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Über einige bildliche Darstellungen altindischer
Gottheiten.
Von Dr. T. Bloch.
Den Ausgangspunkt für die folgenden Bemerkungen bildet ein
bekanntes Belief aus Jamälgarhl im heutigen Distrikt von Peshawar,
das sich schon seit einer langen Reihe von Jahren im Museum zu
Labore befindet. Im oberen, etwas beschädigten Pelde zeigt es den
s zukünftigen Buddha, Prinz Siddhärtha, im Genuß des ehelichen
Glücks ^). In sicher beabsichtigtem Kontrast dazu stellt das darunter
befindliche Peld dar, wie derselbe Prinz Siddhärtha, auf das Glück
seines Pamilienlebens verzichtend, sich nächtlicher Weile von seiner schlafenden Gattin hin wegstiehlt, um die Häuslichkeit mit der Haus-
10 losigkeit zu vertauschen : ägärsd anägäratäm gatah, wie man da¬
mals zu sagen pflegte. Oben auf dem Bilde sieht man die Köpfe
von fünf Zuschauern, die über ein Gitter hervor gucken, und zwar
in der Mitte den Kopf eines Tieres, zu beiden Seiten zunächst je
ein , durch den Nimbus als göttlich gekennzeichnetes Wesen, als-
15 dann noch zwei menschliche Gesichter ohne den Nimbus.
Es ist jener Tierkopf in der Mitte, dem wir unsere Aufmerksam¬
keit hier zuwenden wollen. Grünwedel sagt (S. 130 ff.): ,Above, from
,a balcony, the gods look down: Sürya (the sun) to the right and
„Chandra (the moon) to the left of a bull, that is the sign Taurus
20 „{Tävuri or Vaidakha). It was on Tuesday, at the full moon of
«Vaisäkha in the Nakshatra or asterism of Viääkhä, that the legends
,say Gautama was born, and this representation would agree with
,that date. But tbe_ conception and renunciation are both placed
,at full moons of Äshädha (June-July) in the Nakshatra üttarä-
S6 „Ashädhä, when the sun would be in Karka or Cancer, and in
„conjunetion with Pushya (Tishya) „the king of stars'. The re-
„ presentation then seems intended to show the sun in connexion
„with the constellation of the Bull, perhaps between two personi-
„fied „houses' of the moon in the month Äshädha: evidently the
30 „night of that month on which the moon was full was thereby
, intended. Perhaps this is an indication of the date when, in
1) Siehe die Wiedergabe bei Griiuwedel-Burgess , Buddbist Art in India, London 1901, Seite 129.
Bloch, Über einige bildliche Darstellungen altind. Gottheiten. 649
,the artist 's opinion, Gautamas flight took place ; but it does
.not agree with the tradition, but with the date of the birth.'
Ich möchte glauben, daß diese Erklärung Grünwedel's bei
manchen seiner Leser einen ebenso unbefriedigenden Eindruck zu¬
rückgelassen bat, wie bei mir, und der Zweifel an ihrer Bichtig- 5
keit wird noch erhöht, wenn man eine gute photographische Wieder¬
gabe^) des Reliefs zu Gesicht bekommt. Es wird nämlich alsdann
klar, daß der angebliche Stier kein Wesen ist, das zur gens
bovin a gerechnet werden könnte, weil ihm die Hörner fehlen,
und der Kopf viel zu länglich und zugespitzt ist. Dagegen glaubte lo
ieh sofort mit Sicherheit in jenem Tiere einen Eber zu erkennen,
und ein mir bekannter Herr, dem ich das Bild vorlegte, entschied
sich gleicherweise sofort für den Eber. Sein Urteil fällt umsomehr
ins Gewicht, als er vollständig frei von irgend welcher Vorein¬
genommenheit war, und weder das Belief, noch irgendwelche Ab- 15
bildung davon vorher zu Gesicht bekommen hatte.
Steht es nun somit so gut wie fest, daß der Gändhära Künst¬
ler in jenem Belief den Kopf eines Ebers *) abbildete, den er —
dies macht die Stellung jener Figuren sicher — als Zuschauer neben
einigen menschlichen und göttlichen Wesen gedacbt sein wollte, 20
so wird es auch ohne weiteres klar, daß wir von astronomischen
Andeutungen abseben können, die ja ohnehin, wie oben angedeutet
wurde, kein reinlich und glatt aufgehendes Eechenexempel ergeben.
Der Eber in jenem Relief aus Jamälgarhl ist nie¬
mand anderes als Vishnu, der mit einigen anderen gött- 25
liehen Wesen jenem bedeutenden Vorgang als Zuschauer beiwohnt.
Will man darüber hinaus noch einen tieferen Sinn in jenen
Piguren suchen, so könnte man vermuten, daß der Künstler Vishnu
zu den vier Lokapalas gezählt hätte; der vierte, Indra, wäre dann
vielleicht jene Pigur, die unten links vom Beschauer im Hinter- so
gründe des Schlafgemachs Gautama's steht mit einer Geste, die
vielleicht eine Aufforderung an Gautama hesagen könnte, sich nun
endlich bereit zu macben. Indra-Vajrapäni folgt ja dem Gautama
beständig nach des letzteren Auszug aus Kapilavästu, und seine
Stellung und Geste in unserm Relief wäre daher durchaus an- ss
gemessen. Daß die buddhistische Kunst die vier Lokapalas zu
Begleitern des seine Stadt verlassenden Bodhisattva machte, kann
uns nicht befremden. Sie wollte damit nur den Gedanken zum
1) Das Original habe ich leider noch nicht zu sehen bekommen, aber die Photographie, auf die sich meine Ausführungen gründen, ist sicher ebenso deutlich, als das Original.
2) Leider sind die KUnstler von GändhGra höchst mittelmäßige Tierdar¬
steller gewesen, wie dies schon Foucher hervorhebt. Dr. Vogel teilt mir mit, daß er ein Relief des Lahore Museums, welches den Abschied des Pferdes Kanthaka von Gautama nach seiner Flucht darstellt, im offiziellen Katalog jenes Museums beschrieben fand als „Buddha meeting a rhinoceros"!! Boi minder¬
wertigen Repliken jener Szene dürfte diese Erklärung prima facie kaum un¬
begreiflich erscheinen.
650 Bloch, tjber einige bildliche Darstellungen altind. Gottheiten.
Ausdruck bringen, daß jener Königssobn im Begriife steht, die Welt
zu erobern. Die göttlichen Herren der Welt, die Lokapalas, ge¬
hören ja schon zu seinen Dienern , zu seinem Gefolge, ähnlich wie
im Kävya die Lokapalas zu zittern anfangen , oder sonst irgend¬
welche Äußerungen ibrer Bestürzung und Angst zu erkennen geben,
sobald ein angehender Cakravarttin zum digvijaya, zur Eroberung
der Welt auszieht.
Wie dem aber aucb sein möge — und ich möchte auf diese
Vermutung kein großes Gewicht legen — soviel scheint mir sicher,
daß wir in unserm Relief die Darstellung Vishnu's
als Eber für das zweite od.er erste vorchristliche
Jahrhundert^) belegen können. Damit kommen wir ein gut
Stück weiter hinaus über die ältesten, mir bekannten Darstellungen
des Vishnu-Varäha in Indien. Wir besitzen davon zunächst den
Eber in Eran im Distrikt Sägar der Central Provinces, der, wie
wir aus der Inschrift an seinem Halse wissen, im ersten Jahre
Toramäna's errichtet wurde *). Toramäna's Zeit läßt sich annähernd dadurch bestimmen, daß, wie wir aus der Mandasor Inschrift") wissen,
sein Vater Mihirakula*) von dem indischen König Yasodharman-
Visbnuvardhana besiegt wurde. Für letzteren steht das Datum
Vikrama-Samvat 589 = 532 A.D. inschriftlich fest»).
Etwas jünger ist der Eber von Afsand im Distrikt von Gaya.
Offenbar wurde er auf Befehl Ädityasena's von Magadha aufgesetzt, dessen ausführliche, dort gefundene Inschrift leider seit langer Zeit
spurlos verschwunden ist*). Aus einer kurzen Weihinschrift auf
einem Bilde des Sonnengottes, in Sbähpür") kennen wir für Äditya-
sena das Datum Harsa-samvat 66 Märgga-dudi 7, das etwa dem
Anfang des Jahi-es 672 A. D. entsprechen dürfte. Älter hingegen,
wenn auch nicbt beträchtlich, dürfte der von mir in Vaiääli-Basarh
gefundene Siegelabdruck des Yaksavatsa sein, auf dem das Bild
eines Ebers über der Legende doch wohl kaum anders als als eine
Darstellung des Vishnu-Varäha gedeutet werden kann*').
Überblickt man dieses Material, dessen Spärlichkeit hauptsäch¬
lich darin ihren Grund findet, daß die systematische Durchforschung
1) Das KeUef von Jamälgaihi steht künstlerisch sehr hoch und gehört zweifelsohne in die Blütezeit der GSndhärakunst, die man jetzt wohl allgemein in jene Epoche rückt. Man beachte z, B. die getäfelte Decke in den beiden Bogen neben dem Schlafgemach Gautamas im unteren Felde des Reliefs. Hier sind griechische Vorbilder unverkennbar. Auch die Haltung der beiden Diene¬
rinnen unten rechts vom Beschauer scheiut mir klassische Vorbilder zu verraten.
2) Siehe Fleet, Gupta Inscriptions, Seite 158—161.
3) Ibidem, Seite 148—150.
4) Der Name scheint halb persisch {mihira „Sonne"), halb türkisch (kula
= qiili „Diener") zu sein. Im Sanskrit würde etwa Süryadäsa entsprechen.
5) Siehe Kielhorn's List of inseriptions of Northern India, Nr. 4.
6) Siehe Fleet, 1. c, Seite 200—208. 7) Fleet, 1. c, Seite 208—210.
8) Siehe Archaeological Survey of India: Annual Keport, 1903—1904, Seite 109, Nr. 18, und Tafel XLI, 15.
Bloch, Üher einige bildliche Darstellungen, altind. Gottheiten. 651
der alten Trünimerstatten Nord-Indiens sieh eben erst in ihren
Anfängen befindet, so kann es uns kaum Wunder nebmen, daß der
Gändhära-Künstler, als er vor die Aufgabe gestellt war, Vishnu ab¬
zubilden, dafür das Bild des Ebers wählte, unter dem Vishnu da¬
mals in Nord-Indien wahrscheinlich ziemlich häufig verehrt wurde. 5
Dieses Bild war sicher nicht das einzige Tierbild, das man damals
in Indien zur Darstellung eines göttlichen Wesens verwendete. Es
hat vielmehr nach dem, was wir bis jetzt wissen, den Anschein,
als ob die Inder von der symbolischen Darstellung
göttlicher Wesen erst verhältnismäßig spät zu ihrer 10
Vermenschlichung übergegangen sind, zu einerZeit,
als die Griechen ihre Lehrmeister in der Kunst ge¬
worden waren.
Vollständig frei sind die Inder von jener primitiven Symbolik
bis auf den heutigen Tag nieht geblieben. Ich denke dabei keines- 15
wegs nur an jene formlosen Steine und Erdhaufen, wie man sie in
jedem indischen Dorfe antrifft, bei denen oft nur ein paar Striche
roter oder weißer Farbe uns erkennen lassen, daß kindlich-naiver
Volksglaube in solchen Ungestalten ein numen divinum verehrt.
Jene rohesten Formen göttlicher Symbolik schwebten offenbar jenem «o
alten Gesetzgeber vor als er das Gebot ausgab, „(die Füße) gegen
eine Gottheit nicht auszustrecken" '). Die symbolische Form erhält sicb für viele indische Gottheiten gerade an ihren heiligsten Kult¬
stätten, obgleich die bildende Kunst seit Jahrhunderten ihre mensch¬
liche oder menschenähnliche Gestalt wiederzugeben wußte und ss
wiedergegeben hat. So wird Vishnu in seinem berühmten Tempel
zu Gaya unter dem Symbol des Fußabdrucks verehrt, den er dort
zurückgelassen hatte, als er herabgekommen war, um die Mensch¬
heit von den Plagen des Asura Gaya zu befreien. Es ist eine
natürliche Vertiefung im Felsen — der Tempel ist auf felsigem 30
Grunde erbaut, -— in der man selbst bei besserer Beleuchtung, als
sie jetzt im Inneren des Heiligtums herrscht, nur mit Zuhilfenahme
eines guten Maßes von Einbildungskraft den Abdruck eines Fußes
erkennen kann, ganz abgesehen von dem Umfang, der uns bei einem
Gotte wie Vishnu schließlich doch nicht verwundern dürfte. Die 3.=;
Verkörperungen Vishnu's als Jagannätha, und die seines Bruders
J) Äpostamba, Dh. S. I, 11, 30, 23: agnim apo brähmauain gä devatä .<aktivi$atje nuhhiprasäraylta. Gemeint shul jono Erdiiaufen, wie man sio im Dorfe oder am Wege unter einem Daume heutzutage zu Tausenden sehen kann. Ein roter oder weißer Lappen am oberen Endo einer liarabusstange dient oft als patäkä und kennzeichnet den Aufwurf als eine devatä, wie solche primitivo Altäre noch heutzutage .tllgenioin genannt werden. Natürlich konnte es leicht vorkommen, daß oin Wanderer, wenn cr sich Mitt.ngs im Schatten eines Baumes ausrulito, dabei jener devatä mit seinen Eüßen zu nahe knra. Ich habe in gleicher Lage hin und wieder wohl ein Mal mich auf solche Erdhaufen ge¬
setzt, aus Unwis.senheit und weil mir jeno feinere Witterung ihrer wahren Be¬
deutung abging, bis dann ein zarter Wink meiner liegleitcr mich eines Hesseren belehrte.
4 7
652 Bloch, über einige bildliche Darstellungen altind. Gottheiten.
Balaräma und seiner Schwester Subhadrä^), wie sie alljährlich ein
Mal zu Anfang der Regenzeit das Wagenfest in Puri in Orissa selbst
solchen Augen zeigt, denen das Innere des Tempels für immer ver¬
schlossen bleibt, sind plumpe Holzklötze, bei denen ein paar Pinsel- 6 striche menschliche Gesichtszüge mehr andeuten, als zur Darstellung
bringen. Es gibt in den ältesten Inschriften, die sich auf die
Gründung des Tempels in Puri beziehen, wie mir scheint, noch eine
Andeutung davon, wie jene unförmlichen Hölzer dazu kamen, als
Götterbilder verehrt zu werden. Es wird nämlich in den darauf
10 bezüglichen Stellen der Inschriften besonders hervorgehoben, daß
Vishnu mit Lakshmi im Meere gewohnt hätte, ehe Anantavarman-
Codaganga ihm einen Tempel gebaut hätte ^). Also wußte man
damals offenbar noch etwas von dem wahren Ursprung jener Götter¬
bilder, und die dichterische Ausschmückung dieses Wissens läßt
15 vermuten, daß die Bilder, oder etwas ihnen Ahnliches, einmal vom
Meere dort ans Land gespült waren, wo jetzt der heilige Tempel
Jagannätha's steht, der, wie ich wohl kaum zu erwähnen brauche,
dem Meere so nahe steht, daß man bis vor seinen Mauern das
Rauschen der See hören kann. Drinnen im Tempel, so glauben die
«0 Leute, ist alles ruhig, denn der Gott kann das einförmige Geräusch der Brandung nicht vertragen und wünscht nicht gestört zu werden
Es sind vielleicht Fischer gewesen, die jene unförmigen Bilder
fanden, als das Meer sie an der Stelle des heutigen Puri ans Land
gespült hatte. Es ist nur zu leicht begreiflich, daß jene einfachen
25 Leute darin ein Wunder sahen und des göttlichen Ursprungs jener
Holzklötze gewiß wurden. Das Einzige , was uns in solchen und
ähnlichen Fällen verborgen bleibt und wohl meist immer verborgen
bleiben wird, ist das: woher kommt es, daß mit einem Mal solche
zufällig entstandenen göttlichen Symbole , — fast möchte man sie
so „Augenblicksgottheiten' nennen, wenn der Ausdruck nicht schon
in anderem Sinne geprägt wäre — woher kommt es, daß solche
Symbole so populär werden , daß der Inder es als das Hauptziel
seines Lebens betrachtet, die oft tausende von Meilen weite Pilger¬
fahrt zu unternehmen, um jene Verkörperungen der Gottheit zu
35 sehen und anzubeten? Aber solche Unterströmungen des indischen
Geisteslebens, die derartige Wandlungen und Neigungen hervorrufen, bleiben selbst heutzutage dem eifrigen Beobachter zumeist ein Rätsel, geschweige denn, daß der Histoiker dazu imstande wäre, den Schleier zu lüften.
40 Das bekannteste Symbol, unter dem seit alters und heutzutage
1) Gerau ger.ommeu , entspricht diese Dreiheit natürlich zunächst Räina, Lakshmana und Sltä, oder besser noch Krshiia, Balaräma und SubhadrS.
2) Siehe Journ As. Soc. of Bengal, 1898, Vol. LXVII, Part I, pp. 328—331.
3) Trotzdem ergeht es ihm so , wie Neapel in dem Rückert'schen Verse :
„Napolis, von zweien Meeren Stets umgibt dich Wogenbrand : Drinnen eins von Menschenheeren, Draußen eins am bunten Strand.'
♦ 7
Bloch, Über einige bildliche Darstellungen altind. Gottheiten. 653
noch ein indischer Gott verehrt wird, ist natürlich das Bild Öiva's,
das liiiga oder der Phallus. Ich brauche kaum darauf näher ein¬
zugehen, und möchte nur bemerken, daß man dieses Symbol viel¬
fach dadurch anthropomorphisiert hat, daß man oben einen, vier,
oder auch fünf menschliche Köpfe anbrachte, ähnlich wie es die s
Griechen mit ihren Hernien taten. Solchen lihgas mit Köpfen hat
man dann Namen wie ekamukha, caturmukha, pancamukka bei¬
gelegt, die bis auf den heutigen Tag gang und gäbe geblieben sind.
Man findet heutzutage solche caumukha Mahädevas , vierköpfige
Lingas" in großer Anzahl, und der Name „Mahädeva" , mit dem lo
man jetzt in Nord-Indien jedes phallische Symbol bezeichnet, zeigt,
wie eng das Symbol mit der von ihm dargestellten Gottheit ver¬
schmolzen ist.
Um von der Gegenwart in die älteste, in der indischen Kunst
erreichbare Vergangenheit zurückzukehren, so sei hier auf das pracht- 15 volle Kapitäl einer Asoka-Säule verwiesen, welches die Ausgrabungen
in Sarnath bei Benares zu Tage gebracht haben i). Unter den vier
Löwen, die ein dharmacakra trugen, befinden sich, jedes von dem
andern durch ein Rad getrennt , die Bilder eines Löwen , eines
Elefanten, eines Stiers und eines Pferdes. Ich denke, die Symbolik 20
dieser Tierbilder springt ohne weiteres in die Augen, abgesehen
von dem Löwen , bei dem man zweifeln kann , ob darunter Durgä
oder PärvatI zu verstehen ist, deren vähana der Löwe ja bekannt¬
lich in der späteren Kunst ist. Daß wir in dem Elefanten ein
Symbol Indra's , in dem Höcker-Stier {humped bult) ein Symbol «5
Siva's ^), und in dem Pferde ein Symbol Sürya's erkennen müssen,
daran kann, so glaube ich, nur eine Hyperkritik zweifeln, die von
vornherein darauf verzichtet, solche alte Tierbilder überhaupt zu
erklären, und mit dem schönen Namen „Tierornamente" oder einem
ähnlichen Wort sich begnügt, als ob die Inder solchen angeblichen so
, Ornamenten" nicht von jeher eine symbolische Bedeutung unter¬
gelegt hätten und noch immer unterzulegen nur allzu schnell bei
der Hand sind. Das Kapitäl von Sarnath stellt vielmehr einen
Gedanken dar, den die buddhistische Kunst auch späterhin gern
zum Ausdruck brachte, nämlich die indischen Götter als 35
Diener Buddha's und seiner Lehre, des Dharma'^).
1) Siehe Archaeological Survey of India, Annual Report, 1904—1906, Seite 69 und Plate XX.
2) Für die Verehrung Siva's unter dem Bilde eines Stieres ist die Sage von dem fleischfressenden Stier in Girivraja (Kajgir) von Wichtigkeit, den Brhadratha getötet haben soll; siehe Mahäbhärata, SabhRparvan , 21, 16. Daß damit auf Menschenopfer angespielt wird, die Jarfisandha dem Rudra darzubringen pflegte und die Krshna ihm zum Vorwurf machte (weiter unten 22, 11: mänufair devam yastum icchasi ^aükararn), scheint mir ohne weiteres klar zu sein.
Also begegnen wir auch hier der Verehrung Siva's unter dem Bilde eines Stieres.
3) Das Indian Museum in Calcutta besitzt ein kleines Relief aus dem Ende der buddhistischen Zeit in Indien, auf dem das ganze indische Pantheon in zwei Reihen zu Füßen Buddhas einherzieht, ihm seine Ehrerbietung erweisend.
654 . Bloch, Vier einige bildliche, Darstellungen altind. Gottheiten.
Dieser Gedanke berührt sich sehr eng mit dem oben besprochenen
Motiv der vier Lokapälas als Gefolgschaft Buddha's, und man könnte
beinahe sagen, daß das Kapitäl von Sarnath die älteste, künstle¬
rische Wiedergabe dieses Motivs der welterobernden Macht der
5 Lehre Buddha's darstellt.
Für die älteste Form der Darstellung indischer Gottheiten sind
natürlich auch die Münzen von großer Bedeutung. Es verdient
daher hier erwähnt zu werden, daß in dem vor einigen Jahren von
Warwick Wroth bearbeiteten, ausgezeichneten Katalog der Arsaciden-
10 Münzen des British Museum die Figur des Höckerochsen sich auf
der Rückseite einiger Münzen Phraates IV., Mithradates IV., und
wohl auch Volageses V. findet '). Daß diese Münzen in den Indien
benachbarten Teilen des Arsaciden-Reiches geprägt waren, ist zum
mindesten eine sehr nahe liegende Vermutung. Man bedenke z. B.,
15 daß die ältesten muhammedanischen Fürsten Indiens nicht nur den
damals im Nord-Westen Indiens im Umlauf befindlichen, sogenannten
,Bull and Horseman Type' ziemlich allgemein für ihre Münzen
adoptierten, sondern daß sie sich sogar gelegentlich dazu verstanden,
das niuhammedanische Glaubensbekenntnis auf ihren Münzen in die
20 Sprache des Landes , das Hindi , zu übersetzen , letzteres vielleicht
nicht ohne missionarische Nebengedanken^). Gleicherweise war das
Bild des Höckerochsen auf jenen Arsaciden-Münzen offenbar das
damals in Indien beliebte Symbol des Gottes Siva , und Münzen
mit diesem Symbol fanden sicher in den indischen Bazaren umso
-25 leichteren Eingang, als man von jeher in Indien geprägtes Metall
1) Siehe Warwick Wroth, Catalogue of the Coins of Parthia, London 1903, Seite 118 und Plate XXI, IG; Seite 220 und Plate XXXIII, 14; Plate XXXVI, 5, und endlich die MUnze eines ^uncertain king', Seite 253 und Plate XXXVIII, 8.
2) Interessant ist die Art und Weise, wie damals auf jenen MUnzen die Kalimah ins Indische übertragen wurde. Die Übersetzung lautet; Avgaktani eka Mnhommada nratära, ,das Undefinierbare (sc. Gott) ist ein Einziges, Muhammad ist (seine) Inkarnation'. Die Umschreibung der Worte: Lä iläha Ulä-lläh befremdet vielleicht nicht so sehr, denn der muhammedanischen Gottes¬
idee entsprachen damals in Indien nur solche philosophische Begriffe, wie (ivyakta „undefinierbar' und ähnliche. Sehr interessant ist dagegen die Wieder¬
gabe des arabischen Wortes für „Gesandter', „Prophet' (rasül) mit avatära
„Inkarnation'. Also, die Vorstellung des Mensch gewordenen indischen Gottes, wie Vishnu, war nach dem Urteil des Ubersetzers die am nächsten verwandte Idee. Freilich hatten jene zentralasiatischen Kroberer Indiens das bekannte Wort
Huhammed's: „ich bin nur ein Mensch, wie ihr" L-«ji )
wohl schon gründlich vergessen, und es kann uns daher nicht Wunder nehmen,
wenn Muhammed, und dann sehr bald auch der Heilige, der Pir, bei den
indischen Muhammedanern direkt mit Gott identifiziert wird. In einer im so¬
genannten „Musulmän-Bengäli" geschriebenen, poetischen Lebensgeschichte des berühmten muhammedanischen Heiligen Shäh Jaläl von Sylhet im östlichen Bengalen habe ich den Heiligen sehr oft als P'ir Khudä bezeichnet gefunden, wobei sicher die beiden Worte 2>ir „Heiliger' und khudä „Gott' als synonyme Appellativa Shäh Jaläl s gebraucht sind.
Bloch, Über einige bildliche Darstellungen altind. Gottheiten. 655
gern als Amulette zu verwenden pflegte, wie dies z. B. aus der
doppelten Bedeutung des alten Sanskrit-Worts nishka „Schmuck"
und , Münze" zu ersehen ist.
Zuerst auf den Münzen Kanishka's tritt vor den Stier das
Bild desjenigen Gottes, den er symbolisch verkörpert hatte, das Bild 5
diva's selbst. Daß wir in ihm den indischen Dionysos erblicken
dürfen, dazu berechtigt uns nicht nur die bekannte Stelle des
Megasthenes, wonach die Bewohner der Berge den Dionysos, die
der Ebene den Herakles verehrten ^), denn Siva ist recht eigentlich
eine Gebirgsgottheit, und der angeblich höchste Gipfel des Himalaya lo
trägt nicht mit Unrecht den Namen: Gaurisankar. Man kann auch
auf sein langes, in Flechten gelegtes Haar und sein Tigerfell ver¬
weisen, das auffallend an das Pantherfell des Dionysos erinnert. Es
wird uns unter diesem Gesichtspunkt auch klar, warum die Nändl,
das Eingangsgebet des indischen Dramas, gerade an Siva gerichtet 15
ist. Das indische Drama, wie die griechische Tragödie, spielt ja
am Frühlingsfest, und die alten Bocksgesänge, aus denen in Griechen¬
land der Chor der Tragödie erwuchs, mögen sicher manche Ähn¬
lichkeit mit jenen orgastischen Aufführungen zu Ehren diva's ge¬
habt haben , von denen vielleicht schon der Veda berichtet , und 20
von deren Beschaffenheit uns der ausgelassene Mummenschanz der
Hollfeier, des modernen indischen Frühlingsfestes , ein vielleicht nicht allzusehr entstelltes Abbild erhalten hat^). Bei dem Herakles-
Krishna wird man etwa an die Keule denken dürfen, die Vishnu-
Krishna vielleicht von ihm erhalten, sicher mit ihm gemein hat. 25
Von Wichtigkeit scheint mir bei solchen, alten Vergleichen und
Benennungen besonders das zu sein, daß man damals die Ähnlich¬
keit etwa eines Siva mit Dionysos lebhaft empfand, und die Inder
selbst waren wohl nicht weniger, als die Griechen, darin geschickt,
dergleichen Ähnlichkeiten und Beziehungen herauszufinden. So war so
die Bahn für Übertragungen und Entlehnungen von vornherein zu¬
recht gemacht.
Auch das Bild Buddha's erscheint bekanntlich auf den Münzen
Kanishka's. Daß damit das Datum für die Entstehung des Buddha-
1) Siehe Jacobi, das Rämiyana, Seite 62, Note.
2) Das Datum der Holl ist der Vollmond von Phälguna , ein schon für den Veda als Frühlings- und Jahresanfang belegter Termin.
3) Es ist mir natürlich nicht unbeltannt, daß heutzutage in Indien Krishna der Gott des Holl- oder Frühlingsfestes ist. Das hindert aber, glaube ich, nicht daran, in der Art und Weise, wie jenes Fest begangen wird, ein Abbild einer Siteren Feier zu erblicken, in der Siva im Vordergrund gestanden haben mag.
Sicher besteht ein Zusammenhang zwischen der Hollfeier und dem indischen Drama, und daß es gerade Siva ist, dessen Schutz die Aufführung des indischen Dramas wohl so ziemlich allgemein unterstellt wurde, berechtigt mich vielleicht dazu, seinem Kult einen wichtigeren Einfluß auf die Entstehung des indischen Dramas zuzuschreiben, als es sonst scheinen könnte. Oder, mit andern Worten,
«s scheint, als ob in Indien von dem Kulte Siva's eine ähnliche Bewegung aus¬
gegangen ist, wie die, die in Griechenland vom Dionysoskult,aus zur Tragödie führte. An eine gegenseitige Beeinflussung denke ich dabei natürlich nicht.
4 7*
656 Bloch, über einige bildliche Darstellungen altind. Gottheiten.
bildes gegeben sei, will ich ebensowenig behaupten, als meine vorigen
Ausführungen besagen sollen, daß man vor Kanishka kein mensch¬
liches Abbild äiva's gekannt hätte. Wir können und wollen in
solchen Dingen doch nur die allgemeinen Grundlinien der Ent-
6 Wicklung erkennen, und brauchen und sollen nicht nach Jahres¬
zahlen haschen. Von Wichtigkeit ist für mich nur die Tatsache;
das Bnddhabild erscheint in Indien erst da, wo, und erst dann, als
griechischer Einfluß sich deutlich fühlbar machte. Auch die Bud¬
dhisten waren mit griechischen Götterbildern bekannt geworden,
10 als sie anfingen , Buddha im Bilde nicht nur darzustellen, sondern,
was noch wichtiger ist, zu verehren. Auch sie kannten ursprüng¬
lich keine Bilder als Gegenstände ihrer Verehrung, sondern Symbole,
und zwar zunächst Symbole nicht des Buddha selbst, sondern seiner
Lehre, des Dharma. Daß das sogenannte dharmacahra-%jm\)o\ der
15 Buddhisten, ,das Rad der Lehre', eine Herübernahme des Sonnen¬
rades ist, habe ich schon anderswo angedeutet. Der Siegeszug
des Dharma, der Lehre Buddha's, gleicht dem Lauf der Sonne,
, freudig, wie ein Held, zum Siegen". In diesem Zusammenhang
ist jene Stelle aus dem Milindapaüho von Interesse, die Windisch
so vor kurzem in seiner Abhandlung über Buddha's Geburt heran¬
gezogen hat. Sie besagt, daß Buddha ,nur im dhammakäya, im
Korpus der von ihm verkündeten Lehre existiere". Daher dürfe
man nur seine Reliquien verehren. Sicherlich sind mit jenen
Reliquien nicht nur solche särlraka-dhätu's gemeint, wie sie z. B.
S8 der Stüpa von Pipräwä vor etwa zwölf Jahren wieder ans Licht
gebracht hat. Zu dem dhammakäya dürfte der Verfasser des
Milindapanho zweifelsohne auch solche Symbole, wie das Rad, ge¬
rechnet haben, dessen weitverbreitete Verehrung in den letzten,
vorchristlichen Jahrhunderten durch die Reliefs von Sanchi und
80 Bharahat ja zur Genüge bekannt geworden ist. Wir werden also
auch im Buddhismus auf einen alten Symbolismus geführt, der erst
sehr spät der Bilder-Verehrung Platz machte , und zwar zu einer
Zeit, als die griechische Kunst auf ihre viel geringere indische
Schwester anregend und fördernd gewirkt hatte-).
S6 Ich hoffe, daß diese Ausführungen genügen werden, um wenig¬
stens in etwas den Gedanken zu begründen, auf den es mir dabei
zumeist ankommt : auch die indischen Götter können im Hinblick
auf ihre Vergangenheit von sich sagen: „olim tr uncus era^n, ficul-
nus, inutile lignum'^. Ihre Menschwerdung in der Kunst verdanken
40 sie den Griechen.
1) Abhandlungen der philologisch-historischen Klasse der Sächsischen Qo- sellschaft der Wissenschaften, Band XXVI, No. 11, Seite 199 und Anm. 2.
2) Welche Änderungen ein solcher Einfluß in der buddhistischen Legende hervorbringen konnte, sieht man z. B. daraus, daß in dem Relief von Bharahat der Engel Arahagutta den Tushitadevas die Absicht des Bodhisattva verkündet, als Buddha geboren zu werden, während in dem Relief des AmrävatT Stüpa (etwa 2. Jahrh. n. Chr.) der Bodhisattva selbst diese Mitteilung macht.
I> 1 *
657
Das Grab Abu'l-Fidä's in Hamä.
Von
Dr. G. 6raf von MttUnen.
Als ich im Frühjahr 1906 von Beirut aus eine Reise durch
das Orontestal antreten wollte, teilte mir Herr Generalkonsul Dr.
Schröder, der erfahrene Kenner Syriens, seine Vermutung mit, daß
in Hamä das Grab Abu'l-Fidä's, des als Geschichtschreiber und
Geographen bekannten Fürsten von Hamä aus dem Stamme der ä
Eyyübiden, noch erhalten sei. Seine Annahme beruhte auf eigener
Wahrnehmung gelegentlich eines früheren Besuches von Hamä und
der dortigen Schlangenmoschee, bei dem ihm jedoch die Zeit mangelte, eine genauere Untersuchung anzustellen.
Am 30. April traf ich in der an mittelalterlich-arabischen lo
Bauten und Inschriften so reichen Stadt Hamä ein , und in den
Nach mittagsstunden des 1. Mai begab ich mich zu der Schlangen -
moschee (Dschämi' el-^ayäyä; hayäyU, ist vulgärarabischer Plural von
hayye. Baedeker hat ungenau Dschämi' el-Haija); dieselbe liegt
zwischen zwei Straßen und den das Orontesufer schmückenden 16
Gärten. Man betritt das an drei Seiten durch Mauern umgebene
Grundstück durch ein Tor; vor sich hat man den gepflasterten
leeren Moscheehof, links den eigentlichen Betsaal, rechts ein kleineres
Gebäude und daneben ein Minaret (Abbild. 1, von der entgegen¬
gesetzten Seite aus aufgenommen). 20
Die Moschee entspricht nach Dimension und architektonischem
Schmucke den Mitteln eines kunstliehenden kleineren Fürsten in
der Provinz; sie ist ein kuppelbedeckter länglich rechteckiger Bau,
dessen Langseiten nordwärts auf den Moscheehof, südwärts auf die
Gärten sehen. Über der Pforte steht auf einem eingesetzten Steine 2s
folgende Inschrift in zwei Zeilen :
^jyj^\ ^^l>!| ^L»Jt yuJ! »ÄjLJt . . . . bl! »J^
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Erneuert hat diese gesegnete .... (fehlt) der hohe Standort (Titel
eines hohen Staatsarates, etwa unserem Wirklichen Geheimen Rat 30
entsprechend) el-Meleki en-Nüri (d. h. der ehemalige Sklave des