Übungen XI: Investition und Finanzierung
Christian Keuschnigg Universität St.Gallen, FGN
∗Dezember 2004
Exercise 1 (a) Ermitteln Sie aus (11.1) die Arbeitsnachfrage eines einzelnen Unterneh- mens mit Kapitalstock K und quasikonkaver Produktionsfunktion F (K, L),
π(Kt) = max
L {F (Kt, Lt)−wtLt}, π0(K)>0> π00(K). (11.1) Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsangebot sei auf L¯ = 1 normalisiert. Zeigen Sie, wie im Vollbeschäftigungsgleichgewicht der Lohn gebildet wird, und wie sich der Produktionserlös auf Löhne und Cash-Flow verteilt.
(b) Zeigen Sie, dass der Cash-Flow π0(K)>0> π00(K) erfüllt..
Lösung: (a) Die BEO erfordert, dass das Grenzprodukt der Arbeit gleich dem Lohnsatz ist. Die BEO legt dann die Arbeitsnachfrage fest:
FL(K, L) =w ⇒ L(w, K). (i)
Abbildung UE1 zeigt, dass die Arbeitsnachfrage eines preisnehmenden Unternehmens mit dem Lohn sinkt. Der Kapitalstock ist dabei in jeder Periode vorgegeben. Im gesamtwirt- schaftlichen Gleichgewicht muss sich der Lohn so anpassen, dass die Nachfrage gerade
∗Institut für Nationalökonomie, Varnbüelstrasse 19, CH-9000 St.Gallen.
dem fixen Arbeitsangebot L¯ = 1 entspricht. Bei höherem Lohn würden die Unterneh- men weniger nachfragen. Die Arbeitnehmer werden dann gegenseitig die Löhne hinunter konkurrenzieren. Beim Gleichgewichtslohn entspricht die Arbeitsnachfrage gerade dem Arbeitsangebot, so dass Vollbeschäftigung herrscht. Die Fläche unter der Grenzproduk- tivitätskurve FL bis L¯ = 1 gibt den Produktionserlös an, während das Rechteck wL die Lohnsumme anzeigt. Die Differenz ist der Cash-Flowπ, siehe (11.1).
1 L =
π( , )
F
LK L
wL w
Abb. UE1: Produktionsgleichgewicht
(b) Wie wenden das Envelopen-Theorem auf (11.1) an und erhaltenπ0(K) =FK(K, L) mitLals optimaler Arbeitsnachfrage. Im gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht passt sich der Lohn an, so dassL= 1 undπ0(K) =FK(K,1)>0. Die nochmalige Ableitung dieses Ausdrucks ergibt, im Gleichgewicht, π00(K) =FKK(K,1)<0. Die Vorzeichen folgen aus der Konkavität der Produktionsfunktion.
Exercise 2 Leiten Sie das Investitionskriterium π0(K1) = r1 +δ her, indem Sie eine Abschreibungsrate δ berücksichtigen, so dass K1 =I0+ (1−δ)K0 gilt.
Lösung: Die Ausschüttungen betragen D0 = π(K0) − I0 und D1 = π(K1) − I1. Der Kapitalstock folgt Kt+1 = It + (1−δ)Kt. Die Endbedingung K2 = 0 impliziert I1 =−(1−δ)K1 und damit D1 =π(K1) + (1−δ)K1. Das Investitionsproblem ist nun maxD0+D1/R1 bzw.
maxI0
(π0−I0) +π(K1) + (1−δ)K1
R1
, K1 =I0+ (1−δ)K0. (i)
Die BEO für die optimale Investition lautet 1 = π0(K1) + 1−δ
1 +r1 ⇔ π0(K1) =r1+δ. (ii) Die Opportunitätskosten bzw. Kapitalnutzungskosten müssen nun auch die Kosten für die Abschreibung berücksichtigen.
Exercise 3 Zeigen Sie, dass auch bei vollständiger Fremdfinanzierung dieselbe Investiti- onsregel π0(K1) =r1 wie in (11.12) optimal ist und damit Selbst- und Fremdfinanzierung äquivalent sind.
Lösung: Bei vollständiger Fremdfinanzierung gilt nach (11.3) It = BtN und damit na- türlich VtN =Et = 0. Bei vollständiger Fremdfinanzierung I0 = B0N betragen in Periode 1 Unternehmensschuld und Kapitalstock gleichB1 =B0+I0 und K1 =K0+I0, während sich nach (11.4) die Ausschüttungen in jeder Periode auf Dt = πt−rtBt belaufen. Für eine vollständig fremdfinanzierte Unternehmung lautet das Optimierungsproblem daher
maxI0
π0−r0B0+[π(K1)−r1(B0+I0)]
R1
, K1 =I0+K0. (i) Beachte, dass die Investition I0 = B0N die Dividende D0 = π0 −r0B0 nicht beeinflusst, weil die Investitionsausgaben durch einen Fremdmittelzufluss in genau gleicher Höhe fi- nanziert werden. Das Problem reduziert sich also auf die Maximierung der Dividende (gleich dem eckigen Klammerausdruck) in Periode 1. Die BEO ergibt wiederπ0(K1) =r1
wie in (11.12), womit die Finanzierungsäquivalenz gezeigt ist.
Nebenbemerkung: Genaugenommen müssten wir die Finanzierungsidentität der Fir- ma mit Dt = πt−rtBt+¡
BtN −It
¢. In Periode 0 gilt per Annahme B0N −I0 = 0. Die Endbedingungen K2 = B2 = 0 bedeuten in Periode 1 einen Mittelzufluss aus Desinve- stition von K1 =−I1 und einen Mittelabfluss aus Schuldenrückzahlung von −B1 =B1N. Es ist B1N −I1 = K1−B1 = 0 genau dann, wenn auch B0 = K0 gilt. Dies ist der Fall in (i). Für K0 > B0, aber vollständiger Fremdfinanzierung der Investition B0N = I0, gilt B1N −I1 =K1−B1 =K0−B0 >0. Also muss in Periode 1 das noch vorhandene Eigen- kapital zurückbezahlt (desinvestiert) werden, so dass die Ausschüttung anders als in (i)
D1 = π1−r1(B0+I0) + (K0−B0) beträgt. Da aber K0 −B0 exogen ist, wird dadurch das Ergebnis nicht beeinflusst.
Exercise 4 (a) Ermitteln Sie aus (11.5), (11.6) und (11.8)
Ct =wt+πt−It+RtBtF −Bt+1F . (i) (b) Verwenden Sie (11.1) für den Cash-Flow π und leiten Sie die Investitions-Spar- Identität ab (Sparen = Investition + Leistungsbilanzsaldo). Stellen Sie das Ergebnis zu Abbildung 3 in Beziehung.
Lösung: (a) SetzeA=V +B+Bf aus (11.5) in (11.8) ein. Verwende (11.6) und (11.3), Ct =wt+RtAt−At+1 =wt+¡
Dt−VtN −BtN¢
+rtBt+RtBtf −Bt+1f . (ii) Als nächstes verwenden wir (11.3-4) und schreiben
Dt−VtN −BtN =Dt+Et−It=πt−rtBt−It. (iii) Nach Einsetzen von (iii) in (ii) folgt (i).
(b) Gemäss (11.1) gilt wt+πt = F (Kt,1) = Ft. Einsetzen in (i) ergibt nach einer Umformung
³
Bt+1f −Btf´
+It =Ft+rtBtf −Ct ⇔ LBt+It=St. (iv) Auf der rechten Seite bezeichnetFtdas BIP (Inlandseinkommen) undFt+rtBtf das BNP (Inländereinkommen aus dem In- und Ausland). Einkommen (BNP) minus Konsum ergibt die gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse St. Diese werden für heimische Investitionen zur Verfügung gestellt oder in den Erwerb von Auslandsvermögen (Leistungsbilanzüberschuss LBt ≡Bt+1f −Btf) investiert. In Abbildung 3 haben wir das Auslandsvermögen gleich Null gesetzt, B0f = 0, so dassBf1 den gesamten Leistungsbilanzüberschuss bezeichnet. Mit B0f lesen wir in Abbildung 3 die Identität (iv) auf der horizontalen Achse als LB = Bf1 = F0−I0−C0 ab.
Exercise 5 Gegeben sei eine Technologie F (K, L) = AKαL1−α mit 0< α < 1 und dem Arbeitsangebot L = 1. Das Investitionskriterium lautet (1−τ∗)π0(K) = r, wobei π0(K) gleich dem Grenzprodukt des Kapitals bei Vollbeschäftigung ist.
(a) Berechne die KapitalnachfrageK formal, ermittle dann die Nachfrage für Parameter- werte von α = 1/3, r = 0.1 und A= 2.7, und zwar einmal für τ∗ = 0 und τ∗ = 1/9 (ca.
11%). Um wieviel Prozent sinkt der Kapitalstock?
(b) Berechne durch Linearisierung der Investitionsbedingung (mit π0 =FK aus der ange- gebenen Technologie) den prozentuellen Rückgang des Kapitalstocks, d.h. bilde das Diffe- rential und ermittle den Ausdruck fürdK/K (prozentuelle Änderung). Wie hoch ist dann der Rückgang des Kapitalstocks, wenn Sie die Parameterwerte aus Teil (a) verwenden?
(c) Berechne die prozentuelle Lohnänderung. Was schliessen Sie daraus für die Steuer- überwälzung?
Lösung: (a) Aus dem Investitionskalkül erhalten wir r
1−τ∗ =π0(K) =FK =αAKα−1 ⇒ K = [αA(1−τ∗)/r]1/(1−α). (i) Einsetzen der Parameterwerte ergibt K =¡
3√
1−τ∗¢3
, so dass wir K(τ = 0) = 27 und K(τ = 1/9) = ³
3p 8/9´3
≈ 22.6 berechnen. Der Rückgang des Kapitalstocks beträgt also(27−22.6)/27≈16.3%.
(b) Das Differential des Investitionskalküls r= (1−τ∗)FK = (1−τ∗)αAKα−1 lautet dr = 0 = (1−τ∗) (α−1)FK
K dK+FKd(1−τ∗) ⇒ dK
K =− 1 1−α
dτ∗
1−τ∗. (ii) Die zweite Gleichung erhält man nach Division durch (1−τ∗)FK und einer weiteren leichten Umformung. Die Elastizität der Kapitalnachfrage beträgt 1−1α = 3/2, und die Änderung des Steuerterms relativ zum Ausgangswert vonτ∗ = 0ist1dτ−τ∗∗ =dτ∗ = 1/9. Der prozentuelle Rückgang beträgt dann dK/K =−1/6≈16.7%. Die Approximation in (ii) ist also fast identisch mit der exakten Berechnung nach (i). Eine Erhöhung der effektiven Grenzsteuerbelastung von 0 auf 11% führt also zu einem Rückgang des Kapitalstocks um mehr als 16%.
(c) Der Lohn ist gleich dem Grenzprodukt der Arbeit, w = (1−α)AKα für L = 1.
Der höhere Grenzsteuersatz hemmt die Kapitalbildung. Mit geringerer Kapitalintensität fällt der Lohn. Die Lohneinbusse beträgt dww =αdKK =−1−αα
dτ∗
1−τ∗ ≈−1/18oder ca. 5.6%.
Die Gewinnbesteuerung wird also zumindest teilweise auf die Arbeit überwälzt.
Exercise 6 Es sei die Beschränkung in (11.37) angenommen. Ausserdem sei in Periode 1 ein Anteilsrückkauf (negative Anteilsfinanzierung) von V1N =−V0N möglich. Gehen Sie von (11.26) aus und zeigen Sie, dass unter diesen Annahmen die Investitionsbedingung π01 =r1/¡
1−tD¢
in (11.30) folgt.
Lösung: Nach (11.37) wird der gesamte Gewinn einbehalten, E0 =π0, so dass D0 = 0 gilt und ein Betrag V0N = I0 −π0 mit Anteilen finanziert werden muss. In Periode 1 werden Anteile im Umfang von V1N = −V0N = π0 −I0 zurückgekauft. Die Dividende beträgt D1 = π1 −E1 mit E1 = I1 −V1N = −K1 −π0 +I0 und K1 = K0 +I0. Diese Definitionen in (11.26) eingesetzt ergibt
maxI0 −(I0−π0) + 1 R1
µ1−tD
1−tV (π1+K0+π0)−(π0−I0)
¶
. (i)
Daraus folgt die BEO [es ist R1 = 1 +r1/¡
1−tV¢ ]
−1 + 1 R1
µ1−tD 1−tV π01+ 1
¶
= 0 ⇔ ¡
1−tD¢
π01 =r1. (ii) Dies entspricht exakt der Bedingung (11.30).