8
granat apfel 2|2014LEBEN & GESUNDHEIT Lebenswelt
ie leben meist in Isolation, können kaum kommunizieren, da nur wenige Men- schen die Gebärdensprache beherrschen – gehörlose und taubblinde Menschen, die oft noch eine zusätzliche Beeinträchtigung ha- ben. In herkömmlichen Einrichtungen kön- nen sie vielfach nicht ihren
Bedürfnissen entsprechend leben und betreut werden.
In der Lebenswelt der Barmherzigen Brüder be- müht man sich um das ganzheitliche Wohlbefinden dieser Menschen. „Durch das Leben in einer therapeu-
tischen Gemeinschaft kann sich jeder Einzelne seinem persönlichen Potenzial entsprechend entwickeln“, betont Mag. Wolfgang Brunner, der stellvertretende Gesamtleiter der Lebens- welt. „Unsere Sprache ist die Gebärdensprache.
Gehörlosen und taubblinden Menschen mit zusätzlichen Beeinträchtigungen bietet die Lebenswelt der Barmherzigen Brüder bald an drei Standorten therapeutische Arbeits- und Wohngemeinschaften.
TEXT: BRIGITTE VEINFURTER
Lebenswelt für Gehörlose
S
Wir bieten gesicherte Kommunikation – des-halb müssen alle MitarbeiterInnen die Gebär- densprache erlernen. Wesentlich ist auch, dass ein Teil der Belegschaft – unser Ziel ist 25 Prozent – gehörlose Personen sind, die in der Betreuung mitarbeiten. Unterstützt von diesen qualifizierten und engagier- ten MitarbeiterInnen sollen Lebensqualität und Selbst- gestaltungsfähigkeit unserer KundInnen entfaltet sowie ihre Arbeitsfähigkeit entwi- ckelt werden.“
Die erste Lebenswelt wurde 1999 in Schenkenfel- den, 30 Kilometer nördlich von Linz, eröffnet, 2011 kam ein zweiter Standort in Pinsdorf bei Gmunden dazu. Insgesamt bieten die beiden Einrichtungen 35 voll betreute Wohnplätze und 55 therapeutische Arbeitsplätze an.
Arbeitswelt
Die Arbeitswelt in Schenkenfelden verfügt über therapeutische Werkstätten für Textil, Keramik sowie Holz-, Flecht- und Kerzen- arbeiten und eine Industriewerkstatt, in der Kupferkabelreste verschiedenster Durchmes- ser abisoliert werden. In der Arbeitswelt Pins- dorf gibt es eine Kreativwerkstatt inklusive Holz-, Flecht- und Kerzenarbeiten, eine Ke- ramikwerkstatt und einen Computerarbeits- BARMHERZIGE BRÜDER
Lebenswelt
Gründer und Gesamtleiter der Lebenswelt ist Primarius Priv.-Doz.
Dr. Johannes Fellinger, Vorstand des Instituts für Sinnes- und Sprachneurologie, Rechtsträger ist das Konvent hospital der Barmherzigen Brüder Linz. Internet: www.lebenswelt.at Mag. Wolfgang
Brunner ist stellvertretender Gesamtleiter der Lebenswelt.
Durch die Herstellung hochwertiger Produkte
und deren Verkauf erhalten die KundInnen
Selbstbestätigung und
Anerkennung.
9
Fotos: Lebenswelt
platz. An beiden Standorten besteht auch die Möglichkeit, in der Küche und im Außenbe- reich zu arbeiten. In der „Linz Werkstatt“, die organisatorisch zum Standort Schenkenfelden gehört und in den Räumlichkeiten des Insti- tuts für Sinnes- und Sprachneurologie des Lin- zer Konvent hospitals untergebracht ist, finden derzeit weitere vier KundInnen eine Beschäfti- gung. Die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte in den Werkstätten und deren Ver- kauf sind ein wichtiger Teil der Arbeit in der Lebenswelt. Dadurch erhalten die KundInnen Selbstbestätigung und Anerkennung für ihre Leistungen und erfahren, dass sie, wie alle Menschen, zu produktiver Arbeit fähig sind.
Neben der Arbeit haben sie die Möglich- keit, diverse Angebote wie zum Beispiel Kom- munikationsförderung, soziale Entwicklung, Tanzen, Sport etc. wahrzunehmen. Die Kun- dInnen können in Schenkenfelden und Pins- dorf dreimal wöchentlich an der Andacht teilnehmen, was die meisten auch tun. Hier werden die vier Evangelien im Drei-Jahres- Rhythmus gelesen. So wird ihnen in einfachs- ter Weise die Frohe Botschaft Jesu vermittelt.
Wohnwelt
In den Wohnwelten leben die BewohnerIn- nen in Einbettzimmern mit WC und Dusche.
In Schenkenfelden wohnt auch ein betreutes Ehepaar in einer Paarwohnung. Die Wohn-
gruppen bieten viel Platz für Individualität, aber auch für gemeinsame Aktivitäten. All- tagsarbeiten wie Einkaufen, Kochen, Reinigen und Wäscheversorgung werden von den Be- wohnerInnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst durchgeführt. Ein multiprofessionel- les BetreuerInnenteam unterstützt sie, wenn nötig, dabei und bietet zudem psychosoziale und medizinische Hilfe an.
Sowohl in Schenkenfelden als auch in Pinsdorf haben zudem zahlreiche Einwohne- rInnen die Gebärdensprache erlernt, um mit den BewohnerInnen der Lebenswelt kom- munizieren zu können. „Der Nachfrage nach Wohnplätzen können wir nicht entsprechen – es gibt InteressentInnen, die auf eine Aufnahme warten müssen.
Im Arbeitsbereich gibt es noch wenige freie Plätze“, betont Mag. Brunner. „Im Oktober 2014 wird unser dritter Lebenswelt- Standort in Wallsee-Sindelburg im Bezirk Amstetten in Nieder- österreich eröffnet. Für Wallsee sind 20 vollbetreute Wohn plätze und 25 Plätze in der Arbeitswelt geplant.
Im ersten Jahr ist eine Halbauslastung, ab Oktober 2015 die Vollauslastung vorgesehen.
Der Standort Wallsee wird von der Landesre- gierung Niederösterreich, Abteilung Soziales, finanziert werden.“
«
Lebenswelt
Sie leben meist in Isolation, können kaum kommunizieren, da nur wenige Menschen die Gebärdensprache beherrschen.
Die Gebärden sprache ist die „ Umgangssprache“ in der Lebenswelt.