• Keine Ergebnisse gefunden

Sprachförderung für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache in der Elementarpädagogik

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Sprachförderung für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache in der Elementarpädagogik"

Copied!
139
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Sprachförderung für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache in der

Elementarpädagogik

Für die Umsetzung sprachfördernder Maßnahmen notwenige Ressourcen aus der Sicht tätiger KindergartenpädagogInnen

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Johanna BÖHM, Bakk.

a

phil.

am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft Begutachterin: Prof.in Dr.in Catherine Walter-Laager

Graz, 2016

(2)

I

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht zu haben. Außerdem versichere ich, dass diese wissenschaftliche Arbeit bisher in gleicher oder ähnlicher Form an keiner anderen in- oder ausländischen Bildungseinrichtung als Prüfungsarbeit vorleget wurde.

Graz, Mai 2016 Johanna Böhm

(3)

II

„Wir leben alle von dem, was uns Menschen in bedeutungsvollen Stunden unseres Lebens gegeben haben.“

(Novalis)

Ich möchte mich von ganzem Herzen bei all meinen Lieben bedanken, die mich bei der Entstehung dieser Arbeit und beim Abschluss meines Studiums unterstützt haben. Jeder von euch hat mir genau das gegeben, was für mich in dieser herausfordernden Zeit von

Bedeutung war.

(4)

III

Zusammenfassung

Die Notwendigkeit einer frühzeitigen sprachlichen Förderung für Kinder mit Migrationshintergrund ist nicht nur vielfach wissenschaftlich begründet, es wird in den letzten Jahren auch verstärkt versucht, sprachfördernde Maßnahmen im Kindergarten durchzuführen. Es gibt eine Vielzahl von Sprachförderprogrammen, Förderkonzepten, Studien über die Wirksamkeit ebendieser und auch die ausschlaggebende Rolle solider Sprachförderkompetenzen seitens der PädagogInnen ist wissenschaftlich fundiert. Das Interesse der vorliegenden Arbeit liegt nun darin heraus zu finden, inwieweit die KindergartenpädagogInnen sprachfördernde Maßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund im Kindergartenalltag umsetzen können, beziehungsweise welche Ressourcen und strukturellen Faktoren notwendig wären, um optimale Rahmenbedingungen für die sprachliche Fördersituation im Kindergarten schaffen zu können.

Es wurden zwölf ExpertInneninterviews mit in der Praxis tätigen KindergartenpädagogInnen durchgeführt. Die InterviewpartnerInnen wurden über die Verwertbarkeit dreier exemplarisch vorgestellter Sprachförderprogramme und Förderkonzepte befragt beziehungsweise wie sie das österreichische Maßnahmenpaket

‚Sprich mit mir‘ im Kindergartenalltag umsetzen können.

Die qualitative Datenanalyse hat ergeben, dass eine Anpassung struktureller Faktoren, wie Personalschlüssel, Gruppengröße oder Zeit für Dokumentationsarbeit, an die neuen herausfordernden Tätigkeiten der KindergartenpädagogInnen dringend notwendig ist.

Weiters müssen die fachlichen Ressourcen der PädagogInnen in Form von umfassendem Wissen über Sprachförderung mehr Beachtung finden, um eine Brücke zwischen den theoretischen Aufträgen und der praktischen Umsetzung bauen und Sprachförderung im Kinderarten optimieren zu können.

(5)

IV

Abstract

The necessity of an early language training for children with migration background is not only scientifically proved, it is also increasingly tried to realize language training actions in kindergarten in the last years. There is a multitude of language training programs, training concepts, studies about their effectiveness and the crucial part of the educators’ language training competences is also scientifically consolidated. This thesis investigates to what extent kindergarten teachers can realize language training actions for children with migration background in daily kindergarten routine, and accordingly which resources and structural factors create ideal basic conditions for language training in kindergarten.

Twelve active kindergarten teachers have been interviewed. The interviewees were asked about the usability of three presented language trainings and training concepts respectively how they can realize the Austrian program ‘Sprich mit mir’ in daily kindergarten routine.

The qualitative data analysis showed that an adaption of structural factors, such as teacher-children-ratio, size of groups or time for documentation, is strongly necessary for the new challenging functions of kindergarten teachers. Furthermore, the educators’

professional resources, namely rich knowledge about language training, have to be attended more in order to link theoretical tasks and practical realization to optimize language training in kindergarten.

(6)

1

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung ... III Abstract ... IV

Inhaltsverzeichnis ... 1

Abbildungsverzeichnis ... 4

1 Einleitung und Problemaufriss ... 5

I. THEORETISCHER TEIL ... 9

2 Spracherwerb ... 9

2.1 Spracherwerbstheorien ... 9

2.2 Das Kommunikationssystem ‚Sprache‘ ... 11

2.3 Meilensteine der Sprachentwicklung... 12

2.3.1 Phonologieerwerb ... 13

2.3.2 Lexikonerwerb ... 14

2.3.3 Syntaxerwerb ... 15

2.3.4 Morphologieerwerb ... 16

2.3.5 Pragmatikerwerb ... 17

3 Mehrsprachigkeit ... 18

3.1 Formen der Mehrsprachigkeit ... 18

3.1.1 Der simultaner Erwerb zweier Sprachen ... 18

3.1.2 Der sukzessive frühkindliche Zweitspracherwerb ... 19

3.1.3 Der Zweitspracherwerb bei Erwachsenen ... 22

3.2 Besonderheiten bei Mehrsprachigkeit ... 23

3.3 Einflussfaktoren auf den Erfolg und die Erwerbsgeschwindigkeit des kindlichen Zweitspracherwerbs ... 24

(7)

2

4 Sprachförderung ... 27

4.1 Sprachförderkompetenz von ElementarpädagogInnen ... 28

4.1.1 Sprachförderkompetenzen: Wissen – Können – Machen... 29

4.1.2 Aufgaben sprachlicher Bildung und Förderung und Anforderungen an das pädagogische Handeln der PädagogInnen ... 32

4.1.3 Maßstäbe für die Qualität sprachfördernder Aktivitäten im Kindergarten. 36 4.1.4 Exkurs: Sprachstandserhebung – Wo steht das Kind? ... 37

4.1.5 Exkurs: Dokumentation – Sichtbarmachen des gemeinsamen Weges ... 39

4.2 Sprachförderprogramme und Sprachförderkonzepte... 40

4.2.1 Allgemeine Leitlinien und inhaltliche Schwerpunkte sprachfördernder Maßnahmen im Kindergarten ... 40

4.2.2 Programm oder Konzept? - Verschiedene Wege, ein Ziel ... 42

4.2.3 Vernetzung der beiden Positionen: ein mehrdimensionaler Weg zur Zielerreichung ... 45

4.2.4 Systematisierung von Sprachförderangeboten in der Elementarpädagogik 47 4.2.5 Exkurs: Wie erfolgreich sind Sprachförderangebote? ... 51

5 Exempel für sprachfördernde Programme/Konzepte... 54

5.1 Kon-Lab Programm (Zvi Penner)... 55

5.1.1 Zielsetzung und Zielgruppe ... 55

5.1.2 Inhalte und Methoden ... 56

5.1.3 Strukturelle und organisatorische Bedingungen ... 56

5.2 Deutsch für den Schulstart (Kaltenbacher/Klages) ... 57

5.2.1 Zielsetzung und Zielgruppe ... 58

5.2.2 Inhalte und Methoden ... 59

5.2.3 Strukturelle und organisatorische Bedingungen ... 60

5.3 Sprache macht stark! Sprachbrücke Familie-Kita (Rosemary Tracy) ... 61

5.3.1 Zielsetzung und Zielgruppe ... 61

5.3.2 Inhalte und Methoden ... 62

5.3.3 Strukturelle und organisatorische Bedingungen ... 63

5.4 Sprich mit mir (Österreich)... 64

5.4.1 Zielsetzung und Zielgruppe ... 65

5.4.2 Inhalte und Methoden ... 65

(8)

3

5.4.3 Strukturelle und organisatorische Bedingungen ... 66

5.4.4 Sprachstanderhebung BESK-DaZ ... 66

II. EMPIRISCHER TEIL ... 68

6 Erhebungsmethode ... 69

6.1 Begründung der Methodenwahl ... 69

6.2 Erhebungsmethode - das Experteninterview ... 70

6.2.1 Wer ist Experte/Expertin? ... 70

6.2.2 Unterschiedliche Wissensformen – welches Wissen soll das ExpertInneninterview liefern? ... 72

6.2.3 Das leitfadengestützte ExpertInneninterview ... 73

6.3 Erhebungsinstrument – der Interviewleitfaden... 73

6.4 Grundgesamtheit und Stichprobe ... 75

6.5 Datenaufbereitung - Transkription ... 77

7 Auswertungsverfahren – die qualitative Inhaltsanalyse ... 79

7.1 Richtung und Ziel der Analyse ... 79

7.2 Analyseschritte ... 80

7.2.1 Definition der Dimensionen für die Auswertung ... 80

7.2.2 Definition der Analyseeinheiten ... 81

7.2.3 Datenanalyse im MAXQDA ... 81

7.3 Einhaltung der Gütekriterien qualitativer Forschung ... 82

8 Darstellung der Ergebnisse ... 83

8.1 Förderliche/hinderliche Faktoren für die Umsetzung sprachfördernder Maßnahmen im Kindergarten ... 86

8.1.1 Strukturelle Rahmenbedingungen ... 87

8.1.2 Sprachförderkompetenzen ... 93

8.1.3 Methodische Zugänge... 96

8.2 Umsetzbarkeit und zusätzlich benötigte Ressourcen der vorgestellten Programme/Konzepte ... 99

8.2.1 Einschätzungen von Inhalt und Material ... 99

(9)

4

8.2.2 Einschätzung des zeitlichen Aufwandes... 101

8.2.3 Notwenige Ressourcen für die Umsetzung ... 103

8.3 Einschätzung von ‚Sprich mit mir‘ und zusätzlich benötigte Ressourcen ... 104

8.3.1 Die verpflichtend durchzuführende Sprachstandserhebung ... 105

8.3.2 Notwendige Ressourcen für eine optimale Umsetzung ... 106

9 Diskussion und Ausblick ... 107

9.1 Diskussion des Methodenteils ... 107

9.2 Diskussion der Ergebnisse ... 109

9.2.1 Strukturelle Ressourcen ... 109

9.2.2 Sprachförderkompetenzen: Wissen und Können als Ressourcen... 111

9.2.3 Vereinbarkeit von Programmen/Konzepten mit pädagogischen Grundwerten ... 113

10 Literaturverzeichnis ... 117

Anhang ... 125

a. Interviewleitfaden ... 125

b. Programmvorstellung ... 131

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Sprachförderkompetenz nach Hopp (2010) ... 30

Abb. 2: Aufgabenstruktur im Handlungsfeld sprachliche Bildung und Förderung ... 35

Abb. 3: Vor- und Nachteile von Konzepten und Programmen ... 44

Abb. 4: Übersicht Interviewpartnerinnen ... 84

(10)

5

1 Einleitung und Problemaufriss

„DaZ-Kinder (Anm.d.Verf.: Deutsch als Zweitsprache) sind in der schulischen Bildung benachteiligt, denn die Schulsprache ‚Deutsch‘ ist das Medium für Bildungsinhalte.

Neben der Schulleistung wird auch die kognitive Entwicklung von DaZ-Kindern durch ihre lückenhafte Sprachkompetenz behindert. Diese sprachsystematischen Lücken schließen sich meist nicht mit zunehmendem Alter, sondern sind bleibender Natur. Die entscheidende Ursache für die schulischen Minderleistungen der DaZ-Kinder ist ihre mangelnde Sprachkompetenz“ (Penner 2003, S. 11).

Mit diesen Worten fasst Penner (2003) die missliche Lage von Kindern mit Migrationshintergrund zusammen und macht auf die Ungleichheit der Bildungschancen aufmerksam, die aufgrund der sprachlichen Benachteiligung schon beim Eintritt in die Grundschule ihren Lauf nimmt. Kommt sie einmal ins Rollen, kann sie kaum bis gar nicht aufgehalten werden (vgl. Penner 2006, S. 7). Im Jahr 2013 hatten 26 Prozent aller Kinder, die in Österreich einen Kindergarten besuchten, eine andere Muttersprache als Deutsch. Sprachstandserhebungen ergaben, dass mehr als jedes zweite Kind mit nichtdeutscher Muttersprache einen Sprachförderbedarf aufweist. Circa zehn Prozent der Kinder mit Deutsch als Muttersprache sind aufgrund einer Spracherwerbsstörung ebenfalls auf eine sprachliche Förderung angewiesen (vgl. Statistik Austria 2015, S. 42).

Geht man von diesen Zahlen aus, ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Bildungssystem heillos überfordert ist.

Die Wissenschaft hat auf dieses gesellschaftliche Phänomen der Mehrsprachigkeit und des Sprachförderbedarfs reagiert. Durchforstet man die neuere Literatur, trifft man auf unzählige Studien zu Zwei- und Mehrsprachigkeit im Kindesalter, viel Literatur zu Sprachförderung von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache und auf diverse Sprachfördermaßnahmen, die mal mehr und mal weniger theoretisch fundiert, praxiserprobt und evaluiert sind. Die Fachwelt ist sich einig: Frühe sprachliche Förderung für Kinder mit Sprachförderbedarf ist enorm wichtig und die sprachlichen Kompetenzen eines Kindes sind entscheidend für die Bildungschancen und damit weichenstellend für die Zukunft.

(11)

6 Die Kinder in ihrer sprachlichen Kompetenz zu fördern, ist daher auch ein ganz klar formulierter Auftrag an die Elementarpädagogik, der in Österreich im bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplan festgelegt wurde:„Kontinuierliche Sprachförderung stellt eine Querschnittsaufgabe in elementaren Bildungseinrichtungen dar. Kinder werden in vielfältigen Alltagssituationen unterstützt, sprachliche Kompetenzen in ihrer Erst- bzw. Zweitsprache zu erwerben und zu differenzieren“

(Bundesländerübergreifender Bildungsrahmenplan 2009, S. 14). Dazu zählt nicht nur die Unterstützung des Spracherwerbs in der Erst- beziehungsweise Zweitsprache, sondern auch die Förderung von Literacy (Umgang mit Buch-, Erzähl- und Schriftkultur vor dem eigentlichen Lesen und Schreiben lernen) und die Förderung der kindlichen Medienkompetenz (vgl. Bundesländerübergreifender Bildungsrahmenplan 2009, S. 15).

Auch das Elementarpädagogikpaket der Bildungsreform 2015 prophezeit mittels Sprachstandsfeststellungen und Entwicklungsdokumentationen einen stärkeren Fokus auf die Sprachentwicklung und die Förderung von Kindern mit Sprachentwicklungsverzögerungen und Kindern mit Deutsch als Zweitsprache zu legen (vgl. Bildungsreformkommission 2015, S. 3 f.).

Diese bildungspolitischen Maßnahmen implizieren aber nicht nur die Einführung von Bildungsplänen, die Durchführung von Sprachstandsfeststellungen und die gezielte Förderung der Sprachentwicklung der Kinder mit Sprachförderbedarf, sondern erheben auch gleichzeitig den Anspruch an die PädagogInnen, diesen Bildungsauftrag durch gezielte Fördermaßnahmen umzusetzen (vgl. Briedigkeit 2013, S. 170). Die Umsetzung besagter Bildungsziele im Kindergartenalltag und die Qualität der Förderung stehen demnach auch in engem Zusammenhang mit der didaktisch-methodischen Kompetenz der PädagogInnen. Aber nicht nur die Sprachförderkompetenzen der elementarpädagogischen Fachkräfte, sondern auch die organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen bestimmen die Umsetzung sprachfördernder Maßnahmen. In der Fachwelt herrscht Einigkeit darüber, dass sprachliche Förderung zeitintensiv und langfristig ist, am besten in Kleingruppen umzusetzen ist und so früh wie möglich einsetzen sollte, um Chancengleichheit im weiteren Bildungsweg zu ermöglichen (vgl. Rothweiler/Ruberg 2011, S. 23; Chilla et al. 2010, S. 119 ff.).

Kurzzusammengefasst ist sprachliche Bildungsarbeit im Kleinkindalter zeitintensiv,

(12)

7 langfristig und am besten präventiv anzusetzen, was aber bildungspolitisch leider noch wenig akzeptiert ist (vgl. Jampert 2007, 309).

Spätestens durch die PISA-Studie wurde der Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund, sprachlichen Fertigkeiten und dem Schulerfolg bewusst gemacht. Auf Grund dessen wurde auch auf bildungspolitischer Ebene Handlungsbedarf geortet und durch den Bildungsrahmenplan auch ein guter Schritt in die richtige Richtung getan.

Aber, ist es im elementarpädagogischen Alltag mit den vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen möglich den Inhalt dieses Plans umzusetzen? Wie sehen die in der Praxis tätigen KindergartenpädagogInnen den neuen und umfassenden sprachfördernden Auftrag, wie können sie ihn umsetzen beziehungsweise was erachten sie als notwendig, um qualitativ hochwertige sprachfördernde Arbeit leisten zu können und vor allem Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache bis zum Schuleintritt zu einer soliden Beherrschung der Bildungssprache Deutsch zu verhelfen?

Tracy (2008) beantwortet die Frage ‚Wie Kinder Sprache lernen‘ mit folgenden Worten:

„systematisch, treffsicher und beharrlich – wenn man sie denn lässt und ihnen Bedingungen bietet, unter denen sich ihr Spracherwerbstalent entfalten und immer wieder herausgefordert fühlen kann. Dazu müssen wir vor allem für eines sorgen: für ein anregungsreiches, ‚unordentliches‘, sprich: variations- und kontrastreiches, Sprachangebot in natürlichen Situationen - den Input -, den Kinder dann nach Herzenslust ‚aufräumen‘ und in ein komplexes, vielschichtiges System sprachlichen Wissens verwandeln können“ (Tracy 2008, S. 156). Die Sprachentwicklung durch ein entsprechendes Angebot nur ‚zu unterstützen‘, gehört aber längst der Vergangenheit an.

Heute reichen die Anforderungen an die PädagogInnen von ‚Beobachten‘, über

‚Diagnostizieren‘, ‚Dokumentieren‘ bis hin zu ‚individuell Fördern‘. Tracy (2008) meint, dass diese Leistungen unter den derzeitigen Bedingungen und Rahmenbedingungen nicht erbracht werden könnten. Dass nicht die ganze Last der sprachlichen Förderung auf den ElementarpädagogInnen liegen darf, die eine Gruppe von 25 Kindern zu betreuen haben. Jeder der ein kleinwenig Einblick in eine Kindergartengruppe hat, wird schnell erkennen, dass individuelle Förderung oder

(13)

8 langwieriges Dokumentieren im Kindergartenalltag nicht wirklich möglich ist (vgl.

Tracy 2008, S. 156 f.).

Ziel dieser Arbeit ist es nun, mittels ExpertInneninterviews und einer qualitativen Analyse dieser, herauszufinden, wie in der Praxis tätige PädagogInnen, die sich tagtäglich diesen Anforderungen stellen müssen und versuchen sie so gut wie möglich umzusetzen, verschiedene Sprachförderprogramme und sprachfördernde Konzepte (es werden drei Programme/Konzepte vorgestellt) hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit in der Praxis einschätzen. Wie sie mit der Umsetzung des österreichischen Maßnahmenpaketes

‚Sprich mit mir‘ zurechtkommen und ob zusätzliche Ressourcen für sie hilfreich wären, um ihre sprachfördernde Tätigkeit optimieren zu können.

Im ersten Teil der Arbeit werden Fachliteratur und vorhandende Studien zum Thema herangezogen, um thematisch wichtige Kontexte darzustellen und inhaltliche Zusammenhänge aufzuzeigen. Das erste Kapitel stellt kurz das System Sprache dar, beschreibt den Spracherwerb unter dem Aspekt der unterschiedlichen theoretischen Fundierungen und umreißt die Meilensteine der Sprachentwicklung. Das zweite Kapitel widmet sich den Formen der Mehrsprachigkeit, die vor allem durch den Zeitpunkt des Erwerbsbeginns definiert werden. Weiters werden an dieser Stelle auf Besonderheiten der Mehrsprachigkeit hingewiesen und auf die Einflussfaktoren auf einen erfolgreichen Zweitspracherwerb im Kindesalter. Im dritten Kapitel wird umfassend auf die Sprachförderung eingegangen und einerseits die Sprachförderkompetenz der PädagogInnen facettenreich thematisiert. Andererseits werden die unterschiedlichen Wege der Sprachförderung mit den verschiedenen Schwerpunktsetzungen dargestellt.

Im Anschluss daran werden in Kapitel vier die Sprachförderprogramme ‚Kon-Lab‘ von Zvi Penner (1999) und das Programm ‚Deutsch für den Schulstart‘ von Kaltenbacher und Klages (2004) sowie das Sprachförderkonzept ‚Sprache macht stark‘ von Rosemary Tracy (2003) vorgestellt. An dieser Stelle wird auch das österreichische Maßnahmenpaket ‚Sprich mit mir‘ zur frühen sprachlichen Förderung beschrieben.

Dem Literaturteil folgt ein empirischer Teil, in dem das durchgeführte qualitative Forschungsprojekt dargestellt wird.

(14)

9

I. Theoretischer Teil

2 Spracherwerb

2.1 Spracherwerbstheorien

Die Wissenschaft ist sich einig, dass dem Spracherwerb ein allgemeiner kognitiver Reifungsprozess zu Grunde liegt und dass die Voraussetzung für den Erwerb einer Sprache ein sprachliches Angebot in der unmittelbaren Umgebung ist (vgl. Chilla et al.

2010, S. 12 f.). Auch herrscht Einigkeit darüber, dass Sprache ein humanspezifisches Phänomen ist (vgl. Kauschke 2012, S. 4). Es gibt in der Wissenschaft allerdings unterschiedliche Theorien darüber, ob sprachliches und grammatikalisches Wissen und damit die Fähigkeit zum Spracherwerb auf allgemeine angeborene kognitive Strukturen zurückzuführen sind oder ob es sprachspezifische Mechanismen gibt, die ausschließlich dem Spracherwerb dienen. Hier ist zu erwähnen, dass sich die kontroversen Meinungen der WissenschafterInnen vor allem auf den Erwerb der grammatikalischen Strukturen und weniger auf das Aneignen von Wörtern beziehen (vgl. Chilla et al. 2010, S. 12 f.).

VertreterInnen der nativistischen Theorie, allen voran Chomsky, sind der Ansicht, dass der Mensch über spezifische Spracherwerbsmechanismen verfügt, die eine Entschlüsselung der grammatikalischen Strukturen und die Aneignung eben dieser möglich machen. Es wird also von einer Inside-out-Annahme ausgegangen, wonach die Sprache genetisch vorprogrammiert ist und sich ohne aktives Zutun entfaltet (vgl.

Kauschke 2012, S. 139 f.).

Die interaktionistische Theorie hingegen geht davon aus, dass der kindliche Wille zur Kommunikation und sozialen Interaktion der Motor für die Sprachentwicklung ist und dass der Input der sozialen Umwelt als ganz besonderer externer Faktor für den Spracherwerb zu sehen ist. Ausgehend von einer Outside-in-Annahme, wurden die sprachlichen Lernumwelten von Kindern, sprich das Sprachangebot und das

(15)

10 Sprachverhalten der Umwelt, untersucht. So können unterschiedliche Faktoren die kindliche Sprachentwicklung beeinflussen: beispielsweise konnte in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden, dass sich die Komplexität der angebotenen Sprache durchwegs positiv auf die grammatikalische Sprachentwicklung eines Kindes auswirkt (vgl. Kauschke 2012, S. 144).

In kognitiv-funktionalen Theorien wird angenommen, dass für die Erklärung des Spracherwerbs allgemeine kognitive Fähigkeiten, wie die Erkennung von Mustern und Ähnlichkeiten oder die Bildung von Kategorien und Analogien, ausreichend sind (vgl.

Ruberg/Rothweiler 2012, S. 25). Der Spracherwerb ist eng an die kognitive Entwicklungstheorie von Piaget gebunden und es wird weiters davon ausgegangen, dass sich innere und äußere Faktoren gleichermaßen an der Sprachentwicklung beteiligen und sich wechselseitig beeinflussen. Sprache wird im kognitivistischen Ansatz in erster Linie als Repräsentationsmittel gesehen, sprich als Medium, um symbolisch mentale Inhalte darzustellen, während in nativistischen Ansätzen die grammatikalische und in interaktionistischen Ansätzen die kommunikative Funktion von Sprache hervorgehoben wird (vgl. Kauschke 2012, S. 145 f.).

Mit Emergenzmodellen gelingt es, sich von diesen drei extremen Positionen mit ihren

‚Entweder-Oder-Theorien‘ zu lösen und Sprache als Produkt kindlicher Entwicklungsschritte und Umweltfaktoren zu konstituieren. Kinder verfügen nach diesen Theorien über angeborene Lernmechanismen und sprachliche Prädispositionen, die durch die Nutzung des Inputs der Umwelt zur Entfaltung neuer emergenter (auftauchender) Fähigkeiten führen. Durch das Zusammenspiel kindlicher Kompetenzen und dem Input von außen, kann das sprachliche Wissenssystem erweitert werden, wobei die neuen Fähigkeiten nicht an einem inneren oder äußeren Merkmal alleine festgemacht werden können (vgl. Kauschke 2012, S. 147 f.).

Dieser kurze Einblick in die verschiedenen Theorien zum Spracherwerb zeigt, dass sowohl die genetische Disposition des Kindes, als auch Angebot und Anregung aus der Umgebung dazu beitragen, dass Kinder das System Sprache erwerben (vgl. Kauschke 2012, S. 149).

(16)

11

2.2 Das Kommunikationssystem ‚Sprache‘

Sprache ist ein menschliches Kommunikationssystem, das der sozialen Interaktion und der Informationsvermittlung dient. Das System Sprache ist ein Komplex aus Symbolen und strukturellen Regeln. Spracherwerb bedeutet demnach nicht nur das Erlernen von Wörtern, sondern vor allem auch das Erfassen des strukturellen Regelsystems der Sprache. Das bedeutet, die einzelnen Komponenten der Sprache und deren Zusammenhänge zu erfassen und diese sprachlichen Regeln auf Wörter anzuwenden.

Die strukturellen Merkmale von Sprache werden unter dem Begriff Grammatik zusammengefasst und umfassen die Phonologie (Lautsystem), die Morphologie (Regeln zur Wortbildung), die Flexionsmorphologie (Bildung von Wortformen) und die Syntax (Regeln zur Bildung von Sätzen). Neben diesen Strukturmerkmalen gibt es aber auch sprachliche Komponenten, die ebenfalls regelgeleitet sind und im Spracherwerbsprozess erlernt werden müssen. Hierzu zählen die Semantik (Bedeutung sprachlicher Äußerungen), die Pragmatik (Sprachverwendung) und die Prosodie (Satzbetonung, Melodie), die im Gegensatz zur Grammatik eng mit anderen kognitiven Bereichen, wie dem sozialen Handlungswissen, verknüpft sind. Die dritte Komponente von Sprache ist das mentale Lexikon (Wortspeicher), in dem nicht nur die Bedeutung, sondern auch diversere Eigenschaften und Informationen eines Wortes, wie die Wortart und die Flexion (Beugung), gespeichert werden. All diese Komponenten gehören zum Kommunikationssystem Sprache und jedes dieser Regelsysteme muss erworben werden. Durch diese kurze Zusammenfassung des Systems Sprache wird der Umfang der Erwerbsaufgabe sichtbar gemacht, dem ein kleines Kind, aber auch jeder erwachsene Mensch, der eine Sprache erlernen will, gegenübersteht. Im frühen Kindesalter stehen dem Kind Erwerbsmechanismen zur Verfügung, die ein Erlernen der Muttersprache, aber auch den frühen Erwerb einer Zweitsprache relativ mühelos voranschreiten lassen. Wie der Spracherwerb im Kindesalter verläuft wird nun im folgenden Kapitel skizziert und kann als Grundlage für die anschließenden Ausführungen zur Mehrsprachigkeit gesehen werden (vgl. Chilla et al. 2010, S. 10 f.;

Ruberg/Rothweiler 2012, S. 24).

(17)

12

2.3 Meilensteine der Sprachentwicklung

Bevor konkret auf die Sprachentwicklung beziehungsweise den Spracherwerb eingegangen wird, soll kurz darauf verwiesen werden, dass der Erstspracherwerb, egal ob es sich dabei um eine oder mehrere Erstsprachen handelt, immer nur im Kontext der Gesamtentwicklung eines Kindes gesehen werden kann. Sowohl kognitive und sozial- emotionale Aspekte der Entwicklung, sprich in den ersten Lebensmonaten vor allem die Kontaktaufnahme zu den Bezugspersonen, als auch anatomische und physische Entwicklungskomponenten, wie die Reifung des Stimmapparates, sind Voraussetzungen für den Spracherwerb (vgl. Schneider 2015, S. 135). Da sich Kinder in den verschiedenen Bereichen in unterschiedlichem Tempo entwickeln, ist auch der Spracherwerb individuell zu betrachten. Dennoch wird die Sprachentwicklung am besten in aufeinander folgenden Meilensteinen beschrieben (vgl. Wendlandt 2006, S.

32).

Die präverbale Interaktion dient vorwiegend dem Aufbau eines sozialen Netzwerkes zur Überlebenssicherung in Form einer Vertiefung der Bindung zu den Bezugspersonen. In den ersten Lebensmonaten findet noch keine verbale Kommunikation seitens des Kindes statt, sondern eine Interaktion durch Blick- und Körperkontakt, Bewegungen und Lautäußerungen. Obwohl noch keine verbale Interaktion stattfindet, die eine koordinierte und strukturierte Kooperation beider KommunikationspartnerInnen voraussetzen würde, ist diese Phase besonders wichtig für die Aneignung pragmatischer Fähigkeiten, wie zum Beispiel Sprachwechsel oder Frage-Antwort-Muster. Außerdem verinnerlichen die Kinder die Wortmelodie (Prosodie) ihrer Umgebungssprache. Hierzu ist es, wie Studien belegen, nicht notwendig, dass mit den Kindern in einer besonders kindgerechten Sprache gesprochen wird. In nicht westlichen Kulturen ist es oft nicht üblich, dass Erwachsene ihre Sprache adaptieren und die Kinder erwerben die prosodischen Eigenschaften ihrer Erstsprache dennoch. Wachsen Kinder bilingual auf, ist es daher von Beginn an sinnvoll, dem Kind beide Sprachen anzubieten (vgl.

Schneider 2015, S. 137f).

(18)

13 Im Folgenden wird der kindliche Spracherwerb mit den Schwerpunkten des Lexikon-, des Phonologie-, des Morphologie-, des Pragmatik- und des Grammatikerwerbs skizziert und dabei werden die vier Meilensteine der kindlichen Sprachentwicklung dargestellt. Ganz bewusst wird versucht auf Altersangaben weitest möglich zu verzichten, um zu verhindern, dass aufgrund von Abweichungen sofort auf Entwicklungsverzögerungen geschlossen wird. Die Altersangaben sind natürlich zur Orientierung durchaus hilfreich und besonders in der direkten Förderarbeit, vor allem aber der Förderdiagnostik, unverzichtbar. Für ein grundlegendes Verständnis des Ablaufs der Sprachentwicklung spielen sie aber nur eine untergeordnete Rolle. Aus diesem Grund kommt der hier dargestellte Abriss der Sprachentwicklung zwar nicht zur Gänze, aber doch vorwiegend ohne Altersangaben aus, um die Individualität und die Schwankungsbreite, die es in der kindlichen Sprachentwicklung gibt, zu betonen.

2.3.1 Phonologieerwerb

Bis zum Ende des ersten Lebensjahres hat das Kind das elementare Lautinventar seiner Erstsprache erworben, es kann anschließend einfache Silbenstrukturen bilden und beginnt sein phonologisches System zu organisieren. Außerdem eignet sich das Kind unterschiedliche Wortbetonungsmuster (Prosodie) an. Zuerst erlernt es die Vokale und dann nach und nach die Konsonanten (z.B.: b, p, m, n, d, t) und deren Verbindungen. Im Kindergartenalter wird das Konsonanteninventar ausgebaut und vervollständigt. Der Erwerb des Lausystems ist meist bis zur Mitte des vierten Lebensjahres abgeschlossen, wobei einige Laute (z.B.: ch, s, sch, st, sp) und komplexe Konsonantenverbindungen (z.B.: Wurst) noch bis zum Ende des fünften Lebensjahres Schwierigkeiten bereiten können (vgl. Ruberg/Rothweiler 2012, S. 29; Kauschke 2012, S. 174 f.).

Ebenfalls im Kindergartenalter entwickelt sich eine phonologische Bewusstheit, das die Kinder Silben, Anfangslaute und Reime erkennen lässt und sie dazu befähigt auch selbst zu reimen oder Silben zu klatschen. Bis zum Schuleintritt können sie auch Phoneme, die kleinsten bedeutungsunterscheidenden lautlichen Einheiten, erkennen und lokalisieren und dadurch auch die feinsten Unterschiede von Lauten, Silben und Wörtern begreifen (z.B.: Beet/Bett oder schnurren/schnüren) (vgl. Kauschke 2012, S. 174 f.).

(19)

14 Während des Erwerbs der phonologischen Regeln treten phonologische Prozesse auf, die belegen, dass das phonologische Regelsystem noch nicht ausdifferenziert ist beziehungsweise sich noch im Aufbau befindet. Zu diesen systematischen Abweichungen von den zielsprachlichen Regeln in der kindlichen Lautproduktion zählen unter anderem die Auslassung (Tilgung) unbetonter Silben (z.B.: Nane für Banane), die Angleichung (Assimilation) von Lauten an Nachbarlaute (z.B.: grei für drei) oder die Reduktion von Konsonantengruppen (z.B.: Batt für Blatt). Die meisten dieser phonlogischen Prozesse werden im dritten Lebensjahr, spätestens aber bis zum Schuleintritt überwunden (vgl. Ruberg/Rothweiler 2012, S. 29).

2.3.2 Lexikonerwerb

Schon am Ende des ersten Lebensjahres versteht das Kind eine Reihe von Wörtern und auch die aktive Produktion von Worten beginnt, wobei die ersten Wörter an die Fähigkeiten der Lallphase anschließen und daher zunächst höchstens zweisilbig und stark vereinfacht sind (vgl. Ruberg/Rothweiler 2012, S. 28). Schon bald erreichen sie die 50-Wort-Phase, das heißt sie sprechen aktiv 50 Worte, bevor sie mit circa 18 Monaten in die Phase des Wortschatzspurts kommen, in der der Wortschatz rapide anwächst und die Kinder bis zum Schuleintritt 6.000 Worte speichern lässt. Zu Beginn werden vorwiegend soziale Wörter, die mit Ereignissen verknüpft werden verwendet (z.B.: heia, baba, oje, hoppala). Aber auch Eigennamen wie Mama und Papa, einige Nomen (z.B.: Auto, Ball, Puppe) und Adjektive (z.B.: heiß, lieb) sind Teil dieses frühen Lexikons. In der zweiten Phase wächst vor allem das Repertoire an Nomen und erste Verben werden verwendet (z.B.: malen, essen, baden) (vgl. Kauschke 2012, S. 174;

Tracy 2008, S. 69). Anschließend wird in einer dritten Phase das Verbspektrum ausgebaut und das Lexikon um Funktionswörter, die erst durch Einbettung in ein Satzgefüge Sinn ergeben, erweitert. Dabei handelt es sich um Artikel, Präpositionen, Konjunktionen, Modalverben (sollen, müssen, können, mögen, dürfen, wissen, wollen) und Pronomen (vgl. Tracy 2008, S. 70). Bis zum Beginn des Schulalters wird das mentale Lexikon zügig erweitert (vgl. Ruberg/Rothweiler 2012, S. 32).

(20)

15 2.3.3 Syntaxerwerb

Die Entwicklung des grammatischen Systems kann in verschiedene Entwicklungsstadien unterteilt werden, die je nach WissenschafterIn zwar unterschiedlich eingeteilt sind, grundsätzlich aber dieselben Entwicklungsschritte beschreiben. Tracy (2007) beschreibt die grammatikalische Entwicklung, im engeren Sinne die Entwicklung der Syntax, also des Satzbaus, mit den folgenden vier Meilensteinen:

 Meilenstein 1 ( circa 10-18 Monate):

Die erste Phase ist das Stadium der Einwortsätze, in dem vorwiegend Nomen und Partikel wie ‚weg‘ oder ‚da‘, aber auch Worte wie ‚ja‘ und ‚nein‘ verwendet werden. Verben und Adjektive fehlen zunächst.

 Meilenstein 2 (circa 18 – 24 Monate)

Nun entdeckt das Kind die Existenz des syntaktischen Prinzips und es beginnt das Stadium der Wortkombinationen. Es werden zwar Verben verwendet, jedoch stehen sie meist am Satzende und sind noch nicht richtig flektiert beziehungsweise treten meist im Infinitiv auf (z.B.: Papa arbeiten oder Baby schlafen). Artikel, Hilfszeitworte und Präpositionen fehlen noch und machen die Sätze unvollständig.

 Meilenstein 3 (circa 24 – 36 Monate)

Der nächste Entwicklungsschritt ist die Subjekt-Verb-Kongruenz und die korrekte Verbstellung. Damit ist gemeint, dass die Verben so flektiert werden, dass sie in Numerus und Person zu den jeweiligen Subjekten passen und, dass das Verb in einfachen Satzkonstruktionen in der zweiten Position steht. Wichtige Satzelemente wie Verben, Subjekte, Artikel oder Präpositionen werden kaum noch ausgelassen (z.B.: der Papa arbeitet oder das Baby schläft).

 Meilenstein 4 (ab etwa 30 Monaten)

Der vierte und letzte Meilenstein im Erwerb der deutschen Grammatik ist der Gebrauch von Nebensätzen und der Ausbau des Kasussystems.

(21)

16 Tracy betont hier, dass die Altersangaben nur grobe Anhaltspunkte sind und die Erwerbsgeschwindigkeit individuell unterschiedlich ist (vgl. Tracy 2008, S. 77 ff.;

Ruberg/Rothweiler 2012, S. 33 f.; Chilla et al. 2010, S. 16 ff.).

2.3.4 Morphologieerwerb

Parallel zum Erwerb der Satzstruktur werden morphologische Eigenschaften, sprich das gesamte Flexionssystem (die Beugung der Wortformen), erworben, welches in der deutschen Sprache recht komplex ist. Dazu zählen die Verbflexion, bestehend aus Numerus (Singular und Plural), Person (1., 2., 3. Person), Tempus (Zeit) und Modus (Indikativ, Konjunktiv und Imperativ). Sowie die Nominalflexion mit Kasus (Fall), Genus (Geschlecht) und Numerus und die Kongruenz in der Nominalphrase, das heißt die Übereinstimmung von Artikel, Adjektiv und Nomen hinsichtlich Kasus, Genus und Numerus. Um all diese Flexionsmuster zu erwerben, müssen grammatikalische Kategorien erkannt und gebildet werden, Flexive mit grammatikalischer Bedeutung belegt werden (z.B.: die Endung -st markiert die Verbform in der 2. Person Singular) und es muss entdeckt werden, dass es reguläre und irreguläre Flexive gibt. Das Kind muss also über ein gewisses Maß, dessen tatsächlicher Umfang wissenschaftlich nicht näher beschrieben ist, an Verbformen und Nomen verfügen, um anhand einer Analyse dieser ein Regelsystem erstellen zu können (vgl. Chilla et al. 2010, S. 18 f.).

Als typischer Fehler sind hier die Übergeneralisierungen anzuführen, die

„nachdrücklich die Ordnungsliebe des Kindes und sein Bemühen um Systematisierung und um Reduktion formaler Sonderregelungen“ (Tracy 2008, S. 94) unterstreicht.

Solche Übergeneralisierungen treten im Kasussystem (vor allem 4. Fall statt 3. Fall: ‚ich geb das die Mama‘) auf, aber auch bei der Pluralbildung von Nomen (z.B.: eine Maus, viele Mausen statt Mäuse) und bei der Beugung von Verben (z.B.: ‚ich habe ganz viel getrinkt‘) (vgl. Tracy 2008, S. 93 f.; Ruberg/Rothweiler 2012, S. 31 f.; Chilla et al.

2010, S. 20).

(22)

17 2.3.5 Pragmatikerwerb

Dazu zählen am Beginn der Sprachentwicklung der Aufbau von Blickkontakt zum Gesprächspartner/zur Gesprächspartnerin und frühe kommunikative Ausdrücke durch Blick, Gesten und Lautieren. Dem folgt dann der trianguläre Blick und das Herstellen einer gemeinsamen Aufmerksamkeit, der ‚joint attention‘. Damit ist gemeint, dass sich das Kind und seine GesprächspartnerInnen nonverbal, zum Beispiel durch den Einsatz von Gesten, darauf einigen auf welchen Gegenstand oder welches Ereignis sie ihre gemeinsame Aufmerksamkeit richten (vgl. Ruberg/Rothweiler 2012, S. 28; Kauschke 2012, S. 175). Kinder lernen schon sehr früh einen Dialog zu führen, die Regeln des Sprecherwechsels einzuhalten und auf das Gesagte der GesprächspartnerInnen zu reagieren. So entwickelt sich über das Verstehen von Aussagen auch das Produzieren von eben diesen. Es werden passende Anredeformen erlernt, es können oft schon vor Kindergarteneintritt erste kurze Geschichten erzählt werden, wobei die Erzählkompetenz bis zum Schulalter noch stark ausgebaut wird. Erst im Schulalter ist die pragmatische Sprachkompetenz so weit gewachsen, dass Kinder Ironie und Metaphern verstehen können (vgl. Ruberg/Rothweiler 2012, S. 29 ff.; Kauschke 2012, S. 175).

Dieser Abriss der kindlichen Sprachentwicklung zeigt auf, wie sich Deutsch als Erstsprache strukturiert entwickelt und aufbaut. Es darf aber nicht davon ausgegangen werden, dass es keinen Raum für individuelle Unterschiede und Variationen gibt, obwohl Kinder diese Meilensteine beim ungestörten Spracherwerb auf sehr vergleichbarem Weg erreichen (vgl. Tracy 2008, S. 86).

(23)

18

3 Mehrsprachigkeit

3.1 Formen der Mehrsprachigkeit

Der Begriff Mehrsprachigkeit bezeichnet verschiedene Formen des Spracherwerbs im Laufe des Lebens eines Menschen, aber auch die Verwendung mehrerer Sprachen im Alltag und schließt damit die häufig synonym verwendeten Begriffe ‚Zweisprachigkeit‘

oder ‚Bilingualität‘ mit ein. Die Sprachen werden nach ihrer Erwerbsreihenfolge als Erstsprache, Zweitsprache und so weiter bezeichnet. Die Mehrsprachigkeit kann nun nicht nur auf Grund des Zeitpunktes des Erwerbsbeginns, sondern auch hinsichtlich des Erwerbsverlaufes, der Erwerbsgeschwindigkeit und dem Erwerbsergebnis in drei Erwerbsformen unterteilt werden (vgl. Riehl 2014, S. 9 ff.; Chilla et al. 2010, S. 22 f.).

3.1.1 Der simultaner Erwerb zweier Sprachen

Von simultanem Erwerb zweier Sprachen, synonym auch als doppelter oder bilingualer Erstspracherwerb zu bezeichnen, wird gesprochen, wenn Kinder innerhalb der ersten zwei Lebensjahre (da bis zum Ende des zweiten Lebensjahres die erste Sprache noch lange nicht vollständig erworben ist) mit zwei Muttersprachen konfrontiert werden und diese parallel erlernen. Das Kind erwirbt in diesem Fall zwei Erstsprachen, wobei es unterschiedliche Erwerbsszenarien gibt. Der Idealfall des bilingualen Erstspracherwerbs ist eine ‚One Person – One Language‘ Konstellation, sprich Vater und Mutter sprechen mit dem Kind jeweils in ihrer Muttersprache. Die Ursache für einen simultanen Erstspracherwerb kann aber auch sein, dass sich die Sprache der Familie von der Umgebungssprache unterscheidet, also in der Familie eine andere Sprache gesprochen wird als in der unmittelbaren Umgebung des Kindes (z. B.: MigrantInnen in zweiter Generation). Aus der Forschung geht hervor, dass sich der Erwerbsverlauf beim simultanen Erwerb zweier Sprachen nicht wesentlich vom Verlauf eines monolingualen Erwerbs unterscheidet und im Wesentlichen den Meilensteinen des monolingualen Spracherwerbs in der jeweiligen Sprache folgt. Die ersten Worte treten zwar eventuell etwas zeitverzögert auf, aber es kann in beiden Sprachen eine vollständige

(24)

19 Sprachkompetenz erworben werden. Weiters ist wissenschaftlich belegt, dass die beiden Sprachsysteme schon sehr früh getrennt werden und dass auftretende Sprachmischungsphänomene nur vorübergehend sind (vgl. Chilla et al. 2010, S. 23 f.;

Kauschke 2012, S. 121; Riehl 2014, S. 82).

3.1.2 Der sukzessive frühkindliche Zweitspracherwerb

Erwirbt ein Kind seine zweite Sprache erst ab dem dritten Lebensjahr spricht man von sukzessivem Zweitspracherwerb, wobei zwischen frühkindlichem bilingualem Erwerb (Erwerbsbeginn bis zum Alter von vier Jahren), dem kindlichen Zweitspracherwerb (Erwerbsbeginn ab fünf Jahren) und dem Erwerb im späteren Lebensalter unterschieden wird (vgl. Riehl 2014, S. 86). Zunächst wird auf die Besonderheiten des (früh-) kindlichen Zweitspracherwerbs näher eingegangen.

Kinder beginnen mit dem Erwerb einer Zweitsprache, nachdem sie bereits die Grundstrukturen ihrer Erstsprache erlernt haben. Ein zentraler Faktor beim sukzessiven Zweitspracherwerb ist das ‚Age of Onset‘, der Zeitpunkt des Erwerbsbeginns, der optimaler Weise zwischen drei und vier Jahren liegt, wie noch verdeutlicht werden wird (vgl. Chilla et al. 2010, S. 37).

Der lexikalische Erwerb sukzessiv mehrsprachiger Kinder unterscheidet sich insofern von Kindern im Erstspracherwerb als dass Kinder, die eine zweite Sprache erwerben, schon entdeckt haben, was Wörter sind und welche Funktionen sie haben. So können sie auf den schon vorhandenen Wortschatz ihrer Erstsprache zugreifen, was der Grund sein dürfte, dass manche Kinder ihren Wortschatz in der Zweitsprache rasch auszubauen vermögen. Das Kind muss aber nicht nur äquivalente Worte zu denen seiner Erstsprache finden, sondern auch neue Laute identifizieren und erlernen und vor allem auch grammatikalische Strukturen der Zweitsprache erwerben. Bis zum Schulalter kommt die Quantität des Wortschatzes in der Zweitsprache an die von einsprachigen Kindern heran. Die qualitative Ausdifferenzierung des Wortschatzes unterscheidet sich vor allem in den ersten Erwerbsjahren, was durch die vermehrte Anwendung von allgemeinen Worten, wie ‚tun‘ oder ‚machen‘ deutlich wird. Erwähnenswert ist auch, dass sukzessiv lernende Kinder wahre Meister von Umschreibungen sind, um lexikalische Lücken zu

(25)

20 schließen (z.B.: ‚das ist ein Stampfer von einem Schuh‘ für ‚Fußabdruck‘). Wenn Kinder die notwendigen Anregungen erhalten, wird der Wortschatz in der Zweitsprache sehr rasch ausgebaut (vgl. Chilla et al. 2010, S. 37 ff.).

Vergegenwärtigt man sich kurz die auffallenden Schwierigkeiten erwachsener ZweitsprachlernerInnen beim Erwerb von Satzstrukturen und grammatikalischen Regeln (z.B.: in der Wortstellung oder bei der Anwendung von Infinitiven), wird deutlich, dass hier Fehler auftreten, die Kindern beim normalen Erstspracherwerb nicht

‚passieren‘. Eine Studie von Kaltenbacher und Tracy (2006) bestätigt die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Rothweiler (2006) und Kaltenbacher/Klages (2007), dass beim frühkindlichen bilingualen Zweitspracherwerb, also bei drei- bis vierjährigen Kindern, die deutsche Syntax sehr zügig und in ähnlichen Erwerbsschritten wie beim Erstspracherwerb erlernt wird. Abweichungen zum Erstspracherwerb lassen sich bei diesen Kindern nur in grammatikalischen Teilsystemen, wie dem Genussystem, der Verwendung des Dativs und den räumlichen Präpositionen feststellen. Hingegen sind der Grammatik- und Syntaxerwerb von SchulanfängerInnen denen erwachsener ZweitspracherwerberInnen recht ähnlich. Beginnt der Erwerb erst nach dem zehnten Lebensjahr, bleibt die Erreichung der Zweitsprache oft unvollständig. Ein erwähnenswertes Detail am Rande ist auch, dass diese fehlerhaften Satzstrukturen (z.B.:

in der Verwendung von Infinitiven, wie: Der Hund müssen fressen) nicht nur bei späterem Zweitspracherwerb auftreten, sondern auch bei einer gestörten Sprachentwicklung (vgl. Tracy 2008, S. 144; Kaltenbacher/Klages 2007, S. 82;

Rothweiler/Ruberg 2014, S. 253).

Eine ganz besonders wichtige Rolle spielt im Deutschen die Positionierung des gebeugten, folglich mit dem Subjekt übereinstimmenden, Verbs. Die richtige Stellung und Beugung des Verbs ist einer der wichtigsten Indikatoren über die Aneignungsfortschritte in der Zielsprache Deutsch. Diese Fortschritte von Kindern im Kindergartenalter hinsichtlich des Zweitspracherwerbs werden in einem idealtypischen Phasenmodell dargestellt. Die einzelnen Erwerbsphasen müssen als dynamisch angesehen werden, da sich Phasen immer wieder überschneiden können oder eine Phase übersprungen werden kann:

(26)

21

Phase 1: Nach ersten Kontakten mit der deutschen Sprache und einem Einhören in die deutsche Lautstruktur, versuchen sich die Kinder in der Produktion erster Wortkombinationen, wobei die Äußerungen noch kein Verb enthalten.

Phase 2: Das Kind verwendet Verben, allerdings werden diese noch nicht mit dem Subjekt abgestimmt.

Phase 3: Das Kind platziert das Subjekt an erster und das Verb an zweiter Stelle.

Die Verben werden flektiert und es werden häufig auch schon Artikel (meist noch nicht das richtige Geschlecht) und Präpositionen verwendet.

Phase 4: Die Satzkonstruktionen werden komplexer und die Kinder lernen einen flexibleren Umgang mit der Stellung von Verb und Subjekt (z.B.: bei Fragesätzen).

Phase 5: Die Kinder erwerben die Fähigkeit Nebensätze zu bilden, was eine hohe sprachlich-kognitive Leistung ist und vor allem hinsichtlich des Schuleintritts eine wichtige Rolle spielt.

(vgl. Breit 2011, S. 27 f.)

Nach einem Jahr können Kinder unter optimalen Erwerbsbedingungen und individueller Förderungen bereits Phase vier oder fünf erreicht haben. Auf jeden Fall sollte nach Abschluss des ersten Erwerbsjahres Stufe drei des Phasenmodells erreicht sein. Ist dies nicht der Fall, können ungünstige Erwerbsbedingungen, wie ein zu geringer sprachlicher Input, mangelnde Motivation oder eine Sprachentwicklungsverzögerung der Grund sein, weshalb die sprachfördernden Bedingungen zu reflektieren und möglicherweise zu verändern sind, und das Kind therapeutisch abgeklärt werden sollte (vgl. Breit 2011, S. 30).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich der kindliche Erwerb der Zweitsprache nicht wesentlich vom monolingualen Spracherwerb unterscheidet, wenn der Kontakt mit der zweiten Sprache bis zum vierten Lebensjahr erfolgt. Also gilt: umso später der Erwerbsbeginn, desto schwieriger der Erwerb der grammatikalischen und syntaktischen Strukturen der Zweitsprache. Tracy (2008) zieht daraus den Schluss, dass sich der Einsatz von Fördermaßnahmen aus diesen Gründen ab dem Eintritt in

(27)

22 vorschulische Bildungseinrichtungen als besonders sinnvoll und effektiv erweist (vgl.

Tracy 2008, S. 144; Kauschke 2012, S. 122 f.).

3.1.3 Der Zweitspracherwerb bei Erwachsenen

Der Zweitspracherwerb bei erwachsenen Menschen wird hier nur kurz angeschnitten, um die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des frühen Zweitspracherwerbs im Kindesalter noch besser hervorheben zu können.

Der Zweitspracherwerb bei Erwachsenen kann in gesteuerten (durch Kurse oder Fremdsprachenunterricht) und ungesteuerten (ohne expliziten Unterricht) Fremdspracherwerb unterteilt werden. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass der Erfolg des Zweitspracherwerbs im Erwachsenenalter im Gegensatz zum Erstspracherwerb vor allem von äußeren (z.B.: sprachliches Angebot durch die Umwelt) und individuellen Faktoren (z.B.: persönliche Motivation) abhängt, wo hingegen der Erstspracherwerb quasi von alleine stattfindet. Der Zweitspracherwerb im Erwachsenenalter unterscheidet sich nicht nur im Erwerbsverlauf und der Erwerbsgeschwindigkeit stark vom bilingualen Erstspracherwerb, sondern vor allem im Erwerbsergebnis (vgl. Chilla et al. 2010, S. 34).

Es ist wissenschaftlich belegt, unter anderem von Birdsong (2009), dass es Menschen mit zunehmendem Alter (vor allem nach der Pubertät) schwerer fällt eine Zweitsprache auf muttersprachlichem Niveau zu erlernen. Man geht davon aus, dass es für die verschiedenen Bereiche der Sprache unterschiedliche Zeitfenster, sogenannte sensible Phasen, gibt. So wird das lexikalische Gedächtnis eines Menschen ein Leben lang erweitert, das Erlernen von grammatikalischen und syntaktischen Strukturen fällt uns allerdings mit zunehmendem Alter immer schwerer. Hierfür werden verschiedene Gründe angeführt: zum einen der Verlust der Plastizität des Gehirns durch die Hirnreifung und die damit verbundene Verminderung der Ausbildung neuer Synapsen in den Gehirnarialen, in denen das Sprachelernen stattfindet. Zum anderen spricht Birdsong (2009) vom ‚Sich-Eingraben‘ der Erstsprache in die neuronalen Strukturen:

das gilt vor allem für die Phonetik und die Wortstellung. Es bedarf in fortgeschrittenem Alter großer Anstrengungen und viel an Training diese eingebrannten Strukturen der

(28)

23 Erstsprache um die notwenigen Strukturen der Zweitsprache zu erweitern. Ob es nun für die einzelnen sprachlichen Systeme unterschiedliche sensible Perioden gibt oder nicht, ist sich die Wissenschaft noch uneins. Als gesichert gilt jedoch, dass es bis zum siebenten Lebensjahr eine allgemein sensitive Phase der Sprachentwicklung gibt, die als optimale Erwerbsperiode gilt, was wiederum die Forderung nach früher sprachlicher Förderung, wie sie Tracy (2008) gestellt hat, hervorhebt (vgl. Birdsong 2009, S. 405 f.

zit. n. Riehl 2014, S. 82 ff; Chilla et al. 2010, S. 50).

3.2 Besonderheiten bei Mehrsprachigkeit

Sprachmischungen sind ein Phänomen, das einerseits belegt, dass beide Sprachsysteme gleichzeitig aktiviert sind und andererseits, dass der Sprecher/die Sprecherin auch gleichzeitig, je nach Bedarf, auf beide Sprachen zurückgreifen kann. Sowohl erwachsene LernerInnen einer Zweitsprache als auch schon Kinder in frühen Erwerbsstadien bedienen sich der Möglichkeit, die Strukturen der weiter entwickelten Sprache als ‚Lückenfüller‘ für das weniger weit entwickelte Sprachsystem zu nutzen. Es können einerseits grammatikalische Strukturen der Erstsprache auf die Zweitsprache übertragen werden (‚Transfer‘), andererseits können Worte einer Sprache quasi

‚ausgeborgt‘ werden, um in Äußerungen der anderen Sprache eingebettet zu werden (‚Borrowing‘). Dies geschieht ohne Absicht und ist daran zu erkennen, dass sich der Sprecher/die Sprecherin selbst korrigiert (vgl. Chilla et al. 2010, S. 27 u. S. 62 f;

Kauschke 2012, S. 123 f.; Riehl 2014, S. 103).

Die dritte Möglichkeit ist das ‚Code-switching‘ oder ‚Code-mixing‘, womit ein Wechsel zwischen den beiden Sprachen gemeint ist. Das Umschalten zwischen Sprachen kann sich auf einzelne Worte, eine Phrase, einen ganzen Satz oder auch mehrere Sätze beziehen. Diese Form der Sprachmischung wird, wie Tracy (2008) in einem Forschungsprojekt nachweisen konnte, bewusst nur unter bilingualen SprecherInnen eingesetzt, nicht aber mit monolingualen GesprächspartnerInnen (vgl. Chilla et al. 2010, S. 27 und S. 62 f; Kauschke 2012, S. 123 f.; Tracy 2008, S. 55). Vor allem bei zweisprachigen Kindern bis zum dritten Lebensjahr treten diese Sprachmischungen häufig unbewusst auf, was auf die Annahme zurückzuführen sein könnte, dass Kinder

(29)

24 am Beginn der Sprachentwicklung ein einheitliches Sprachsystem verwenden, dass sich erst um das dritte Lebensjahr in zwei getrennte Systeme teilt (vgl. Triarchi-Hermann 2003, S. 47).

Von Sprachdominanz im Sinne von Sprachbeherrschung wird gesprochen, wenn eine der beiden Sprachen auf grammatikalischer und lexikalischer Ebene besser beherrscht wird und die Sprache differenzierter und kreativer eingesetzt werden kann als die zweite Sprache. Sprachpräferenz hingegen beschreibt die Tatsache, dass eine Sprache grundsätzlich, oder auch nur in bestimmten Situationen oder Kontexten bevorzugt verwendet wird (vgl. Chilla et al. 2010, S. 59 f.; Kauschke 2012, S. 124).

3.3 Einflussfaktoren auf den Erfolg und die Erwerbsgeschwindigkeit des kindlichen Zweitspracherwerbs

Wie gerade mehrfach beschrieben, spielt das Alter bei Erwerbsbeginn eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle hinsichtlich der Erwerbsgeschwindigkeit und der Erwerbsqualität der Zweitsprache.

Ein weiterer äußerst wichtiger Faktor ist der aktive Kontakt mit der Zweitsprache und die Qualität und Quantität des sprachlichen Angebots. Rothweiler/Ruberg (2014) verweisen auf Studien mit Kindern gehörloser Eltern, die darauf hinweisen, dass schon fünf bis zehn Stunden pro Woche ausreichend sind, um eine Sprache zu erwerben.

Wobei hier anzumerken ist, je geringer die Quantität des Kontakts, desto langsamer die Erwerbsgeschwindigkeit. Neben dem quantitativen Aspekt spielt auch das qualitative Sprachangebot eine Rolle: Kinder brauchen demnach nicht nur ein reichhaltiges, sondern auch ein vielfältiges und abwechslungsreiches Angebot. Sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte des Sprachangebots werden maßgeblich durch Kinderbetreuungseinrichtungen mitbestimmt und sind einerseits von den Kompetenzen der PädagogInnen, andererseits von der Gruppenzusammensetzung abhängig. Vollzieht sich der Zweitspracherwerb in echten Immersionssituationen, also in einem Umfeld das aus mehrheitlich einsprachigen SprecherInnen besteht, ist dieser als unproblematisch zu sehen. In Gruppen, die vorwiegend aus ZweitspracherwerberInnen zusammengesetzt

(30)

25 sind, gibt es nur wenige einsprachige Kinder, die als Sprachvorbilder zur Verfügung stehen. Für die KindergartenpädagogInnen ist es schon allein aus zeitlichen und personellen Gründen oft nicht möglich, diese fehlenden Sprachvorbilder zu ersetzen (vgl. Chilla et al. 2010, S. 34; Rothweiler/Ruberg 2014, S. 262 f.). Kinder mit Migrationshintergrund sind oft in einem Kindergarten mit mehreren Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache, was dazu führt, dass die Kinder vermehrt ‚falsches Deutsch‘ hören. Somit lässt der Kontakt zur Zweitsprache oft sowohl quantitativ als auch qualitativ zu wünschen übrig (vgl. Kaltenbacher/Klages 2007, S. 81). Hier wird deutlich, dass Qualität und Quantität des sprachlichen Angebots auch entscheidend von den strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen des Kindergartens abhängig sind (vgl. Rothweiler/Ruberg 2011, S. 18).

Wie erfolgreich der Zweitspracherfolg verläuft, hängt allerdings nicht nur von der Kinderbetreuungseinrichtung ab, sondern auch vom Elternhaus der Kinder und der Rolle der Muttersprache. Der gutgemeinte Ratschlag an mehrsprachige Eltern mit ihren Kindern in der Umgebungssprache zu sprechen, ist aus zwei Gründen bedenklich: zum einem beherrschen immigrierte Eltern die deutsche Sprache oft nicht perfekt und lernen ihren Kindern unter Umständen ein nicht korrektes Deutsch, zum anderen wird so die Erstsprache der Kinder verdrängt und es wird ihnen unmöglich ihre Muttersprache fehlerfrei zu erlernen. Das kann negative Auswirkungen auf die gesamte Sprachentwicklung, aber auch die sozioemotionale Entwicklung und die Eltern-Kind- Beziehung haben. Die Eltern sollten daher mit ihren Kindern vor allem in den ersten Jahren in ihrer Muttersprache sprechen (vgl. Rothweiler/Ruberg 2011, S. 19 f.).

Außerdem beeinflusst das Bildungsniveau der Eltern den Wortschatzerwerb der Kinder nicht nur im Erstspracherwerb, sondern auch wesentlich im Zweitspracherwerb, selbst wenn die Zweitsprache in der Familie so gut wie keine Rolle spielt (vgl.

Rothweiler/Ruberg 2011, S. 20).

Der Erwerbserfolg beziehungsweise der Erwerbsfortschritt ist natürlich auch von der Kontaktdauer mit der Zweitsprache abhängig, was vor allem bei einer Feststellung des Sprachentwicklungsstandes zu berücksichtigen ist. Beim Erstspracherwerb wird dieser Faktor mit dem Lebensalter gleichgesetzt und mit anderen Entwicklungsbereichen, wie

(31)

26 der kognitiven oder der physiologischen Entwicklung in Zusammenhang gebracht.

Beim frühkindlichen bilingualen und beim sukzessiven Zweitspracherwerb sind diese Aspekte weit weniger ausschlaggebend als die Dauer und Intensität des Kontaktes mit der Zweitsprache. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass Kinder, die mit drei bis vier Jahren mit dem Zweitspracherwerb beginnen, die Satzstruktur innerhalb von acht bis achtzehn Monaten erwerben. Einsprachige Kinder haben die Satzstruktur spätestens im Alter von 48 Monaten erworben (vgl. Rothweiler/Ruberg 2014, S. 253).

Zu guter Letzt hängt der Erwerbserfolg der Zweitsprache, wie schon kurz beim Zweitspracherwerb bei Erwachsenen angeschnitten, von der Motivation ab. Die Beherrschung der Umgebungssprache verschafft Kindern Handlungsmöglichkeiten und soziale Interaktionen beziehungsweise Anschluss an die Gruppe. Diese Tatsachen können als Hauptmotivatoren beim kindlichen Zweitspracherwerb gesehen werden. Es ist allerdings wichtig die Motivation nicht zu erzwingen und vor allem auch der Erstsprache Respekt entgegen zu bringen (vgl. Rothweiler/Ruberg 2014, S. 264 f.).

Es wird an dieser Stelle noch einmal betont, dass eine frühe Förderung der Zweitsprache durchaus Sinn macht, da die sensible Periode der Sprachentwicklung ausgenutzt werden sollte, um den Kindern nicht nur zu einem möglichst schnellen Erlernen der deutschen Sprache zu verhelfen, sondern auch zu einer vollen Teilhabe an allen gesellschaftlichen Prozessen. Die hier angeführten Einflussfaktoren auf den kindlichen Zweitspracherwerb sind für die elementarpädagogische Praxis in mehreren Punkten relevant: erstens müssen sie bei Sprachstandseinschätzungen und sprachdiagnostischen Verfahren berücksichtigt werden. Zweitens geben die Einflussfaktoren durchaus wichtige Hinweise für die Gestaltung sprachfördernder Situationen und drittens geben sie Anhaltspunkte für Kriterien und Leitlinien von Sprachförderprogrammen und - konzepten, auf die im Kapitel ‚Sprachförderung’ vertiefend eingegangen wird (vgl.

Rothweiler/Ruberg 2014, S. 268).

(32)

27

4 Sprachförderung

Warum Sprache im Allgemeinen und die Zweitsprache eines Kinders früh zu fördern ist, wurde im vorangegangenem Kapitel schon teilweise berücksichtigt, wobei an dieser Stelle darauf hingewiesen wird, dass sich diese Arbeit auf die sprachliche Förderung von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache bezieht und nicht auf die therapeutisch indizierte Förderung von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. Als früher Fördergrund wurde die Plastizität des Gehirns angesprochen, das darauf zurückzuführende ‚leichtere‘ Lernen einer zweiten Sprache im frühen Kindesalter und dass das Ergebnis der Zweitsprache, dem eines Muttersprachlers nahezu gleich kommt.

Auch das Motivationsproblem, das bei älteren ZweitsprachlernerInnen eine große Erschwernis sein kann, wurde thematisiert: Kinder im Kindergarten sind so gut wie immer hoch motoviert und interessiert ihre Umwelt zu erkunden, Neues zu lernen und mit anderen in Kontakt zu treten (vgl. Tracy 2008, S. 161).

Darüber, dass die sprachlichen Kompetenzen der Schlüssel zu Bildungserfolg sind und maßgeblich über einen erfolgreichen Bildungsverlauf entscheiden, sind sich Politik, Wirtschaft, Bildungs- und Sozialwissenschaft einig. Unser Schulsystem vermittelt Wissen jeglicher Art vorwiegend über mündliche oder schriftliche Sprache. Je früher Kinder mit Migrationshintergrund mit der deutschen Sprache in Kontakt kommen, desto mehr Zeit bleibt ihnen, ihre sprachlichen Kompetenzen bis zum Schuleintritt auszubauen und zu perfektionieren. Wenngleich die sprachlichen Kompetenzen hinsichtlich des Schuleintritts von besonderer Wichtigkeit sind, sollten die sprachfördernden Maßnahmen in elementarpädagogischen Einrichtungen nicht ausschließlich auf die schulischen Anforderungen ausgerichtet sein, sondern auch die alltäglichen Sprachkompetenzen der Kinder ins Visier nehmen. Die Zusammenhänge zwischen sprachlichen Fähigkeiten und kognitiven sowie sozialen Kompetenzen sind wissenschaftlich mehrfach belegt. Der elementarpädagogische Bildungsauftrag richtet sich daher nicht nur auf die Vorbereitung des Schrift- und Leseerwerbs, sondern auf einen allgemeinen, kompetenten und freudvollen Umgang mit Sprache (z.B.: die Freude am Lesen), der Anwendung dieser Kompetenz in alltäglichen Interaktionen (z.B.:

Erzählkompetenz, Kommunikation in der Gruppe oder Rollenspiele) und der Nutzung

(33)

28 für höhere kognitive Leistungen, um logische Zusammenhänge erkennen und verstehen zu können (vgl. Holler 2007, S. 24 ff.; Tracy 2008, S. 162).

Tracy (2008) führt weitere Gründe an, die die Sinnhaftigkeit einer frühen Förderung der sprachlichen Kompetenzen bereits zum Zeitpunkt des Kindergarteneintritts unterstreichen: die Kinder treten in eine ihnen unbekannte Welt mit neuen Strukturen und Regeln ein. So kann von Anfang an eine sprachliche Förderung in den Alltag als Fixpunkt eingebaut werden, da sich viele Interaktionsmöglichkeiten ergeben und der Wortschatz der Kinder durch die verschiedenen Angebote und Themen stetig erweitert werden kann. Weiters begründet sie die Notwendigkeit eines frühen Förderstarts mit einem sozialen Faktor: jüngere Kinder haben mit großer Wahrscheinlichkeit noch keine negativen Erfahrungen mit Hänseleien aufgrund ihres Defizits in der Umgebungssprache gemacht und haben daher keine Angst sich auf Deutsch zu äußern (vgl. Tracy 2008, S. 161 f.).

Als eine Voraussetzung für eine frühe sprachliche Förderung, also einer Förderung der sprachlichen Kompetenzen durch ElementarpädagogInnen in Kindertageseinrichtungen, muss die Kompetenz eben dieser PädagogInnen angenommen werden, die diese Sprachfördermaßnahmen durchführen sollen. Diese Fähigkeiten der ElementarpädagogInnen sollen im nächsten Kapitel vertiefend erörtert werden.

4.1 Sprachförderkompetenz von ElementarpädagogInnen

Ein entscheidender und zentraler Faktor hinsichtlich des Gelingens von Sprachförderung sind die PädagogInnen selbst beziehungsweise ihre Sprachförderkompetenzen. Damit ist das Wissen über und die praktische Umsetzung von Sprachfördermaßnahmen im pädagogischen Alltag gemeint: Inwieweit gelingt es den PädagogInnen den Kindern ein Sprachmodell zu sein, die Kinder zu häufigem und komplexem Sprechen zu motivieren, die Sprachentwicklungsbedürfnisse der Kinder zu erkennen, gegebenenfalls auch zu erheben und zu dokumentieren, darauf entsprechend ein zu gehen und die Sprache in sinnvollen Zusammenhängen und auf die Interessen des jeweiligen Kindes eingehend zu fördern (vgl. Briedigkeit 2011, S. 89 f.)? „Seit

(34)

29 demografisch bedingt die Besuchsquoten von Kindern aus Migrantenfamilien in Kindertageseinrichtungen – zumindest im letzten Jahr vor der Einschulung – gestiegen sind, muss sich deren (auf diese Situation nicht vorbereitetes) Personal mit einer wachsenden Zahl kaum deutsch sprechender Kinder aus bildungsfernen Migrantenfamilien auseinandersetzen, deren hörbar andere, mehrsprachige Entwicklung sie nicht angemessen beurteilen und unterstützen können“ (Schweitzer 2008, S. 26). Diese Aussage von Schweitzer ist zwar äußerst provokant, jedoch sicher nicht unbegründet und schildert möglicherweise die missliche Lage von so manchen KindergartenpädagogInnen sehr treffend. Es darf jedoch nicht grundsätzlich an den sprachfördernden Kompetenzen der KindergartenpädagogInnen gezweifelt werden, allerdings sollte hinterfragt werden, ob ihre Sprachförderkompetenzen auch dafür ausreichend sind, immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund und damit mit nichtdeutscher Muttersprache angemessen und kompetent fördern zu können.

Welche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen der Begriff Sprachförderkompetenz nun miteinschließt und inwieweit die KindergartenpädagogInnen darüber verfügen, wird in den folgenden Kapiteln geklärt werden.

4.1.1 Sprachförderkompetenzen: Wissen – Können – Machen

Nach Hopp et al. (2010) ist Sprachförderkompetenz mit der Fähigkeit der PädagogInnen gleichzusetzen, unter Berücksichtigung spracherwerbstheoretischer Bedingungen und des Entwicklungsstandes des Kindes, sprachfördernde Situationen im pädagogischen Alltag zu schaffen. Dies kann nur gelingen, wenn die PädagogInnen über Wissen (fachliches Wissen), Können (anwendungsbezogenes Wissen) und Handlungen (Wissen über die Umsetzung) des Themenfeldes Sprache verfügen (vgl. Hopp et al. 2010, o.S.

zit. n. Thoma et al. 2011, S. 32).

Das abgebildete Modell von Hopp (2010) schlüsselt die drei Kompetenzbereiche auf und stellt sie anschaulich dar. ‚Wissen‘ umfasst nicht nur Kenntnisse über Sprache und Sprechen, sowie über Prozesse des Spracherwerbs bei ein- und mehrsprachigen Kindern, sondern auch das Wissen über methodische und inhaltliche Aspekte der

(35)

30 Sprachdiagnostik und Sprachförderung. Haben sich die PädagogInnen dieses bereichsspezifische theoretische Wissen angeeignet, verfügen sie über das ‚Können‘

sprachdiagnostische Verfahren auswählen, anwenden und auswerten und ihr Wissen in der Praxis umsetzen beziehungsweise ihr Handeln reflektieren zu können. Das

‚Machen‘ der PädagogInnen, ergo die praktische Umsetzung ihrer Kenntnisse in konkreten Sprachfördersituationen, basiert immer auf den Kompetenzen des Wissens und Könnens (vgl. Thoma 2011, S. 32).

Abb. 1: Sprachförderkompetenz nach Hopp (2010) (Thoma et al. 2011, S. 32 zit. n. Hopp et al., 2010, S. 614)

Zur Beurteilung der Teilbereiche Wissen und Können wurde von Thoma und Tracy (2011) das Erhebungsinstrument ‚SprachKoPF - Sprachliche Kompetenzen Pädagogischer Fachkräfte‘, ein umfassender Multiple-Choice-Test, entwickelt. Das Ziel der Studie, die theoretisch auf dem Modell von Hopp (2010) aufgebaut ist, war es, mögliche Unterschiede der Sprachförderkompetenzen zwischen FrühpädagogInnen mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund (PädagogInnen ohne spezifischer Weiterbildung, PädagogInnen mit spezifischer Weiterbildung, Frühpädagogik- Studierende) zu eruieren. Die Ergebnisse machen deutlich, dass einerseits große Unterschiede zwischen den Wissensbeständen der PädagogInnen aufgrund ihrer

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ein nachhaltiger Verlust einer solchen Erlebnisform führt unweigerlich zu einer funda- mentale Destabilisierung des Individuums und wird nicht Selten dann als existentielle

 nach einer Frühgeburt, einer Mehrlingsgeburt, bei Erstgebärenden und nach einem Kaiserschnitt höchstens 16 Hausbesuche und in den ersten 10 Tagen nach der Geburt maximal fünfmal ein

Bei Theo, Serma, Justus und Martha wird der unterschiedliche Verlauf besonders sichtbar, denn sie nutzen Sprache ganz ver- schieden, obwohl sie sich im selben Lebensjahr

 Eine konkrete Ansprechperson bei der Gemeinde für Anbietende Früher Sprachförderung sollte ausfindig gemacht werden (ggf. aus einer Gemeinde mit Interesse an Vernetzung

Die Sprache zeigt sich in sehr verschiedenen Funktionen und die Kinder hören – auch wenn sie noch wenig Deutsch ver- stehen – dass die Melodie einer Frage anders tönt als eine

6.3 SWOT-Analyse der Frühen Sprachförderung im Kanton Basel-Landschaft Ein Überblick über die bestehenden Projekte zeigt, dass diese die eingangs genannten

Dies gilt auch für die weiteren Aspekte der Erwerbskontexte (si- multaner oder sukzessiver Erwerb, früher oder später Zweitspracherwerb, Erwerb als L1, L2 oder L3). Auf der

Ein Blick zurück in den Bildungsbericht 2010 zeigt, dass diese Zahlen für die Schweiz über die Jahre hinweg relativ konstant bleiben.. Betrachtet man jedoch die Entwicklung