ABHÄNGIGKEIT UND ENTZUG
Andreas Sanewski
Methadon- und Drogenambulanz am Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf Kurs Spezielle Schmerztherapie
SUBSTITUTION IN EUROPA
• Opiatabhängigkeit ist ein alltägliches Phänomen.
• Verschreibungs- und Vergabepraxis von Substitutionsmitteln: beträchtliche Unterschiede.
• Auch die Behandlungskriterien für eine Substitution sind unterschiedlich und richten sich teilweise nach der Verfügbarkeit der finanziellen Mittel und der ideologischen Überzeugungen.
Wissenschaftliche Forschungsarbeiten zu diesem Thema zeigen, dass die Methadonsubstitution – falls
die Durchführung einer angemessenen Qualität entspricht - eine sichere Behandlungsform
der Opiatabhängigkeit ist.
VORTEILE
länger in Behandlung
Pro phyl zum axe Her oink
onsum
Redukt ion de r Infekt ionsge fahr
Verbesserung des
körperlichen und geistigen Gesundheitszustands
Lebensqualität
Ab na hm e d er
Delinquenz
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(Quelle: NFORS-Studie, UK 2003)Ko st en ef fe kt iv
Fa kt or 1 : 3
NACHTEILE
•Pat. bleibt opiatabhängig
•Abhängigkeit von der Substitutionseinrichtung
•Arzt-Hopping (Drehtüreffekt)
•Szenebildung
•Senkung der Arbeitsfähigkeit (sedierende Effekte)
Aufrechterhalten der Gesundheit
Verringerung des Drogenkonsums Problembewältigung
Gefahrenabwehr und -minimierung Rückfallprop
hylaxe Stabilisierung
Verminderung der Beschaffungskriminalität Soziale (Re)Integration
GRUNDIDEE DER SUBSTITUTION
•Ersatzdroge anstelle des illegalen Heroins verabreichen
•Entzugssymptome von Heroin unterdrücken
•teilweise die Wirksamkeit von Heroin hemmen
ZUGELASSENE
SUBSTITUTIONSMITTEL
seit 01.07.2001
seit 01.07.2001 begründete Ausnahmefälle begründete Ausnahmefälle
Methadon bis 3000 mg Codein bis 40000 mg
Levomethadon bis 1500 mg Dihydrocodein bis 40000 mg Buprenorphin bis 800 mg
Levacetyl-
methadol bis 2000 mg Zulassung r uht!
METHADON
•Synthetisches Opioid
•Lange Wirkungsdauer
• Halbwertszeit ca. 24h-36h
•2 optische Isomeren: d-Methadon und l-Methadon
•Racemat aus 50% l- und 50% d-Methadon
•2x so schmerzlindernd wie Morphin
•Methadon ist reiner Agonist am μ-Opioid-Rezeptor
METHADON - WIRKUNGEN
Sta rkes Sch merzmit tel Nebenwirkungen
Verstopfung Starkes Schwitzen
Sedierung
Emetische Wirkung
Überdosis
Atemlähmung
Die euphorisierende
Komponente von Heroin fehlt
Kein „Kick“
„Suchtdruck“
„Nadelgeil“
POLAMIDON
Das linksdrehende Isomer (l-Methadon, oder Levomethadon oder auch l-Polamidon) ist etwa 4x so schmerzlindernd wie Morphin
SUBUTEX (BUPRENORPHIN)
•
Wirkstoff: Buprenorphin
•
2001 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte als Substitutionsmittel zugelassen
•
Subutex wird in
Tablettenform gegeben
HANDELSNAMEN
•Temgesic® (D, CH)
•Norspan® (D, A)
•Transtec® (D, A, CH)
•Triquisic® (A)
Suboxone® (D) Subutex® (D, CH)
PHARMAKOLOGIE
• Buprenorphin ist ein halbsynthetisches Opioid und ein potentes Schmerzmittel.
• Gemischter Agonist/Antagonist.
• µ-Opioidrezeptor: Partialagonist mit hoher Rezeptoraffinität (20- bis 30-mal potenter als Morphin), Wirkdauer 6 - 8 Stunden.
• κ-Opioidrezeptor: Antagonist
• Dieser Rezeptor ist vor allem für die atemdepressive Wirkung von Opioiden zuständig, was Buprenorphin in der Anwendung sehr sicher macht.
• In hohen Gaben (wie bei der Opiatsubstitution) oft antidepressiv (stimmungsdrückende Wirkung am κ-Rezeptor).
SUBUTEX - INDIKATIONEN
Aus- und Abdosierung
Methadon- unverträglichkeit
depressive Verstimmungen Schwitzen
Alternative zur Take- Home-Vergabe
Sedier ung
Vi gi la nz
Depression
Indiziert bei jüngeren Patienten, welche z.B.
einem Beruf nachgehen.
KOSTEN / TAG
Substitut Methadon Polamidon Subutex
geringe Dosis 30 mg ->
2,68 € 15 mg ->
3,53 € 4 mg ->
2,99 € mittlere Dosis 90 mg ->
2,84 € 45 mg ->
4,82 € 12 mg ->
8,53 €
hohe Dosis 180 mg ->
3,64 € 90 mg ->
6,43 € 24 mg ->
16,81 €
ARTEN DER ANWENDUNG
•
Detoxifikation: kurzzeitige Anwendung, um Entzugserscheinungen zu mildern
• Kliniken (Entgiftung), JVA
•
Langfristige Methadon-Behandlung mit dem Ziel der Abstinenz
• Gesundheitliche Stabilisierung, soziale Reintegration und berufliche Rehabilitation
•
Reines Suchterhaltungsprogramm mit der Umstellung
der Abhängigkeit von Heroin auf das Substitutionsmittel
INDIKATION ZUR SUBSTITUTION
Alter d. Patienten
Vorliegen einer manifesten Opiatabhängigkeit
kein Methadon in der UK vor Beginn der Substitution!
Ausreichend lange Dauer der Opiatabhängigkeit (2 Jahre)
Ausnahme:
laufen
de Su
bstitutions- behandlung, Über
nahme Urinkontrolle
PRAKTISCHE DURCHFÜHRUNG
Anamnese, körperliche Untersuchung Urinkontrolle
Gespräch mit Sozialarbeiter
Fallbesprechung, Entscheidung
Formulierung des Behandlungsplans
ZIELE
•Regelmäßiges Formulieren von Behandlungszielen:
•Dosisreduktion, Ausdosierung, Langzeittherapie usw.
•Beikonsum; ggf. selektive Entgiftung
•Rückfälle bearbeiten
•Behandlungsziele ggf. Anpassen
DOSIS
Im Grunde ganz einfach:
Schwere Abhängigkeit
Hohe Dosis
PROBLEME IM VERLAUF
•Beikonsum
•Opiate, Kokain, Benzodiazepine, Alkohol, THC…
•Betrug bei der UK-Abgabe
•Fehltage
•Illegaler Erwerb/Konsum v. Substitutionsmitteln
•Betrug mit Take-Home
•unbehandelte Begleiterkrankungen
BEIKONSUM - SUBSTANZEN
Kok ain Ben
zod iazep ine Alk oh ol
THC
Substitutionsmittel
Op iate
BEGLEIT- U.
FOLGEERKRANKUNGEN
Hinzu kommen Abszesse, chronische Ulcera,
Endocarditiden, CVI, Thrombosen uvm.
0 20
40 60
80 80
20
50
Hepatitis C HIV Psych.Erkr.
Angabe in %
ABBRUCH DER SUBSTITUTION
Durch den Patienten Disziplinarisch Inhaftierung
no-show fortgesetzter Beikonsum
Wohnortwechsel Nicht-Einhalten von Vereinbarungen Gewalt, Kriminalität
PROBLEME FÜR DEN ARZT
Problem
Szene kommt in die Praxis Kriminalität
Lärm, Gestank Abschreckung
Lösung
separater Wartebereich / Eingang
Null-Toleranz
Vergabe zu gesonderten Zeiten
Aufklärung, „Offensive“
WAS IST DAS ZIEL ?
Behandler
Patient Geset
zgeber, Nor
men, Verord
nungen
Wollen alle das Gleiche ???
ZIELE DES PATIENTEN
• Überleben
• Ausruhen
• Flucht aus desolaten Verhältnissen
• Geld sparen
• „Gut aussehen“
• „Normales“ Leben führen
• Aufhören
Und vieles mehr...
ZIELE DES BEHANDLERS
• Patient soll „gut laufen“
• Patient soll das Einkommen sichern
• Bestätigung eigener Überzeugungen und Ideologien
GESETZE, NORMEN, VERORDNUNGEN
• Vgl. BtMG, BtMVV, BUB-Richtlinien
• Gesellschaftliche Normen
• Weltanschauliche und religiöse Einflüsse
STRATEGIEN
Abstinenz
Beikonsumfreiheit
Beikonsum vermindern Polyvalente Abhängigkeit in monovalenten Konsum umwandeln
Harm Reduction Substitution
sbehand lung
Als Erstes muß man aber
an den Patienten „heran kommen“ !
„Die erste Schwelle
ist eine verschlossene Tür“
DAS HEIßT...
Die Behandlungsstätte muß für den Patienten erreichbar sein.
Den Patienten da abholen, wo er steht.
EIN PAAR BITTERE WAHRHEITEN
• Es gibt so gut wie keinen monovalent Opiatabhängigen mehr.
• Der Zustand der Patienten bei Aufnahme ist zunehmend desolat.
• Es herrschen große Mängel bzgl. Krankenversicherung und ARGE.
• Die sehr jungen Konsumenten nehmen zu.
FOLGEN
• Der Anteil der nicht- zugänglichen Patienten wächst.
• Hohe Abbrecherquoten.
• => Hohe Fluktuation.
• Der Stellenwert von Überlebenssicherung und Harm- Reduction steigt.
KONSEQUENZEN
• Korrigieren der Behandlungsziele.
• „Pragmatisches Denken“ zieht ein.
• Patienten erhalten die Chance, sich im Laufe vieler Substitutionen zu verändern.
• Man wartet auf den „richtigen Moment“.
WAS HEIßT DAS ?
Abstinenz bleibt das Ziel, aber
• Langfristige Substitution wird alltäglich.
• Langfristige Bindung des Patienten an die Einrichtung gewinnt an Bedeutung.
Patient und Behandler legen einen langen Weg gemeinsam zurück.
„METHADON-SOFORT“
Personal Lage
Ausstattung Hardware
Konzept
1 Arzt, 1 Dipl.Sozialpädagoge, 2 Pflegekräfte, 1 Dipl.Psychologin
In unmittelbarer Bahnhofsnähe
Untersuchungs- u. Behandlungsräume, Dusche, Küche, Patiententelefon
Vergabesystem „Medidos“
Niedrigschwellige Substitution
STATISTIK
„METHADON-SOFORT“
•
ca. 250 Aufnahmen in die Substitution / Jahr
•
ca. 50% Weitervermittlung in langfristige Substitution oder Entwöhnungsbehandlung
•
ca. 10% Abgänge in die JVA während der Behandlung
•
ca. 40% werden entlassen (disziplinarisch) oder brechen ab
•
ca. 75% aller Patienten sind „alte Bekannte“
VERGABE MITTELS
VERGABESYSTEM (MEDIDOS)
Fotos und Grafiken:
Bits&Bytes GmbH Martinusstrasse 21
41564 Kaarst
BTM-REZEPT
•Am 01.02.1998 ist die 10. Novelle der BtMVV in Kraft getreten.
•Danach ist das Ausstellen eines BtM-Rezeptes stark vereinfacht worden.
•Jeder Arzt, Zahnarzt und Tierarzt hat das Recht, Betäubungsmittel zu verordnen und
•Kann die Rezepte ganz einfach in einem formlosen Schreiben anfordern
ERSTANFORDERUNG
•Erstanforderungskarte anfordern
•Formlos über ein Schreiben oder ein Fax an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM),
Bundesopiumstelle, Genthiner Str. 38, 10785 Berlin.
•Fax-Nummer: 030/454 85-210 oder telefonisch über 030/454 85-101
AUSFERTIGEN DES BTM-REZEPTS
•
Bezeichnung des Betäubungsmittels
•
Gewichtsmenge
•
Dosierung
•
Angabe "Gemäß schriftlicher Anweisung".
•
Neben dem Arztstempel sind die Telefonnummer und die eigenhändige Unterschrift des Arztes
vorgeschrieben
METHADONVERORDNUNG
SUBUTEXVERORDNUNG
SUBSTITUTIONS-
BESCHEINIGUNG
AUSLANDSREISEN
•30 Tage je Kalenderjahr
•nur in ganz wenigen Ländern möglich, Substitutionspatienten ohne großen Aufwand weiterbehandeln zu lassen
RECHTSLAGE - BTMVV
•
Die Take-home-Verschreibung für maximal 7 Tage gilt grundsätzlich weiter
•
Es wurde lediglich zur Versorgung bei Auslandsaufenthalten ein längerer Verschreibungszeitraum (bis max. 30 Tage) eingeräumt,
•
Allerdings mit der Auflage, derartige Fälle der für die
verschreibende Praxis/Ambulanz zuständigen Landesbehörde
anzuzeigen
PATIENTENEIGNUNG
• Stabile Dosis
• Kein Beigebrauch
• Verantwortungsbewußter Umgang
mit dem Substitutionsmittel
REISEN IN
UNTERZEICHNERSTAATEN DES SCHENGENER
ABKOMMENS, ARTIKEL 75
•Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Deutschland, Spanien, Italien, Portugal, Österreich, Griechenland, Dänemark, Finnland und Schweden. Mit Norwegen und Island sind zwei Staaten, die nicht zur EU gehören, am Schengen-System beteiligt
SUCHT UND
SCHMERZBEHANDLUNG
•
Das frühere Paradigma der Abstinenz ist heute nicht mehr eine Voraussetzung für eine Schmerztherapie.
•
Durch eine sinnvolle Zusammenarbeit eines
Schmerzmediziners mit einem in Suchtfragen erfahrenen
Psychiater und Psychotherapeuten ist eine Behandlung von
Suchtkranken schmerztherapeutisch möglich.
ABHÄNGIGKEIT, SUCHT
•
Aktive Abhängigkeit
•
Ehem. Abhängigkeit mit Substitution
•
Ehem. Abhängigkeit ohne aktuellen Konsum, „Clean“
TUMORBEDINGTE SCHMERZEN BEI
SUCHTKRANKEN
•
Suchtkranke und Angehörige oder Ärzte haben Sorge vor einer Verschlimmerung der Erkrankung bei Einsatz von
Opiaten.
•
Das Ertragen starker Schmerzen ist jedoch eine größere
Gefahr für einen Rückfall als eine kontrollierte Opioidtherapie.
•
Tumorkranken darf eine Stufentherapie nach WHO-
Empfehlungen nicht vorenthalten werden, auch nicht wenn sie
suchtkrank sind.
SUCHTKRANKE MIT AKTIVER ABHÄNGIGKEIT
•
Morphin ist das Opioid der Wahl, hier retardierte Präparate.
Kein Hinweis in Untersuchungen auf eine suchtbegünstigende Wirkung.
•
Die Gabe von Ko-Analgetika ist sinnvoll (TZA, Antikonvulsiva)
•
Der Opioidwechsel auf z.B. Levomethadon kann eine sinnvolle Alternative zum Morphin sein, wenn die individuelle
Ansprechbarkeit trotz Ko-Analgetika ungünstig ist.
SUBSTITUTION +
OPIOIDSCHMERZTHERAPIE
•
Die Opioiddosis der Substitution ist der „Nullwert“.
•
Schmerztherapeutische Gabe von Opioiden kommt
dosisadditiv hinzu.
VORSICHT
•
Kein Einsatz von Buprenorphin und Pentazocin (Fortral).
Aufgrund ihrer antagonistischen Wirkung kann es zur
Auslösung eines Opioidentzuges kommen.
OPIOIDBEHANDLUNG BEI NICHT-TUMOR-SCHMERZEN
•
Bei Suchtpatienten mit schweren organpathologischen Veränderungen: Osteoporose, rheumatoide Arthritis, neuropathische Schmerzen, postzosterische Neuralgie, Spinalkanalstenose, Phantomschmerzen.
•
Auch hier Schmerztherapie nach WHO-Schema ggf. auch
unter Einsatz von Opiaten.
SCHMERZTHERAPIE BEI
SUBSTANZFREIEN PATIENTEN
•
Auch hier Stufenschema nach WHO
•
Keine besondere Rückfallgefährdung, auch bei Alkoholikern.
•
Nichtopioide, Ko-Analgetika und nicht medikamentöse Verfahren haben hohen Stellenwert.
•
Anzeichen missbräuchlichen Verhaltens sollten beachtet werden.
•