• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die Rolle des ärztlichen Sachverständigen bei der Beschleunigung sozialgerichtlicher Verfahren" (30.07.1982)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die Rolle des ärztlichen Sachverständigen bei der Beschleunigung sozialgerichtlicher Verfahren" (30.07.1982)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Information:

Bericht und Meinung

THEMEN DER ZEIT

Die Rolle des

ärztlichen Sachverständigen bei der Beschleunigung

sozialgerichtlicher Verfahren

In diesem Zusammenhang muß der Sachverständige wissen, von welchem Sachverhalt er auszuge- hen hat. Bestehende Unklarheiten muß der Richter vorab klären.

Hiergegen wird in der Praxis häu- fig mit der Folge verstoßen, daß zeitverzögernde Rückfragen des Sachverständigen beantwortet werden müssen, bevor er mit der Begutachtung beginnen kann.

I.

Viele Bürger bedrückt die lange Dauer sozialgerichtlicher Verfah- ren. Ein Prozeß vor dem Sozialge- richt Köln dauert durchschnittlich rund ein Jahr, ebenso lange dau- ert das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Nord- rhein-Westfalen. Die Klagen der Bürger sind verständlich, wenn man die existentielle Bedeutung vieler Prozesse für die materielle Lebensgrundlage des Versicher- ten und seiner Familienangehöri- gen, etwa bei der Renten- oder Arbeitslosenversicherung, bedenkt. Für sozial schwache Be- völkerungsteile, die etwa um die Frage der Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfä- higkeit streiten, ist ein Jahr Pro- zeßdauer für eine Instanz ein lan- ger Zeitraum, der häufig sogar noch überschritten wird.

II.

Fragt man nach den Ursachen für die Dauer eines Verfahrens, so stellt man fest, daß häufig das Tä- tigwerden ärztlicher Sachverstän- diger zu einer Verzögerung führt.

Auf ihre Mitwirkung ist die Sozial- gerichtsbarkeit aber mehr als jede andere Gerichtsbarkeit angewie- sen. Der Arzt spielt eine besonders wichtige Rolle, vermittelt er doch dem Richter unerläßliche medizi- nische Sachkunde, die er nicht hat, in vielen Fällen zur Aufklärung und Entscheidungsfindung aber braucht. Nach einer für das Jahr 1980 durchgeführten statistischen Erhebung sind beim Sozialgericht Köln in 2408 von 5936 erledigten Verfahren ärztliche Sachverstän- digengutachten eingeholt worden.

Dies ist ein Prozentsatz von etwa 40,6. Nach meiner Kenntnis liegt dieser Vomhundertsatz für alle So- zialgerichte Nordrhein-Westfalens bei sehr unterschiedlichen Ergeb- nissen für die einzelnen Gerichte noch höher, nämlich bei 45 Pro- zent.

An der bedeutenden Rolle der ärztlichen Sachverständigen, die in diesen Prozentzahlen zum Aus- druck kommt, wird sich auch in der Zukunft nichts ändern.

Bemühungen um eine Abkürzung sozialgerichtlicher Verfahren müs- sen deshalb bei der Prüfung ansetzen, welche Möglichkeiten bestehen, die Laufzeiten für die Erstattung medizinischer Sach- verständigengutachten zu ver- kürzen.

1. Eine klare Abgrenzung richterli- cher und ärztlicher Kompetenzen fördert die reibungslose und zügi- ge Zusammenarbeit zwischen Richter und ärztlichem Sachver- ständigen. Funktion und Verant- wortung des Sachverständigen beschränken sich darauf, medizi- nische Sachkunde zu vermitteln, die das Gericht für seine Entschei- dung benötigt. Der Richter muß den Aufgabenbereich des Gutach- ters durch präzise Beweisfragen genau umschreiben. Dadurch er- reicht er einmal, daß der Sachver- ständige seine Aufgabe als sach- kundiger Gehilfe des Gerichts nicht überschreitet und Feststel- lungen trifft, die allein dem Ge- richt vorbehalten sind. Zum ande- ren erleichtert er die Arbeit des Mediziners, der in einer anderen Gedankenwelt als der Jurist lebt und genau erkennen muß, was das Gericht von ihm erwartet.

Häufig erheben die Beteiligten Einwendungen gegen das Gutach- ten des Sachverständigen. Bevor das Gericht dies zum Anlaß nimmt, sogleich ein neues Gutachten ein- zuholen, wird es von der Möglich- keit Gebrauch machen, den Sach- verständigen mit den erhobenen Einwendungen zu konfrontieren oder ihn sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläu- tern zu lassen. Viele Ärzte reagie- ren hierauf empfindlich. Sie soll- ten aber bedenken, daß sich das Gericht mit den Einwendungen auseinandersetzen muß und hier- zu die Hilfe des Gutachters braucht.

Im übrigen sollte der ärztliche Sachverständige seine Sachkunde dem Richter so ausführlich und überzeugend vermitteln, daß die- ser die Gedankengänge und Schlußfolgerungen des Gutach- ters versteht, das heißt nachvoll- ziehen kann. Nur so kann er das Gutachten würdigen und begrün- den, warum er es seiner Entschei- dung zugrunde legen kann oder nicht.

Die verantwortungsvolle Rolle des ärztlichen Sachverständigen er- hellt daraus, daß sich das Gericht zwar — entgegen der Vorstellung mancher Bürger — nicht darauf be- schränken darf, sein Gutachten einfach zu übernehmen, insofern aber eine Bindung besteht, als es sich nicht ohne triftige Gründe über das Gutachten hinwegsetzen darf. Erscheint es nicht überzeu- gend, darf das Gericht nicht seine Meinung an die Stelle des Gutach- ters setzen, sondern muß weitere medizinische Sachaufklärung be- treiben.

Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 30 vom 30. Juli 1982 15

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung Gutachter vor Gericht

2. Bei der Auswahl des Gutachters sollte das Gericht darauf achten, daß der Arzt die sich im Zuge indu- strieller Entwicklung rasch wan- delnde Wirklichkeit der Arbeits- welt kennt. Geht es z. B. im Renten- verfahren um das durch Gesund- heitsstörungen eingeschränkte Leistungsvermögen, ist Voraus- setzung für eine zuverlässige Be- gutachtung, daß der Sachverstän- dige mit den berufstypischen Be- lastungen des Versicherten ver- traut ist. Der Arzt sollte nicht tätig werden, wenn von ihm die Beurtei-

lung eines Sachverhalts erwartet wird, den er nicht kennt. Da insbe- sondere Arbeitsmediziner mit der Realität der sich ständig wandeln- den Arbeitswelt besonders ver- traut sind, macht sich die Sozial- gerichtsbarkeit ihre Kenntnisse und Erfahrungen mehr als bisher nutzbar.

3. Durch die Einschaltung mehre- rer Gutachter (Zusatzgutachter) kommt es zwangsläufig zu einer Verzögerung der Verfahren. Dabei braucht das Vorhandensein meh- rerer Krankheiten (Gesundheits- störungen, Behinderungen) nicht unbedingt dazu zu führen, Gut- achten verschiedener Fachärzte einzuholen. Der erfahrene Richter wird erkennen, daß schwerge- wichtig ein bestimmtes Fachge- biet in Betracht kommt, und einen Arzt dieses Fachgebietes als Sach- verständigen auswählen. Dieser Arzt sollte in Zweifelsfällen gefragt werden, ob er in der Lage ist, auch die übrigen Krankheiten zu beur- teilen. Soweit er diese Frage be- jaht, wird häufig auf ein Zusatzgut- achten verzichtet werden können.

4. Um eine ungebührliche Verfah- rensverzögerung durch die Tätig- keit ärztlicher Sachverständiger auszuschließen, kann in der Be- weisanordnung eine Frist zur Er- stattung des Gutachtens vom Ge- richt bestimmt werden. Auf diese Weise erkennt der Sachverständi- ge, daß das Gericht erwartet, daß er das Gutachten in einer be- stimmten Zeit erstellt. Soweit der Sachverständige diesen Zeitdruck für unangemessen hält, sollte der

Richter in einem Gespräch Ver- ständnis dafür wecken, wie sehr eine lange Verfahrensdauer den rechtsuchenden Bürger belastet und die Fristsetzung ausschließ- lich in seinem Interesse erfolgt.

Denn in vielen Fällen wird der Rechtsschutz durch vermeidbaren Zeitablauf erheblich geschmälert.

Verständnis sollte der zum Sach- verständigen ernannte Arzt auch dafür haben, daß das Gericht bei unangemessenen Fristüberschrei- tungen von der Möglichkeit des auch im sozialgerichtlichen Ver- fahren anwendbaren § 411 ZPO Gebrauch machen kann, durch Festsetzung eines Ordnungsgel- des die Vorlage des Gutachtens zu erzwingen.

Dies wird allerdings nur dann ge- schehen, wenn feststeht, daß dem Arzt im Hinblick auf seine sonsti- gen Verpflichtungen die Erstat- tung des Gutachtens innerhalb der gesetzten Frist zugemutet wer- den kann.

5. Chefärzte größerer Kliniken sind in vielfacher Weise in Anspruch genommen. Deswegen werden sie oft nicht in der Lage sein, in der vom Gericht erwarteten Zeit ein Gutachten zu erstellen. Die Inan- spruchnahme dieser Ärzte führt in vielen Fällen zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung. Im Inter- esse der Beschleunigung der Ver- fahren sollten die Gerichte überle- gen, ob der Sachverhalt wirklich Anlaß bietet, zu diesem Beweis- mittel zu greifen. Da der Richter nicht über medizinische Sachkun- de verfügt, kann er nur aufgrund seiner Erfahrung entscheiden, ob es ihrer Einschaltung bedarf. Ich gehe davon aus, daß der für den

„Normalfall" beauftragte Fach- arzt, wenn sich der medizinische Sachverhalt im Einzelfall als be- sonders schwierig oder problema- tisch erweist, das Gericht hierüber verständigen und die Inanspruch- nahme einer Klinik vorschlagen wird. Durch eine Beschränkung auf diese Fälle könnte eine lange Verfahrensdauer häufig vermie- den werden.

6. Die Gerichtsverwaltung sollte engen Kontakt zu den Standesor- ganisationen der Ärzte pflegen und sie um Angabe von Kollegen bitten, die bereit und in der Lage sind, in angemessener Frist Gut- achten für die Sozialgerichte zu erstatten. Auf diese Weise könnten zusätzlich Gutachter gewonnen und dadurch die Verfahren be- schleunigt werden.

Die Umsetzung der erörterten Ge- sichtspunkte in die tägliche Praxis könnte dazu führen, zu einer schnelleren Erstattung ärztlicher Sachverständigengutachten zu kommen. Ihre zügige Erstellung ist von großer Bedeutung für den Rechtsschutz der Bürger, die vor den Sozialgerichten um ihre Rech- te streiten. Sie gehören meist der Gruppe unserer Bevölkerung an, die des besonderen staatlichen Schutzes bedarf. Zu diesem Schutz gehört die zügige Erledi- gung der Verfahren. Sie kann oh- ne die verständnisvolle Mitwir- kung und Unterstützung der ärztli- chen Sachverständigen nicht er- reicht werden.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Klaus Louven Präsident

des Sozialgerichts Köln Thomasstraße 17 4152 Kempen 1

DR. FLEISS' BLÜTENLESE -1

Für Alternative

Je mehr scharfe Waffen es gibt, desto unwissender wird das Land heranwachsen. Je mehr geschickte Handwer- ker es gibt, desto mehr verderbenbringende Geräte werden sie erfinden. Je mehr Gesetze verkündet werden, desto mehr Diebe und Räu- ber wird es geben.

Nach Laotse (ca. 600 v. Chr.)

16 Heft 30 vom 30. Juli 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg hat gemäß § 36 Gewerbeordnung zum 01.01.2021 erneut befristet öffentlich bestellt und vereidigt:..

Durch den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg wurde am 21.12.2021 als Sachverständiger befristet öffentlich bestellt und vereidigt:. Jürgen Wasserberg

Durch den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg wurde am 07.09.2021 als Sachverständiger befristet öffentlich bestellt und

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte, Kirchenrecht 8. Kyrill-Alexander Schwarz

Kfz-SV Vorstellung des Kalkulationsprogramms AudaPad mit beispielhaften Kalkulationen und Besonderheiten. 19 Dienstag 23.11.2021 Audatex Grundlehrgang

Ein Zurechnungszusammenhang besteht demnach dann nicht, wenn zwischen beiden Eingriffen bei wertender Betrachtung nur ein äußerlicher, gleichsam zufälliger Zusammenhang besteht und

Facharzt für Allgemeinmedizin Alterskrankheiten Diabetes mellitus.. Frau Birgit Marold-Richardson Gutachterbüro Birgit Marold-Richardson

11 Omnibus R.Berghoff, zert.Kfz-SV Übung und Vertiefung zu: Schadenaufnahme; Reparaturwege; Kalkulation; Bewertung;. 12 Omnibus R.Berghoff, zert.Kfz-SV Arten, Aufbau,