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DIE ROLLE VON WASSERSTOFF FÜR DIE DEKARBONISIERUNG

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KEYWORDS:

Wasserstoff, Dekarbonisierung, Wasserstoffproduktion, Wasserstoffnutzung, Methanpyrolyse

KURZFASSUNG

Wasserstoff mit reduziertem CO2-Fußabdruck spielt eine wichtige Rolle in der Dekarbonisierung der Sektoren Indus- trie, Wärmeerzeugung sowie Mobilität und Transport. Dar- über hinaus wird er zur chemischen Speicherung von Über- schüssen aus der erneuerbaren Stromproduktion benötigt.

Zur Erzeugung können eine Reihe unterschiedlicher Ver- fahren herangezogen werden, die jedoch der-zeit entweder technologisch oder hinsichtlich der notwendigen Energie- oder Rohstoffbereitstel-lung limitiert sind.

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WISSENSCHAFT & PRAXIS September 2021

ABSTRACT

Hydrogen with a reduced carbon footprint plays an import- ant role in the decarbonisation of the sectors industry, heat generation as well as mobility and transport. Furthermore, it is needed for the chemical storage of surpluses from rene- wable electricity production. A number of different proces- ses can be used for its generation, but these are currently limited either technologically or with regard to the required energy or raw material supply.

Markus Lehner & Robert Obenaus-Emler (Montanuniversität Leoben)

THE SIGNIFICANCE OF HYDROGEN FOR DECARBONISATION

DIE ROLLE VON WASSERSTOFF

FÜR DIE DEKARBONISIERUNG

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1. ANWENDUNGSGEBIETE VON WASSERSTOFF 1.1 Stand der Technik

Wasserstoff ist gegenwärtig vor allem in chemischen und petrochemischen Prozessen ein wichtiger Reaktionspartner, siehe Abbildung 1. Derzeit liegt der jährliche Wasserstoff- verbrauch in der Europäischen Union bei rund 339 TWh, was in etwa 10 Mio. Jahrestonnen entspricht [1]. Die größte Menge an Wasserstoff verbrauchen Raffinerien bei der Ver- edelung von Rohöl bzw. den Raffineriezwischenprodukten, unter anderem bei der Entschwefelung („Hydrotreating“) und bei der Umwandlung höhermolekularer Verbindungen in Mitteldestillate („Hydrocracking“). In chemischen Prozes- sen wird Wasserstoff vor allem im Haber-Bosch-Prozess (N2 + 3 H2 ↔ 2 NH3) zur Produktion von Ammoniak verbraucht, das in weiterer Folge überwiegend zu Düngemitteln weiter- verarbeitet wird. Rund 27 TWh oder 0,8 Mio. t Wasserstoff wird für die Synthese von Methanol aufgewendet. Methanol gehört zu den Plattformchemikalien, aus denen eine Vielzahl von Folgeprodukten hergestellt wird. [2] Alle anderen An- wendungsbereiche, wie in der Metallurgie, der Glasherstel- lung, der Halbleiterherstellung oder im Bereich der Mobili- tät, sind hinsichtlich des Wasserstoffverbrauchs derzeit noch von untergeordneter Bedeutung.

1.2 Zukünftige Anwendungsgebiete von Wasserstoff

In Abbildung 2 sind die potentiellen, zukünftigen Anwen- dungsgebiete von Wasserstoff dargestellt. Es lassen sich dabei vier Bereiche abgrenzen: Mobilität und Transport, Sektorenkopplung mit dem Erdgasnetz, Wärmebereitstel- lung sowie Wasserstoff als Reaktionspartner in chemischen, petrochemischen und metallurgischen Prozessen.

Um diese zukünftigen Anwendungen im großen Stil zu ver- wirklichen, müssen aber selbstverständlich noch grund- legende technologische Fragestellungen geklärt werden.

Schätzungen gehen derzeit davon aus, dass der sektorüber- greifende Bedarf an Wasserstoff in der EU im Jahr 2050 etwa 2.250 TWh beträgt. Dies entspricht in etwa einem Viertel des gesamten Energiebedarfes der EU. Durch die Verwendung von Wasserstoff können dabei die CO2 Emissionen der EU um etwa 560 Mt pro Jahr verringert werden. Anwendungs- spezifische Nebeneffekte können zu einer weiteren Verrin- gerung der CO2 Emissionen beitragen, so dass mit Hilfe von Wasserstoff etwa die Hälfte der notwendigen Reduktion an CO2 Emissionen zur Erreichung des 2-Grad-Zieles möglich ist.

[1]

Abbildung 1: Gesamter jährlicher Wasserstoffverbrauch in der Europäischen Union nach Anwendungsgebiet in TWh für das Jahr 2015 (Quelle: eigene Darstellung, adaptierte Grafik und Zahlen aus [1])

Abbildung 2: Zukünftige Anwendungsgebiete von Wasserstoff (Quelle:

eigene Darstellung)

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1.2.1 Mobilität und Transport

Im Jahr 2019 betrug der Anteil des Verkehrssektors am Ge- samtenergieverbrauch in Österreich rund 36 %. Dieser be- ruht derzeit fast ausschließlich auf fossilen Energien. [3]

Für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors kann neben batterieelektrischen Antrieben zukünftig auch Wasserstoff eine zentrale Rolle einnehmen. In Brennstoffzellen kann Wasserstoff emissionsfrei in elektrische Energie umgewan- delt werden. Dabei liegt der wesentliche Vorteil von mittels Brennstoffzellen getriebenen Fahrzeugen in einer höheren Reichweite und kürzeren Betankungszeiten. Neben PKW, die auf Langstrecken eingesetzt werden, sind insbesonde- re der Schwerlastverkehr sowie Busflotten bevorzugte An- wendungsgebiete. In ersten Projekten werden hierfür schon Konzepte für eine schrittweise Dekarbonisierung des öffent- lichen Busverkehrs ausgearbeitet. [4] Jedoch muss für eine breite Ausrollung der Wasserstoffmobilität auch eine ent- sprechende Tankinfrastruktur geschaffen werden, parallel oder neben dem Ausbau von Ladesäulen für die Elektro- mobilität. Zudem ist der Gesamtwirkungsgrad batterieelek- trischer Antriebe besser, da die Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbarem Strom mit Verlusten behaftet ist (siehe Kapitel 2.2). Ein batterieelektrischer Antrieb eignet sich aber auf Grund des hohen Materialfußabdruckes von Batterien insbesondere für kleine, leichte Fahrzeuge, die nicht unbe- dingt eine hohe Reichweite haben und daher mit einer klei- nen Batterie auskommen.

1.2.2 Sektorenkopplung

Die Erzeugung von erneuerbarem Strom, insbesondere in Windkraft- und Photovoltaikanlagen, ist stark fluktuierend.

Der verstärkte Ausbau dieser Erzeugungsanlagen erfordert die azyklische Speicherung großer Strommengen über län- gere Zeiträume. Die Langzeitspeicherung kann dabei in Form von Wasserstoff oder synthetischem Methan erfolgen. Da- bei wird der Strom in einer Wasserelektrolyse zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt. Dieser kann nachfolgend mit CO2, das beispielsweise aus Abgasen eines Zementwerkes ge- wonnen werden kann, chemisch-katalytisch oder biologisch zu Methan umgewandelt werden (4 H2 + CO2 ↔ CH4 + 2 H2O), das sich unbegrenzt in das Erdgasnetz einspeisen lässt.

Die Kopplung des Stromnetzes mit dem Erdgasnetz wird als Sektorenkopplung bezeichnet. Die Kopplungstechnologie heißt „Power-to-Gas“. [5] Wasserstoff und synthetisches Methan können in Brennstoffzellen oder im größeren Maß- stab in konventionellen Gas- und Dampfkraftwerken wieder verstromt werden, wenn die Erzeugung aus den erneuer- baren Quellen den Strombedarf im Netz nicht deckt (Dun- kelflauten). Power-to-Gas Anlagen findet man derzeit nur im Pilot- und Demonstrationsmaßstab, darüber hinaus sind die Kosten für die Herstellung von grünem Wasserstoff und synthetischem Methan derzeit noch hoch. [6] Bis zum Jahr 2050 – unter der Voraussetzung eines stetigen Ausbaus der erneuerbaren Stromerzeugung – wird ohne Sektorenkopp- lung keine Versorgungssicherheit erreicht werden können.

1.2.3 Wärmebereitstellung

Die Wärmeversorgung von Gebäuden wird zu einem hohen Anteil aus fossilen Energiequellen gedeckt. In Wien werden rund 60 % der Haushalte mit Erdgas beheizt [7]. In einer Vielzahl industrieller Prozesse werden hohe Temperaturen benötigt, wie beispielsweise in der Stahlerzeugung oder an- deren metallurgischen Prozessen sowie der Glasherstellung.

Diese werden ebenfalls meist mit Erdgasbrennern erzeugt.

Wasserstoff oder das aus ihm mit CO2 synthetisierte Me- than kann eine Reduktion der Treibhausgasemissionen im Wärmesektor durch eine Substitution des fossilen Erdgases ermöglichen. Wasserstoff kann allerdings nicht unbegrenzt dem Erdgasnetz beigemischt werden, da sowohl die Erdgas- infrastruktur selbst als auch die angeschlossenen Endver- braucher eine Toleranzgrenze aufweisen. [8] In laufenden Forschungsprojekten wird derzeit untersucht, ob eine Beimi- schung mit bis zu 20 Vol. % H2 technisch realisierbar ist. [9]

Darüber hinaus gehende Anteile erfordern daher entweder eine Umwandlung in Methan oder aber die, zumindest loka- le, Errichtung einer separaten Wasserstoffinfrastruktur. Der wesentliche Vorteil einer Wärmebereitstellung aus Wasser- stoff bzw. aus seinem Folgeprodukt synthetischem Methan ist die Weiternutzung der bestehenden Erdgasinfrastruktur und der derzeit verbauten Endgeräte. Dadurch würde sich ein signifikanter Effekt in der Klimabilanz des Wärmesektors ohne einschneidende Neuinvestitionen ergeben.

1.2.4 Wasserstoff als Reaktionspartner

Wie bereits beschrieben, ist Wasserstoff schon heute ein wichtiger Reaktionspartner in chemischen und petrochemi- schen Prozessen. Die zukünftige Bedeutung von Wasserstoff als Reaktionspartner bzw. als Reduktionsmittel wird signifi- kant ansteigen. Zum einen lassen sich über Power-to-Liquid Prozesse aus CO2 und Wasserstoff, aber auch aus vergaster Biomasse und Wasserstoff, sowohl Basischemikalien als auch flüssige Kraftstoffe synthetisieren. [10] Beispielsweise lässt sich synthetischer Diesel oder synthetisches Kerosin über die Fischer-Tropsch Synthese herstellen. Dazu muss aber, wenn als Kohlenstoffquelle CO2 genutzt wird, dieses in einem ers- ten Schritt zu CO reduziert werden, da Fischer-Tropsch Kata- lysatoren CO2 nicht direkt hydrieren können. Dies kann bei- spielsweise in der reversen Wassergas-Shift Reaktion (CO2 + H2 ↔ CO + H2O) unter Verwendung von Wasserstoff durch- geführt werden. [11] Ähnlich wie bei der Wärmebereit- stellung mittels synthetischem Methan haben synthetische flüssige Kraftstoffe den Vorteil, dass keine Adaptierungen der Endverbraucher sowie der Lager- und Transportlogistik notwendig werden. Zudem lassen sich synthetische und fos- sile Kraftstoffe in jedem beliebigen Verhältnis miteinander mischen. Der Wirkungsgrad von derartigen Prozessketten ist jedoch noch vergleichsweise gering und die Kosten für syn- thetische Kraftstoffe daher entsprechend hoch.

Ein weiteres wichtiges zukünftiges Anwendungsgebiet für Wasserstoff sind metallurgische Prozesse. Da im Hochofen- prozess eines integrierten Hüttenwerks Kohlenstoff (Koks) als Reduktionsmittel eingesetzt wird, verursacht gegenwär- tig die Produktion einer Tonne Stahl in Europa die Emission

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von 1,9 t CO2, wenn man alle Prozesse, wie Sinteranlage sowie die nachgeschalteten Aggregate Stranggießen und Walzen/Rollen, miteinrechnet. [12] Die Produktion von Stahl kann jedoch auch in Direktreduktionsverfahren unter Ein- satz von Wasserstoff sowie basierend auf Schrott im Elektro- lichtbogenofen erfolgen. Die Verabschiedung von der Hoch- ofenroute ist jedoch sehr investitionsintensiv. Alleine für die Europäische Stahlindustrie wird dafür ein Investitionsbedarf von rund 30 Mrd. € prognostiziert. [13] Eine Übergangstech- nologie für die Reduktion der Treibhausgasemissionen der Stahlindustrie können CCUS-Verfahren darstellen (CCUS:

Carbon Capture, Utilisation and Storage). In derartigen Pro- zessen wird CO2 aus der konventionellen Stahlproduktion in biologischen oder katalytischen Verfahren mit Wasserstoff, wie eingangs dieses Kapitels beschrieben, zu nutzbaren Pro- dukten umgewandelt oder langfristig gespeichert.

2. HERSTELLUNG VON WASSERSTOFF

Wasserstoff kann also in einer ganzen Reihe von Sektoren (Mobilität, Wärme, Industrie) ein wesentlicher Treiber für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen sein. Grundvor- aussetzung dafür ist jedoch, dass der Wasserstoff ohne bzw.

nur mit einem geringen CO2-Fußabdruck hergestellt wurde.

Ansonsten würde zwar bei der Verwendung des Wasserstof- fes selbst, etwa bei der Verstromung in einer Brennstoffzel- le, kein CO2 entstehen, jedoch im vorgelagerten Prozess der Wasserstofferzeugung.

2.1 Stand der Technik

Die Herstellung von Wasserstoff erfolgt derzeit hauptsäch- lich basierend auf fossilen Einsatzstoffen: 48 % aus Erdgas, 30 % aus Erdöl und 18 % aus Kohle. Die verbleibenden 4 % werden durch Elektrolyseverfahren hergestellt, wobei weni- ger als 1 % mittels Wasserelektrolyse produziert wird. Was- serstoff entsteht als Nebenprodukt bei der Alkalichloridelek- trolyse zur Chlorherstellung. [14] Fossile Kohlenwasserstoffe können durch Dampfreformierung oder durch partielle Oxi- dation zunächst in Synthesegas umgewandelt werden. Am Beispiel von Methan als Hauptbestandteil von Erdgas kann die Bruttoreaktionsgleichung der Dampfreformierung be- schrieben werden:

CH4 + H2O ↔ CO + 3 H2 ∆HR0 = 206, 3 kJ/mol Diese endotherme Gleichgewichtsreaktion benötigt eine Wärmezufuhr, die meist über Verbrennung von Erdgas auf- gebracht wird. In einem nachfolgenden Prozessschritt wird ein Großteil des CO in der Wasserdampf-Shift Reaktion zu CO2 (CO + H2O ↔ CO2 + H2) umgewandelt, um die Wasser- stoffausbeute zu erhöhen. Das entstehende CO2 wird abge- trennt und in die Atmosphäre entlassen. Bei diesem Prozess werden insgesamt rund 12 kg CO2,eq/kg H2 emittiert. [15]

Die herkömmlichen Verfahren zur Wasserstoffproduktion sind nur durch eine entsprechende Adaptierung als Herstell- prozesse mit einem reduzierten CO2-Fußabdruck verwend- bar.

2.2 Wege zu erneuerbarem Wasserstoff

In Abbildung 3 sind potentielle Wege für die Herstellung von Wasserstoff mit einem geringen CO2-Fußabdruck darge- stellt. Als Einsatzstoffe können Wasser, Biomasse oder fossile Kohlenwasserstoffe verwendet werden. Die Umwandlungs- technologien sind je nach Einsatzstoff anders, ebenso der notwendige Weg für die CO2-Minderung.

Wasserstoff aus einer Wasserelektrolyse, die mit erneuer- barem Strom betrieben wird, wird als „grüner“ Wasserstoff bezeichnet. Grundsätzlich lassen sich dabei 3 verschiedene Elektrolysetechnologien unterscheiden: die Alkalidruckelekt- rolyse, die Polymermembranelektrolyt-Elektrolyse (PEM) so- wie die Hochtemperaturelektrolyse (Solid Oxid Electrolyzer Cell – SOEC). Der technische Reifegrad sowie die technischen Eigenschaften der drei Technologien unterscheiden sich sig- nifikant. [16] Während die Alkalidruckelektrolyse technisch am ausgereiftesten und auch in zweistelligen Megawatt- leistungsbereich verfügbar ist, werden PEM-Elektrolyseure derzeit erst in den zweistelligen Megawattleistungsbereich skaliert. Die SOEC befindet sich derzeit noch im kleineren Pi- lot- bzw. Demonstrationsmaßstab. Der spezifische Energie- verbrauch liegt bei ca. 4,5 – 5,5 kWh/Nm3 H2. Bis 2050 wird eine Optimierung des Wirkungsgrads von Elektrolyseuren auf ca. 75 % prognostiziert, was einem spezifischen Energie- verbrauch von knapp 4 kWh/Nm3 H2 entspricht. [17] Wollte man den derzeit in der Europäischen Union verbrauchten Wasserstoff (Abbildung 1) mittels Wasserelektrolyse her-

Abbildung 3: Einsatzstoffe, Technologien und CO2-Minderungswege für die Produktion von Wasserstoff mit reduziertem CO2 Fußabdruck (Quelle: eigene Darstellung).

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Ausbeute an fossilen Rohstoffen erhöht, wobei das CO2 in der Lagerstätte dauerhaft verbleibt.

Ein derzeit stark in den Fokus gerücktes Verfahren zur Er- zeugung von Wasserstoff mit reduziertem CO2-Fußabdruck ist die Methanpyrolyse. [24] Dabei wird Methan bzw. Erdgas bei Temperaturen zwischen 800°C und 1200°C in Wasser- stoff und festen Kohlenstoff gespalten (CH4 ↔ 2 H2 + C). Die Methanspaltung kann rein thermisch oder auch katalytisch erfolgen. Im Labormaßstab sind Verfahren in Wanderbettre- aktoren, in Wirbelschichten, in flüssigen Metallbädern oder Salzschmelzen sowie in verschiedenartigen Plasmareaktoren untersucht worden. Als ein wesentlicher Vorteil dieses Pro- zesses ist der um etwa 80 % niedrigere Energiebedarf für die Methanspaltung gegenüber der Wasserelektrolyse anzufüh- ren. Wird dieser Energiebedarf erneuerbar aufgebracht, also beispielsweise durch erneuerbaren Strom, dann ist der CO2- Fußabdruck der Methanpyrolyse sehr gering. [25] Darüber hinaus lässt sich der feste Kohlenstoff potentiell auch in ver- schiedene Nutzungsoptionen überführen, was eine zusätzli- che Wertschöpfung generieren kann. Der wesentliche Nach- teil ist der bisher erreichte, geringe technische Reifegrad.

Bei vielen Methanpyrolyseverfahren ist sowohl die Skalier- barkeit in größere Maßstäbe als auch die Langzeitstabilität der Prozesse noch nicht gegeben. An der Montanuniversität Leoben beschäftigt sich ein interdisziplinäres Team derzeit intensiv mit der Entwicklung eines Methanpyrolyseverfah- rens und der Nutzung des als „Nebenprodukt“ erzeugten festen Kohlenstoffs. [26]

3 SCHLUSSFOLGERUNGEN

Wasserstoff ist unverzichtbar für die Transformation zu einer dekarbonisierten Gesellschaft. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig und in allen Sektoren angesiedelt. Im Mobili- tätssektor ist zu erwarten, dass Wasserstoff im Bereich von Langstrecken- und Schwerlastverkehr Anwendung findet, im Industriesektor wird Wasserstoff eine wesentliche Rolle in Reduktionsprozessen der Metallurgie, aber auch in der chemischen und petrochemischen Industrie spielen. Ebenso kann die Wärmebereitstellung über Wasserstoff oder über synthetisches Methan, das aus Wasserstoff und CO2 her- gestellt wird, erfolgen. Schließlich wird ein weiterer Ausbau von fluktuierender erneuerbarer Stromerzeugung die Spei- cherung von Überschüssen in Form von Wasserstoff oder synthetischem Methan erfordern, um Dunkelflauten über- brücken zu können. Viele der dazu notwendigen Technolo- gien sind heute bereits verfügbar.

Die grundlegende Problematik liegt in der CO2-neutralen bzw. CO2-reduzierten Deckung des in Zukunft steigenden Bedarfs an Wasserstoff. Es ist zwar eine Reihe von Herstell- verfahren möglich, die aber allesamt derzeit noch teilweise erheblichen Limitierungen unterliegen. Stand der Technik sind Reformierung bzw. partielle Oxidation fossiler Kohlen- wasserstoffe, die aber nur durch eine Abtrennung und dau- erhaften Speicherung von CO2 (CCS) klimaneutral werden.

stellen, wären dafür mehr als 500 TWh erneuerbarer Strom notwendig. Das entspricht in etwa der Hälfte des derzeit eu- ropaweit produzierten erneuerbaren Stroms. [18] Dabei ist die Verwendung von erneuerbarem Strom für das Ziel eines CO2-reduzierten Fußabdruckes zwingend notwendig. Wind- strom weist einen Emissionsfaktor von 7 kg CO2,eq/MWhel auf, PV-Strom von 35 kg CO2,eq/MWhel, während der Strom- mix im österreichischen Netz derzeit etwa 310 kg CO2,eq/

MWhel hat. [19] Die Produktion großer Mengen an grünem Wasserstoff ist also durch die fehlende Erzeugungskapazität von erneuerbarem Strom limitiert.

Aus Biomasse lässt sich durch Vergasung oder durch Fer- mentation ebenfalls Wasserstoff mit reduziertem CO2-Fuß- abdruck gewinnen (Abbildung 3). In Biogasanlagen kann aus unterschiedlichen Substraten Biogas, eine Mischung von 50 bis 80 % Methan und als Rest im Wesentlichen CO2, fermen- tiert werden, das nachfolgend zu Wasserstoff reformiert werden kann. Während die Biogaserzeugung Stand der Technik ist, ist eine nachfolgende Reformierung von Biogas noch Gegenstand der Forschung. [20] Eine Alternative ist die Vergasung von Biomasse, in der beispielsweise mit Wasser- dampf ein wasserstoffreiches Gas erzeugt werden kann, das sich direkt als Reduktionsmittel in der Stahlindustrie eignet.

[21] Es kann daraus nach weiterer Aufbereitung über die Wassergas-Shift Reaktion und einer nachfolgenden CO2-Ab- trennung aber auch reiner Wasserstoff erzeugt werden. Eine 100 MW Zweibettwirbelschicht-Vergasungsanlage (OxySER- Technologie, [21]) erzeugt 28800 Nm3/h Produktgas mit 70 Vol. % H2, (ca. 1800 kg H2/h) und benötigt dafür 50400 kg/h Holzhackschnitzel, sowie 11020 Nm3/h Sauerstoff in der Verbrennungswirbelschicht. Dabei werden 36100 kg/h biogenes CO2 emittiert. Es wird deutlich, dass insbesondere wegen des ungünstigen C/H-Verhältnisses der Biomasse die Wasserstoffausbeute aus derartigen Anlagen gering ist. Im angeführten Beispiel werden nur rund 3,5 Gew. % der ein- gesetzten Biomasse in Wasserstoff konvertiert. Daher wird Biomasse zukünftig nur eine untergeordnete Rolle in der Bereitstellung von Wasserstoff mit reduziertem CO2-Fußab- druck spielen können.

Schließlich lässt sich Wasserstoff, wie bereits unter Kapitel 2.1 ausgeführt, aus fossilen Einsatzstoffen mittels Reformie- rung oder partieller Oxidation herstellen. Eine Reduktion der Treibhausgasemissionen kann durch eine nachfolgende Speicherung des entstehenden CO2 erreicht werden (CCS - Carbon Capture and Storage). [22] Der Vorteil liegt hier eindeutig in der potentiell schnellen Skalierbarkeit dieser Verfahren zur Erzeugung großer Mengen an Wasserstoff, da sowohl die notwendigen fossilen Einsatzstoffe als auch die notwendigen Technologien vorhanden sind. Die Schwierig- keit besteht jedoch in der nachfolgenden Speicherung des CO2, wofür insbesondere in Mitteleuropa derzeit noch keine echten Optionen bestehen. Unter den möglichen Speicher- optionen für CO2 wird dem EOR-CCS (Enhanced Oil Recove- ry) momentan das höchste Potential eingeräumt. [23] Dabei wird CO2 in Öl- und Gas-Lagerstätten eingepresst und so die

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CCS Technologien sind aber noch immer umstritten, in Ös- terreich gesetzlich verboten. Die Erzeugung von Wasserstoff aus Biomasse ist technisch möglich, jedoch ist die Wasser- stoffausbeute gering und die verfügbare Menge an Biomas- se für einen signifikanten Beitrag zur Deckung des Wasser- stoffbedarfs nicht ausreichend. Die mit erneuerbarem Strom angetriebene Wasserelektrolyse weist ein hohes Potential für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff auf, allerdings sind die dafür benötigten Mengen an erneuerbarem Strom auf absehbare Zeit nicht verfügbar. Es ist daher notwendig, weitere Forschungsanstrengungen zur Weiterentwicklung von Technologien zur Wasserstofferzeugung zu forcieren.

Die Methanpyrolyse ist in diesem Zusammenhang ein sehr vielversprechender Prozess, aber auch Effizienzsteigerungen und Kostenreduktionen im Bereich der Wasserelektrolyse sind notwendig, damit Wasserstoff sein hohes Potenzial für die Dekarbonisierung entfalten kann.

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ijhydene.2009.11.093

[26] https://ric-leoben.at/de/sdg/methane-pyrolysis, auf- gerufen am 25.02.2021

AUTOREN:

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Ing. Markus Lehner Montanuniversität Leoben

Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des industriellen Umwelt- schutzes

Markus.lehner@unileoben.ac.at

Dipl.-Ing. Robert Obenaus-Emler Montanuniversität Leoben Resources Innovation Center (RIC) emler@unileoben.ac.at

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