlichen Regulierungen und Sanktionen sowie insbesondere auch in den veränderten Orientierungen und Praktiken der Marktteilnehmer (Stehr 2007). Wie weit diese Verhalten- sänderungen greifen, variiert je nach Marktteilnehmer.

Für Konsumenten und Verkäufer (bspw. Supermarktketten und Einzelhändler) zeigt sich die Moralisierung in einer wertebasierten Wahl der Zulieferer sowie einem teureren Waren- und Dienstleistungsangebot mit gesteigertem mo- ralischem Gehalt.

Die Produzenten hingegen müssen ihr Verhalten auf eine weit grundlegendere Weise verändern. Von ihnen verlangt der Moralisierungstrend weitreichende Verhal- tensänderungen, weil in der Regel die Umstellung ihrer Produktionspraktiken die Moralisierung begründet. So basiert der Anspruch „biologisch“ auf der Durchsetzung von biologischen Anbaumethoden. Die Idee der Tier- freundlichkeit bedingt, dass die Landwirte tiergerechte Ställe mit Auslauf und Stroh bereitstellen. Das heißt, die Produzentenorganisationen setzen die moralisch begrün- deten Ideen in die Praxis um. In einer globalisierten Welt gehören dazu auch Organisationen aus Ländern des Glo- balen Südens, die ihren Handelspartnern Textilien, Elek- trogeräte, Spielzeug oder Rohstoffe und Landwirtschafts- güter liefern. Die Perspektive dieser marginalisierten Produzentenorganisationen bleibt dem Endkonsumen-

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ten gewöhnlich verborgen. In diesem Artikel steht sie im Zentrum.

Bislang besteht wenig Wissen über die Bedeutung von moralischen Ideen für die Produzenten. Studien über die Moralisierung von Märkten fokussieren soziale Be- wegungen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die die moralischen Ideen an Märkte herantragen oder diese neu begründen (Arnold & Soppe 2017; Dubuisson-Quellier 2013; McInerney 2014), ethische Konsumenten (Koos et al.

2016; Micheletti et al. 2004; Stehr 2007) oder professio- nelle Organisationen, welche die Ideen formalisieren und ihre Umsetzung sicherstellen (Arnold & Hasse 2016; Fouil- leux & Loconto 2017). Dabei wird mehrheitlich untersucht, warum und wie moralische Überzeugungen in der Wirt- schaftswelt berücksichtigt werden. Die Sichtweise der Pro- duzenten bleibt hingegen untererforscht. Entsprechende Erkenntnisse sind allerdings gefragt, denn sie geben Auf- schluss über die Rolle von moralisch aufgeladenen Ideen im Alltag derjenigen Akteure, die die moralischen Ideen in Taten umsetzen und die eigentlichen Veränderungen leisten.

In der Standpunkttheorie wird eine Übernahme einer Randperspektive explizit gefordert. Es wird dazu aufge- rufen, „das Alltagsleben von unterdrückten Gruppen als

‚Ausgangspunkt’ zu nehmen und nicht die konzeptio- nellen Bezugsrahmen der herrschenden sozialen Institu- tionen und Disziplinen, die erstere mit den Ressourcen versorgen, die sie zur Verwaltung und Führung der Un- terdrückten brauchen“ (Harding 2005: 34). Ein solcher Perspektivenwechsel ermögliche kritische Analysen und eine Objektivierung des Wissens, weil die Wissenschaft den Standpunkt privilegierter Akteure bevorzuge (Harding 1992). Der Perspektivenwechsel ist hilfreich, um Machtbe- ziehungen zu erforschen (Rolin 2009), und er wird zur Er- gänzung unseres Wissens über Organisationsphänomene gefordert (Adler & Jermier 2005).

3 Der Übersetzungsprozess

Das übergeordnete Thema der neo-institutionalistischen Translationstheorie ist die Bedeutungsverschiebung von zirkulierenden Ideen und Modellen. Vor dem Hintergrund der neo-institutionalistischen Grundannahme, dass my- thenhafte Ideen zwischen Organisationen zirkulieren und dabei – zumindest oberflächliche – Gleichmachungs- tendenzen auslösen (DiMaggio & Powell 1983; Meyer &

Rowan 1977), werden in der Translationstheorie kontext- bedingte Veränderungen und die daraus resultierende Varietät betont (vgl. van Grinsven et al. 2016; Wedlin &

Sahlin 2017). Inspiriert durch die französische Wissen- schafts- und Techniksoziologie von Michel Callon und Bruno Latour sowie Tardes Theorie der Imitation, haben Czarniawska und Sevón (2005b; 1996) die Idee der Trans- lation in die Welt der Organisationen eingeführt. Für sie verdeutlicht das Translationskonzept, dass Objekte und Ideen nicht mechanisch zwischen Organisationen über- tragen, sondern kontinuierlich verändert werden. Das Konzept der Translation geht damit weit über Sprachlich- keit und die linguistische Interpretation hinaus. Es bezieht sich explizit auch auf die nicht-sprachlichen Elemente einer Übersetzung, wie das nachstehende Zitat zeigt:

„[…] the concept of translation is a good way to describe the emergence and construction of various types of connections around the globe exactly because it is polysemous: albeit usually associated with language, it also means transformation and transference. It attracts attention to the fact that a thing moved from one place to another cannot emerge unchanged: to set something in a new place is to construct it anew.“ (Czarniawska

& Sevón 2005: 8)

Aufgrund ihrer intensiven Auseinandersetzung mit Be- deutungsverschiebungen zwischen Organisationen bietet sich die neo-institutionalistische Translationstheorie als leitende Perspektive zur Untersuchung der Bedeutung von wertgeladenen Ideen in den Hinterräumen von mora- lisierten Märkten an. Auf der Grundlage einer systemati- schen Auseinandersetzung mit neo-institutionalistischen Translationsstudien habe ich Faktoren identifiziert, die die Bedeutung einer Idee fortwährend mitformen. Konkret wurden im Zuge einer Systematisierung und Neuordnung von Translationsstudien drei voneinander zu unterschei- dende Faktoren bestimmt. Diese Einflussfaktoren – Be- deutungsträger, sozialer Kontext, lokale Interpretation – werden in Abbildung 1 dargestellt und nacheinander vorgestellt. In der Praxis sind sie miteinander verwoben.

3.1 Bedeutungsträger

Damit Konzepte umgesetzt werden und sich ausbreiten können, müssen sie sich materialisieren und objektivieren (Czarniawska & Joerges 1996: 31–32; Czarniawska & Sevón 2005: 9). Diese Aufgabe übernehmen Bedeutungsträger, die ich als ersten Einflussfaktor für Bedeutungsverschie- bungen bestimme. In der Literatur werden unterschiedli- che Möglichkeiten beschrieben, wie Ideen von einem Ort zum anderen übertragen werden. Individuen mit spezifi- schem Fachwissen erhalten besondere Aufmerksamkeit.

Dazu zählen beispielsweise Unternehmensberater, Fach- personal, Manager oder Wissenschaftler, die als Experten

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Ideen in neue Kontexte einführen (Hedmo et al. 2005;

Hwang & Suarez 2005; Morris & Lancaster 2006; Zilber 2006). Scott (2003) präsentiert eine umfassende Kategori- sierung von Ideenträgern, die über die Rolle von mensch- lichen Akteuren hinausgeht und auch Artefakte, Routinen und Regelsysteme beinhaltet. Letztgenannte sind in Form von Standards, Ratings und Rankings von zunehmen- der Wichtigkeit für die weltweite Ausbreitung von Ideen (Wedlin & Sahlin 2017). Entscheidend ist, dass auch diese nicht-menschlichen Bedeutungsträger nicht neutral sind und die getragene Idee formen (Scott 2003). Bedeutungs-

träger spielen eine besonders wichtige Rolle bei Überset- zungsprozessen über weite Distanzen (Morris & Lancaster 2006), weshalb ihr Einfluss auf die Bedeutung entschlüs- selt werden muss.

In moralisierten Märkten sind intermediäre Parteien, die weder Käufer noch Verkäufer sind, entscheidende Be- deutungsträger. Intermediäre Parteien tragen durch ihre Bewertung der gehandelten Produkte und Dienstleistun- gen zur Organisation von Märkten bei (Ahrne et al. 2015;

Bessy & Chauvin 2013). Standardisierungs- und Zertifizie- rungsorganisationen übernehmen für die Moralisierung

Abb. 1: Der Übersetzungsprozess und die drei Einflussfaktoren Quelle: eigene Darstellung

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von Märkten oft eine zentrale Aufgabe. Sie entwickeln Standards und vergeben die Zertifikate, wodurch sie Pro- dukte und Dienstleistungen auf legitime Weise mit mora- lischen Werten infundieren (Arnold & Hasse 2016). In der Fallstudie gilt es zu untersuchen, inwiefern diese neutral und objektiv anmutenden Bedeutungsträger das Fairtra- de-Modell mitformen.

3.2 Sozialer Kontext

Ideen zirkulieren zwischen Raum und Zeit und diffundie- ren in neue soziale Kontexte. Diese lokalen Rahmenbedin- gungen definiere ich als den zweiten Einflussfaktor für Be- deutungsverschiebungen. Czarniawska und Joerges (1996:

29  f.) betonen, dass diese unsichtbaren Kontexte die Ideen auf entscheidende Weise formen. Verschiedene Studien haben die Kontextabhängigkeit von Bedeutungen em- pirisch bewiesen. Ein illustratives Beispiel sind die kon- textbedingten Bedeutungsveränderungen von Stockfisch.

Stockfisch wird nach Korneliussen und Panozzo (2005) je nach Setting als Bestandteil der Natur, als Handelsware oder gar als Kulturobjekt verstanden. Spezifischer für ab- strakte Modelle zeigt Zilber (2006), dass institutionelle Rahmenbedingungen beeinflussen, wie die Bedeutung des Hightech-Mythos’ lokal modifiziert und übersetzt wird. Darüber hinaus identifizieren Cassell und Lee (2017) lokale Faktoren als ausschlaggebend dafür, dass die von Großbritannien ausgehende Idee der gewerkschaftlichen Bildungsvertreter in Neuseeland vergleichsweise wenig erfolgreich war. Es sind aber insbesondere vergleichende Studien, in denen die Wichtigkeit des institutionellen Set- tings bewiesen wurde. Exemplarisch dafür ist die Arbeit von Djelic (2001) über die Ausbreitung des amerikani- schen Unternehmenskapitalismus’ nach Westeuropa. Sie zeigt, dass das Modell zwischen Frankreich, dem ehemali- gen Westdeutschland und Italien zwar Angleichungen ge- bracht hat, jedoch auch zu nationalen Differenzen geführt hat, die durch kontextuelle Rahmenbedingungen geprägt sind. Eine Untersuchung über Bedeutungsverschiebun- gen muss demzufolge den Einfluss des institutionellen Settings, in das die Idee übertragen wird, berücksichtigen.

Die bisherige neo-institutionalistische Translations- literatur priorisiert die Erforschung von ressourcenrei- chen Organisationen in entwickelten Industrienationen.

Im Fokus stehen folglich organisationale Übersetzungs- prozesse in ressourcenreichen Settings, die sich primär in Europa und Nordamerika befinden. Dazu gehören beispielsweise Übersetzungsprozesse durch Pharmaun- ternehmen in der Schweiz (Hasse & Passarge 2015), Bau- firmen in Großbritannien (Morris & Lancaster 2006), Bil-

dungseinrichtungen (Hedmo et al. 2005) und öffentliche Verwaltungen in Schweden (Sahlin-Andersson 1996) oder aber auch Übersetzungen durch Nonprofit-Organisati- onen in der San Francisco Bay Area (Hwang & Suarez 2005). Obwohl Organisationen in Entwicklungsländern in besonderem Ausmaß Rezipienten von Ideen und Regeln sind (Djelic 2014), wurde bislang kaum untersucht, wie in diesen ressourcenarmen Settings global zirkulierende Konzepte übersetzt werden (als Ausnahme siehe Rotten- burg 1996). In dieser Studie wird untersucht, wie Produ- zentenorganisationen in einem marginalisierten Setting eine breit akzeptierte Idee übersetzen. Dabei ist zu erwar- ten, dass die Ausbreitung in ein Entwicklungsland ausge- prägte Übersetzungsleistungen voraussetzt (Morris & Lan- caster 2006; Rottenburg 1996) und starke Veränderungen der zirkulierenden Idee impliziert (Czarniawska-Joerges &

Sevón 1996: 18–19).

3.3 Lokale Interpretation

Werden die Ideen mit einem neuen sozialen Kontext kon- frontiert, müssen sie in die Praxis umgesetzt beziehungs- weise übersetzt werden. Wedlin und Sahlin (2017: 120–121) beschreiben diese anhaltenden Interpretationen lokaler Akteure als zentralen Bestandteil eines Übersetzungs- prozesses. Ich definiere diese durch die Organisationen geleistete Übersetzungsarbeit als dritten Einflussfaktor für den Übersetzungsprozess. Dieser ist verbunden mit dem zweitgenannten Faktor (sozialer Kontext), weil jede lokale Interpretation in ein externes Setting eingebettet ist. Nichtsdestotrotz unterscheiden sich die beiden Fak- toren – sozialer Kontext und lokale Interpretation – in grundlegender Weise voneinander. Während die lokale In- terpretation durch die Organisationen und ihre Mitglieder gestaltet wird, kann der soziale Kontext nicht manipuliert werden und erscheint den Organisationen als vorgegeben.

Mittels der lokalen Übersetzungsarbeit werden Kon- zepte auf eine Art und Weise adoptiert, die es möglich macht, dass sie mit lokalen Erwartungen, Werten und Vor- stellungen übereinstimmen. Das heißt, dass lokale Akteure die Ideen mittels pragmatischer Übersetzungsleistungen an ihren spezifischen Kontext anpassen. Organisationen übernehmen so beispielsweise die Idee von Strategieplä- nen und Webseiten, doch gestalten sie diese in der Praxis nach ihrem spezifischen Nutzen und ihren individuellen Zielen (Hwang & Suarez 2005). Es existiert eine breite Vielfalt an erfasster Übersetzungsarbeit (Cassell & Lee 2017: 4), doch erfolgt sie gemäß Sahlin-Andersson (1996) unter Berücksichtigung informeller Regeln, über die nicht offen verhandelt wird. Das heißt, dass implizite Regeln die

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aktive Umformulierungs- und Reinterpretationsarbeit be- schränken und leiten. Konzepte verändern demnach ihre Bedeutung auch aufgrund der lokalen, ideenbezogenen Handlungen. Um Bedeutungsveränderungen empirisch zu erfassen, muss folglich auch untersucht werden, wie die Produzentenorganisationen und ihre Mitglieder das Fair- trade-Modell situativ interpretieren und in ihren Kontext integrieren.

Empirische Studien haben gezeigt, dass Organisatio- nen strategische Überlegungen in ihre Interpretationsar- beit einfließen lassen und deshalb von den zirkulierenden Modellen abweichen (vgl. van Grinsven et al. 2016) oder gar komplett mit diesen brechen (Hasse & Passarge 2015).

Diesen Studien ist gemeinsam, dass sie die Übersetzungs- leistungen von Wirtschaftsorganisationen untersuchen, die über gut ausgebildete Mitarbeiter sowie beachtliche finanzielle Ressourcen verfügen. Wie und wer innerhalb von weniger reich ausgestatteten, marginalisierten Or- ganisationen die lokale Interpretationsarbeit leistet und diesbezügliche Entscheidungen trifft, muss in der Fall- studie untersucht werden. Dabei gilt es zu analysieren, ob und wer sich zu sogenannten „obligatory passage points“

(Callon 1984: 198) entwickelt, welche die für die Überset- zung notwendigen Interaktionen vor Ort zusammenfüh- ren und orchestrieren.

4 Fall und Methode

Der Faire Handel, der „auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im interna- tionalen Handel strebt“ (Fair Trade Advocacy Office 2018:

11), zeigt passend zu den wachsenden Verkaufszahlen in den Konsumländern steigende Adoptionsraten durch Produzentenorganisationen in Entwicklungsländern. Seit 2005 hat sich die Anzahl der Produzenten von 508 auf 1.240 Produzentenorganisationen mehr als verdoppelt (Fairtrade International 2006, 2016). Um herauszufinden, wie diese Organisationen die Fairtrade-Idee übersetzten, wurde ein qualitatives Fallstudiendesign gewählt. Ein solches Vorgehen ist typisch für die Untersuchung von Translationsprozessen, da es sich zur Entschlüsselung und Erklärung von vielschichtigen Translationsprozes- sen eignet (Wedlin & Sahlin 2017). Die Ausbreitung der Fairtrade-Idee von der Schweizer Konsumarena hin zu den ghanaischen Ananasproduzenten dient als Untersu- chungsgegenstand. Ananas wird zwischen Ghana und der Schweiz rege gehandelt und, wie nachstehend gezeigt wird, sind sowohl die ghanaische Ananasindustrie als auch der Schweizer Einzelhandel zur Untersuchung der Fairtrade-Idee besonders geeignet.

In der Schweizer Bevölkerung ist die Idee des Fairen Handels stark verankert. Moralische Überzeugungen der

Abb. 2: Schweizer Importe von Ananas aus Ghana und Costa Rica sowie Verkauf von Fairtrade-Ananas in der Schweiz Quelle: Swiss-Impex der Eidgenössischen Zollverwaltung und Max Havelaar (2017)

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Konsumenten sowie die Angebotsgestaltung der Super- marktketten sind verantwortlich für den weltweit höchs- ten Pro-Kopf-Konsum von Fairtrade-Produkten (Schenk et al. 2016). Im Zuge einer kontinuierlichen Sortimentsaus- weitung von Fairtrade-Produkten wird das Fairtrade-Mo- dell seit 2003 auch im Ananas-Handel praktiziert. Die in der Schweiz konsumierte Fairtrade-Ananas stammt aus Costa Rica und Ghana (Max Havelaar 2017). Abbildung 2 zeigt die jährlichen Schweizer Importe von frischer, ge- trockneter oder in Dosen abgepackter Ananas aus Costa Rica und Ghana. Zudem zeigt Abbildung 2, wie sich der Verkauf von frischer Ananas im Jahr 2015 verdoppelt und dabei einen Marktanteil von 43 % erreicht (Max Havelaar 2015) hat. Diese Verdoppelung ist auf die Umsetzung der Fairtrade-Strategie des Schweizer Einzelhändlers Coop zurückzuführen, der einen gutes Drittel des Marktanteils besitzt und seit Februar 2015 Ananas ausschließlich in Fairtrade-Qualität anbietet. Die Reputation seiner beiden Ananaslieferanten – Costa Rica und Ghana – unterschei- det sich stark. Die costa-ricanische Ananasindustrie gilt als schlechtes Vorbild. International renommierte Nicht-Regierungsorganisationen nutzen sie als illustrati- ves Beispiel, um aufzuzeigen „mit welchen dramatischen sozialen und ökologischen Kosten der Anbau tropischer Früchte verbunden ist“ (Humbert & Brassel 2016: 3). Im Unterschied dazu gilt die ghanaische Ananasindustrie als Benchmark für gerechte Arbeits- und Produktionsbedin- gungen beim Anbau tropischer Früchte (Addoah & Sule- mana 2016).

Die Vorzeigerolle der ghanaischen Ananasindustrie ist auf die starke Durchdringung des Fairtrade-Modells zurückzuführen. 2016 konnten alle sechs Großplantagen (Jei River Farms, Milani Ltd, Prudent Exports Farms, Gold Coast Fruits Limited, Bomarts Farms Ltd, Georgefields Farms Ltd), die sich am Ananasexport beteiligen, Fairtra- de-qualifizierte Ananas anbieten. Diese eminente Präsenz des Fairtrade-Modells bildet einen wichtigen Grund dafür, weshalb sich die ghanaische Ananasindustrie zur Erfor- schung lokaler Übersetzungsleistungen eignet. Zudem halten ghanaische Ananasproduzenten nicht nur einen marginalisierten Standpunkt innerhalb internationaler Warenketten, sie widerspiegeln auch eine Randpers- pektive innerhalb des Fairtrade-Systems. Im Fokus des Fairen Handels und der entsprechenden Literatur stehen die klassischen, umsatzstarken Produkte (Kaffee, Kakao, Bananen, Blumen), wohingegen jüngere Randprodukte (Gewürze, Reis, Honig, Ananas etc.) kaum Aufmerksam- keit erhalten (Goodman et al. 2012). Die vielfältige wissen- schaftliche Auseinandersetzung mit der ghanaischen An- anasindustrie liefert den dritten Grund, weshalb diese sich als Untersuchungsgegenstand anbietet. Aufgrund ihres

imposanten Wachstums und dem noch imposanteren Zerfall in den 2000er Jahren haben sich Geografen (Fold

& Gough 2008; Ouma 2015), Forscher der Entwicklungs- politik (Suzuki et al. 2011; Whitfield 2012), Ökonomen (Vagneron et al. 2009) und internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen (Addoah & Sulemana 2016; Danielou & Ravry 2005; FAO 2013) eingehend mit der ghanaischen Ananasindustrie auseinandergesetzt. Ihre Publikationen liefern wichtige Hintergrundinformationen für die Fallstudie. Dazu gehören Angaben über die in der Industrie operierenden Produzenten und ihre Exporttätig- keiten (FAO 2013; Ouma 2015; Suzuki et al. 2011; Whitfield 2012) sowie Analysen über die veränderten Ansprüche der ausländischen Käufer und ihre Folgen (Fold & Gough 2008; Vagneron et al. 2009).

Translation ist ein anhaltender und unabgeschlosse- ner Prozess (Callon 1984; Czarniawska & Sevón 2005; Czar- niawska-Joerges & Sevón 1996). Nichtsdestotrotz werden die gesammelten Daten (und später auch die empirischen Befunde) zur besseren Verständlichkeit in Bezug auf den Ausgangs- und Endpunkt des Übersetzungsprozesses präsentiert. Diese Darstellung könnte fälschlicherweise den Eindruck eines abgeschlossenen Prozesses hervorru- fen. Sie ist aber hilfreich, um die Sammlung und Analyse der Daten auf nachvollziehbare Weise darzustellen (vgl.

Abb. 3). Für die verschiedenen Untersuchungssettings wurden die Daten gemäß den praktischen Gegebenheiten erhoben, wobei das gesammelte Datenmaterial mittels der Software MaxQDA gebündelt und ausgewertet wurde.

In einem ersten Schritt wurde die Bedeutung des Fairen Handels in der Schweizer Konsumarena bestimmt.

Ergänzend zu bestehenden Studien über die Rolle des Fairen Handels in der Schweiz (Arnold 2017; Arnold &

Soppe 2017; Mahé 2010; Schenk et al. 2016) wurden spe- zifische Informationen über die Bedeutsamkeit und die Schwierigkeiten des Fairtrade-Systems für den Import und Verkauf von frischer Ananas gesammelt. Dazu wurden Ex- perteninterviews (Meuser & Nagel 2009) mit Abnehmern von Fairtrade-Ananas aus Ghana sowie der Koordinato- rin einer internationalen Kampagne für fair gehandelte Ananas durchgeführt. Weil Bilder und textuelle Informa- tion für die Bedeutungskonstruktion der Fairtrade-Idee entscheidend sind (Goodman et al. 2012: 203–233), wurden die Interviews mit Informationen aus Werbevideos sowie Bildern und Dokumenten über Fairtrade-Ananas (Artikel in Zeitungen und Magazinen, Poster, Plakate) trianguliert.

Wie es für moralisierte Lebensmittelmärkte charakte- ristisch ist, wird die Fairtrade-Idee mithilfe eines Zertifi- zierungsstandards aufgebaut und durchgesetzt (Arnold &

Hasse 2016; Thévenot 2015). Der Zertifizierungsstandard bildet damit den zu untersuchenden Bedeutungsträger.

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Die darin vorausgesetzten Standards werden durch die internationale Dachorganisation Fairtrade International entwickelt. Die formal unabhängige Zertifizierungsorga- nisation FLO-Cert kontrolliert ihre Umsetzung und vergibt die Zertifikate (Loconto 2017). Fairtrade International und FLO-Cert sind intermediäre Parteien, die sich am Ananas- handel nicht beteiligen, aber die Werte der gehandelten Produkten mitformen (Bessy & Chauvin 2013). Die von ihnen entwickelten Regelwerke sowie die erklärenden Do- kumente über den Inhalt der Standards, den Ablauf der Audits und die Zertifikatsvergabe, wurden gesammelt und ausgewertet. Eine Analyse von Form und Inhalt dieser Do- kumente ist aufschlussreich um nachzuzeichnen, wie die Fairtrade-Idee „transportierbar“ gemacht wird. Mit dem Ziel, eine reduzierende und überschaubare Zusammenfas- sung der Regulierungsgegenstände zu generieren, wurde der Inhalt mittels induktiver Kategorienbildung qualitativ analysiert (Mayring 2008).

Um zu verstehen, wie die Produzentenorganisationen die Fairtrade-Idee in ihrem Alltag übersetzen, wurden fokussierte Ethnographien durchgeführt (Knoblauch 2005). Im Zentrum der Aufmerksamkeit standen dabei die „interaktiven Koordinationen von Arbeitsaktivitäten“

(Knoblauch 2017: 132), welche die Adoption des Fairtra- de-Modells auslösen und bedingen. Durch den Fokus auf Produzentenorganisationen war nicht der individuelle, sondern der kollektive Standpunkt von Arbeitern und Kleinbauern von Interesse, wodurch nicht zuletzt die Da- tensammlung erleichtert wurde (Rolin 2009).

Eine vorausgehende detaillierte Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Eigenheiten der ghanaischen Ananasindustrie (Addoah & Sulemana 2016; Danielou &

Ravry 2005; FAO 2013; Fold & Gough 2008; Vagneron et al. 2009; Whitfield 2012), untermauert durch eine theore- tische Orientierung, haben eine fokussierte Datensamm-

lung auf vier Fairtrade-zertifizierten Ananasplantagen ermöglicht. Ein erfolgreicher Feldzugang wurde sicherge- stellt, indem vorausgehend potenziell geeignete Ananas- produzentenorganisationen identifiziert wurden. Hierzu gehörten zwei Plantagen, die einen fixen Bestandteil ihrer Ernte zu Fairtrade-Konditionen in die Schweiz exportie- ren. Beide Produzentenorganisationen wurden kontak- tiert, um das Forschungsvorhaben zu klären und einen effektiven Feldzugang zu garantieren. Vor Ort wurde ein Zugang zu zwei weiteren Ananasplantagen sowie den als Fairtrade-zertifizierten Ananaskooperativen aufgebaut.

Als Resultat dieses Feldzugangs konnten fokussierte Eth- nographien auf vier der aktuell sechs operativ tätigen An- anasplantagen sowie auf allen als Fairtrade-zertifizierten Ananaskooperativen durchgeführt werden. Die Aktivitä- ten, Organisierungsformen sowie die beschriebenen Her- ausforderungen und Probleme ähnelten sich auf allen vier Plantagen erheblich. Es kann deshalb davon ausgegangen werden kann, dass zusätzliche Feldarbeit auf den zwei nicht besuchten Plantagen keine fundamental divergie- renden Erkenntnisse geliefert hätte.

Ethnographische Feldarbeit beinhaltet die Teil- nahme an Alltagsaktivitäten und den damit verbunde- nen Konversationen (Humphreys et al. 2003). Weil sich an der Übersetzung der Fairtrade-Idee viele Personen mit unterschiedlichen Tätigkeiten beteiligen, wurden ver- schiedene Aktivitäten, wie beispielsweise das Anbauen, Ernten oder Verpacken der Ananas, aber auch das Ab- halten von Versammlungen oder die Durchführung von Trainings beobachtet. Dabei wurden auf den besuchten Plantagen informale Interviews mit Plantagenbesitzern, Geschäftsführern, Produktions-, Qualitäts- oder Nachhal- tigkeitsverantwortlichen sowie Arbeitern durchgeführt.

Im Kontext der Kleinbauernkooperativen wurden infor- melle Interviews mit Kleinbauern sowie Mitgliedern des

Abb. 3: Überblick Datenmaterial Quelle: eigene Darstellung

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Führungsgremiums (Sekretär, Schatzmeister und Prä- sident) geführt. Die besuchten Orte, wo die informellen Interviews stattgefunden haben, waren so divers wie die Interviewpartner. Sie umfassten offene Felder, Kantinen, technologisierte Lagerhallen, klimatisierte Büros, oft auch Geländewagen und selten Traktoren. Im Fokus der Gespräche standen der Umgang und die Erfahrungen mit der Fairtrade-Initiative. Gestützt durch Erkenntnisse aus Fairtrade-Wirkungsstudien gibt die ethnographische Feld- arbeit Aufschluss darüber, wie lokale Akteure die Fairtra- de-Idee situativ übersetzen und neu von innen aufbauen.

Zudem liefert sie Hinweise auf kontextuelle Rahmenbe- dingungen, die mit Informationen aus wissenschaftlichen Artikeln abgeglichen wurden.

5  Die Übersetzung der Fairtrade-Idee

Im ersten Abschnitt wird die Bedeutung der Fairtrade-Idee in der Schweizer Konsumarena rekonstruiert. Im zweiten Abschnitt wird herausgearbeitet, wie sich die moralisch aufgeladene Idee im Zuge ihrer Reise in die ghanaische Ananasindustrie verändert.

5.1 Konsumarena

Im Februar 2015 teilte die Supermarktkette Coop mit, dass der Verkauf und Konsum von frischer Ananas von nun an dem Prinzip der Fairness unterliegen. Auf Postern ließ der Einzelhändler verlauten: „Da schau her: Alle unsere frischen Ananas werden fair gehandelt“ (Kampagnenma- terial Coop 2016). Die Grundlage für diese Moralisierung bildet das Fairtrade-Label. Es wurde auf dem Plakat ab- gedruckt und ist auf den Etiketten zu sehen, die an den Ananaskronen befestigt werden. Das Label wird durch die Max-Havelaar-Stiftung vergeben, die als Mitglied von Fairtrade International das Fairtrade-Modell gegenüber Schweizer Unternehmen und Konsumenten vertritt. Hier verfügt das Fairtrade-Label über eine hohe Bekanntheit, wie ein Schweizer Ananasimporteur zusammenfasst:

Sie [die Max Havelaar Stiftung] haben, glaube ich, 97 % Be- kanntheit in der Schweiz. So etwas, ist mörderisch. […] ja klar, sie müssen dann natürlich auch Sachen versprechen: bessere Lebensbedingungen, bessere Arbeitsbedingungen. Und das Ver- sprechen ist natürlich hoch, das sie abgeben. Das ist sehr hoch.

(Interview 25.02.2016)

Passend dazu und bezüglich des internationalen Ananas- handels erklärt ein Mitarbeiter der Supermarktkette Coop in einem Werbefilm über die Wirkung des Fairtrade-Mo- dells:

Seit Februar haben wir [Coop] jetzt auch noch die Ananas zu 100 % auf Fairtrade Max Havelaar umgestellt. Dies hilft direkt die Arbeits- und Lebensbedingungen der Kleinbauern und Plantagenarbeitern zu verbessern. (Werbefilm Coop, Taten statt Worte 251)

Im Anschluss an eine konstante Ausbreitung des Fairtra- de-Modells im Schweizer Einzelhandel seit den 1990er Jahren (Arnold 2017) wird folglich seit 2015 auch der An- anashandel und -konsum mit moralischem Wert infun- diert. Dabei präsentieren die Einzelhändler das durch Fairtrade International definierte Handelskonzept als wertrationales Projekt zugunsten von marginalisierten Kleinbauern und Arbeitern, bei dem die Erfüllung von gesellschaftlich verankerten Werten (Fairness und Ge- rechtigkeit) im Vordergrund steht (Weber 1980). Passend dazu ist auch der Fairtrade-Konsum vorwiegend wertra- tional begründet (Nessel 2016: 230). Gemäß Schenk et al.

(2016) lassen sich Schweizer Konsumenten beim Kauf von Fairtrade-Produkten in besonderem Ausmaß durch mora- lische Überzeugungen leiten. Als moralisch aufgeladenes Projekt startet die Fairtrade-Idee somit seine Reise an die Orte der Produktion.

5.2 Produktionsarena

Die empirischen Befunde über den Übersetzungsprozess wird in Bezug auf die identifizierten Einflussfaktoren prä- sentiert: Bedeutungsträger, sozialer Kontext, lokale Inter- pretation.

5.2.1  Bedeutungsträger: Der Zertifizierungsstandard codiert das Fairtrade-Modell in finanzielle Anreize und reproduzierbare Erwartungen

Die Fairtrade-Idee ist aufgrund von Schweizer Kunden- ansprüchen in der ghanaischen Ananasindustrie aufge- griffen worden. Dies bezeugt ein Ausschnitt aus einem In- terview mit einem Ananasimporteur, der sich am Aufbau der ersten als Fairtrade-zertifizierten Ananasplantage in Ghana beteiligt hat:

Befragter: Irgendwann sind wir zu dritt zusammengesessen […]

und haben beschlossen, dass wir die Farm ausbauen […] und dass wir diese Fairtrade-Zertifizierung machen.

(10)

lich übernommen, um einen neuen Kunden zu gewinnen und weitere Absatzkanäle zu erschließen.

Allgemein übersetzt der Zertifizierungsstandard das Fairtrade-Modell in berechenbare, finanzielle Anreize.

Dazu gehören ein garantierter Mindestpreis und eine zu- sätzliche Prämie, die von den Kleinbauern und Plantagen- arbeitern eigenständig investiert wird. Aufgrund dieser durch den Zertifizierungsstandard präzisierten finanziel- len Anreize ist der Fairtrade-Markt für Produzentenorga- nisationen ökonomisch lukrativ und gilt als „top market“

(Feldnotizen 18.05.2016).

Um den Zugang zum finanziell vorteilhaften Fairtra- de-Markt zu erhalten, müssen die Ananasproduzenten die Zertifizierungsstandards umsetzen. Das heißt, die Ananas- plantagen müssen freiwillig die Regeln von Fairtrade In- ternational befolgen und sich darauf aufbauend durch die Auditoren von FLO-Cert zertifizieren lassen. Dazu definiert Fairtrade International reproduzierbare Erwartungen.

Die Auswertung der Standards für die Produzentenor- ganisationen (Standard für Kleinbauerkooperativen, Stan- dard für die Beschäftigten auf Plantagen) und die daraus resultierende Abbildung 4 zeigen, dass die Regelkataloge drei thematische Schwerpunkte aufweisen. Die am we- nigsten vertretene Kategorie definiert Verpflichtungen.

Dabei werden Bekenntnisse zu bestimmten Zielen, Prinzi- pien oder gesetzlichen Vorschriften gefordert. Produzen- tenorganisationen müssen sich beispielsweise zu Frauen- und Arbeiterrechten bekennen, sich für eine Optimierung der Wassernutzung und den Schutz von Tieren und selte- nen Arten einsetzen sowie die Landrechte der indigenen Bevölkerung und Gewerkschaften anerkennen. Die zweite Kategorie fordert oder untersagt bestimmte Handlungen innerhalb der Produzentenorganisation. Die Produzen- tenorganisationen müssen beispielsweise Trainings für ihre Mitarbeiter durchführen, interne Informations- und Aufklärungsarbeit leisten, Infrastruktur bereitstellen oder dürfen keine körperlichen Bestrafungen vollziehen.

Im Unterschied zu dieser zweiten Kategorie ist die dritte und meistvertretene Kategorie ausschließlich organisa-

weitere Sub-Kategorie legt den Fokus auf die Mitglieder und definiert Anforderungen an die Arbeitsbedingungen und die organisatorischen Aufgaben der Mitglieder der Kooperative. Die letzte Sub-Kategorie befasst sich mit Fi- nanzen und organisiert den Umgang mit Geld sowie die Gestaltung der Saläre und die Verwendung der Prämie.

Regellisten sind aufschlussreiche Informationsträger, doch ihre Lektüre ist langweilig (vgl. Star 1999). Deshalb ist davon auszugehen, dass die einzelnen Organisations- mitglieder diese Regeln kaum lesen. Damit der für sie re- levante Inhalt dennoch bis zu ihnen vordringt, stellt Fair- trade International weiterführende Unterlagen bereit, die die abstrakten Regeln auf allgemein verständliche Weise illustrieren. So hängt beispielsweise im Eingangsbereich einer Lagerhalle an prominenter Stelle über den Abwasch- becken ein Poster, das über die Rechte der Arbeiterschaft informiert. Veranschaulicht mit farbigen Bildern und dem Fairtrade-Logo steht geschrieben:

Mit dem Beitritt zu Fairtrade hat das Unternehmen, für das Sie arbeiten, zugestimmt, alle Ihre Rechte gemäß den internationa- len und nationalen Gesetzen sowie den Fairtrade Standards zu respektieren. Ihre Rechte bei der Arbeit umfassen: Mindestlohn, Arbeitsvertrag, angemessene Arbeitszeit, bezahlter Urlaub. Sie sind nicht zur Arbeit gezwungen, sie werden fair behandelt, keine Diskriminierung, keine Kinderarbeit, Ihr Arbeitsbereich ist sicher, sicherer Einsatz von Pestiziden, Wohnraum, Rechte für Hilfsarbeiter, Gewerkschaften. (Text kopiert und übersetzt von einem Poster, fotografiert am 16.03.2017).

Der letztgenannte Punkt (Gewerkschaft), wird durch den Geschäftsführer einer Plantage als entscheidende Wirkung des Fairtrade-Modells ausgewiesen:

Früher hätten sie einfach immer gearbeitet, bis die Arbeit gemacht war […]. Seit sie jetzt die Gewerkschaften haben, schauen sie viel besser auf die Arbeitszeiten. Jetzt hätten sie viel weniger Absen- zen und die Arbeiter sind motivierter zum Arbeiten. Jedenfalls schaffen sie jetzt in weniger Zeit gleich viel zu produzieren, wie sie es früher geschafft haben. (Feldnotizen 26.05.2016)

(11)

Die Wirkung des Fairtrade-Zertifizierungsstandards auf die Organisierung von Plantagen ist nur ungenügend er- forscht (Darko et al. 2017: 33), doch zeigen Wirkungsstu- dien zu Kleinbauernkooperativen, dass die Adaption des Fairtrade-Modells den Organisierungsgrad entscheidend stärkt (Darko et al. 2017; Ruben & Zuniga 2011). Angesichts der Resultate aus der Inhaltsanalyse der Regelwerke (vgl.

Abb. 4 und Abb. 5) scheint der Ausbau organisationaler Strukturen wenig erstaunlich. Auch die ethnographische Feldarbeit liefert unterstützende Beweise. In einer La- gerhalle erklärte ein Manager, dass die Partizipation am Fairtrade-Markt nicht nur ökonomische Vorteile bringt, sondern vor allem auch die Produzentenorganisation stärkt: „Wir wollen den Fairtrade-Markt beliefern. So können wir planen und wir kennen den Preis. Es gibt Sta- bilität. […] Fairtrade stabilisiert auch die interne Organisa- tionsstruktur“ (Feldnotizen 19.05.2016).

Die Aussage des Managers illustriert zusammenfas- send, wie die Bedeutung des Fairtrade-Modells durch den Transport via Zertifizierungsstandard geformt wird. Der Bedeutungsträger codiert die Fairtrade-Idee in finanzielle Anreize (Prämie und Mindestpreis) und bestimmt reprodu- zierbare Erwartungen an die Produzentenorganisationen.

Diese fokussieren die Entwicklung von transparenten, formal gut strukturierten und verantwortlichen Produzen- tenorganisationen. Kurzum, der Zertifizierungsstandard gibt der wertgeladenen Fairtrade-Idee eine rationale Form (Boli 2006). Diese Übersetzung ermöglicht einen effizien- ten Transport zu den ghanaischen Produzentenorganisa-

tionen. Dort vereinfacht der Zertifizierungsstandard ihre Reproduzierbarkeit, während die Fairtrade-Idee in der Konsumarena ihre vergleichsweise diffuse moralische Be- deutung behält.

5.2.2  Sozialer Kontext: In der Krise ist das Fairtrade- Modell ein berechenbares Instrument zur Sicherung des organisationalen Überlebens Das Fairtrade-Modell wird von zwei unterschiedlichen Or- ganisationstypen – Kleinbauernkooperativen und Planta- gen – umgesetzt. In Ghana produzieren sowohl Plantagen als auch Kleinbauernkooperativen Ananas. Von der golde- nen Ära der ghanaischen Ananasindustrie in den 1990er und den frühen 2000er Jahren haben beide Organisations- modelle profitiert. Plantagen steigerten ihre Umsätze und haben dazu verstärkt Ananas von umliegenden Kleinbau- ern eingekauft (FAO 2013; Fold & Gough 2008). Ghana ist zwar als das Land bekannt, das 1957 als erste afrikanische Nation die Unabhängigkeit erhielt, doch bleibt es von ko- lonialen Strukturen geprägt und konzentriert seine Wirt- schaft auf den Export von Rohstoffen und Agrarproduk- ten wie Kakao, Gold oder Diamanten (Osei 1999). Passend dazu fokussiert auch die ghanaische Ananasindustrie den Export. Zu seiner Förderung sind die Ananasplantagen als Freizonen organisiert, wodurch der Export dank Steuerer- leichterungen besonders lohnenswert ist. Der Lokalver- kauf hingegen gestaltet sich schwierig und wenig lukrativ.

Abb. 4: Thematische Schwerpunkte in den Fairtrade-Standards für Produzentenorganisationen

Quelle: eigene Analyse der aktuell gültigen Standards für Beschäftigte auf Plantagen (2014) und für Kleinbauernkooperativen (2011)

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Diese Konzentration auf den internationalen Export ist mit Risiken verbunden, wie sich nach der Millenniumswende gezeigt hat.

Mitte der 2000er Jahre entwickelte der Großkonzern Del Monte in Costa Rica eine neue Ananassorte (MD-2), die Supermärkte als qualitativ besser bewerteten als die in Ghana angebaute Smooth Cayenne (Fold & Gough 2008).

Die meisten ghanaischen Ananasproduzenten verpassten die nötigen Investitionen für den Sortenwechsel (Whitfield 2012), sodass die ghanaischen Exportzahlen drastisch ein- brachen. In der Europäischen Union ist der Marktanteil von ghanasicher Frischananas von 10 % im Jahr 2004 auf 4 % im Jahr 2011 gesunken (FAO 2013: 36). Von der Krise waren insbesondere Kleinbauern und ihre Kooperativen betroffen, die ihre Position in der Ananaskette einbüßten und die Ananasproduktion oft komplett einstellten (Fold

& Gough 2008). Allerdings litten auch die exportierenden Plantagen unter der Krise und nur wenige Unternehmen haben die Krise überlebt (Whitfield 2012).

Aufgrund dieser Krise, der generell unberechenbaren Agrarpolitik, fehlender Investitionen und einer unzurei- chenden Infrastruktur wurden das Fairtrade-Modell und die durch seinen Zertifizierungsstandard vermittelten fi- nanziellen Anreize von den Ananasplantagen bereitwillig angenommen. In diesem Sinne hat auch die internationale Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Verein- ten Nationen (FAO) die ökonomischen Vorteile des Fairen Handels betont und den Fairtrade-Markt als mögliche Überlebensstrategie für ghanaische Ananasplantagen aus-

gewiesen (FAO 2013). Für die Ananasproduzenten verkör- pert die Fairtrade-Idee folglich weniger die Durchsetzung fairer Arbeits- und Handelsbedingungen als viel grundle- gender eine Stütze für das organisationale Bestehen.

Wirkungsstudien haben allerdings gezeigt, dass die finanziellen Vorteile des Fairtrade-Modells für die Produ- zentenorganisationen oft nur dann sichtbar werden, wenn die Handelspreise unter den definierten Mindestpreis fallen (Darko et al. 2017: 15–17). Zudem hat die Feldar- beit gezeigt, dass die Produzentenorganisationen oft nur einen geringen Anteil ihrer Ernten zu Fairtrade-Konditio- nen verkaufen können. Aus diesen Gründen werden die finanziellen Vorteile sorgfältig mit den anfallenden Kosten abgeglichen. Zu den fixen Kosten gehören die finanziellen Aufwände für die Zertifizierung (ca. 3.5000 Euro pro Plan- tage). Die anderweitigen Aufwände für die Umsetzung der Standards fallen situativ unterschiedlich aus.

Die Aufwände für die Umsetzung des Fairtrade-Mo- dells werden verringert, wenn die Produzentenorgani- sation andere Zertifizierungsstandards befolgt (Ruben &

Zuniga 2011). Im Fall der ghanaischen Ananasproduzenten hat der private Zertifizierungsstandard für Lebensmittelsi- cherheit, GlobalGAP, die Adoption des Fairtrade-Modells erleichtert. Die Befolgung der GlobalGAP Zertifizierungs- standards ist Voraussetzung für den Export und wird von allen exportierenden Plantagen umgesetzt, während er für die Kleinbauern ein Hindernis für die Teilnahme am internationalen Handel darstellt (Whitfield 2012; Williams et al. 2018). Weil die exportierenden Plantagen allesamt

Abb. 5: Sub-Kategorien des thematischen Schwerpunkts „interne Organisierung“ in den Fairtrade-Standards für Produzentenorganisationen Quelle: eigene Analyse der aktuell gültigen Standards für Beschäftigte auf Plantagen (2014) und für Kleinbauernkooperativen (2011)

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den GlobalGAP Zertifizierungsstandard umgesetzt hatten, war die Adoption der Fairtrade-Standards für Plantagen mühelos, wie der Manager des Dachverbands der exportie- renden Ananasproduzenten (Sea-freight pineapple expor- ters of Ghana) zusammenfasst:

Die Umsetzung der Fairtrade-Standards sei nicht eine grosse Heraus forderung gewesen für die Farmen. Wegen der GlobalGAP Standards war vieles schon gemacht und bereitgestellt. […] So war es eben sehr einfach für sie [die exportierenden Plantagen]

die Fairtrade-Standards umzusetzen. (Feldnotizen 21.03.2017)

Es unterscheiden sich jedoch nicht nur die Aufwände für die praktische Umsetzung des Fairtrade-Modells, auch der prognostizierte Nutzen des Fairtrade-Modells variiert.

Dieser fällt für diejenigen Produzentenorganisationen besonders gering aus, die nur einen minimalen oder gar keinen Anteil ihrer Ernte zu Fairtrade-Konditionen verkau- fen. Hiervon sind besonders die Kleinbauernkooperativen betroffen, die vergleichsweise kleine Produktionsvolumen generieren und deshalb von den Käufern aus Übersee als unattraktive Lieferanten bewertet werden. Kleinbauernko- operativen können folglich aufgrund ihrer Erntevolumen, die im Vergleich zu denjenigen von Plantagen gering und instabil sind, nur selten am internationalen Handel teil- nehmen. Weil sich das hier besprochene Fairtrade-Modell auf den internationalen Handel beschränkt, werden damit die Chancen, vom Fairen Handel zu profitieren, für Klein- bauernkooperativen von Beginn an drastisch verringert. In diesem Sinn antwortet ein erfahrener Plantagenmanager auf die Frage, warum eine gut funktionierende Koopera- tive nicht am Fairen Handel partizipiert, folgendermaßen:

[…] dass die […] Kooperative auf jeden Fall eine Fairtrade- Zertifizierung machen könnte, aber das würde sich halt nicht rentieren. Das Problem sei einfach, dass sie nicht viel in Fair- trade-Qualität verkaufen könnten. Manchmal würden die Ko- operativen große Anstrengungen machen, um die Fairtrade-Zer- tifizierung zu erhalten, aber dann könnten sie nur 20 % unter Fairtrade-Bedingungen verkaufen. [Die zwei als Fairtrade-zer- tifizierten Ananaskooperativen] hätten beide genau dieses Problem. (Feldnotizen 25.05.2016)

Es gibt jedoch auch Plantagen, für die der Nutzen des Fair- trade-Modells zu gering ausfällt. In einem Gespräch mit einem Unternehmensleiter über die vielfältigen Probleme der Ananasindustrie stellte sich die Frage, ob Fairtrade eine Lösung aus der Krise sein könnte. Daraufhin lachte der Unternehmensleiter und meinte ernst, „dass sie keine Fairtrade-Kunden mehr hätten und bereits 2016 freiwil- lig die Dezertifizierung eingeläutet hätten“ (Feldnotizen 23.03.2017). In der Praxis bedeutet die Dezertifzierung, dass die besagte Plantage formal nicht mehr als Fairtra-

de-zertifiziert gilt, damit sie die Zertifizierungskosten einsparen kann. Tatsächlich befolgt sie die Zertifizie- rungsstandards aber weiterhin, denn würde das Anana- sunternehmen seinen Entscheid unverzüglich rückgängig machen, „wenn sie wieder Fairtrade-Kunden hätten. Sie hätten alles sofort bereit […]. Aber solange sie eben keine Fairtrade-Kunden hätten, würde es keinen Sinn machen die Zertifizierung zu behalten“ (Feldnotizen 23.03.2017).

Der Fall der freiwilligen Dezertifizierung untermauert, dass über die Teilnahme an der Fairtrade-Idee situativ entschieden wird und die Adoption des Fairtrade-Modells zweckrational begründet ist.

Es lässt sich zusammenfassen, dass mit der Ausbrei- tung in ein Setting, in dem Organisationsexistenzen hoch- gradig bedroht sind, das wertrational begründete Projekt als zweckrationales Mittel zur Sicherung des organisati- onalen Überlebens reinterpretiert wird. Es gilt primär als Instrument zur Sicherstellung des organisationalen Über- lebens und die Organisationen entscheiden mittels Kos- ten-Nutzen-Rechnungen über ihre Teilnahme am Fairtra- de-Modell. Die Aufwände und Nutzen unterscheiden sich situativ, wobei für Kleinbauernkooperativen der Nutzen tendenziell geringer und die Aufwände höher ausfallen.

Im nächsten Abschnitt wird erläutert, wie dieser Trend zur Priorisierung von Plantagen durch das Fairtrade-Modell weiter erhärtet wird. Vorerst sei jedoch festgehalten, dass kontextuelle Rahmenbedingungen dazu führen, dass die moralische Komponente der Fairtrade-Idee im Zuge ihrer Übersetzung in marginalisierten Gegenden weiter an Be- deutung verliert und zweckrationale Deutungen in den Vordergrund rücken.

5.2.3  Lokale Interpretation: Übersetzungsleistungen sind organisational voraussetzungsreich

Die lokalen Übersetzungspraktiken schließen am Zer- tifizierungsstandard an. Nach Brunsson und Jacobsson (2000: 128) erfolgt die Um- und Übersetzung von Zerti- fizierungsstandards in zweierlei Richtungen. Einerseits müssen die generalisierten Standards in lokale Praktiken übersetzt werden. Andererseits müssen die lokalen Prak- tiken in die generalisierten Kategorien der Zertifizierungs- standards zurück übersetzt werden, damit sie für Außen- stehende anschlussfähig sind. Im untersuchten Fall ist die Rückübersetzung zu den Auditoren der formal unabhän- gigen Zertifizierungsstelle FLO-Cert besonders wichtig, da diese die Umsetzung der Standards kontrollieren und das Fairtrade-Zertifikat vergeben. Solche Rückübersetzungen sind keine Ausnahme, denn sie werden aufgrund eines intensivierten Aufkommens und verstärkten Glaubens an

(14)

von FLO-Cert oder den jeweiligen Kunden vermitteln und ihre Interaktionen leiten. Dabei beschaffen sie sich die auf dem Internet zugänglichen Regelwerke, lassen sich via E-Mail über Veränderungen der Standards informieren und behalten den Überblick über die Rolle des Fairtra- de-Modells innerhalb der Produzentenorganisationen. Im Unterschied dazu wissen andere Organisationsmitglieder oft nicht (mehr), inwiefern extern auferlegte Standards einzelne Handlungen leiten. Hierzu erklärt eine Nachhal- tigkeitsverantwortliche eines Ananasunternehmens:

Vielleicht machen wir hier die Dinge so, wie sie die Standards es verlangen, ohne dass wir es wissen. Vielleicht haben sich die Standards einfach schon zur Praxis entwickelt, ohne dass wir es gemerkt haben und wir gar nicht mehr wissen, warum wir die Dinge so machen, wie wir sie machen. (Feldnotizen 17.05.2016)

Aufgrund der starken Standardisierung des internationa- len Handels, haben sich die exportierenden Ananasun- ternehmen viel Wissen über die Umsetzung von extern auferlegten Standards angeeignet. Dieses Wissen und die konkreten Erfahrungen mit den GlobalGAP-Standards erleichtern die Koordination der organisationsinternen Übersetzung der Fairtrade-Standards und die damit ver- bundene Integration in den Arbeitsalltag. Die größte Herausforderung besteht darin, die abstrakten Regeln für alle Organisationsmitglieder, die teilweise nur über geringe oder keine Schulbildung verfügen, verständlich zu machen. Das heißt, der benötigte organisationsinterne Lernprozess für die Umsetzung von auferlegten Standards (Perez-Aleman 2010) bildet die größte Schwierigkeit. Um diese zu überwinden, übersetzen die Certification Officers die englischen Regeln in die lokale Sprache Twi. Die Über- setzung bildet ein zentrales Element des Übersetzungs- prozesses, welches die lokale Interpretation einleitet und ermöglicht. Auf der Grundlage dieser Übersetzung führen die Certification Officers Schulungen zu Inhalten des Fair- trade-Konzepts durch. Hierzu erläutert ein Certification Officer:

Zu Beginn dachten die Arbeiter, dass die Auditoren Wunder bewirken können. Sie [die Arbeiter] erzählten ihnen alles und sie mussten zuerst die Zertifizierungspraktiken erlernen. Sie mussten erkennen, dass sie [die Auditoren] nur prüfen und ihre Wünsche nicht realisieren können. (Feldnotizen 18.05.2016)

Die lokale Interpretation des auferlegten Zertifizierungs- standards bedingt folglich einen organisationsinternen Lernprozess, wobei auch lokale Praktiken angepasst werden. Das Fairtrade-Konzept verlangt beispielsweise, dass beim Sprühen von Chemikalien Schutzkleider und Masken getragen werden müssen. Um zu vermeiden, dass die Arbeiter wegen der Hitze die Schutzbekleidung ablegen, hat eine Produzentenorganisation beschlossen, die Ausbringung der Chemikalien zukünftig nachts statt tagsüber zu erledigen. Die Arbeiter scheinen der Idee ge- genüber positiv gestimmt zu sein. Doch erst die Praxis wird zeigen, ob sie tatsächlich bereit sind, auf den unbe- leuchteten Feldern Nachtarbeit zu leisten.

Gemäß der inhaltlichen Schwerpunkte der Zertifi- zierungsstandards (vgl. Abb. 4 und 5), stellen die Certifi- cation Officers sicher, dass die Strukturen der Produzen- tenorganisationen den Erwartungen genügen. Die lokale Übersetzungsarbeit fördert folglich den Ausbau und die Stabilisierung formaler Organisationsstrukturen, wie ein Geschäftsführer zusammenfasst:

Fairtrade stabilisiert die internen Organisationsstrukturen. Die Arbeiter müssen besser organisiert sein, alles ist besser formali- siert und organisiert. Wir sind wachsam über bestimmte Dinge.

(Feldnotizen 19.05.2016)

Die Rückübersetzung materialisiert sich in den Lagerhal- len, wenn die Arbeiter die Ananas in Kartonkisten abpa- cken, die nebst den üblichen Angaben zu Größe, Sorte, Herkunft und Datum auch das Fairtrade-Label tragen.

Die weniger sichtbare Rückübersetzungsarbeit konzent- riert sich auf die Bereitstellung von Dokumenten, Tabel- len, Listen, Berichten oder Protokollen. Weil die Kontrolle von alltäglichen Praktiken schwierig und aufwändig ist, prüfen die Auditoren diese Formalitäten (Mutersbaugh

(15)

2004). Passend dazu erklärt ein Certification Officer: „Ich sammle alle Dokumente und sage allen Departementen welche Dokumente ich [für das Audit] brauche“ (Feld- notizen 19.05.2016). Dazu ist er auf die Unterstützung von anderen Organisationsmitgliedern angewiesen. Ein Produktionsmanager erklärt, dass er jeden Schritt mit den Pflanzen dokumentiert, um Qualitätsproblemen vorzubeugen und die Zertifizierung aufrechtzuerhalten.

Das Zweitgenannte ist allerdings primär die Aufgabe des Certification Officers, der „alle […] Berichte aufbewahren [würde], um zu garantieren, dass alles bereit sein wird für die Zertifizierung.“ (Feldnotizen 15.03.2017).

Die Übersetzungsarbeit der Certification Officers zielt darauf ab, die Audits zu bestehen, wodurch moralische Aspekte an den Rand gedrängt und stattdessen Qualität, Effizienz und Leistung als Schwerpunkte ins Zentrum gerückt werden (Helin & Babri 2015). Die lokale Interpre- tation gleicht einer zweckrationalen Anpassung, wobei lokale Varietät, wie sie durch die neo-institutionalistische Translationstheorie betont wird, bis auf eine Ausnahme kaum zu beobachten ist. Bei der Ausnahme handelt es sich um die Prämienverwendung. Ein Certification Officer erklärt, wie die Arbeiter einen sogenannten Joint Body gegründet haben, der die Prämie verwaltet und über die Verwendung der Prämie entscheidet:

Im Joint Body dürfen eben alle mitbestimmen und niemand wird von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen oder dis- kriminiert, auch nicht wenn er Analphabet sei. […] Der Joint Body würde sehr gut funktionieren und die Arbeiter treffen sich 1–2 Mal pro Monat. Sie würden das alles selber organisie- ren. Von jedem Departement wählen sie einen Delegierten, […].

Während den Sitzungen […] würde [er] sie unterstützen, jedoch nicht selber abstimmen. Er würde vor allem protokollieren und die Dokumente bereitstellen, weil eben viele der Arbeiter nicht schreiben und lesen können. (Feldnotizen 15.03.2017)

In ihrer Wirkungsstudie zur Fairtrade-Prämie zeigen Loconto et al. (2019), dass das Prämiengeld in die unter- schiedlichsten Projekte zugunsten von Bildung, Infrastruk- tur, Gesundheit oder zur Verbesserung landwirtschaftli- cher Praktiken investiert wird. Die Prämienverwendung eröffnet folglich auf lokaler Ebene Gestaltungspielraum.

Die Möglichkeit der aktiven Interpretation wird geschätzt.

Obwohl die Eigentümer und Manager von Plantagen nicht direkt von der Prämie profitieren dürfen, betont ein ghanaischer Ananasplantagenbesitzer die positiven Effekte der Prämie:

[…] dass der größte Effekt des Fairtrade-Systems für seine Plan- tage wohl der Joint Body sei. Die Arbeiter hätten diesen Joint Body gründen und die Leute dazu wählen müssen […] Mit der Fairtrade-Prämie hat der Joint Body entschieden, ein kleines

Versammlungsgebäude zu bauen, und [er] hat kürzlich auch ein kleines Gemeindekrankenhaus gebaut. (Feldnotizen 15.03.2017)

Während der Plantagenbesitzer die Infrastrukturprojekte hervorhebt, schätzt eine Feldarbeiterin die mit der Prämie bezahlten Schulgelder. Auf die Frage, ob sie das Fairtra- de-Modell kennen würde, spricht sie sofort von der Prämie und erzählt:

[…] dass sie die Fairtrade-Prämie sehr gut finden würde. Das sei vor allem gut, weil ihre Kinder jetzt in die Schule gehen würden.

Sie würde dank der Prämie viel Unterstützung erhalten. Und dann würde sie auch das Krankenhaus sehr mögen, das sie gebaut haben (Feldnotizen 15.03.2017).

Die Fairtrade-Prämie bringt den Mitgliedern von Fairtra- de-zertifizierten Produzentenorganisationen direkt erfahr- bare Vorteile und motiviert nebst der primär zweckratio- nalen eine wertrationale Deutung des Fairtrade-Modells.

Damit die Produzentenorganisation von der Prämie profitieren können, muss die notwendige Übersetzungs- und Rückübersetzungsarbeit geleistet werden, um stan- dardkonformes Handeln und damit erfolgreiche Audits zu garantieren. Während Ananasplantagen über die dafür notwendigen Mittel verfügen und Certification Officers ein- stellen, fehlen weniger professionell geführten und mittel- losen Produzentenorganisationen, sprich Kleinbauernko- operativen, die notwendigen Ressourcen. 2016 gab es im ghanaischen Ananassektor zwei als Fairtrade-zertifizierte Kleinbauernkooperativen, denen die Übersetzungsarbeit gelungen ist. Beide sind auf die Unterstützung des Certifi- cation Officers eines lokal basierten Abnehmers angewie- sen. Dieser Certification Officer erklärt, wie er die Koope- rativen unterstützt:

Ich kontrolliere ihre E-Mails […] und wir machen für sie Vorau- dits, um ihnen zu helfen, dass sie nicht dezertifiziert werden.

Manchmal gehen wir auch zu ihnen, ohne sie vorher zu infor- mieren, um zu sehen was sie machen und um zu kontrollieren.

[…] Wenn es zu Non-Konformitäten kommt, helfe ich ihnen die Probleme zu lösen. (Feldnotizen 23.05.2016)

Ergänzend dazu sagt der Sekretär einer zertifizierten An- anaskooperative, dass vor allem die Rückübersetzung und die finanziellen Zertifizierungskosten ein Hindernis für die Teilnahme am Fairtrade-System darstellen:

Der Inhalt des Standards ist nicht das wirkliche Problem. Es ist die Dokumentation, insbesondere die Finanzberichte. […] Es ist schwierig all die Berichte für die Audits bereitzuhalten. […]

Manchmal müssen sie [der Certification Officer und das Ma- nagement des unterstützenden, lokal basierten Abnehmers]

uns auch finanziell unterstützen, damit wir die Zertifizierung behalten können. (Feldnotizen 23.05.2016)

(16)

die dazu nötigen Ressourcen, wodurch sie nur eine mar- ginalisierte Position einnehmen.

6  Synchrone Interpretationen des Fairtrade-Modells: Moralisierung in der Konsumarena und

organisationale Rationalisierung in der Produktionsarena

Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die Produkti- onsseite von moralisierten Märkten zu beleuchten und die dortige Bedeutung des Fairtrade-Modells zu verste- hen. Dazu wurde auf Erkenntnisse der neo-institutiona- listischen Translationstheorie (z.  B., Czarniawska & Sevón 2005a; Czarniawska-Joerges & Sevón 1996; Wedlin &

Sahlin 2017) sowie der Standpunkttheorie (z.  B., Harding 1992; Rolin 2009) zurückgegriffen. Während die Stand- punkttheorie dazu anleitete, den Übersetzungsprozess aus Sicht der marginalisierten Produzentenorganisatio- nen zu untersuchen, richtete eine Systematisierung von Erkenntnissen aus Sicht der neo-institutionalistische Translationstheorie die Aufmerksamkeit auf drei Einfluss- faktoren eines Übersetzungsprozesses: Bedeutungsträger, sozialer Kontext und lokale Interpretation. Abbildung 6 fasst die empirischen Befunde zusammen und veran- schaulicht, wie die Fairtrade-Idee während ihrer Überset- zung zu den Produktionsorten von einem wertrationalen Projekt zu einem Treiber der organisationalen Rationali- sierung mutiert ist. An diese lokale Übersetzung schließt eine Rückübersetzung an, welche die Moralisierung in der Konsumarena aufrechterhält.

Für die Theoriebildung bringt ein Fallstudiendesign offensichtliche Einschränkungen mit sich. Angesichts der limitierten Erkenntnisse über die Bedeutung von wertge- ladenen Ideen auf der Produktionsseite sowie der theore-

Auf dem Weg dahin entmoralisiert sich das Fairtrade-Mo- dell, so dass die Moralisierung auf die Konsumarena be- schränkt bleibt. Diese Entmoralisierung impliziert, dass der Übersetzungsprozess mit einem Bedeutungsverlust einhergeht, wie er auch für die Übersetzung des Verant- wortungskonzepts durch Wirtschaftsorganisationen fest- gestellt wurde (Senge 2015). Nebst einem Bedeutungsver- lust weist die Fallstudie allerdings auf einen gleichzeitigen Bedeutungsgewinn hin, denn das Fairtrade-Projekt steht in der Produktionsarena für rationaleres Organisieren und die Sicherung des organisationalen Überlebens. Transla- tion geht im untersuchten Fall folglich sowohl mit einem Verlust als auch einem gleichzeitigen Gewinn von Bedeu- tung einher. Diese Verschiebung lässt sich prägnant zu- sammenfassen: Moralisierung in der Konsumarena und organisationale Rationalisierung in der Produktionsarena.

Nebst der Nutzung eines Zertifizierungsstandards und den daran anschließenden lokalen Übersetzungs- praktiken, haben sich kontextuelle Rahmenbedingungen als entscheidend für die Interpretation des Fairtrade-Mo- dells herausgestellt. Gemäß Stehr (2007) sind Settings mit hohem Wissensniveau und gesellschaftlichem Wohl- stand förderlich für die Ausformung moralisierter Märkte.

Dieser Argumentation zufolge dringt das Moralisierungs- projekt aufgrund der prekären ghanaischen Wirtschafts- lage sowie dem niedrigen Bildungsniveau der ländlichen Bevölkerung nicht bis in die dortige Ananasindustrie vor.

Interessanterweise entwickelt sich jedoch auch in Ländern des Globalen Südens ein fairer Süd-Süd-Handel, bei dem Einzelhändler ihren Kunden (trotz vergleichsweise nied- rigem Wohlstand und Bildungsstand) fair ausgezeichnete Waren anbieten (Carimentrand 2012; Maisonhaute et al.

im Erscheinen). Gleichzeitig dringt die Moralisierung auch in entwickelten Industriestaaten nicht bis in die Produkti- onsarena vor. Am Beispiel französischer Landwirte haben Gafsi et al. (2006) gezeigt, dass ökonomisch rationale und nicht moralische Begründungen die Entscheidung zur Par- tizipation an der biologischen Landwirtschaft bestimmen.

Die Moralisierung scheint damit primär ein Phänomen der

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Konsumarena zu sein, das in der Welt der Produktion auf wenig fruchtbaren Boden stößt. Inwiefern Wohlstands- und Wissensniveau als Treiber der Moralisierung in der Konsumarena agieren, gilt es kritisch zu untersuchen.

Schenk et al. (2016) haben hierzu bereits gezeigt, dass Ein- kommensunterschiede die Nachfrage nach moralisierten Produkten nicht zu beeinflussen scheinen. Vorerst kann die folgende These aufgestellt werden:

These 1: Die Moralisierung von Märkten ist ein Phänomen, das an die Konsumarena gekoppelt ist. In der Produktionsarena ist der Moralisierungstrend weniger anschlussfähig.

Wie für Übersetzungsprozesse über weite Distanzen erwar- tet, hat der Bedeutungsträger den Übersetzungsprozess geprägt (Morris & Lancaster 2006). Die Nutzung eines Zer- tifizierungsstandards, der durch eine intermediäre Partei

Abb. 6: Die Übersetzung und Rückübersetzung der Fairtrade-Idee zwischen der Konsum- und Produktionsarena Quelle: eigene Darstellung

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