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HAUSHALTSNAHE DIENSTLEISTUNGEN IN HAUSHALTEN VON MENSCHEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND

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Erstellt von: M. Sc. Carola Holler Fulda den 01.06.2021

HAUSHALTSNAHE

DIENSTLEISTUNGEN IN

HAUSHALTEN VON MENSCHEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND

Expertise im Auftrag des Kompetenzzentrums

Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher

Dienstleistungen PQHD

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Inhalt

Einleitung ... 3

Zielsetzung haushaltsnaher Dienstleistungen ... 3

Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen ... 3

Lebenslagen von Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland... 5

Lebenslagen von Familien mit Migrationshintergrund in Deutschland ... 7

Bildung und Einkommen ... 7

Geschlechterrollen und Arbeitsteilung ... 7

Ältere Menschen mit Migrationshintergrund ... 8

Kultursensibilität ... 9

Offene Fragen zur Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen in Haushalten mit Migrationshintergrund ... 9

Fazit ... 11

Literaturverzeichnis ... 13

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Einleitung

Migration ist seit jeher ein Bestandteil der deutschen Gesellschaftsentwicklung. In der Bundesrepublik Deutschland gab es durch Kriegsflüchtlinge aus dem zweiten Weltkrieg, der Rekrutierung von Gastarbeiter*innen, den Nachzug ihrer Familien, Spätaussiedler und Flüchtlinge mehrere Einwanderungswellen. Aktuell hat etwa ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund. Viele Migrant*innen leben schon seit langer Zeit in Deutschland und etwa 30 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund hat keine eigene Migrationserfahrung (Hallenberg 2018: 9). Für ein komplettes Abbild der Gesellschaft und die Planung passgenauer Maßnahmen ist es wichtig auch die Lebenslage und Bedarfe dieser Zielgruppe in den Blick zu nehmen.

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Nachfrage nach haushaltsnahen Dienstleistungen stellt sich daher auch die Frage, inwieweit speziell Haushalte mit Migrationshintergrund haushaltsnahe Dienstleistungen nutzen oder perspektivisch nutzen könnten. Um dies herauszuarbeiten, werden unterschiedliche Aspekte des Themenbereichs näher beleuchtet. Nach einer Definition der Zielsetzung haushaltsnaher Dienstleistungen und einem Blick auf die aktuellen Nutzer*innen der Dienstleistungen wird die Lebenslage in Haushalten mit Migrationshintergrund, mit besonderem Fokus auf Familienhaushalte näher beleuchtet. Diese einzelnen Betrachtungen werden in der Diskussion zu noch offenen Fragen im Rahmen der Fragestellung zusammengeführt.

Zielsetzung haushaltsnaher Dienstleistungen

Haushaltsnahe Dienstleistungen sollen private Haushalte bei der Bewältigung ihres Alltags unterstützen. Die im Rahmen hauswirtschaftlichen Handelns erbrachten Tätigkeiten definieren Feulner/Sobotka als „das zielgerichtete Erbringen von Dienstleistungen, die das Alltagsleben von Nutzer*innen und Nutzer*innengruppen gewährleisten, unterstützen und fördern“ (Feulner/Sobotka 2021: 9). Pfannes/Schack erweitern die Definition um den Bereich der Lebensqualität durch Ermöglichung von „Entlastung, Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen in der privaten Häuslichkeit“ (Pfannes/Schack 2014: 21). Das heißt die Unterstützung im Alltag durch haushaltsnahe Dienstleistungen ermöglicht es den Haushalten ihre Aufgaben zu bewältigen und Freiräume für die Erlangung höherer Lebensqualität zu erhalten.

Ein wichtiges Kennzeichen haushaltsnaher Dienstleistungen ist es, dass sie von Nicht- Haushaltsmitgliedern gegen Bezahlung erbracht werden. Die Dienstleistungen können sachbezogen, ohne die Anwesenheit oder Beteiligung der Leistungsempfänger*innen erbracht werden. Beispiele sind hier Reinigungstätigkeiten oder Gartenarbeit. Personenbezogene Dienstleistungen werden in Anwesenheit und mit Beteiligung der Leistungsempfänger*innen erbracht, wie beispielsweise die Versorgung von Haushaltspersonen, die Unterstützung benötigen (Pfannes/Schack 2014: 21).

Bei der Leistungserbringung werden die spezifischen Kompetenzen, Bedarfe und Anforderungen sowie die Lebens- und Wohnsituation der jeweiligen Haushalte berücksichtigt. Die kulturellen Hintergründe, Lebenseinstellungen und Bedarfe der Leistungsempfänger*innen werden wahrgenommen und wertgeschätzt. Von dieser individuellen Ausrichtung des jeweiligen Haushalts wird die Gestaltung der für den Haushalt spezifisch passenden Dienstleistung abgeleitet (Feulner/Sobotka 2021: 39f).

Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen

Haushaltsnahe Dienstleistungen haben also ein großes Potential zur Unterstützung von Haushalten in unterschiedlichen Bedarfslagen. In einer Studie der PrognosAG aus dem Jahr 2019 wurde die aktuelle Nachfrage nach haushaltsnahen Dienstleistungen erfasst und die unterschiedlichen Nutzer*innengruppen genauer betrachtet:

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Etwa 10 % der Haushalte beschäftigten im Jahr 2016 eine Haushaltshilfe. Als die am häufigsten von Haushaltshilfen ausgeführten Tätigkeiten werden in der Studie mit 10 % Aufräumen und Putzen, mit 7 % Arbeiten rund ums Haus wie Winterdienste oder Gartenarbeit, und mit jeweils mit 2 % Wäsche waschen und Bügeln sowie die Pflege von älteren oder kranken Familienangehörigen genannt (Prognos 2019: 9). Aktuell werden diese Unterstützungsmöglichkeiten hauptsächlich von Haushalten ohne Kinder genutzt. Auch die Höhe des Einkommens spielt eine Rolle bei der Entscheidung zur Beschäftigung einer Haushaltshilfe. 48 % der Nutzer*innen haushaltsnaher Dienstleistungen haben ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen ab 3500 Euro und 28 % der Nutzer*innen ein Haushaltsnettoeinkommen zwischen 2000 und 3500 Euro monatlich. Auch eine Auswertung des SOEP ergibt, dass haushaltsnahe Dienstleistungen größtenteils von Haushalten mit höherem Einkommen, Ein-Personen-Haushalten und Personen im Rentenalter und mit Pflegebedarf genutzt werden (Bröcheler 2020: 207). Familien nutzen aktuell nur zu einem geringen Teil haushaltsnahe Dienstleistungen. Wenn Sie diese jedoch nutzen, dann in einer höheren Stundenzahl. Der Durchschnitt aller Nutzer*innen erhält 12 Stunden/Monat eine Unterstützung durch haushaltsnahe Dienstleistungen. Bei Familien mit zwei oder mehr Kindern, die haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen, sind es durchschnittlich 25 Stunden pro Monat. (Prognos 2019: 11f). Bröcheler hat die Struktur der Familienhaushalte, die haushaltsnahe Dienstleistungen nutzen, genauer untersucht.

Es sind hauptsächlich Haushalte in denen zwei Erwerbstätige leben, die ein mittleres Haushalts- nettoäquivalenzeinkommen von über 2000,- Euro haben und in denen mindestens ein Haushaltsmitglied eine akademische Bildung hat (Bröcheler 2020: 208). Wichtige Faktoren für die Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen sind also die Einkommenshöhe und die Höhe der Arbeitsbelastung.

Das Prognos-Institut geht davon aus, dass in Zukunft die Zahl der Interessent*innen an haushaltsnahen Dienstleistungen weiter zunehmen wird. Gründe hierfür sind der Anstieg der Zahl der Privathaushalte, die zunehmende Alterung der Gesellschaft und der Anstieg der Erwerbstätigkeitsquote von Frauen.

Dadurch sind in Familien häufig beide Eltern berufstätig und bedürfen im Alltag der Unterstützung, um Zeitdruck und Stress zu verringern (Prognos 2019: 10). Allerdings ist die Bereitschaft zur Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen auch von der Wertvorstellung und den Einstellungen zu Haushaltsarbeit abhängig. In Gruppendiskussionen hat Bröcheler herausgearbeitet, dass besonders Frauen, die traditionell sozialisiert sind und die traditionelle Rollenverteilung leben, Haushaltsarbeit als ihre persönliche Aufgabe ansehen. Dieses klassische Rollenbild wird von jüngeren Frauen nicht mehr unhinterfragt übernommen und die Bereitschaft zur Vergabe von Haushaltstätigkeiten steigt (Bröcheler 2020: 261f). In ihrer qualitativen Interviewstudie mit berufstätigen Müttern kam Bröcheler zu dem Ergebnis, dass die Unterstützung durch haushaltsnahe Dienstleistungen eine Erweiterung der Berufstätigkeit der Frauen ermöglicht und für gelingende vollzeit(nahe) Tätigkeit beider Partner zum Teil als essentiell für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesehen wird. Die Dienstleistungen reduzieren nach Bröcheler nicht nur die für die Haushaltstätigkeiten aufgewandte Zeit, sondern auch die mentale Belastung der Hauptverantwortung für das Funktionieren des Haushalts (Bröcheler 2021:

4). Vor diesem Hintergrund steht auch die Vorhersage des Prognos-Instituts, dass auch im Bereich der Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen, und der jungen Haushalte ein großes zukünftiges Nachfragepotenzial vorhanden ist, das sich durch die Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen höhere Lebensqualität durch mehr Freizeit und mehr Zeit für Familie und Beruf erhofft (Prognos 2019: 12).

Dieses Potential könnte durch eine Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen erschlossen werden.

Als einen weiteren wichtigen Faktor für die Nutzung von Haushaltshilfen identifiziert Bröcheler das Milieu. In ihrer Studie stellte sie fest, dass ein Großteil der Befragten, die haushaltsnahe Dienstleistungen nutzen, andere Nutzer*innen haushaltsnaher Dienstleistungen in ihrem Netzwerk hatten, wenngleich dies in der Herkunftsfamilie oder der Nachbarschaft nicht unbedingt üblich war (Bröcheler 2020: 431). Gleichzeitig verhinderte eine Einbettung in Milieus, die haushaltsnahe

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Dienstleistungen kritisch gegenüberstanden, eine Nutzung von Haushaltshilfen trotz einer objektiven Bedarfslage. Bröcheler empfiehlt daher eine Erhöhung der Akzeptanz in den Milieus der gesellschaftlichen Mitte und angrenzenden Milieubereichen (Bröcheler 2020: 432).

Eine Gruppe, die aktuell haushaltsnahe Dienstleistungen mit 39 % aller Altersgruppen vergleichsweise häufig nutzt, ist die der Senior*innen ab 60 Jahren (Prognos 2019: 22). Bei diesen steigt mit zunehmendem Alter in Folge des physiologischen Alterungsprozesses die Möglichkeit eines Unterstützungsbedarfes. Durch Mobilitätseinschränkungen und weitere Beschwerden benötigen die Betroffenen Hilfe zur Alltagsbewältigung (ArbeitGestalten 2020: 7). Aktuell werden Unterstützung und Pflege älterer Menschen zum größten Teil durch die Familie geleistet (ArbeitGestalten 2020: 6). Dieses Unterstützungspotential wird durch die Arbeitsmobilität und einen erhöhten Frauenerwerbsanteil jedoch zurückgehen. Eine Alternative sind daher alltagsunterstützende Maßnahmen im Rahmen hauswirtschaftlicher Unterstützungsangebote (ArbeitGestalten 2020: 8). Diese können die Alltagssituation stabilisieren, ein selbstbestimmtes Leben im persönlichen Wohnumfeld sichern und einen möglichen Pflegebedarf hinauszögern.

Eine Gruppe, die in Studien zum Bedarf haushaltsnaher Dienstleistungen nicht gesondert betrachtet wurde, ist die der Menschen mit Migrationshintergrund. Auch diese, als Teil der Gesamtgesellschaft, haben ein mögliches Nachfragepotential für haushaltsnahe Dienstleistungen. Um dieses genauer erfassen zu können, wird im Folgenden eine Übersicht über diese Bevölkerungsgruppe gegeben.

Lebenslagen von Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland

20181 leben in Deutschland 19,259 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund. Davon haben 6,087 Mio. keine eigene Migrationserfahrung und 9,843 Mio. eine deutsche Staatsbürgerschaft (Hallenberg Migrantenmilieu Survey 2018: 9). Die Definition der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund folgt hierbei der im Mikrozensus verwendeten Definition, die alle im Ausland geborenen Zugewanderten und in Deutschland geborenen Menschen mit mindestens einem zugewanderten oder als Ausländer*in in Deutschland geborenen Elternteil einschließt. Die Lebenslagen dieser Menschen sind vielfältig. Auch wenn der Anteil von Menschen mit einem geringen oder mittleren Verdienst dominiert, haben 4,8 % der Menschen mit Migrationshintergrund ein monatliches Nettoeinkommen über 3200 Euro (Statistisches Bundesamt 2020: 53). Betrachtet man die Zahlen auf der Haushaltsebene haben 3,33 Millionen Haushalte ein Haushaltsnettoeinkommen über 3200 Euro und davon 1,53 Millionen Haushalte ein Haushaltsnettoeinkommen über 4500 Euro (Statistisches Bundesamt 2020: 282). Auch der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, die höhere Bildungsabschlüsse haben, nimmt zu. 2019 hatten 14 % der Menschen mit Migrationshintergrund einen akademischen Abschluss und 4,2 % einen Abschluss an einer Meister- oder Technikerschule (Statistisches Bundesamt 2020: 48).

Bildung und Einkommen sind Aspekte, die die Lebenslage mitbestimmen aber nicht allein aussagekräftig sind. 2018 wurde vom SINUS – Forschungsinstitut das vhw-Migrantenmilieu-Survey erstellt. Um die Lebenslage der Menschen mit Migrationshintergrund besser zu illustrieren, werden hier einige zentrale Ergebnisse vorgestellt:

Insgesamt identifiziert das SINUS-Institut zehn Migrantenmilieus mit unterschiedlichen Lebenswelten.

Diese werden gleichzeitig von offenen und geschlossenen Welt- und Rollenbildern geprägt. Bei einem

1 Da sowohl das Hallenberg-Migrantenmilieu-Survey 2018 als auch die Veröffentlichung „Gelebte Vielfalt“ des Bundesfamilienministeriums Zahlen des Mikrozensus 2018 nutzen, wird in diesem Abschnitt auf diese Zahlen zurückgegriffen. Die Zahlen zu Finanzen und Bildungsabschlüssen stammen jedoch aus dem Mikrozensus 2019.

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Vergleich mit dem Migrantenmilieu-Survey aus dem Jahr 2008 wurde festgestellt, dass sich die Kluft zwischen den unterschiedlichen Lebensweltgruppen vergrößert hat. Das heißt, dass die Ähnlichkeiten der Weltanschauungen, Werte und Lebensstile mit Menschen aus dem gleichen Milieu größer sind als mit Menschen aus dem gleichen Herkunftsland, aber einem anderen Milieu (Hallenberg 2018: 14). Das bedeutet, dass allein durch die Kenntnis des Herkunftslandes einer Person ein Rückschluss auf die Werte und Lebensziele nicht sinnvoll ist.

Vergleichbar mit den deutschen Lebensstilmilieus gibt es auch in den Migrantenmilieus zehn unterschiedliche Milieugruppen. Dabei fühlt sich ein Großteil der Befragten, die den mittleren und modernen Milieus zugeordnet werden können, als Teil der deutschen Gesellschaft. Auch wenn kulturelle Bezüge zum eigenen Herkunftsland oder dem Herkunftsland der Eltern nicht vollständig aufgegeben werden, sind diese nicht die Basis der eigenen Identität. Anders ist dies in vier Milieus, die von niedriger sozialer Lage und / oder traditioneller Grundorientierung geprägt sind. Die Menschen des religiös-verwurzelten Milieus isolieren sich von der Mehrheitsgesellschaft, während im traditionellen Arbeitermilieu eine Anpassung unter Beibehaltung traditioneller Werte erfolgt. Auch im, weniger traditionell orientierten, prekären Milieu wird eine starke Orientierung am Herkunftsland, die teilweise mit Integrationsdefiziten verbunden ist, beobachtet. Das statusbewusste Milieu ist zwar traditionell orientiert und pflegt die eigene Herkunftskultur, ist aber dennoch wirtschaftlich und sozial integriert und hat eine mittlere soziale Lage erreicht (Hallenberg 2018: 15f).

Ein großer Anteil der Befragten gibt an, häufig Kontakte mit Deutschen ohne Migrationshintergrund zu haben. Die Kontakthäufigkeit ist auch mit einer größeren Offenheit gegenüber der deutschen Gesellschaft verbunden. Die Milieus, in denen am häufigsten geringe oder fehlende Kontakte beschrieben werden, sind das prekäre und das religiös-verwurzelte Milieu, wobei hier auch das Erleben einer Ablehnung durch Einheimische am häufigsten beschrieben wird (Hallenberg 2018: 32f). Hill beschreibt, dass Zuwanderungsprozesse im Alltag hauptsächlich von den Soziosphären des Lebensumfeldes der Zuwanderer geprägt werden. Während Einwanderungsviertel am Anfang noch Schutz bieten können, behindern sie die Akzeptanz der Zugewanderten in der Mehrheitsgesellschaft, weswegen bei fortschreitender Integration ein Umzug in ein anderes Viertel oder einen anderen Wohnort angestrebt wird (Hill 2016: 225ff). Hierdurch ändert sich auch die Peer Group und die Kontaktmöglichkeiten zu Menschen aus anderen Kulturkreisen nimmt zu. Einer Studie von Hilde Weiss zufolge, hängt die Werthaltung der Menschen mit Migrationshintergrund der zweiten Generation von ihrer Art des Umgangs mit der Migrationserfahrung der Eltern und deren sich von der Einwanderungsgesellschaft unterscheidenden ethnischen Traditionen ab. Haben sie ein Gefühl durch die Gesellschaft marginalisiert zu werden oder entwickeln sie eine Doppelidentität, in der die Herkunftskultur und die Kultur des Zuzugslandes parallel genutzt werden, bauen sie eher eine Distanz zu modernen Werten auf. Die Gruppe derjenigen, die sich im Einwanderungsland zu Hause fühlen, identifiziert sich im Gegensatz dazu auch mit den modernen Werten der Gesellschaft wie Individualismus und Gleichheit der Geschlechter (Weiss 2007: 212).

Ein sehr hoher Stellenwert kommt in allen Migrantenmilieus der Familie zu. Der familiäre Zusammenhalt ist in Familien mit Migrationshintergrund weit stärker ausgeprägt als in der Gesamtgesellschaft. Dies drückt sich auch darin aus, dass mit 64 % ein deutlich höherer Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in Familien lebt, als dies bei Menschen ohne Migrationshintergrund (44 %) der Fall ist (Hallenberg 2018: 36). Daher wird im Folgenden zusätzlich zur bisher dargestellten Lebenslage einzelner Personen, die Lebenslage von Familien mit Migrationshintergrund näher beleuchtet.

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Lebenslagen von Familien mit Migrationshintergrund in Deutschland

Etwa 2,8 Mio. Familien in Deutschland haben einen Migrationshintergrund, darunter sind 14 % Alleinerziehende und 15 % Mehrkindfamilien (BMFSFJ 2020: 10). Familien mit Migrationshintergrund sind Eltern-Kind-Gemeinschaften mit Kindern unter 16 Jahren, bei denen mindestens ein Elternteil Migrationserfahrung hat, eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzt oder eine deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung oder als Spätaussiedler*in erhalten hat. In rund 60 % der Familien haben beide Eltern einen Migrationshintergrund (BMFSFJ 2020: 11). Ein wichtiger Migrationsgrund, vor allem bei Frauen, ist der partnerschaftliche Familiennachzug. Dreiviertel der Personen, die mit diesem Grund einreisen, planen dauerhaft in Deutschland zu bleiben (BMFSFJ 2020:

14).

In rund 42 % der Paarfamilien mit Migrationshintergrund kommen die Elternteile aus unterschiedlichen Herkunftsländern oder haben verschiedene Staatsangehörigkeiten (BMFSFJ 2020:

11). Damit entstehen in den Familien auch unterschiedliche traditionelle und kulturelle Einflüsse. 48 % der Familien mit Migrationshintergrund kommen aus Europa, 21 % aus der ehemaligen Sowjetunion, 19 % aus Asien und 13 % aus der Türkei (BMFSFJ 2020: 8).

Bildung und Einkommen

Vergleichbar zum Einkommen der einzelnen Menschen mit Migrationshintergrund ist das durchschnittliche Einkommen von Familien mit Migrationshintergrund größtenteils niedriger als das von Familien ohne Migrationshintergrund. Gleichzeitig steigt es mit steigendem Bildungsabschluss an.

So liegt der Nettoeinkommensmedian bei Familien mit Migrationshintergrund und hohem Bildungsabschluss bei 4.353 Euro (BMFSFJ 2020: 29). 2018 waren 85 % der Väter und 54 % der Mütter mit Migrationshintergrund erwerbstätig. Aber auch ein großer Teil der Mütter, die nicht erwerbstätig sind, möchte in Zukunft wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Davon sind 12 % an einer Vollzeiterwerbstätigkeit und 71 % an einer Teilzeittätigkeit interessiert (BMFSFJ 2020: 9). Eine Umsetzung dieses Erwerbswunsches ist auch von der Möglichkeit der Arbeitsteilung innerhalb des Haushalts und einer Entlastung der Mütter von Haus- und Sorgearbeit abhängig. Im nächsten Abschnitt wird daher ein Blick auf die Geschlechterrollen und Arbeitsteilung innerhalb der Familien mit Migrationshintergrund geworfen.

Geschlechterrollen und Arbeitsteilung

In 36 % der Familien mit Migrationshintergrund ist der Vater Alleinverdiener. In 49 % der Familien sind beide Elternteile erwerbstätig, dabei ist die häufigste Konstellation eine Vollzeittätigkeit der Männer und eine Teilzeittätigkeit der Frauen (BMFSFJ 2020: 50f). Die Erwerbstätigkeitsquote der Mütter steigt mit der Aufenthaltsdauer in Deutschland (BMFSFJ 2020: 36). Auch das Herkunftsland der Familie spielt eine Rolle. Das Alleinverdienermodell wird in Familien mit türkischem Migrationshintergrund mit 46 % der Familien häufiger als im Durchschnitt umgesetzt, während das Zuverdienermodell bei den Familien mit Migrationshintergrund aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion (42 %), den EU-8-Staaten (41 %) und solchen mit Spätaussiedlerstatus (50 %) dominiert (BMFSFJ 2020: 50f). Auch die Zahl der Kinder hat einen Einfluss auf die Berufstätigkeit der Mütter. So sind nur 32 % der Mütter in Familien mit drei oder mehr Kindern berufstätig (BMFSFJ 2020: 40). Ein Grund dafür ist, dass Mütter zwar weniger bezahlte Erwerbsarbeit als Väter leisten, dafür aber hauptsächlich für den Haushalt sowie die Pflege und Versorgung von Kindern und älteren Menschen zuständig sind. So wenden sie pro Werktag durchschnittlich doppelt so viel Zeit für Sorgearbeit auf, wie die Männer. Hierbei dominiert die Zeit für Kinderbetreuung, aber auch bei der Hausarbeit ist ein deutlicher Unterschied festzustellen. So leisten Mütter mit Migrationshintergrund 2,57 Stunden/Werktag Hausarbeit, während dies bei Männern nur 0,78 Stunden sind. Im Rahmen des Sozioökonomischen Panels 2018 stimmten sowohl Mütter als auch Väter mit Migrationshintergrund eher der Aussage zu, dass Männer und Frauen gleich viel erwerbstätig

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und im Haushalt und bei der Kinderbetreuung beteiligt sein sollten (BMFSFJ 2020: 53f). Gleichzeitig wünscht sich fast die Hälfte der Mütter, eine größere Unterstützung durch den Partner in der Haushaltsarbeit und der Kinderversorgung (BMFSFJ 2020: 56). Im Gegensatz dazu befürworteten im Rahmen der vhw-Migrantenmilieustudie 2018 70 % der befragten Migrant*innen eine klassische Arbeits- und Rollenverteilung in der Familie. Allerdings wird auch hier in den modernen Milieus die klassische Rollenverteilung stärker in Frage gestellt und 77 % aller Befragten finden es gut für eine Partnerschaft, wenn beide berufstätig sind (Hallenberg 2018: 37f).

Ein Grund für das Festhalten an der klassischen Rollenverteilung ist der Unterschied im Verdienst zwischen den Geschlechtern, welcher sich durch die Migration weiter verstärkt hat. Nach Berechnungen des IAB von 2014 betrug das durchschnittliche Nettoeinkommen im Jahr vor der Zuwanderung bei Migrantinnen 413 Euro und bei Migranten 596 Euro, war also bei den Frauen um etwa ein Drittel niedriger. Durch die Migration erhöhte sich das Einkommen beider Geschlechter.

Allerdings bei den Männern deutlich stärker als bei den Frauen. So hatten die Frauen nach dem Zuzug nach Deutschland ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 877 Euro und die Männer fast das Doppelte mit 1617 Euro, wobei die Einkommensunterschiede sich nur zum Teil auf einen höheren Teilzeitanteil bei den Frauen zurückführen lassen (Brücker et al. 2014). Das bedeutet also, dass die klassische Rollenverteilung, in der der Mann der Erwerbstätigkeit nachgeht und die Frau für Haushalts- und Versorgungstätigkeiten zuständig ist, in Haushalten von Menschen mit Migrationshintergrund ökonomisch besonders verstärkt wird.

Ältere Menschen mit Migrationshintergrund

Neben den Familien sind auch ältere Menschen über 60 Jahren ein zunehmender Teil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Auch wenn ihr Anteil an der gesamten Gruppe der Migrant*innen mit 14,3 % deutlich geringer ist als der Anteil der Menschen über 60 Jahren in der Gruppe der Menschen ohne Migrationshintergrund, steigt die absolute Zahl der Menschen über 60 auch in dieser Bevölkerungsgruppe an (eigene Berechnung nach Mikrozensus 2019: 70). So leben 2019 etwa 3 Mio.

Menschen mit Migrationshintergrund über 60 Jahren und 425.000 über 80 Jahren in Deutschland.

Insgesamt sind ältere Menschen mit Migrationshintergrund deutlich häufiger einkommensarm und sie beschreiben ihre subjektive Gesundheit häufiger als schlecht, als ältere Menschen ohne Migrationshintergrund (Nowossadeck et al. 24 / 32). Auch die funktionale Gesundheit, die hauptsächlich die Lebensqualität im Alltag bestimmt, ist vor allem bei Arbeitsmigrant*innen stärker eingeschränkt als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Der Anteil älterer Menschen mit Migrationshintergrund, der im Familienverband lebt, ist deutlich höher als bei älteren Menschen ohne Migrationshintergrund (Nowossadeck et al. 2017: 14). Allerdings werden auch in Familien mit Migrationshintergrund diese Netzwerke durch die in der deutschen Gesellschaft fortschreitende Individualisierung und Modernisierung brüchig. So lebten 2013 22 % der Menschen mit Migrationshintergrund über 50 Jahren allein (Mikrozensus 2013 nach Nowossadeck et al.: 15).

In einer Studie befragte Ingrid Matthäi alleinstehende Frauen über 50 Jahren mit Migrationshintergrund nach ihrem Alltag. Sie kam dabei unter anderem zu dem Ergebnis, dass trotz einer höheren Familienorientierung eine Versorgung der Senior*innen von deren Familie nicht mehr als so selbstverständlich angesehen wird, wie es in ihrem Heimatland gewesen wäre. Hinderlich sind hierbei große räumliche Entfernungen zwischen Eltern und Kindern, problematische Beziehungen in der Vergangenheit, Partner*innen der Kinder aus anderen Kulturkreisen oder eine stark an die deutsche Gesellschaft angepasste Lebensweise der Kinder. Traditionelle Einstellungen und eine positive Eltern-Kind-Beziehung fördern hingegen eine Unterstützung der Älteren nach dem Erwachsenwerden der Kinder. Das Ausmaß der Unterstützung ist jedoch auch abhängig vom

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Herkunftsland der Familie. So erhalten türkische Frauen häufig Unterstützung von ihren Kindern oder leben mit diesen in einem Haushalt zusammen (Matthäi 2005). Auch in Familien von Spätaussiedler*innen wird häufiger eine Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung formuliert als in Familien ohne Migrationshintergrund (Nowossadeck et al. 2017: 18). Ein Zusammenleben im selben Haushalt ist jedoch nicht selbstverständlich. Das heißt, selbst wenn die Kinder ihre Rolle als Versorger*innen der Eltern annehmen, wohnen diese eigenständig und erhalten zeitweise Unterstützung in Versorgung und Haushaltsführung. Wenn eine funktionale familiäre Unterstützung nicht möglich ist oder nicht ausreicht, kann dies durch materielle Unterstützung kompensiert werden (Nowossadeck et al. 2017: 18). Dabei kann eine hauswirtschaftliche Dienstleistung gegebenenfalls in Kombination mit Pflegeleistungen einen längeren Verbleib im eigenen Haushalt ermöglichen.

Kultursensibilität

Auch wenn ein großer Teil der Menschen mit Migrationshintergrund schon seit vielen Jahren in Deutschland lebt und sich zum Teil an kulturelle Normen und Werte angepasst hat, ist vor allem bei einer Dienstleistungserbringung im privaten Haushalt zu beachten, dass die Dienstleistenden oder die Leistungsempfänger*innen im Rahmen der Leistungserbringung keine kulturspezifischen Wertvorstellungen, religiösen Gebote oder anderen Regeln verletzen. Allerdings können kulturelle Unterschiede noch tiefer gehen. So ist die Wahrnehmung von Farben, Zahlen und Räumen kulturell unterschiedlich geprägt und Aspekte nonverbaler Kommunikation können durch unterschiedliche Bedeutungszuschreibung von Gesten und Sprechweise zu Missverständnissen führen (Pichler 2017:

5f). Bei einer Befragung von Dienstleistungsnutzerinnen ohne Migrationshintergrund wurden Verhaltensweisen zur Wahrung der Privatsphäre und Präparieren der Wohnung beschrieben, bevor der Bereich für fremde Reinigungskräfte geöffnet wird. (Bröcheler 2015: 5). Eine Studie zu Verhaltensweisen in Haushalten, die kulturell anders sozialisiert wurden, konnte nicht ermittelt werden. Bisher wurde im Bereich der interkulturellen Erbringung von haushaltsnahen Dienstleistungen und Betreuung die Perspektive von Dienstleisterinnen aus anderen Kulturkreisen in den Fokus genommen (z. B. Kniejska 2016 / Meier-Gräwe 2015 / Hagen 2015). Nutzer*innen von Leistungen aus einem anderen Kulturkreis kommen in den Veröffentlichungen nicht vor. Anders ist dies im Bereich der Pflegewissenschaft, die unter den Stichworten transkulturelle oder kultursensible Pflege die kulturspezifischen Rahmenbedingungen der Pflege von Menschen aus anderen Kulturkreisen thematisiert und spezifische Umsetzungsempfehlungen für unterschiedliche kulturelle und religiöse Hintergründe gibt. Auch in diesen Veröffentlichungen werden die Bereiche der nonverbalen Kommunikation, des Nähe- und Distanzempfindens sowie unterschiedliche Gesundheits- und Krankheitskonzepte oder Schmerzwahrnehmungen thematisiert (Lenthe 2016). Diese Bereiche könnten auch eine Auswirkung auf die Bereitschaft zur Nutzung und die Akzeptanz haushaltsnaher Dienstleistungen haben.

Offene Fragen zur Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen in Haushalten mit Migrationshintergrund

Betrachtet man die Zielgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund vor der Fragestellung der Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen stellt sich dar, dass die in der Prognos-Studie beschriebenen potentiellen Nachfragegruppen und Bedarfslagen auch hier vorhanden sind. Inwieweit eine Nutzung bereits erfolgt oder welche Faktoren eine solche Nutzung in welchem Maße fördern oder behindern würden bedarf einer weiteren Erforschung der Einstellungen und Handlungsoptionen der Zielgruppen.

Folgende Faktoren sollten bei einer weiteren Bearbeitung des Themas genauer beleuchtet werden:

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- Höheres Einkommen und Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen: Wie oben beschrieben, steigen der Bildungsstand und das Einkommen von Menschen mit Migrationshintergrund an.

Ein Teil der Haushalte hat bereits ein Einkommen oberhalb von 3500 Euro erreicht. Nach Ergebnissen der Prognos-Studie nutzen vor allem Haushalte mit einem Einkommen über 3500 Euro haushaltsnahe Dienstleistungen. Ob das höhere Einkommen auch zur Entlastung im Haushalt und einer Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen führt und falls ja, wie diese Nutzung gestaltet ist, müsste weiter erforscht werden.

- Wertvorstellungen und Milieu als Faktoren zur Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen:

Wie in der Studie von Bröcheler herausgearbeitet, sind die persönlichen Wertvorstellungen ein entscheidender Faktor für die Nutzung von haushaltsnahen Dienstleistungen. Aber auch die Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen in der Peer Group und in der Umgebung vorhandene Wertvorstellungen üben einen Einfluss auf die Entscheidung zur Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen aus. Traditionelle Rollenbilder, der Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung als Hauptaufgabe der Frau, konkurrieren hier mit der modernen Idee der doppelten Erwerbstätigkeit in Verbindung mit einer Vergabe von Haushaltstätigkeiten. In der Analyse der Migrantenmilieus beschreibt das Sinus-Institut, dass in den modernen Milieus Einstellungen und Handlungsweisen der Mehrheitsgesellschaft zunehmend angenommen werden. In beiden Studien wird deutlich, dass weniger die Herkunft, sondern eher die Peer Group und das Milieu die Handlungsweisen bestimmen. Auch in der Mehrheitsgesellschaft ist nach den Ergebnissen der Prognos-Studie und von Bröcheler die Einstellung zur Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen im Umbruch. Daher ist zu erforschen, inwieweit in Haushalten mit Migrationshintergrund, die den modernen Milieus zuzuordnen sind, eine Bereitschaft zur Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen vorhanden ist und welche Faktoren hierfür ausschlaggebend sein können.

- Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen zur Unterstützung bei erweiterter Berufstätigkeit der Haushaltsmitglieder: Aktuell werden haushaltsnahe Dienstleistungen hauptsächlich von Haushalten ohne Kinder genutzt, aber schon jetzt sind 25 % der Haushalte, die haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen, Familienhaushalte. Vor dem Hintergrund eines steigenden Erwerbsanteils von Frauen und der damit anfallenden zusätzlichen Arbeitsbelastung können sich schon heute mehr Familien die Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen vorstellen. Dieser Wunsch nach mehr Erwerbstätigkeit wird auch in Haushalten mit Migrationshintergrund formuliert. Programme wie „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“, sollen gezielt Mütter mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt integrieren. Aber auch andere Unterstützungsangebote haben die Möglichkeit eine Berufstätigkeit von Müttern zu unterstützen. So wurde beim Modellprojekt

„Haushaltsnahe Dienstleistungen“ in Heilbronn und Aalen festgestellt, dass eine Unterstützung durch haushaltsnahe Dienstleistungen ein Faktor zur Aufnahme oder Erweiterung der Berufstätigkeit von Müttern sein kann. Zu erforschen ist die Fragestellung, inwieweit solche Maßnahmen auch in Haushalten mit Migrationshintergrund eine (erweiterte) Berufstätigkeit der Mütter ermöglichen können, wie hoch die Akzeptanz haushaltsnaher Dienstleistungen in den Familien ist und welche Unterstützungsangebote zur Finanzierung haushaltsnaher Dienstleistungen gegebenenfalls notwendig sind.

- Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen zur Unterstützung / Versorgung älterer Personen:

Die größten Nutzergruppen haushaltsnaher Dienstleistungen sind Haushalte ohne Kinder und Haushalte mit Personen über 60 Jahren (Prognos 2019: 11). Hierbei handelt es sich nur zu einem Teil um Haushalte mit pflegebedürftigen Haushaltsmitgliedern, sondern auch schon um solche, in denen erste körperliche Einschränkungen die Haushaltsarbeit schwerer werden

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lassen. Auch wenn Familie und familiäre Unterstützung bei Migrant*innen ein hoher Wert ist, ist auch diese Bevölkerungsgruppe durch die Flexibilisierung der Arbeitswelt und den höheren Anteil berufstätiger Frauen, zeitlich und räumlich nicht immer in der Lage ihre Angehörigen bei Hilfe- oder Pflegebedarf langfristig zu versorgen. Wenn ausreichend finanzielle Mittel vorhanden sind, können haushaltsnahe Dienstleistungen die Alltagssituation in Haushalten älterer Menschen mit körperlichen Einschränkungen stabilisieren. Allerdings erschwert die in der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund stärker vorhandene Altersarmut eine solche Finanzierung. Hier könnte die familiäre Solidargemeinschaft bei der Finanzierung unterstützen. Ob die Bereitschaft zur Nutzung solcher Dienstleistungen vorhanden ist und ob bezahlte Dienstleistungen als Ergänzung oder Ersatz familiärer Hilfe bewertet und wertgeschätzt werden, ist ein Themenbereich, der erforscht werden könnte.

- Nutzung angemeldeter Dienstleisterinnen, Schwarzarbeit oder familiale Unterstützung: Bei den vorgestellten Bedarfslagen ist immer die Frage zu stellen, ob statt einer Nutzung professioneller angemeldeter haushaltsnaher Dienstleistungen auf das Angebot nicht angemeldeter Putzkräfte zurückgegriffen wird. Eine andere Möglichkeit kann sein, dass die anfallenden Tätigkeiten von Verwandten oder Bekannten geleistet werden, die auf diese Weise formlos eine finanzielle Unterstützung erhalten. Gerade in Haushalten in deren kulturellem Hintergrund Familienzusammenhalt ein hoher Wert ist, ist dies eine Möglichkeit.

Hierzu bedarf es weiterer Forschung mit Familien aus unterschiedlichen Herkunftsländern.

Fazit

Diese Expertise stellt einen Versuch dar, die Möglichkeiten der Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen von Haushalten, in denen Menschen mit Migrationshintergrund leben, theoretisch zu erfassen. Eine erste Recherche ergab, dass zu diesem Themenkomplex nur wenig Literatur vorhanden ist. Um den notwendigen Forschungsbedarf genauer einzugrenzen, wurde der Themenbereich in der vorliegenden Expertise aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Eine Studie zu haushaltsnahen Dienstleistungen vom Prognos-Institut ergibt eine aktuelle Nutzung hauptsächlich durch höhere Einkommensgruppen, kinderlose und Haushalte älterer Menschen.

Gleichzeitig wird aber ein Nutzer*innenpotenzial in den mittleren Einkommensgruppen und Familien prognostiziert. Im Mikrozensus wird für die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund steigendes Einkommen und höhere Bildung festgestellt. Bröcheler untersucht in ihrer Forschungsarbeit die Entlastungspotentiale, die haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien bergen und die Möglichkeit einer besseren Vereinbarkeit von Familienarbeit und Berufstätigkeit durch die Nutzung von HDL. In den Sinus-Migrantenmilieus wird eine Annäherung breiter Schichten der Migrantenpopulation an die Mehrheitsgesellschaft konstatiert. Damit verbunden ist auch eine Übernahme deren Werte und Verhaltensweisen und der Wunsch der Frauen, parallel zum Familienalltag eine Berufstätigkeit auszuüben bzw. zu erhöhen. Die Zahl der älteren Menschen mit Migrationshintergrund steigt an und wird in Zukunft weiter steigen. Gleichzeitig ist der selbst empfundene und funktionale Gesundheitszustand der älteren Menschen mit Migrationshintergrund schlechter als der aller älteren Menschen. Trotz einer stärkeren familiären Integration wird eine Versorgung allein durch die Familie aufgrund steigender Berufstätigkeit und weiterer räumlicher Trennung nicht möglich sein.

All diese Punkte zeigen Potential für eine mögliche Nutzung haushaltsnaher Dienstleistungen durch die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund. Inwieweit dieses Potential bereits heute umgesetzt wird, welche Art von Beschäftigungsverhältnissen bestehen und ob es kulturelle Besonderheiten gibt, die haushaltsnahe Dienstleistungen in Haushalten mit Migrationshintergrund

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erschweren oder erleichtern, kann vor dem Hintergrund des aktuellen Informationsstandes nicht festgestellt werden. Daher wird eine Forschung in diesem Themenbereich empfohlen, um perspektivisch Angebote auch für diese wachsende Zielgruppe zu entwickeln und sie nicht nur als Dienstleistungsanbietende, sondern auch als Kundengruppe von haushaltsnahen Dienstleistungen zu entdecken.

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