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Die wiederholt verwendeten und den speziellen Zwecken der Länderbeschreibung dienenden Wörter lassen sich einem Fachwortschatz der Länderbeschrei¬ bung zuordnen

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(1)

zur Verwendung von Termini

Von Dieter Sturm, Halle/Saale

Die Länderbeschreibung im arabisch-islamischen Kulturbe¬

reich des Mittelalters zeichnet sich bekanntlich dadurch aus, daß

sie - im Sinne der „Geographie humaine", wie sie Andre

Miquel treffend bezeichnet hat' - die verschiedenen Lebensbe¬

reiche der Menschen einschließt, so die natürlichen Grundlagen

ihrer Existenz wie Klima, Wasserressourcen, Bodenbeschaffen¬

heit usw.. Formen und Merkmale ihres Zusammenlebens und

ihrer gegenseitigen Beziehungen wie Sprache, Recht, Sitten und

Gebräuche, Herrschaftsverhältnisse, wirtschaftliche Situation

und Religion und die Ergebnisse ihres Wirkens wie Handel, Ak-

ker- und Gartenbau, Handwerk und die Produkte dieser Berei¬

che. Entsprechend umfangreich ist der Wortschatz der betref¬

fenden Werke. Vor allem bei den Autoren, die ihre Werke mit

einem bewußten Ansatz zur Länderbeschreibung verfaßten, kann

man davon ausgehen, daß sie ihre Wortwahl in dem Streben

nach Klarheit des Ausdrucks trafen. Die wiederholt verwendeten

und den speziellen Zwecken der Länderbeschreibung dienenden

Wörter lassen sich einem Fachwortschatz der Länderbeschrei¬

bung zuordnen. Dabei war entweder der Inhalt bzw. die Bedeu¬

tung dieser Wörter für die genannten Zwecke besonders geeig¬

net, oder der Inhalt von Wörtern der Gemeinsprache wurde

unter dem Aspekt der Länderbeschreibung im Zuge des Ge¬

brauchs spezifiziert. Solche Wörter, die man als Fachwörter der

Länderbeschreibung werten kann, stammen zum Teil aus ande¬

ren Bereichen, auf die sich die Länderbeschreibung entspre¬

chend der eingangs angedeuteten umfangreichen Palette bezog,

so der Administration und Kommunikation, was nicht verwun¬

dert, da die Werke der Länderbeschreibung in vielen Fällen den

' Miquel, Andre: La geographie humaine du monde musulman Jusqu'au milieu

du 11^ siecle. Bd. 1-3, Paris, La Haye 1967-1981.

(2)

Anliegen der Verwaltung dienen sollten. Das trifft etwa zu auf

Bezeichnungen der Landeseinteilung, wenngleich diese nicht

ausschließlich im rein administrativen Sinne gebraucht wurden,

wie:

küra, tassüg, rustäq, gund, mihläf, tagr,

oder es sind Bezeichnungen für Distanzen wie

farsah, mil, marhala, barid,

oder Beziehungen für Steuern wie

haräg und gizya.

Manche Fachwörter wurden aus der mathematisch-astronomi¬

schen Geographie übernommen, auf deren Erkenntnisse sich Au¬

toren beschreibender Werke gern beziehen, sei es in dem Streben

nach Vollständigkeit, sei es, um die eigenen Kenntnisse unter

Beweis zu stellen. Beispiele hierfür sind etwa

iqlim (im Sinne von „bewohnter Landstreifen parallel zum

Äquator"), hatt al-ustuwä\ 'ard, tül, al-qutb as-simäli, al-qutb

al-ganübi, ar-rub'' al-ma'mür oder al-ma'mür („das bewohn¬

te/bewohnbare Viertel der Erdoberfläche, das bewohnbare

Gebiet"), sürat al-ard oder süra („geographische Karte").

Beispiele für Wörter der Gemeinsprache, die durch den Kontext

der Länderbeschreibung spezifiziert wurden, sind u.a.:

masälik „Wege", „Landverbindungen", vor allem in der

Wendung masälik wa-mamälik, welches bereits für „(Be¬

schreibung der) Wege und Reiche", „Länderbeschreibung"

stand,

fadäHl „Vorzüge eines Gebietes, Landes",

hasäHs „Besonderheiten eines Gebietes, Landes",

hawä'' „Wetterverhältnisse eines Gebietes",

kaläm oder lugät „Sprache in einem Gebiet", „sprachliche

Verhältnisse",

ahi (meist in Verbindung mit einem Ortsnamen) „Bewoh¬

ner",

ahläq „Verhaltensweisen", „Sitten", tigärät „Handel", „Handelswaren",

sinä'ät „Handwerk", „Handwerkszweige", „Handwerkser¬

zeugnisse"

(3)

Diese Beispiele zeigen zugleich, daß die Grenzen zwischen

Fachwort und Wort der Gemeinsprache vielfach fließend sind.

Zur Eingrenzung des Fachwortschatzes der beschreibenden Geo¬

graphie sind weitere Untersuchungen erforderlich.

In welchem Maße waren sich nun die Autoren von Werken der

beschreibenden Geographie der Notwendigkeit zur Schaffung ei¬

ner - wie wir heute sagen würden - Terminologie bewußt, und

bis zu welchem Punkte gelangten sie bei der Reahsierung einer

solchen Aufgabe?

Um einem Wort den Charakter eines Terminus zuzuerkennen,

müßte - auch für das Mittelalter - zumindest die Bedingung der

Definition gestellt werdend Diese dürfte sich nicht in einer allge¬

meinen Erläuterung des Inhalts des betreffenden Lexems nach

Art der lexikographischen Werke erschöpfen, sondern müßte die

spezifische Beziehung zur beschreibenden Geographie deutlich

machen. Bezogen auf einen Text oder ein Buch sollte eine solche

Definition vor Beginn der eigentlichen Länderbeschreibung gege¬

ben werden, um den Leser von vornherein über den beabsichtig¬

ten Inhalt in Kenntnis zu setzen. Erläuterungen, die später im

Zuge der Länderbeschreibung gegeben werden, erfüllen diese Be¬

dingungen nicht-*. Verbunden hiermit ist die Frage nach den Me¬

thoden, die die Autoren anwenden, um ein Wort zu definieren.

^ Vgl. vor allem Superanskaja, A.V., Podol'skaja, N.V., Vasil'eva, N.V.:

Obscaja terminologija. Voprosy teorii. Moskau 1989, passim; Pabst, Klaus-Eber¬

hard: Methoden und Quellen zur Untersuchung historischer Fachsprachen im Ara¬

bischen. In: Hallesche Beiträge zur Orientwissenschaft, Heft 13/14, Halle 1990, S. 95-105; ders.: Syntaktische Mittel und Möglichkeiten bei der Bildung arabischer Mehrworttermini. In: Problemy jezyköw azii i afryki. Materialy II Mi^dzynarodo-

wego Sympozjum Warszawa - Kraköw 10-15 listopada 1980. Warschau 1987,

S. 329-334; ferner: Schippan, Thea: Einföhrung in die Semasiologie, Leipzig 1972, S. 104-107; dies.: Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig 1984, S. 243-252: Hoffmann, Lothar: Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einfüh¬

rung. 2. Überarb. Aufl., Berlin 1984, passim.

' Abü '1-Fidä' etwa erklärt S.72, was er unter iqlim haqiqi und iqlim 'urfi verstanden wissen will, nachdem bereits zuvor iqlim im Sinne der mathematisch¬

astronomischen Geographie, also als bewohnter Landstreifen parallel zum Äqua¬

tor, im Text verwendet worden ist: Wa-l-muräd bi-l-iqlim al-haqiqi ahad al-aqälim as-sab'a al-muqaddam dikruhä wa-l-'urfi kullu nähiya au mamlaka tastamd 'alä 'idda katira min al-amäkin wa-l-bdäd mitl as-Säm wa-l-'Iräq wa-gairihimä , (Abü 'l-Fidä', Ismä'il ibn 'Ali al-Aiyübi: Kitäb Taqwim al-buldän') Reinaud, M., de Slane, M.G.: Geographie d'Aboulfeda. Texte arabe publie d'apres les manuscrits de Paris et Leyde par M. Reinaud et Mac Guckin de Slane. Paris 1840.

(4)

Es ist auch zu fordern, daß von einem konkreten Sachverhalt abstrahiert wird.

Einen frühen, vielleicht sogar den frühesten Versuch, in der

Länderbeschreibung verwendete Wörter zu definieren, finden wir

im Kitäb Sürat al-ard von Muhammad ibn Müsä al-Hwärizmi".

Eine der vier graphischen Darstellungen in der Straßburger

Handschrift Ms 4247, auf deren Grundlage Hans v. Mzik seine

Edition veranstaltete, die auch die graphischen Darstellungen

enthält, ist bekanntlich keine geographische Karte, sondern die

Zeichnung imaginärer, in ihrer Gestalt aber beabsichtigter Kü¬

stenlinien. An bestimmten Küstenformen sind die Bezeichnungen

eingetragen, die diesen Formen zugeordnet werden sollend Die

Definition erfolgt hier also nicht auf verbalem, sondern auf gra¬

phischem Wege. Der Bezug zur Länderbeschreibung wird durch

die spezifische Form, die die Gestalt einer geographischen Karte

hat, hergestellt. Mit einer Ausnahme erscheinen die Bezeichnun¬

gen an mehreren Stellen, es sind

tasnim (einmal), qawära (sechsmal), säbüra (dreimal) und

tailasän (viermal)''.

Es ist vermutlich kein Zufall, daß dieselbe Bezeichnung an

mehreren Stellen der Küstenlinie eingetragen ist, deren Gestalt

zwar ähnlich, aber nicht völlig gleich ist Besonders deutlich wird

das bei qawära, das für halbkreisförmige, ovale und deltaförmige

* Mzik, Hans von: Das KUäb Sürat al-ard des Abü öa'far Muhammad ibn

Müsä al-Hwärizmi. Herausgegeben nach dem handschriftlichen Unikum der Biblio¬

theque de l'universite et regionale in Straßburg, Cod. 4247. Leipzig 1926.

* Im Rahmen der Untersuchungen zu diesem Werk und den darin enthaltenen Karten ist auch den im Text und in den Karten verwendeten geographischen

Bezeichnungen wiederholt Aufmerksamkeit zugewandt worden, so Mzik, Hans

von : Afrika nach der arabischen Bearbeitung der Geographike hyphegesis des Clau¬

dius Ptolemaeus von Muhammad ibn Müsä al-Hwärizmi. In: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien. Philosophisch-historische Klasse. Denkschriften.

59. Band, 4. Abhandlung. Wien 1916, er spricht S.XI Anm. I von Termini; Nalli¬

no, Carlo Alfonso: Al-Huwärizmie dsuo rifacimento della geografia di Tolomeo.

Memoria della Reale Accademia dei Lincei, series V, II, I. Rom 1893, der S. 16 von nomenclatura spricht.

' Zur Bedeutung s. Nallino, a.a.O. S. 16, v. Mzik, Afrika, S.XI Anm.l, ders., Sürat al-ard., S. 162 (Erläuterungen zu Tafel II); Mez, Adam: Abulkäsim, ein Bagdäder Siltenbdd von Muhammad ibn ahmad abulmutahhar alazdi. Heidelberg 1902, S. LXIV-LXV.

(5)

Landzunge steht. Es wird also von der konkreten Erscheinung abstrahiert.

Auch in einem der Manuskripte des Taqwim al-buldän von Abü

M-Fidä' findet sich eine - offensichtlich noch stärker als in der

Handschrift des Kitäb Sürat al-ard von al-Hwärizmi abstrahierte

- Skizze von Küstenlinien, die Reinaud in seiner Edition wieder¬

gibt'. Auch hier sind die Bezeichnungen eingetragen, die den je¬

weiligen Küstenformen zugeordnet werden sollen, einige eben¬

falls mehrfach. Es sind z.T. dieselben wie im Kitäb Sürat al-ard.

Wir haben hier ganz ohne Zweifel Belege dafür vorliegen, daß

sich die Autoren der Notwendigkeit bewußt waren, Fachwörter

näher, möglichst sogar eindeutig zu definieren. Wir könnten heu¬

te sagen, es liegt der Versuch vor, Termini zu schaffen. Es sind

jedoch einige Bedenken geltend zu machen, die indessen den

Tatbestand als solchen nicht berühren: Die Handschrift des Kitäb

Sürat al-ard. stammt vom Jahre 1037. Bereits Hans v. Mzik ging

davon aus, daß die Karten nicht aus der Zeit Muhammad ibn

Müsä al-Hwärizmi's stammen, sondern einer späteren Periode an¬

gehörend In diesem Falle käme das Verdienst, den Versuch einer

näheren Definition geographischer Termini für die Länderbe¬

schreibung unternommen zu haben, einem anderen zu, und der

Versuch wäre später zu datieren. Gesetzt den Fall jedoch, al-

Hwärizmi selbst wäre der Urheber einer entsprechenden Zeich¬

nung, könnte eingewandt werden, daß er eher der mathematisch-

astronomischen als der beschreibenden Geographie zugehört.

Von der Sache her sind aber die Karten, die Zeichnung der Kü¬

stenformen und die diesen zugeordneten Bezeichnungen ebenso¬

gut Teil der beschreibenden Geographie, was nicht zuletzt durch

die entsprechende Skizze im Kitäb Taqwim al-buldän des Abü

^1-Fidä^ unterstrichen wird. Schwerer wiegt dagegen die Frage, ob

man für das 9. bzw. 14. Jahrhundert eine zeichnerische Darstel¬

lung als Methode für die Definition als ausreichend anerkennen

kann. Ein weiterer Vorbehalt ergibt sich beim Kitäb Sürat al-ard

daraus, daß die „Definition" durch die graphische Darstellung

nicht am Beginn des Buches steht, sondern erst nach fol. 21, und

' Abü '1-Fidä', K. Taqwim al-buldän, S. 19 (unter Bezug auf Ms Bibliotheque royale, Paris, Nr. 579).

* V. Mzik, Afrika, S.V.: „Nur das läßt sich sagen, daß die Karten den Typus einer späteren Zeit als des 9. Jahrhunderts n.Ch. tragen und speziell die Karte des Nillaufes in Ägypten ... die Topographie einer späteren Zeit wiedergibt."

(6)

nicht zufälhg, vielmehr wird die Anweisung zur Einordnung an

dieser Stelle ausdrücklich gegeben'. Auch im Taqwim al-buldän

in der Edition Reinauds erscheint die Skizze erst auf Seite 19,

immerhin jedoch vor Beginn der Behandlung des Randozeans,

und da zuvor Probleme des Küstenverlaufs nicht berührt wurden,

könnte man dies gelten lassen.

Das deutliche Bewußtsein der Notwendigkeit einer klaren Aus¬

drucksweise in der Länderbeschreibung läßt al-Muqaddasi in sei¬

nem Buch Ahsan at-taqäsimß ma'rifat al-aqälim erkennen'". Die

Terminologie bei diesem Autor hat bereits A. Schölten in ihrer

Arbeit „Länderbeschreibung und Länderkunde im islamischen

Kulturraum des 10. Jahrhunderts" behandelt". Das Wichtige ist

hier gesagt, und es ist ihr voll zuzustimmen, wenn sie feststellt:

„Wie kein anderer Geograph vor ihm bemüht sich Muqad¬

dasi ... um terminologische Klarheit auf allen Ebenen. Dazu

gehören sowohl allgemein-sprachliche Begriffe, die er in ei¬

ner bestimmten Weise verstanden haben will, als auch Erläu¬

terungen zu Begriffen und Termini, an deren einmal festge¬

legter Definition und Interpretation er beständig festhält. Wie

die Methode der Quellentrennung tragen auch diese termino¬

logischen Abgrenzungen dazu bei, eindeutige Aussagen zu

treffen."'^

Zu ergänzen wäre lediglich folgendes: Es ist bemerkenswert,

daß al-Muqaddasi als erstes Ausdrücke definiert und damit in

den Rang von Termini erhebt, die qualitative Abstufungen be¬

zeichnen, und zwar

lä nazira lahü : Etwas ist allem Vergleichbaren, auch über die

eigene Gattung hinaus, überlegen.

gäya: bezeichnet den höchsten Grad der Qualität innerhalb

der Gattung,

' V. Mzik, Sürat al-ard, S. 82 Anm. 6.

'° (al-Muqaddasi, §ams ad-Din Abü 'Abd Alläh Muhammad ibn Ahmad:

Ahsan at-taqäsim ß ma'rifat al-aqälim) de Goeje, M.J. : Descriptio imperii mos¬

lemici auctore Shams ad-din Abü Abdallah Mohammed ibn Ahmed ibn abi Bekr

al-Bannä al-Basshäri al-Moqaddasi edidit M.J. de Goeje. Editio secunda. Leiden 1906. (Bibliotheca Geographorum Arabicorum. Bd.3).

" Schölten, Arnhild: Länderbeschreibung und Länderkunde im islamischen Kulturraum des 10. Jahrhunderts. Paderborn 1976, S.86-91, 105-106.

" Ebenda, S.91.

(7)

gaiyid : sagt aus, daß es innerhalb der eigenen Gattung Bes¬

seres gibt'^.

Er deckt damit ein Erfordernis ab, das sich speziell aus der

Länderbeschreibung im eingangs genannten umfassenden Sinne

ergibt, da hier häufig Wertungen zu treffen sind. Auch diese Ter¬

mini sind damit nicht nur allgemein-sprachlicher Art, wie

A. Schölten sagt, sondern durchaus auf die spezifischen Belange

der Länderbeschreibung bezogen. Al-Muqaddasi leitet den Ab¬

schnitt, in dem er sich zum erstenmal der Problematik der Termi¬

nologie zuwendet - er geht dann an weiteren Stellen darauf ein -

mit den Worten ein:

"Wa-ß kitäbinä hädä ^htisär lafz yadullu 'alä ma'änin''^'^

und hat damit das Wesentliche eines Terminus sehr richtig erfaßt.

Interessant sind die Methoden, die al-Muqaddasi in dem Be¬

streben anwendet, Eindeutigkeit des Ausdrucks zu erreichen. Da¬

zu gehört die verbale Definition wie in den zuvor genannten Bei¬

spielen lä nazira lahü, gäya und gsiyid und bei den Termini

al-masriq - as-sarq, al-magrib - al-garb :

al-masriq: bezeichnet das Gebiet der Samaniden,

as-sarq : bezeichnet auch Färs, Kirmän und Sind,

al-magrib: bezeichnet die Provinz {iqlim, Nordafrika westlich

Ägyptens und al-Andalus, also nicht im Sinne der mathe¬

matisch-astronomischen Geographie),

al-garb: bezeichnet auch Ägypten und Syrien'^

Besonders ausgeprägt ist dieses Verfahren im Falle von misr,

„Hauptstadt einer Provinz", „Metropole". Hier stellt al-Muqad-

" al-Muqaddasi, Ahsan at-taqäsim, S 6-7, vgl. A.Schölten, S.90.

" al-Muqaddasi, Ahsan at-taqäsim, S.6, vgl. Miquel, Andre: Al-Muqaddasi, Ahsan al-taqäsimß ma'rifat al-aqälim {La meilleure repartition pour la connaissan¬

ce des provinces). Traduction partielle, annotee, Damaskus 1963, S.20; „Dans le present ouvrage, il est des expressions abregees qui sont la marque de significa¬

tions (precises)". Dagegen wird in der (jbersetzung von Ranking und Azoo, S. 8, das Anliegen des Autors nicht erfaßt und eher ins Gegenteil gewendet: „For the sake of brevity certain words in this work have been used in a wider sense than they ordinarily convey.". Ranking, G. S.A., Azoo, R. F.: Ahsanu-t-taqäsim ß ma'rifati-l-aqälim. Known as al-Muqaddasi. Translated from the Arabic and edited by G.S. A. Ranking and R. F.Azoo. Bibliotheca Indica, N.S. Nr. 899, Calcutta 1897, Nr.952, Calcutta 1899, Nr. 1001, Calcutta 1901, Nr. 1258, Calcutta 1910.

al-Muqaddasi, Ahsan at-taqäsim, S.l, vgl. A.Scholten S.91.

(8)

das! den Auffassungen der fuqahä^, der Lexikographen und des

populären Sprachgebrauchs, die er nicht akzeptiert, die eigene

Definition gegenüber:

„Wir bezeichnen als misr jeden Ort, in dem ein bedeutender

Herrscher {sultän) residiert, der über Verwaltungsämter

{dawäwin) verfügt, von dem aus Statthalter eingesetzt werden

und zu dem die Städte {mudun) der Provinz {iqlim) gerechnet

werden, wie Damaskus, Kairuan und Schiraz."'*.

Bereits A.Scholten hat darauf hingewiesen, welch wichtige

Rolle das Prinzip der Hierarchie bei al-Muqaddasi spielt, d.h. die

Bestimmung des Ranges, der geographischen Bedeutung, eines

Ortes dadurch, daß er zu anderen ins Verhältnis gesetzt wird.

Dies stellt keine allgemeine Definition dar, bemerkenswert im

Hinblick auf die Herausbildung einer Terminologie ist aber, daß

er von den konkreten Fällen abstrahiert, indem er sagt:

„Wisse, daß wir die Hauptstädte {amsär) wie die Könige, die

Distriktshauptstädte {qasabät) wie die Kämmerer, die Städte

{mudun) wie die Armee und die Dörfer {qurä) wie die Infan¬

teristen einstufen."".

In dem Streben nach Eindeutigkeit beschreitet al-Muaqddasi

auch Wege, die uns etwas eigentümlich erscheinen und deren

Notwendigkeit nicht recht naehzuvollziehen ist. So will er den

Namen eines Ortes als Maskulinum behandeln, wenn dieser in

der Funktion einer Hauptstadt {misr) eines Gebietes erscheint,

dagegen als Femininum, wenn der betreffende Ort in einem nie¬

deren Rang {qasaba, madina) auftritt. Ferner will er eine Stadt,

wenn er sie in ihrem Distrikt beschreibt, bei dem Namen nennen,

den sie (dort) trägt, wie al-Fustät, Numügkat und al-Yahüdiya.

Wird sie jedoch an anderer Stelle des Buches erwähnt, so will er

sie bei dem Namen nennen, unter dem sie (allgemein) bekannt

ist, also Misr, Buhärä und Isfahan.'*

Während sich bei al-Muqaddasi die Äußerungen zur Verwen¬

dung von Termini zwar in den einleitenden Kapiteln finden, dort

jedoch nicht zusammengefaßt an einer Stelle, sondern auf meh¬

rere verstreut, geht Yäqüt al-Hamawi gut zweihundert Jahre spä-

al-Muqaddasi, Ahsan at-taqäsim, S.47, vgl. A.Scholten S. 105.

" al-MuqaddasI, Ahsan at-taqäsim, S.14.

'« Ebenda, S.7.

(9)

ter in dieser Hinsicht methodisch einen Schritt weiter, indem er

der Worterklärung in seinem Mu'gam al-buldän eines der einlei¬

tenden Kapitel, und zwar das dritte, widmet, dem er die Über¬

schrift gibt: „Erläuterung zu den Wörtern {alfäz), die in diesem

Buche vorkommen"". Diese Formulierung und die nachfolgende

Begründung dafür, daß er die Worterklärungen eingangs des Bu¬

ches an einer Stelle zusammenfaßt, machen deutlich, daß ihm -

ebenso wie zuvor al-Muqaddasi, dessen Buch er kannte, - an

sprachlicher Klarheit gelegen ist. Er gibt Erläuterungen zu 26

Lemmata, die aus verschiedenen Bereichen stammen und ein wei¬

teres Mal die Vielfalt der Themen zeigen, auf die sich die Län¬

derbeschreibung bezieht. Es ist vermutlich kein Zufall, sondern

das Ergebnis des methodischen Vorgehens Yäqüts, daß diese 26

Lemmata fünf aufeinanderfolgende thematische Gruppen bilden,

es sind dies:

drei Distanzmaße: barid, farsah, mil;

zehn Lexeme, die man als Fachwörter der Länderbeschrei¬

bung im engeren Sinne betrachten kann, davon sieben Be¬

zeichnungen der territorialen bzw. administrativen Gliede¬

rung: küra, iqlim, mihläf, ustän (bei Yäqüt istän), rustäq,

tassüg (bei Yäqüt tussüg), gund, sodann das persische

Wortbildungselement für geographische Namen äbäd, fer¬

ner sikka und misr;

vier Termini der mathematisch-astronomischen Geographie

und Astronomie : tül, 'ard, daraga, daqiqa ;

drei Rechtsbegriffe der futüh : sulh, siim, 'anwa ;

sechs Begriffe des Steuer- und Bodenrechts: haräg, fai^

ganima, sadaqa, hums, qati'a.

Das Anliegen, das Yäqüt mit der Erläuterung oder Kommen¬

tierung dieser Lemmata verfolgte, war sicher, den Benutzern sei¬

nes Buches Klarheit über deren Inhalt zu verschaffen. Die Me¬

thode, die er dabei verfolgt, besteht jedoch darin, möglichst

zahlreiche Informationen, nicht selten auch unterschiedliche Auf-

" (Yäqüt al-Hamawi ibn 'Abd Alläh ar-Rümi, Sihäb ad-Din Abü 'Abd Alläh:

Kitäb Mu'gam al-buldän :) Wüstenpeld, Ferdinand: Jacut's Geographisches Wör¬

terbuch aus den Handschriften zu Berlin, St. Petersburg und Paris hrsg. von Ferdi¬

nand Wüstenfeld. Bd. 1, Leipzig 1866, S.37-48; vgl. Iwaideh, Wadie: Tlie intro¬

ductory chapters of Yäqüt's Mu'jam al-buldän. Translated and annotated by

W. Iwaideh. Leidenl959 (Nachdr. 1988), S. 53-67.

(10)

fassungen, zu bieten, und oft genug schadet dies der Eindeutig¬

keit mehr, als daß es ihr dient. In einigen Fällen mag Eindeutig¬

keit auch objektiv nicht zu erreichen gewesen sein. Hinzu kommt,

daß er, obgleich er sein Werk als der Geographie zugehörig be¬

trachtet, doch auch in der philologischen Tradition stand. So geht

er hier wie auch später bei den geographischen Stichwörtern häu¬

fig auf die Etymologie ein. Knappe und präzise Formulierungen,

denen man den Charakter von Definitionen zuerkennen kann,

sind so eher zufällig. Sie finden sich bei den aus der mathema¬

tisch-astronomischen Geographie stammenden Lemmata. Hier

konnte er auf die Vorarbeiten der Vertreter dieser Wissenschaft

zurückgreifen, er beruft sich gelegentlich auf al-Birüni^''. Das trifft

im übrigen auch auf iqlim zu, dessen verschiedene Interpretatio¬

nen im zweiten Einleitungskapitel behandelt werden, wobei

Yäqüt sich offensichtlich der Auffassung der mathematisch-astro¬

nomischen Geographie anschließt. Bei den Begriffen juristischer

und administrativer Natur der beiden letzten der genannten

Gruppen erschweren unterschiedliche Lehrmeinungen und Ver¬

fahrensweisen in der praktischen Handhabung eine eindeutige

Aussage, und eine Definition, sofern sie beabsichtigt gewesen wä¬

re, hätte sich sehr allgemein halten müssen. Sie findet sich bei

sulh und sadaqa und, mit gewissen Vorbehalten, bei 'anwa.

Unter den länderkundlichen Fachwörtern erhalten eine Defini¬

tion küra:

„Ich sage: küra ist jedes Gebiet {suq'), das eine Anzahl Dör¬

fer umfaßt, wobei diese Dörfer einer Gebietshauptstadt

{qasaba), einer Stadt {madina) oder einem Fluß zugeordnet

sein müssen, deren Namen den Namen der küra bilden."

rustäq :

„Ich sage: Nach dem, was wir in unserer Zeit im Gebiet der

Perser erfahren und gesehen haben, bezeichnen sie mit rustäq

jedes Gebiet, in dem es Felder und Dörfer gibt. Es wird da¬

gegen nicht von Städten wie Basra und Bagdad gebraucht."

mit einigem Vorbehalt ustän :

ustän und küra sind identisch ... ein ustän wird in rasatiq,

ein rustäq in tasäsig unterteilt, und ein tassüg umfaßt meh¬

rere Dörfer."

20 Yäqüt, Mu'gam al-buldän, S.43.

(11)

tassüg :

„Es ist spezifischer und kleiner als eine küra, ein rustäq oder

ein ustän und bildet den Teil einer küra, ebenso wie tassüg

auch den vierundzwanzigsten Teil eines Dinar bezeichnet,

denn eine küra umfaßt mehrere tasäsig."

und sikka:

„Es ist ein mit (Post-)Stationen versehener (maskük) Weg,

auf dem die Karawanen von einem Ort zu anderen ziehen."

Nur kurz sei abschließend auf die Problematik der Distanzan¬

gaben hingewiesen, die in der beschreibenden Geographie eine

wichtige Rolle spielten, da sie ja nicht zuletzt praktischen Bedürf¬

nissen dienen wollte. Für eine möglichst genaue Angabe der Ent¬

fernungen von Ort zu Ort war die Definition der verwendeten

Maßeinheiten unabdingbar. Dazu genügte es im Grunde, eine

dieser Maßeinheiten festzulegen und die anderen als Vielfaches

oder Teil derselben zu beschreiben. Eine vom Prinzip her eindeu¬

tige Definition bietet Ibn Hordädbeh eingangs seines Kitäb al-

Masälik wa-l-mamälik :

„Der Erdumfang am Äquator beträgt 360 Grad, ein Grad hat

25 Parasangen {farsah), eine Parasange hat 12000 Ellen, eine

Elle hat 24 Finger, ein Finger hat die Länge von sechs Korn

Roggen, Bauch an Bauch aneinandergereiht."^'

Yäqüt definiert die Parasange in gleicher Weise wie Ibn

Hordädbeh im Verhältnis zum Erdumfang und bezieht barid und

mil darauf. Das Verhängnis aber lauerte in der Bestimmung der

exakten Größe der Einheit, von der man ausging - oder in un¬

terschiedlichen Umrechnungsverhältnissen, wie Abü 'l-Fidä' am

Beispiel von dira', mil und farsah beschreibt^^ Trotz einer schein-

2' (Ibn Hordädbeh, Abü 'l-Qäsim 'Ubaid Alläh ibn 'Abd Alläh: Kitäb ab

Masälilc wa-l-mamälik) de Goeje, M.J.: Kitäb al-masälik wa-l-mamälik (Liber viarum et regnum) auctore Abu V-Käsim Obaidallah ibn Abdallah Ibn Khordädhbeh et excerpta e Kitäb al-kharädj auctore Kodäma ibn Dja 'far quae cum versione gallica edidit, indicibus et glossario instruxit M. J. de Goeje. Leiden 1889. (Bibliotheca

Geographorum Arabicorum, Bd.6), S.4.

" Abü '1-Fidä', K. Taqwim al-buldän, S. 14-15. S.73 erklärt er, daß er ein Grad

mit 22V9 oder 19'/9 Farsah entsprechend der Angabe beim jeweiligen Klima

ansetzt.

(12)

bar eindeutigen Definition war hier Eindeutigkeit nicht zu errei¬

chen.

Insgesamt läßt sich feststellen, daß einige der Autoren durch¬

aus die Notwendigkeit sahen, in der Länderbeschreibung verwen¬

dete Wörter und Ausdrücke genauer zu definieren und dies zum

Teil auch ausführten oder zumindest versuchten, indessen be¬

schritt keiner den eingeschlagenen Weg konsequent weiter.

(13)

den Jahren 812/13*

Von Gerhard Hoffmann, Leipzig

Bereits fünfzig Jahre nach Gründung der Abbasidenhauptstadt

durchlebten Bagdad und seine Bevölkerung kritische Zeiten. Be¬

lagerung und Bombardements, Blockade, Hunger und Teuerun¬

gen, Feuersbrünste und Plünderungen, ständige Scharmützel und

gelegentliche Schlachten - all dies verbunden mit zunehmender

Massenflucht - markierten in den Jahren 812/13 die Schlußphase

der Auseinandersetzungen um die Herrschaft im Kalifat zwischen

den Söhnen von Härün ar-Rasid, Muhammad al-Amin und 'Abd¬

alläh al-Ma'mün.

Mit diesem Knotenpunkt in der Entwicklung des frühen Abba¬

sidenkalifats sind Probleme vielschichtiger Natur verbunden. Sie

betreffen Motive der Nachfolgeregelungen Härüns und des Stur¬

zes der Barmakiden; die Frage, ob sich in dieser Zeit ein wie

immer zu definierendes „Arabertum" gegen iranischen Machtzu¬

wachs aufbäumte; die Bestimmung von Etappen in der Ausein¬

andersetzung zwischen al-Amin und al-Ma'mün, u.a. ob und wie

lange ernstgemeinte politische Lösungsversuche beider Seiten exi¬

stierten und wann die militärische Option die Oberhand gewann.

Der militärische Ablauf schließt Fragen von Rekrutierung, Stär¬

ke, Struktur und Loyalitäten der jeweiligen Kontingente, nach

ihrer Kampfkraft und ihrem Unterhalt ein. Damit aber stehen

schließlich die Rolle des ahi Bagdäd, der Bevölkerung der Haupt¬

stadt oder deren 'ämma/ 'ayyärün, ihr Charakter als „Sturmtrup¬

pen des Volkswiderstandes gegen die khorasanische Armee"' zur

Diskussion.

* Erweiterte Fassung eines Vortrages auf dem 25. Deutschen Orientalistentag in München, April 1991.

' Sabari, S.: Mouvements populaires d Bagdad d I'epoque 'abbasside IX^-XP siecles, Paris 1981, S.77.

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