• Keine Ergebnisse gefunden

Wie leitet man das Zeichnen bei Kindern an, um einen möglichst offenen Gedankenraum

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Wie leitet man das Zeichnen bei Kindern an, um einen möglichst offenen Gedankenraum"

Copied!
9
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Wie leitet man das Zeichnen bei Kindern an, um einen möglichst

offenen Gedanken- raum zu finden?

3

(2)

Im Hinblick darauf, die vielfältigen Möglichkei- ten des Zeichnens im Unterricht sinnvoll zu nut- zen, müsste nun die Ausgangslage genauer un- tersucht werden. Das heisst, wie genau wird das Zeichnen in der Schule bisher vermittelt, welche Tendenzen gibt es? Wieso scheint visuelle Bil- dung immer an den Rand gedrängt zu werden, anstatt dass sie, in einer Zeit, in der das Zeigen immer wichtiger wird, an Bedeutung gewinnt?

All dies zu analysieren, überschreitet die Mög- lichkeiten dieser Masterthesis. Ich kann deshalb die Situation nur einschätzen und Vermutungen anstellen, ausgehend von einzelnen Gesprächen mit Pädagoginnen und Kunstvermittlern, an- hand von Lektüre und eigenen Erfahrungen.

147

BILD

links und rechts: Auszug aus dem Skizzenbuch.

(3)

Während das Zeichnen für die meisten Kinder ein natürliches Mittel zur Erzählung und zum Experiment ist, tun sich erwachsene Menschen im Allgemeinen schwer damit, ungehemmt zu zeichnen. Viele Erwachsene zerbrechen sich den Kopf darüber, was eine gute oder eine schlech- te Zeichnung ist. Sie haben Angst zu zeichnen, weil sie denken, dass ihre Zeichnung nicht dem entspricht, was sie oder andere als eine gute Zeichnung bezeichnen würden. Sie befürchten, sich zu blamieren.

(4)

151

Die Ursache dieses Problems vermute ich zum einen in der visuellen Schulbildung, zum an- deren in den Unmengen von digitalen Bildern, denen wir tagtäglich begegnen. In der Schule wird die Funktion des Zeichnens häufig dem Entsprechen-Müssen einer bestimmten Bild- kategorie zugeordnet. So entstehen Bildpro- dukte, die sich gut vergleichen und bewerten lassen. Die Angst, diesen Entsprechungen nicht gerecht zu werden, verhindert das Sich-Einlassen auf eigenständige visuelle Pro- zesse. Die Erfahrung, ins Machen zu vertrauen und durchs Machen weiterzukommen, bleibt weg.

Dass mittlerweile auch sehr junge Kinder glauben, nicht zeichnen zu können, macht je- doch deutlich, dass der Ursprung dieser Selbst- zweifel bezüglich des Bildermachens nicht ausschliesslich in der visuellen Bildung liegen mag. Vermutlich ist diese Haltung auch darauf zurückzuführen, dass Kinder immer früher immer mehr Bildern ausgesetzt sind. Das stän- dige Konfrontiert-Sein mit einer Bildwelt, die digital und somit technisch perfekt gezeichnet ist, könnte Kindern das Gefühl geben, ihre Zeichnungen seien nicht gut genug.

BILD

links und rechts: Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen verschiedenen Alters (10–16 Jahre), entstanden im Workshop Digitales Zeichnen am Fumetto Comic Festival 2018/19.

(5)

Auf die ständige wachsende Bilderflut habe ich als Kunstpädagogin keinen direkten Einfluss.

Umso wichtiger ist es, darauf zu reagieren und Vermittlungsmethoden zu finden, die nicht das Kopieren vorhandener Bildkategorien, sondern das Öffnen eigener visueller Denkräu- me in den Vordergrund stellen. Der Begriff Denkräume ist jedoch weit und kann verschie- den verstanden werden. Hier müsste die Viel- falt der Möglichkeiten, die zeichnendes Den- ken der Bildung bietet, genauer untersucht werden. Denn zeichnend zu denken kann so- wohl heissen, zeichnend zu experimentieren, Ideen zu finden, als auch zeichnend Erkennt- nisse zu gewinnen. Zudem kann es aber auch bedeuten, zeichnend etwas zu verinnerlichen, zu lernen.

(6)

155

Eine umfassende Reflexion über die vielseiti- gen Möglichkeiten des Mediums Zeichnen für die Bildung ist in der Literatur kaum zu finden.

Im kunstpädagogischen Diskurs zeichnet sich im Bezug auf das Medium Zeichnen denn auch ein erheblicher Forschungsbedarf ab.53 Nicht zuletzt deshalb, weil das Zeichnen in den letz- ten Jahrzehnten durch das Interesse an der Nutzung digitaler Medien nahezu verdrängt wurde. Zwar gewinnt das Zeichnen seit eini- gen Jahren in der kunstpädagogischen For- schung wieder an Bedeutung,54 „doch fehlen grundlegende fachdidaktische Ansätze, die die verschiedenen Dimensionen des Zeichnens reflektieren, kondensieren und die Bildungs- funktion des Zeichnens deutlich konturieren und repräsentieren.“55

TEXT

53 Vgl. Barbara Lutz-Sterzenbach 2015.

54 Vgl. ebd.

55 Ebd., S. 12.

BILD

links und rechts: Auszug aus dem Skizzenbuch.

(7)

Die folgenden Punkte, die ich beim Anleiten des Zeichnens als entscheidend betrachte, um bei Kindern einen möglichst offenen Gedan- kenraum zu finden, sind deshalb sehr allge- mein formuliert. Sie sollen in erster Linie als Ausgangslage für meine praktische Masterar- beit dienen: In einem modellhaften Versuch werde ich die einzelnen Punkte in der Unter- richtspraxis überprüfen. Ich habe sie basie- rend auf der Lektüre verschiedener künstle- rischer und pädagogischer Positionen sowie aus meiner eigenen praktischen Erfahrung zu- sammengetragen. Welche Funktion das Zeich- nen im Unterricht einnehmen soll, in welchem Fach es eingesetzt wird und wie das Thema beschaffen ist, hat auf das Anleiten ebenfalls einen Einfluss. Auf diese Faktoren kann ich jedoch, auf Grund von zu wenig Unterrichtser- fahrung und fehlender Forschungsliteratur, zu diesem Zeitpunkt nicht detailliert eingehen.

(8)

158 159

56 Vgl. Stadelmann 2010, S. 98.

57 Kämpf-Jansen 2012, S. 274.

58 Vgl. Stadelmann 2010, S. 98.

59 Wolfgang Klafki, zitiert nach Stadelmann 2010, S. 95.

60 Vgl. Goodman, 2018.

Hemmungen entgegenwirken

Die Angst vor dem weissen Blatt, die Erwartungen an die Zeich- nung – darauf habe ich als Lehrerin einen direkten Einfluss. Dass sich schulisches Lernen noch mehr von einer Defizitorientierung zur Förderorientierung entwickeln sollte, findet auch der Pädago- ge und Naturwissenschaftler Willi Stadelmann.56 Im Zeichenun- terricht sollte deshalb dringend mehr Platz für individuelle Lösun- gen geschaffen werden. Zum Beispiel indem man Lernenden zeigt, dass Zeichnen vielseitig ist und es nicht einen richtigen Weg gibt, etwas darzustellen. Dies wirkt dem Gefühl des Entsprechen-Müs- sens einer Vorlage und somit der Angst vor dem Scheitern entge- gen. Es soll ein sicherer Raum geschaffen werden und eine positive Fehlerkultur entstehen.

Fördern und Fordern

Neben dem Fördern sollte auch das Fordern nicht vergessen gehen.

Man sollte den Lernenden gewisse Freiheiten lassen, aber – indem man Kriterien aufstellt – sie gleichzeitig auch ernst nehmen. Krite- rien könnten sein: Teilnahme am Unterricht, Selbstbeobachtung, Präzision im Ausdruck.

Individualität fördern und Sinn erzeugen

Das Zeichnen sollte so angeleitet werden, dass sich vielfältige Optionen für individuelle Anknüpfungspunkte ergeben. Helga Kämpf-Jansen schreibt: „Ästhetische Arbeit bedarf eines individu- ell erfahrenen Sinns. An Kinder, Jugendliche und Erwachsene von aussen herangetragene, für alle gleich verordnete Aufgabenstel- lungen machen keinen Sinn. Jeder muss sein ästhetisches Vorha- ben mit einem persönlichen Sinn versehen können und sich dieser besonderen Sinngebung auch bewusst sein.“57 Stadelmann meint, dass individuell als bedeutsam und wichtig empfundene Ereignis- se schneller gelernt und besser gespeichert würden. Es liege auf

der Hand, dass gerade Musik und Bildnerisches Gestalten eng mit Emotionen und Gefühlen verbunden seien.58 Auch der Pädagoge Wolfgang Klafki sieht die Aufgabe der Bildung darin, Lernenden individuelle Lernprozesse zu ermöglichen: „Ästhetische Bildung ist nicht Mittel zum Zweck oder Vehikel für ausserästhetische Zwe- cke, sondern Befähigung zu einer eigenständigen und eigenwerti- gen Weise der Wahrnehmung bzw. Erfahrung und Gestaltung von Wirklichkeit oder vorstellbarer alternativer Möglichkeiten. Jedem Kind, jedem Jugendlichen und jedem Erwachsenen ästhetische Wahrnehmung und Ästhetische Praxis in dieser Eigenständigkeit und diesem Eigenwert zugänglich zu machen, ist eine der Aufga- ben recht verstandener Allgemeinbildung heute.“59

Mit verschiedenen Materialien experimentieren

Das Material sollte vielfältig sein, die Kinder sollten die Möglich- keit haben, mit verschiedenen Zeichenwerkzeugen und Bildträ- gern zu experimentieren. Es soll Aufträge geben, bei denen die Wahl des Zeichenmediums eingeschränkt ist, und andere, bei de- nen die Wahl des Mediums den Kindern selbst überlassen wird.

Eine Einschränkung könnte zum Beispiel sein, dass nur mit rot und grün gezeichnet werden darf. Die Einschränkung fordert die Kinder auf, gewohnte Muster zu durchbrechen und dadurch Neues zu entdecken. Die Wahlmöglichkeit hingegen führt, wie Goodman schreibt, zu mehr Autonomie und damit zu einer selbständigen Ar- beitsweise.60

(9)

61 Stadelmann 2010, S. 96.

62 Vgl. Kapitel 5: Wie lässt sich zeichnendes Denken in der Schule fächerübergreifend einsetzten? S. 173.

63 Vgl. Lutz-Sterzenbach 2015, S. 318.

Vom Inhalt ausgehen

Um durchs Zeichnen Gedankenräume zu öffnen, soll nicht von ei- ner Technik, sondern von einem Inhalt, einem Thema ausgegangen werden. Innerhalb des gewählten Themas können entweder ein grosser Auftrag oder mehrere kleine Aufträge gestellt werden. In meinen Praktika als Lehrerin habe ich gelernt, dass es im Unter- richt sinnvoller ist, offene und nicht geschlossene Fragen zu stel- len. Offene Fragen ermöglichen ein breites Spektrum an Antwor- ten, und man erfährt die Sichtweisen und Wünsche der Gefragten.

Es gibt kein richtig oder falsch. Geschlossene Fragen hingegen zielen auf eine bestimmte, richtige Antwort ab und lassen keinen Spielraum für eigene Gedanken. Bei der Auftragsstellung sehe ich das genauso. Der Auftrag sollte daher der Ausgangspunkt einer zeichnerischen Forschungsreise bilden, ohne dass er vorgibt, wo die Reise enden soll. Der Auftrag soll zu dieser Reise inspirieren:

Er soll poetisch, lustig oder spannend sein. Er soll den Kindern ermöglichen, ein Thema mit ihrer eigenen Lebenswelt und ihren persönlichen Interessen zu verknüpfen. Ausserdem sollte bei der Wahl des Inhalts und Auftrags das Alter der Kinder berücksichtigt werden. Jüngere Kinder zum Beispiel brauchen weniger Input und zeichnen eher von sich aus.

Einen Dialog ermöglichen

Das Zeichnen soll im Unterricht sowohl sprachlich als auch zeich- nerisch reflektiert werden. Ein Lehrer hat immer auch eine gewisse Vorbildfunktion. Wenn auch ich als Lehrerin zeichne, hat dies ei- nen Einfluss auf die Motivation der Schüler. Die Lernenden sollen aber nicht nachzeichnen, was ich zeichne, vielmehr soll ein zeich- nerischer Dialog entstehen. Einen Dialog soll es auch auf sprachli- cher Ebene geben. Indem über Bilder gesprochen wird, lernt man, diese zu lesen. Ein Blick von aussen hilft, den eigenen Blick zu schärfen.

Disziplinübergreifendes Denken fördern

Indem von einem Inhalt ausgegangen wird, ist eine fächerüber- greifende Verknüpfung naheliegend. Stadelmann schreibt, unser Gehirn trenne Sinneserfahrungen und Lernstoff nicht nach Dis- ziplinen, sondern verarbeite sie verbunden: „Wenn wir etwas se- hen, ordnen wir auch Bewegungs-, Tast- und Riecherlebnisse zu, die wir dann später miterinnern. Diese Erkenntnisse weisen darauf hin, dass offenbar Lernprozesse, welche Vernetzung fördern und die Fähigkeit des Gehirns zu vernetzen ausnützen, erfolgreicher sind als lineare, isolierte, zersplitternde Formen. Deshalb sind wohl Unterrichtsmethoden, die verschiedene Eingangskanäle der Wahrnehmung ansprechen, vielseitige Fähigkeiten, Fertigkeiten und Tätigkeiten anregen und so das Gehirn vielseitig beanspru- chen, zu bevorzugen.“61 Das Zeichnen kann aber nicht nur das Ler- nen erleichtern, indem es sinnliche Zugänge schafft. Es kann – und diese Möglichkeit wird bisher in der Schule kaum beachtet – auch neue Denkräume eröffnen. Genau dies könnte für Fächer wie zum Beispiel Deutsch oder Natur, Mensch, Gesellschaft spannend sein.62 Allein schon das Verlassen gewohnter Strukturen, welche das Ver- lagern der Produktion in einen anderen Kontext mit sich bringe, bewirke eine Umorientierung und damit auch das Potenzial, eine neue Wahrnehmungsperspektive zu entwickeln, schreibt Barbara Lutz-Sterzenbach. 63

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Als zeichnerische Mittel repräsentieren sie eine Möglichkeit der „malerischen“ Linie, die Kurt Badt in Werken und Aufzeichnungen von Eugene Delacroix für die Zeichnungsanalyse

verweigerte in Verfolg einer konsequent antijüdischen Politik – 1401 mussten gar seine Söhne für sich und ihre Erben schwören, Juden nicht mehr in der Pfalz zu dulden – die

Hebammen und Ent- bindungspfleger dürfen die vier Arzneistoffe in entsprechen- der Darreichungsform aber in der Apotheke ohne Rezept für ihren Praxisbedarf kaufen, um sie dann

Die Kinder sollen eine verkleinerte Zeichenvorlage in den Umriss eines Ritters übertragen, das fertige Bild farbig ausgestalten und dabei vermeiden, über die Ränder

Einige Bilder von Jackson Pollock sind für den Kunstunterricht eine gute Grundlage, um verschiedene freie Techniken zu erproben und den Kindern die Möglichkeit zu geben,

[r]

[r]

Links oben in dem großen Viereck befindet sich ein kleines blaues Viereck.. Rechts daneben befindet sich ein kleines