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Hoch konzentriertes Capsaicin gegen neuropathische Schmerzen

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Academic year: 2022

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Neuropathische Schmerzen werden durch eine Verletzung oder Erkran- kung somatosensorischer Nerven ver- ursacht (neurogene Schmerzen). Die Prävalenz liegt bei 7 bis 10 Prozent. Je nach Ort der Nervenschädigung unter- scheidet man eine zentrale oder peri- phere Genese. Häufige Ursachen neu- ropathischer Schmerzen sind eine dia- betische Neuropathie, postherpetische Neuralgien, HIV-assoziierte Neuro - pathie, Trigeminusneuralgie (peripher) oder neuropathische Schmerzen nach Operation, Trauma (Querschnittläh- mung), Schlaganfall, multipler Sklerose etc. (zentral). Die medikamentöse The- rapie von peripher generierten neuro- pathischen Schmerzen erfolgt mit Trizyklika, Kalziumkanalantagonisten oder SSNRI (selective serotonin-norad-

renalin reuptake inhibitors; 1. Wahl).

Auch Opiate (2. Wahl) oder Natrium- kanalantagonisten (3. Wahl) werden eingesetzt. Zur lokalen Therapie kann Capsaicin in niedriger Konzentration 3- bis 4-mal täglich als Creme oder Pflaster angewendet werden (1). Seit einigen Jahren sind auch Pflaster mit hoch konzentriertem Capsaicin (8%) er- hältlich. Diese Behandlung muss unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt wer- den und lässt sich nur alle 90 Tage wie- derholen. Eine vorgängige lokale Be- handlung mit einem Anästhetikum oder die Einnahme von oralen Anal - getika lindert das behandlungsbedingte heftige Brennen. Capsaicin ist ein Alka- loid aus der Familie der Nachtschatten- gewächse, Gattung Capsicum (Paprika- oder Chilischoten), und gehört zu den schärfsten Substanzen der Erde. Es ist ein hoch selektiver Agonist an den TRPV1-(«transient receptor potential vanilloid 1»-)Rezeptoren und löst durch Öffnung von Natrium- und Kalzium- kanälen Aktionspotenziale der nozizep- tiven Nerven aus, die für die Empfindung von Schärfe und Schmerzen verant - wortlich sind. Nach länger dauernder Exposition kommt es an den Rezepto- ren zu einer Art «Desensibilisierung»

und einer Unempfindlichkeit gegen- über Schmerzen. Dieser Effekt wird für die lokale Behandlung chronisch neu- ropathischer Schmerzen genutzt, in - dem Capsaicinpflaster direkt auf die schmerzhaften Stellen appliziert werden.

Review-Update

Bereits 2013 veröffentlichten Derry et al. einen Review über die Wirkung von topisch angewendetem Capsaicin bei der Behandlung von chronisch neuro-

pathischen Schmerzen bei Erwachse- nen. 2017 ist nun ein Update erschie- nen, welches auch Studien mit dem in- zwischen zugelassenen hoch dosierten Capsaicin einschliesst. Berücksichtigt wurden alle randomisierten, plazebo- kontrollierten Doppelblindstudien von mindestens sechs Wochen Dauer, welche die topische Anwendung von Capsaicin in einer Konzentration von 5 Prozent oder mehr untersuchten. Acht Studien mit insgesamt 2488 Patienten erfüllten diese Kriterien, 415 Patienten mehr als beim Review von 2013. Die Studien- teilnehmer litten an mittelgradigen bis schweren chronischen Schmerzen, wel- che auf die bisherige Therapie nicht oder nur in unbefriedigender Weise ansprachen. Ursachen der neuropathi- schen Schmerzen konnten eine post - herpetische oder eine HIV-(humanes Immundefizienzvirus-)Neuralgie, eine diabetische Neuropathie oder auch per- sistierende Schmerzen nach inguinaler Hernienoperation sein. Die Behand- lung mit den hoch dosierten Capsaicin- Patches dauerte zwischen 30 und 90 Minuten. Die Schmerzintensität wurde 8 und 12 Wochen nach Behand- lung mittels numerischer Rating- oder visueller Analogskalen gemessen.

Deutliche Effekte bei postherpeti- scher und HIV-Neuropathie Für die postherpetische Neuropathie (4 Studien, 1272 Patienten) berichteten 10 Prozent der Patienten über eine bes- sere (30%) oder sehr viel bessere (50%) Schmerzlinderung durch hoch konzen- triertes Capsaicin. Die NNT (number needed to treat) für einen zusätzlichen Therapieerfolg nach 8 Wochen lag bei 8,8 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 5,3–

26) beziehungsweise nach 12 Wochen bei 7,0 (95%-KI: 4,6–15). Für die HIV- Neuropathie (2 Studien, 801 Patienten) konnte keine der beiden Studien eine Schmerzreduktion um 50 Prozent nach- weisen, aber etwa 10 Prozent der Stu - dienteilnehmer gaben eine 30-prozen- tige Schmerzlinderung an, entsprechend einer NNT von 11. 10 Prozent der Pa- tienten mit peripherer diabetischer Neuropathie (1 Studie, 369 Teilnehmer) berichteten über eine Schmerzreduk- tion um 30 Prozent. Für persistierende Schmerzen nach Inguinalhernienopera- tionen konnte keine Schmerzver ände- rung von Capsaicin im Vergleich mit Plazebo festgestellt werden.

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ARS MEDICI 202017

STUDIE REFERIERT

Hoch konzentriertes Capsaicin gegen neuropathische Schmerzen

Cochrane-Review bescheinigt topischer Anwendung gute Wirksamkeit

Capsaicin, in einer Konzentration von 8 Prozent und lokal als Pflaster ange- wendet, kann bei der postherpetischen Neuropathie bei immerhin 10 Prozent der Patienten zu einer deutlichen Schmerzverbesserung und Steigerung der Lebensqualität führen.

Cochrane Library

Hoch konzentriertes Capsaicin (8%, Pflaster) muss von Fachpersonen appli- ziert werden, die Behandlung kann nur alle 90 Tage wiederholt werden.

Eine signifikante Schmerzverbesserung durch Capsaicin (8%) tritt bei zirka 10 Prozent der Patienten mit posther- petischer Neuropathie ein.

Capsaicin (8%) führt nur zu einer ge- ringfügigen Schmerzlinderung bei HIV- Neuropathie und zeigt keine Verbesse- rung der Symptome bei diabetischer Neuropathie.

Die Wirksamkeit von Capsaicin (8%) entspricht derjenigen anderer Thera- pien chronisch neuropathischer Schmerzen.

MERKSÄTZE

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Hoch konzentriertes Capsaicin, lokal angewendet, kann bei etwa 10 Prozent der Patienten mit postherpetischer Neuropathie zu einer deutlichen Schmerzlinderung führen. Die Zahl der Patienten, welche von einer solchen Be- handlung profitieren, ist zwar nicht gross, führte bei diesen aber zu einer zusätzlichen Verbesserung des Schlafs, von Depressionssymptomen und der Lebensqualität insgesamt. Für die diabe- tische und die HIV-Neuropathie konnte die Evidenz für eine relevante Schmerz- linderung nicht erbracht werden. Insge- samt unterscheidet sich die Wirksam- keit von hoch konzentriertem Capsaicin nicht von anderen Therapien chroni- scher neuropathischer Schmerzen.

Marianne I. Knecht

Quelle: Derry S et al.: Topical capsaicin (high concentra- tion) for chronic neuropatic pain in adults. Cochrane Database Syst Rev 2017; 1: CD007393.

Referenz:

1. Landmann G: Neuropathische Schmerzen. Ars Medici 2010; 23: 940–944.

ARS MEDICI 202017

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