• Keine Ergebnisse gefunden

Bitkom-Stellungnahme zur 9. GWB-Novelle | Bitkom e.V.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Bitkom-Stellungnahme zur 9. GWB-Novelle | Bitkom e.V."

Copied!
8
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e.V.

Marie-Teresa Weber Bereichsleiterin

Verbraucherrecht & Medienpolitik T +49 30 27576-221

mt.weber@bitkom.org

Albrechtstraße 10 10117 Berlin

Präsident Thorsten Dirks

Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder

www.bitkom.org

Stellungnahme

Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

25.08.2016 Seite 1

Bitkom vertritt mehr als 2.400 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, davon 1.600 Direktmitglieder. Sie erzielen mit 700.000 Beschäftigten jährlich Inlandsumsätze von 140 Milliarden Euro und stehen für Exporte von weiteren 50 Milliarden Euro. Zu den Mitgliedern zählen 1.000 Mittelständler, mehr als 300 Start-ups und nahezu alle Global Player. Sie bieten Software, IT-Services, Telekommunikations- oder Internet- dienste an, stellen Hardware oder Consumer Electronics her, sind im Bereich der digitalen Medien oder der Netzwirtschaft tätig oder in anderer Weise Teil der digita- len Wirtschaft. 79 Prozent der Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Deutschland, weitere 9 Prozent kommen aus Europa, 8 Prozent aus den USA. 4 Prozent stammen aus Asien, davon die meisten aus Japan. Bitkom fördert die digitale Transformation der deutschen Wirtschaft und setzt sich insbesondere für eine innovative Wirt- schaftspolitik, eine Modernisierung des Bildungssystems und eine zukunftsorientier- te Netzpolitik ein.

Bitkom bedankt sich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (9. GWB-ÄndG) nimmt neben anderen Fragen insbesondere die Besonderheiten digitaler Märkte in den Blick. Die Bitkom-Stellungnahme konzentriert sich auf diese zu digitalen Märkten vorgeschla- genen Änderungen.

1. Allgemeines

Der ordnungspolitische Wettbewerbsrechtsrahmen in Deutschland und der EU hat sich grundsätzlich bewährt. Bei der Anwendung dieses Rechtsrahmens auf die Digitalwirtschaft sind jedoch die Besonderheiten digitaler Märkte, insbesondere deren Schnelllebigkeit, zu berücksichtigen. Ein effektives Kartellrecht ist essentiell, damit Wettbewerb fair bleibt und die im Wettbewerb stehenden Unternehmen gleiche Bedingungen beim Marktzugang und bei der Ausübung ihrer Geschäftstätig- keit haben. Es muss die Grundlage dafür schaffen, dass neue Geschäftsmodelle und neue Unternehmen Zugang zum Markt erhalten können. Bitkom hält es für sinnvoll, die kartellrechtlichen Vorschriften an die geänderten Marktbedingungen und an die Besonderheiten digitaler Märkte anzupassen. In einem sich verändernden Marktum- feld muss verlässlicher Wettbewerbsschutz gewährleistet sein. Wir sehen im hier zu kommentierenden Referentenentwurf für ein 9. GWB-ÄndG (im Folgenden: GWB-E) jedoch noch Änderungsbedarf.

(2)

www.bitkom.org

Stellungnahme

Referentenentwurf GWB-Novelle

Seite 2|8

2. Zu § 18 GWB-E – Kriterien zur Feststellung der Marktbeherrschung

Die Digitalisierung führt zu neuen innovativen technologischen Entwicklungen, zu neuen Geschäftsmodellen und damit auch zu neuen Herausforderungen in der Wettbewerbspolitik. Diesen Herausforderungen begegnet der Referentenentwurf durch die Einführung neuer Konzepte zur Marktabgrenzung sowie zur Feststellung der Marktstellung eines Unternehmens. Nach § 18 Abs. 2 a GWB-E soll die Unentgelt- lichkeit von Leistungsbeziehungen der Annahme eines Marktes nicht entgegenste- hen. Daneben führt § 18 Abs. 3 a GWB-E fünf neue Kriterien ein, die den Besonderhei- ten von mehrseitigen Märkten und Netzwerken in der kartellrechtlichen Prüfung Rechnung tragen sollen.

Kriterien wie der Wechselaufwand, Zugang zu Daten und innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck sind auch in anderen Bereichen relevant. Die im Entwurf einge- führten wettbewerbsökonomischen Konzepte sind auch bereits aus der kartellbe- hördlichen Praxis bekannt. Wie bisher muss die Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller gegebenen Umstände erfolgen. Es ist deutlich zu machen, dass die Feststellung von Marktmacht keinesfalls nur auf ein einzelnes Kriterium dieses Kataloges gestützt werden darf. Zwar suggeriert der Wortlaut („zudem in besonderer Weise zu berücksichti- gen“), dass den im Referentenentwurf vorgeschlagenen insgesamt fünf Parametern besonderes Gewicht in der Gesamtschau zukommen soll. Es ist jedoch unklar, ob der vorgeschlagenen Berücksichtigung „in besonderer Weise“ eine Rechtsbedeutung zukommen soll oder nicht.

3. Zu § 18 Abs. 2 a – Kriterium „Unentgeltliche Leistungsbezie- hungen“

Nach § 18 Abs. 2 a GWB-E soll es der Annahme eines Marktes nicht entgegenstehen, wenn eine Leistung unentgeltlich erbracht wird. Das Bundeskartellamt sowie die Europäische Kommission haben die Annahme eines Marktes in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr an eine entgeltliche Leistungsbeziehung geknüpft. Die Rechtsprechung in Deutschland sah dies bisher jedoch anders. Nach der Gesetzesbe- gründung soll die Erweiterung der kartellrechtlichen Prüfungsmöglichkeiten auf unentgeltliche Leistungen die kartellrechtliche Prüfung von zwei oder mehrseitigen Märkten, insbesondere Plattformen, möglich machen bzw. erleichtern.

Es ist nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber mehrseitige Märkte in die kartellrechtli- che Prüfungspraxis einbeziehen und damit technische und wirtschaftliche Entwick- lungen gesetzlich berücksichtigen möchte. Auch in zwei- oder mehrseitigen Märkten können Unternehmen eine starke Marktstellung erlangen, für die rechtliche

(3)

www.bitkom.org

Stellungnahme

Referentenentwurf GWB-Novelle

Seite 3|8

Maßstäbe gelten müssen. Im Sinne einer umfassenden Würdigung der Marktstruktu- ren und der Wettbewerbssituation ist eine umfassende Betrachtung der Wechselwir- kungen zwischen allen Nutzergruppen erforderlich. Dies kann auch eine unentgeltli- che Seite mit einschließen. Mit dem Kriterium der Entgeltlichkeit und der leicht fest- zustellenden Höhe des Entgelts fällt ein klar abgrenzbares Kriterium weg. Die Ab- schätzung von Marktanteilen und Wettbewerbsverhältnissen muss daher mittels anderer Methoden vorgenommen werden als den bekannten an die klar abgrenzbare Höhe einer entgeltlichen Leistung anknüpfenden Berechnungen, beziehungsweise durch die Anpassung bestehender Methoden. Dies könnte die Feststellung von Marktpositionen schwieriger machen. Kartellrechtliche Instrumente wie der SSNIP- Test und die Marktanteilsberechnung basieren auf Preisdaten, d.h. sie setzen bisher entgeltliche Leistungsbeziehungen voraus. Bloße Nutzungsanteile können nicht ohne weiteres mit „Marktanteilen“, die auf dem Verkauf entgeltlicher Produkte beruhen, gleichgesetzt werden. Bereits bei Vorliegen des klar bestimmbaren Kriteriums der Entgeltlichkeit und bei leicht festzustellender Höhe des Entgelts sind die Abgrenzung eines Marktes und die Anwendung des Kartellrechts teilweise nicht einfach. Dies gilt umso mehr, wenn das klar festzustellende Kriterium der Entgeltlichkeit nicht mehr notwendig ist. Ziel muss eine rechtssichere Lösung sein. Hier sollte im weiteren ge- setzgeberischen Verfahren noch näher erläutert werden, wie eine solche Lösung ausgestaltet werden soll.

4. Zu § 18 Absatz 3a GWB-E neu allgemein

Mit den in § 18 Abs. 3 a GWB-E vorgeschlagenen Kriterien schafft der Gesetzgeber einen Prüfkatlog, der wettbewerbsökonomische Konzepte gesetzlich berücksichtigt, die in der kartellbehördlichen Praxis bereits angewendet werden. Die Einführung eines solchen Prüfkatalogs soll sowohl für Wettbewerbsbehörden und Gerichte als auch für Unternehmen zu größerer Rechtssicherheit bezüglich der besonderen Gege- benheiten auf digitalen Märkten führen. Bei den eingeführten Kriterien handelt es sich um spezielle Faktoren, die im Rahmen einer spezifischen Analyse der Wettbe- werbsverhältnisse – insbesondere bei mehrseitigen Märkten – berücksichtigt werden sollen. Der Referentenentwurf bleibt an dieser Stelle jedoch vage. Die verwendeten Begriffe lassen verschiedene Auslegungen zu. Wie im deutschen Kartellrecht üblich, wird eine weitere Konkretisierung unbestimmter Begriffe im Rahmen von Rechtspre- chung und Fallpraxis erfolgen müssen. Die Aufnahme der neuen Kriterien zur Fort- entwicklung des Kartellrechts und zur Anpassung der Regelungen an neue digitale Geschäftsmodelle darf jedoch nicht dazu führen, dass die digitale Wirtschaft und die traditionelle Wirtschaft nach unterschiedlichen Maßstäben gemessen werden. Es ist unklar, wie sich die Formulierung „in besonderer Weise berücksichtigen“ in der Praxis auswirken wird. Aus unserer Sicht wäre es zu begrüßen, wenn diese Formulierung gestrichen würde. Es ist nicht ersichtlich, warum Kriterien wie „Finanzkraft“, „Ver- flechtung mit anderen Unternehmen“, etc. bei Vorliegen von mehrseitigen Märkten

(4)

www.bitkom.org

Stellungnahme

Referentenentwurf GWB-Novelle

Seite 4|8

und Netzwerken im Vergleich zu den „neuen Kriterien“ weniger Berücksichtigung finden sollen.

4.1 Zu § 18 Abs. 3a Nr. 1 und 3 GWB-E - Netzwerkeffekte

Netzwerkeffekte sind kein neues Phänomen der Digitalisierung. Auch in der Offline- Welt gibt es Netzwerkeffekte und damit verbundene Größenvorteile. Größenvorteile gehören bereits seit langem zum Prüfkatalog im Hinblick auf das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung. Die wettbewerbliche Bedeutung von Netzwerkeffek- ten folgt insbesondere aus den Konzentrationstendenzen, die sie im Markt hervorru- fen können. Es ist daher nachvollziehbar, dass das Vorliegen von Netzwerkeffekten und den damit verbundenen Größenvorteilen in die kartellrechtliche Betrachtung mit einfließen sollen. Entsprechende Ansätze finden sich auch bereits in vergangenen Entscheidungen des Bundeskartellamtes sowie der Rechtsprechung des OLG Düssel- dorf.1 Der Referentenentwurf stellt fest, dass indirekte Netzwerkeffekte „nicht zwangsläufig“ zur Monopolbildung im Markt führen. Es muss im Einzelfall in einer Gesamtschau mit allen anderen relevanten Faktoren sorgfältig geprüft werden, wie sich Netzwerkeffekte konkret auswirken. So können gegebenenfalls geringe Wech- selkosten und Multihoming die Wirkung von Netzwerkeffekten begrenzen.

4.2 Zu § 18 Abs. 3a Nr. 2 GWB-E - Multihoming & lock-in

Die parallele Nutzung mehrerer Dienste sowie der Wechselaufwand für die Nutzer spielen bei der Bewertung der Wettbewerbsintensität eine Rolle. Multihoming erhöht Wettbewerbsdruck, weil es bedeutet, dass Nutzer nicht an einen einzigen Anbieter gebunden sind und regelmäßig zwischen konkurrierenden Angeboten wählen kön- nen. Fällt ein Dienst in seiner Qualität oder innovativen Funktionalität gegenüber Wettbewerbern zurück, werden Nutzer daher schneller und mit höherer Wahrschein- lichkeit zu solchen Wettbewerbern wechseln. Multihoming reduziert außerdem mög- liche Netzwerkeffekte, die sich in manchen (jedoch nicht in allen) Online-Diensten ergeben können. Insbesondere im Hinblick auf kostenlose Dienste ist zu berücksichti- gen, dass diese die parallele Nutzung mehrerer Dienste begünstigen und dadurch gegebenenfalls die Wechselkosten verringern können. Wie genau das Bundeskartell- amt die hier angedeuteten Phänomene des „Multihomings“ und der „lock-in-Effekte“

berücksichtigen soll, lässt der Referentenentwurf offen. Die weitere kartellbehördli- che Praxis des Bundeskartellamts wird dies konkretisieren. Dabei ist zu berücksichti- gen, dass sich die ökonomische Theorie zu den Auswirkungen des Phänomens der indirekten Netzwerkeffekte noch entwickelt.

1Bundeskartellamt B9 - 66/10, 20.12.2013 und OLG Düsseldorf, 09.01.2015 - VI-Kart. 1/14 (V) zu HRS Hotelportal;

(5)

www.bitkom.org

Stellungnahme

Referentenentwurf GWB-Novelle

Seite 5|8

4.3 Zu § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB-E - Zugang zu Daten

Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens soll nach § 18 Abs. 3a Zf. 4 GWB-E auch der „Zugang zu Daten“ berücksichtig werden. Der Zugang zu Daten soll ein Kriterium zur Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung (nach §18 Abs. 1 GWB) werden. Nach Ansicht des BMWi muss sich Marktmacht nicht in Preisset- zungsspielräumen spiegeln, sondern kann auch auf exklusivem Datenzugriff und daraus entstehenden Marktzutrittsschranken beruhen.

In der heutigen Digitalökonomie hat grundsätzlich jedes Unternehmen Zugang zu Daten und kann diese verarbeiten. Datenerhebung und Datenverwertung wird ge- genwärtig oft mit Internetfirmen verbunden. Die Bedeutung und das Volumen an für Unternehmen zugänglichen Daten steigen aber auch auf sogenannten traditionellen Märkten. Alle Unternehmen, einschließlich Offline-Unternehmen, generieren Nut- zungsdaten. Insofern ist nicht ersichtlich, warum der Zugang zu Daten als Kriterium explizit in § 18 Abs. 3 a GWB-E lediglich speziell für mehrseitige Märkte und Netzwer- ke eingeführt werden soll. Die Erfolge von Online-Unternehmen beruhen auch nicht hauptsächlich auf Daten, sondern auf innovativen Geschäftsmodellen, einschließlich der Analyse von Daten.

Zu beachten ist außerdem, dass viele Kategorien von Daten wie Verbraucherdaten duplizierbar sind. Dies bedeutet, dass sie von mehreren Unternehmen gleichzeitig genutzt werden können und nicht verbraucht werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass viele Daten auch öffentlich oder gegen ein geringes Entgelt zugänglich sind. Es gibt kein Unternehmen, das das ausschließliche Recht besitzt, diese Daten zu erhe- ben.

Marktbeherrschung im Sinne des § 18 Abs. 1 GWB bedeutet eine überragende Markt- stellung mit höchstens noch mäßigem Wettbewerb durch andere Marktteilneh- mer. Eine Marktbeherrschung kann nur begründet sein, wenn ein vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierter Verhaltensspielraum besteht und zwar sowohl ge- genüber den Wettbewerbern als auch gegenüber den Abnehmern. Dies entspricht der ständigen Praxis des Bundeskartellamtes wie der Gerichte.

4.4 Zu § 18 Abs. 3 a Nr. 5 GWB-E – innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck

Die positiven Wirkungen von dynamischen Effizienzen wie Innovationen und Invest- ment sind ein wesentlicher Bestandteil der kartellrechtlichen Analyse. Die Aufnahme einer „innovation defense“ in den Prüfkatalog erscheint daher sinnvoll, um die an- gemessene Abwägung zu gewährleisten. Wichtig ist, dass auch dieses Kriterium nicht für sich allein, sondern nur im Rahmen einer Gesamtschau in die spezifische Bewer-

(6)

www.bitkom.org

Stellungnahme

Referentenentwurf GWB-Novelle

Seite 6|8

tung einfließen kann. Es ist richtig, dass die technologische Entwicklung bestehende Marktpositionen angreifbar macht. Dies war schon immer so. Der Digitalmarkt ent- wickelt sich jedoch in einer besonderen Schnelligkeit. Wer heute noch ein hoch inno- vatives Geschäftsmodell hat, kann morgen schon durch ein technisch noch besseres und beim Nutzer noch beliebteres Geschäftsmodell ersetzt werden. Die entscheiden- de Frage ist, inwiefern mögliche Innovationen Einfluss auf das Bestehen von Markteintrittsbarrieren haben. In jedem Einzelfall ist eine sorgfältige Prüfung not- wendig, ob nicht nur eine abstrakte, zeitlich zu vage Angreifbarkeit der Marktposition vorliegt. Würde allein die Aussicht, dass eine marktbeherrschende Position irgend- wann wegfallen könnte, zu ihrer Verneinung führen, blieben bis dahin zum Beispiel Vorwürfe missbräuchlicher Ausnutzung dieser Stellung per se einer Prüfung entzo- gen.

5. Zu § 35 GWB-E – Wert der Gegenleistung als neue Aufgreif- schwelle für die Fusionskontrolle

Der Referentenentwurf schlägt in § 35 Abs. 1a GWB-E die Einführung einer neuen Aufgreifschwelle in der Fusionskontrolle vor. Zusammenschlüsse sollen künftig bei Überschreitung eines Gegenleistungswerts von 350 Mio. € angemeldet werden müs- sen. Die Höhe der Gegenleistung als Kriterium der Fusionskontrolle ist kein neues Konzept, sondern – in leicht abweichender Form - aus den USA bekannt, wo es im Rahmen des sog. „size of transaction“-Tests eine Rolle spielt.

Der Referentenentwurf sieht vor, dass bei Überschreitung eines Gegenleistungswerts von 350 Mio. € selbst dann eine Anmeldung der geplanten Fusion erfolgen muss, wenn ein Unternehmen keinerlei Umsatz auf dem deutschen Markt erzielt. Voraus- setzung soll neben der Umsatzschwelle in § 35 Abs. 1 Nr. 1 GWB lediglich sein, dass eines der Unternehmen mehr als 25 Mio. € Umsatz im Inland erzielt hat und ein an- deres im Inland tätig ist oder voraussichtlich tätig werden wird.

Die Bewertung hängt wesentlich von der konkreten Ausgestaltung des Konzepts ab.

Sie sollte den Empfehlungen des International Competition Networks entsprechen, wonach die Aufgreifkriterien für die Fusionskontrolle klar und verständlich sein sol- len.2 Wie auch von Kommissarin Vestager Anfang 2016 ausgeführt, sollte auch für die deutsche Fusionskontrolle gelten: „But whatever we decide in the end, it has to meet one fundamental principle: there should be no doubt whether you need to notify

2 Siehe International Competition Network, Recommended Practices for Merger Notification and Procedures, Seite 3, erhältlich online unter: http://www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc588.pdf.

(7)

www.bitkom.org

Stellungnahme

Referentenentwurf GWB-Novelle

Seite 7|8

a particular merger. So whatever test we choose has to be easy to apply, and has to give a definitive answer.”3

Vor diesem Hintergrund erscheint die Formulierung von „voraussichtlich im Inland tätig werden“ (§ 35 Abs. 1a Nr. 4 GWB-E) zu unbestimmt.

Es ist denkbar, dass eine mangels Überschreitung der 2. Inlandsumsatzschwelle in Deutschland nicht anmeldepflichtige Transaktion, die außerdem keinen Bezug zum deutschen Markt aufweist, anmeldepflichtig würde, wenn der Gegenwert über € 350 Millionen liegt und innerhalb des Prognosezeitraums mit einer Tätigkeit in Deutsch- land zu rechnen ist. Wie auch das Bundeskartellamt in seiner Stellungnahme vom 25.

Juli 2016 fordert, sollte die Vorschrift eine inländische Tätigkeit des Zielunterneh- mens voraussetzen.4 Zudem sollte die Gesetzesbegründung auf einen verlässlich überschaubaren Zeitrahmen konkretisiert werden. Dies würde verhindern, dass Un- ternehmen angesichts der mit der vorgeschlagenen Regelung verbundenen Unsi- cherheiten Zusammenschlüsse vorsorglich anmelden müssten. Unnötiger Zeit- und Kostenaufwand könnte so vermieden werden.

Darüber hinaus kann im Einzelfall erhebliche Unklarheit darüber bestehen, ob der Grenzwert von € 350 Millionen tatsächlich überschritten ist. Die Frage der Bestim- mung des Kaufpreises ist nicht unbedingt leicht zu beantworten. Wenn Parteien zum Beispiel sogenannte „earn-out“-Klauseln vereinbaren, kann der Kaufpreis je nach Leistung des zu übernehmenden Unternehmens noch ansteigen. Üblich sind außer- dem Teilzahlungen bei Erreichung bestimmter festgelegter Meilensteine. Mit Blick auf die Unsicherheit der Erreichung der festgelegten Meilensteine kann man den

„Kaufpreis“ nur schwer berechnen. Auch hier sollte eine Lösung gefunden und in den Entwurf eingefügt werden, um zu einer rechtssicheren und vorhersehbaren gesetzli- chen Regelung zu gelangen.

6. Zu § 50 c GWB-E - Behördlicher Informationsaustausch – Aufnahme der Datenschutzbeauftragten

Nach der vorgeschlagenen Neufassung des § 50c GWB soll nunmehr auch ein Infor- mationsaustausch zwischen dem Bundeskartellamt und den Datenschutzbeauftrag- ten des Bundes und der Länder möglich sein. Fraglich ist angesichts der vorgeschla-

3 Die deutsch Übersetzung lautet: „Was immer wir am Ende entscheiden, es muss dem folgenden Grundprinzip genügen: es sollte keinen Zweifel geben, ob ein konkreter Zusammenschluss angemeldet werden muss. Wie auch immer der von uns ge- wählte Test ausfällt, er muss einfach anzuwenden sein und eindeutige Antworten liefern.“ Siehe die Rede von Kommissarin Margrethe Vestager vom 10. März 2016, Studienvereinigung Kartellrecht Brüssel; im Internet erhältlich unter:

https://ec.europa.eu/commission/2014-2019/vestager/announcements/refining-eu-merger-control-systemen.

4 http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Stellungnahmen/Stellungnahme-Regierungsentwurf_

GWB9.pdf;jsessionid=0F1238AA38F0933944EB4A051061FABA.1_cid387?__blob=publicationFile&v=2; S. 13: „So sollte die Vorschrift eine inländische Tätigkeit des Zielunternehmens der Transaktion voraussetzen, um möglichst viele Zusam- menschlüsse eindeutig aus dem Anwendungsbereich der Fusionskontrolle auszuschließen, die keine Auswirkungen in Deutschland erwarten lassen.“

(8)

www.bitkom.org

Stellungnahme

Referentenentwurf GWB-Novelle

Seite 8|8

genen Einführung einer Rechtsgrundlage für einen solchen Austausch, auf welcher Rechtsgrundlage der Austausch mit Datenschutzbeauftragten bisher stattfindet.

Nach Inkrafttreten der hier vorgeschlagenen Änderung wäre eine Weitergabe von Informationen zwischen Bundeskartellamt und Datenschutzbeauftragten nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur bei datenschutzrechtlicher Relevanz dieser Infor- mationen zulässig („Soweit zur Aufgabenerfüllung erforderlich“). Denn allein daten- schutzrechtlich relevante Daten sind für die Erfüllung der Aufgaben nach BDSG und den entsprechenden Landesgesetzen „erforderlich“. § 50c wäre also keine Rechts- grundlage für die Weitergabe ausschließlich kartellrechtlich relevanter Daten. Anders hingegen liest sich die Begründung, die darüber hinaus von einer vollständigen Wei- tergabe der Verfahrensakte auszugehen scheint. Dies ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar. Die entsprechende Passage sollte geändert werden.

In jedem Fall kann eine Neufassung des § 50c auch nach ihrem Inkrafttreten nicht auf in laufenden Verfahren vom Bundeskartellamt erlangte Informationen angewendet werden. Diese wurden von den Beteiligten in dem Bewusstsein zur Verfügung ge- stellt, dass keine Rechtgrundlage für eine Weitergabe existiert. Insoweit sollte im Gesetz oder äußerst hilfsweise in der Begründung eindeutig bestimmt werden, dass diese Vorschrift nur für Verfahren gilt, die nach ihrem Inkrafttreten eröffnet wurden.

7. Zu § 30 Abs. 2 b GWB-E - verlagswirtschaftliche Zusammenarbeit

Bitkom sieht die Ausnahme vom Kartellverbot des § 1 GWB für eine verlagswirt- schaftliche Zusammenarbeit zwischen Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen kritisch.

Die Begründung des Referentenentwurfs schreibt dazu auf S. 53 „Positive Änderun- gen erscheinen dabei insbesondere durch eine Zusammenarbeit im Anzeigen- und Werbegeschäft, beim Vertrieb, der Zustellung und der Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften sowie der diese reproduzierenden oder substituierenden Produkte im Sinne von § 30 Absatz 1 Satz 2 erreichbar.“ Eine Zusammenarbeit von Verlagen im Anzeigen- und Werbegeschäft kann jedoch nachteilig für andere werbungtreibende Unternehmen sein, beispielsweise für Industrieunternehmen oder auch für kleinere Verlage. Absprachen über Anzeigenpreise bzw. entsprechende Nachlässe oder gar gemeinsame Preislisten wären vorbereitet möglich. Bei einer Zusammenarbeit grö- ßerer Verlage wären hiervon insbesondere kleinere Verlage negativ betroffen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Bundesrat schlägt in seiner Stellungnahme vom 25. 8 GWB-E vor, wonach gesetzliche Angebots- oder Nachfragepflichten mit dem Ziel der Gewährleistung publizistischer Vielfalt

 Gemäß der deutschen Fassung der DS-GVO, darf das Recht gem. Abs.2 nicht die Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigen. Die englische Fassung wiederum verweist

Sofern die Anpassung oder Ergänzung aus unserer Sicht wie im vorhergehenden Punkt zu behandeln, nämlich nur dann als Auslagerung, wenn eine permanente Fremdvergabe der Wartung

erkennbar wäre, dass damit etwas anderes gemeint sein sollte als ein rein kartell- rechtliches Begriffsverständnis. Wenn die Landesmedienanstalten den Begriff nun

Regeln über einen diskriminierungsfreien Zugang für Inhalteanbieter zu Plattformen sind derzeit berechtigterweise nicht Teil der AVMD-RL. Meinungsvielfaltssichernde

Üblich ist vielmehr eine Vereinbarung, dass die Unternehmen die Kosten des externen Wirt- schaftsprüfers nur dann zu tragen haben, wenn eine Abweichung der gemeldeten von

BITKOM rät dennoch dringend dazu, klarzustellen, dass eine Finanzierung als Anschubfinanzierung nur dann gewährt werden kann, wenn der Arzt nur über- gangsweise die alternativen

Hier muss deutlich gemacht werden, ob die Hinweispflicht etwa auch bedeutet, dass Plattformen für nutzergenerierte Inhalte für die Nutzer eine Möglichkeit der