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BLK-Programm „Steigerung der Effizienz des mathematisch- naturwissenschaftlichen Unterrichts“

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Academic year: 2022

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BLK-Programm

„Steigerung der Effizienz des mathematisch- naturwissenschaftlichen Unterrichts“

Sankelmark Mai 2000

Workshop

„Selbstevaluation mit Videoaufnahmen“

Tina Seidel

Manfred Lehrke

Inger Marie Dalehefte

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GLIEDERUNG

VIDEOANALYSEN IN DER UNTERRICHTSFORSCHUNG...3

TECHNISCHE UMSETZUNG VON VIDEOAUFNAHMEN IM KLASSENZIMMER...4

Die Stationäre Überblickskamera...5

Position, Einstellung und Bewegung der Überblickskamera...5

Die bewegliche Kamera für Interaktionen im Klassenzimmer...5

Die Position der ZOI-Kamera...6

Das Licht und die Sicht...6

Kameraeinstellung...7

Bewegungen mit der ZOI-Kamera...7

Filmen per Hand...8

Die Tonaufnahme...8

BEOBACHTUNGSMETHODEN – EVALUATION MIT VIDEOAUFZEICHNUNGEN...9

Beobachten – Was bedeutet das?...9

Ich will selbst meinen Unterricht evaluieren - Selbstbeobachtung...10

Was versteht man unter einer Selbstbeobachtung?...10

Wie führt man eine Selbstbeobachtung durch?...10

Wann bietet sich diese Form der Auswertung an?...10

Welche Aussagen kann ich mit dieser Auswertung treffen?...10

Wir wollen unseren Unterricht in der Gruppe evaluieren – in Form einer halbstandardisierten Beobachtung...11

Was versteht man unter einer halbstandardisierten Beobachtung?...11

Wie führt man diese Form der Beobachtung durch?...11

Wann bietet sich diese Form der Auswertung an?...12

Welche Aussagen kann ich mit dieser Auswertung treffen?...12

Wir wollen unseren Unterricht systematisch evaluieren - in Form einer standardisierten Beobachtung...13

Was versteht man unter einer standardisierten Beobachtung?...13

Wie führt man eine standardisierte Beobachtung durch?...13

Wann bietet sich diese Form der Auswertung an?...15

Welche Aussagen kann ich mit dieser Auswertung treffen?...15

Abschließende Bemerkungen...15

LITERATUR... 16

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Videoanalysen in der Unterrichtsforschung

Videoaufnahmen sind ein Hilfsmittel zur Unterrichtsbeobachtung. Die Methode der

Unterrichtsbeobachtung erlebte eine Blüte in den 70-er Jahren. Sie wurde in der Forschungsliteratur diskutiert, man entwickelte Beobachtungsschemata. Viele Studien, die mit Unterrichtsbeobachtung arbeiteten, standen im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Curricula und Unterrichtseinheiten.

Danach wurde es stiller um diesen Forschungsansatz, wohl durch die Ernüchterung wegen der Probleme, die damit verbunden waren. Die Frage der Objektivität (und damit auch Validität) von Beobachtungen, also die Frage der Übereinstimmung zwischen verschiedenen Beobachtern, war mit den vorhandenen Mitteln nicht befriedigend zu lösen. Dies gilt besonders für die Fälle, in denen nicht nur die Häufigkeit bestimmter Ereignisse festgehalten werden soll (z.B. Schülerfragen, Lehrerfragen, Länge eines Lehrervortrag etc.), sondern Beurteilungen, Einschätzungen, gefordert sind; z.B. über das Ausmaß des Interesses oder der Beteiligung. Entsprechend enttäuschend waren die Resultate. Durch Unterrichtsbeobachtung kam es nicht zum erhofften Durchbruch in der Unterrichtsforschung, obwohl die Grundidee richtig war, nämlich Informationen über den konkreten, den tatsächlichen Unterricht zu erhalten.

Filmaufnahmen und später vor allem die weniger aufwendigen Videoaufnahmen konnten - zumindest im Prinzip - einige der Probleme lösen. Durch die Verfügbarkeit, besonders die unbegrenzte

Wiederholbarkeit, wird eine hinreichende Beobachterobjektivität erreicht. Darüber hinaus bieten Videoanalysen verschiedene Vorteile gegenüber Unterrichtsforschung, die nur mit Fragebögen und Tests arbeitet. Erst durch Video wird die Selbstbeobachtung möglich. Und man hat im Prinzip den ganzen Unterricht eingefangen. Verschiedene Fragestellungen können deshalb am selben Material bearbeitet werden. Man kann einen geplanten mit dem tatsächlich realisierten Unterricht vergleichen, ebenso den tatsächlich mit dem z.B. von der Lehrkraft selbst wahrgenommenen Unterricht. Dies ist deshalb interessant, weil es nicht nur bewußtes Verhalten gibt, das das Unterrichtsgeschehen

beeinflußt, sondern häufig auch unbewußtes. (Dieser Aspekt ist sowohl für die Forschung als auch für die Selbstüberprüfung "im stillen Kämmerlein" bedeutsam.)

Trotz (oder gerade wegen?) der Verfügbarkeit der "ganzen" Unterrichtssituation ist die Analyse von Videoaufnahmen nicht trivial, sondern erfordert beträchtliche konzeptionelle Vorbereitung. Diese wird oft vernachlässigt unter der stillschweigenden Annahme, dass man ja den ganzen Unterricht

festgehalten habe, so dass für Überlegungen zu den Analysen später immer noch genügend Zeit bleibe.

(Oft wird dann beispielsweise erst später bemerkt, dass bestimmte Informationen zum Verständnis des Unterrichts fehlen und nicht mehr zu beschaffen sind.) Die Folge: Es gibt mehr aufgenommene als ausgewertete Videos; Aufnahmen werden oft "auf Halde" produziert.

Videoaufnahmen werden meistens für kleinere, qualitative Studien oder zur Selbstüberprüfung verwendet. Dabei wird der Unterricht oft nicht in seiner Gesamtheit (verschiedene Phasen etc.) dokumentiert, sondern es kann z.B. um ein Experiment gehen, das von einer Kleingruppe bearbeitet wird. Eine Ausnahme bildet die Videostudie im Rahmen von TIMSS. Hier wurden bei größeren Zufallsstichproben in drei Ländern ganze Stunden mit dem Ziel aufgenommen, typische Ablaufmuster und Aktivitäten zu identifizieren. Notwendig dazu war ein einheitliches, standardisiertes

Analyseschema. Notwendig oder zumindest sehr hilfreich ist auch der technische Fortschritt in Form der Digitalisierung der Aufnahmen und eine spezielle Analysesoftware. Beides zusammen ermöglicht die Bearbeitung am PC und z.B. das Springen zu bestimmten Szenen, es entfällt also das umständliche und zeitraubende Vor- und Zurückspulen, was früher jedes Auswerten zusätzlich erschwert hat. (Für die Selbstevaluation oder überhaupt für eine weniger systhematische Auswertung tut es natürlich auch ein analoges Video.) Die TIMSS-Videos z.B. über den japanischen Mathematikunterricht sind auch erfolgreich für Fortbildungszwecke verwendet worden; dies ist ein weiteres Plus für auf diese Weise dokumentierten Unterricht.

Wir beschäftigen uns in unserer Arbeitsgruppe am IPN mit der Technik von Videoaufnahmen, weil wir zur Zeit mit einer Videostudie über Lehr-und Lernprozesse im Physikunterricht beginnen, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen ihres neuen Schwerpunktprogramms "Die Bildungsqualität von Schule: Fachliches und fächerübergreifendes Lernen im mathematisch- naturwissenschaftlichen Unterricht" gefördert wird.

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Technische Umsetzung von Videoaufnahmen im Klassenzimmer

Aufzeichnungen vom eigenen Unterricht vorzunehmen, erscheint auf den ersten Blick einfach. Meist ist es auch relativ einfach, eine Kamera im Raum aufzustellen und eine Stunde aufzunehmen. Will man allerdings eine gute Aufnahmequalität erreichen und zugleich mehrere Unterrichtsstunden vergleichen, ist Videographieren auf den zweiten Blick nicht mehr so einfach.

Kleine Entscheidungen bezüglich der Perspektive und des Abstands zu Personen und Objekten können einen relativ großen Einfluss auf unserem Eindruck der Schulstunde bewirken. Weiterhin will man die Videoaufnahmen am Ende entsprechend bestimmter Kriterien auswerten, so daß die Aufnahmen möglichst standardisiert durchgeführt werden sollten. Für filmende Personen hat dies zur Folge, dass sie nach einheitlichen Regeln aufzeichnen müssen. Es ist also wichtig, sich vor den Aufzeichnungen mit Aufnahmeregeln auseinanderzusetzen und den Umgang mit der Kamera zu üben. Wenn aber dann jeder Handgriff sitzt und die Aufnahmen gut werden, macht das Filmen richtig Spaß!

Wir werden nun im Folgenden zwei Möglichkeiten vorstellen, wie man eine Kamera im Raum positionieren und handhaben kann. Die erste Möglichkeit besteht darin, eine stationäre

Überblickskamera zu installieren, die von keiner weiteren Person bedient werden muß. Auf diese Weise kann man selbstständig den eigenen Unterricht aufzeichnen. Die zweite Möglichkeit bezieht sich darauf, eine weitere Person zu bitten, Aufzeichnungen durchzuführen. Auf diese Weise kann man mit einer beweglichen Kameraführung arbeiten und so das Geschehen im Klassenzimmer häufig detaillierter erfassen.

Aufzeichnungen vom Unterricht bieten aber weniger Information, wenn man das, was im Unterricht geschehen ist, nicht verstehen kann. Häufig unterschätzt man die Wichtigkeit guter Tonaufnahmen auf den Videobändern. Aus diesem Grund werden wir kurz darauf eingehen, wie man eine gute

Tonqualität erreichen kann.

Die Ausführungen beziehen sich dabei auf die Erfahrungen, die wir in unserem eigenen Forschungsprojekt mit Videoaufnahmen gemacht haben, sowie auf das Vorgehen in der TIMS- Videostudie (Stigler et al., 1995). Im Projekt „Lehr-/ Lernprozesse im Physikunterricht“ (Prenzel, Duit, Euler & Lehrke, 1999) setzen wir gleichzeitig beide Formen der Kameraführung ein. Das Filmen mit zwei Kameras hat nicht nur den Vorteil, daß man noch mehr Informationen über das

Klassengeschehen erhält, sondern auch, dass man eine zusätzliche Perspektive einnehmen kann.

Die Stationäre Überblickskamera

Beim Einsatz einer Stationären Überblickskamera kann man zum Ziel haben, möglichst viel vom Klassengeschehen zu filmen. Je nachdem, welche Ziele man mit den Aufzeichnungen verfolgt, kann diese eine unterschiedliche Perspektive zur Folge haben.

Position, Einstellung und Bewegung der Überblickskamera

Für die Überblickskamera gilt es, eine gute Position im Klassenzimmer zu finden. Je nach eigenen Zielstellungen bieten sich hier unterschiedliche Perspektiven an. Will man die Klasse in den Blick nehmen, sollte man die Kamera vorne an der Tafelseite, am besten am Eckpunkt zwischen Fenster- und Tafelseite, aufstellen.

Im Gegensatz dazu kann man die Kamera an der hinteren Wand, Ecke Fensterseite positionieren, wenn man sich selbst als Lehrkraft zusammen mit der Klasse in den Blick nehmen möchte. Allerdings kann man bei dieser Position die Gesichter der Schülerinnen und Schüler nicht sehen.

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Mit der Überblickskamera erreicht man einen guten Überblick, indem man sie auf einem Stativ möglichst weit nach oben bewegt und eine maximale Weitwinkeleinstellung wählt. Die Kamera bleibt während der Aufnahmen stationär, d.h. sie wird nicht bewegt.

Die bewegliche Kamera für Interaktionen im Klassenzimmer

Neben einer Überblickskamera kann man auch eine bewegliche Kameraführung wählen, um Interaktionen im Klassenzimmer besser erfassen zu können, die sogenannte Zone-Of-Interaction Kamera (ZOI). Diese Kameraführung wurde beispielsweise bei der TIMS-Videostudie eingesetzt.

Unter dem Begriff Interaktion werden nicht nur die verbale Kommunikation oder das

zwischenmenschliche Handeln, sondern auch die aktuelle Beziehung zwischen Elementen im Bild verstanden. Eine Interaktion kann also sowohl zwischen Personen als auch zwischen Personen und Objekten stattfinden, z.B. wenn die Lehrperson über Inhalte an der Tafel referiert.

Beim Filmen gibt es dazu zwei Grundprinzipien:

Prinzip 1: Die Perspektive des idealen Schülers dokumentieren

Man sollte bei der Aufnahme versuchen, sich in die Lage des idealen Schülers hineinzuversetzen, um zu entscheiden, wie die Kamera am besten ausgerichtet werden sollte.

Ein idealer Schüler wird seine Aufmerksamkeit auf die Lehrkraft richten, wenn z.B. neuer Stoff von der Lehrkraft durchgenommen wird. Er wird aber auch selbständig an seinem Platz arbeiten, wenn er dazu aufgefordert wird.

Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass einzelne Schüler sich zum selben Zeitpunkt der Schulstunde unterschiedlichen Aufgaben widmen. Beispielsweise kann sich der Großteil der Schüler mit einem typischen Experiment auseinander setzen, während eine kleinere Gruppe dieselbe

Gesetzmäßigkeit in einer anderen, speziellen Abwandlung des Experiments untersucht. In diesem Falle ist die Kamera hauptsächlich auf die primäre, vorherrschende Tätigkeit zu richten. Trotzdem sollte aber auch ein kurzer Eindruck von der sekundären Tätigkeit eingefangen werden. Wenn es keine klare primäre Tätigkeit gibt, sollte man versuchen, von jedem etwas zu filmen. Allerdings kommt diese letzte Situation eher selten vor.

Prinzip 2: Die Instruktionen der Lehrkraft erfassen

Unabhängig von den Tätigkeiten der Schüler sollten auf jeden Fall die Instruktionen der Lehrkraft auf dem Video zu erkennen sein. Der ideale Schüler wird viel Zeit damit verbringen, die Lehrkraft im Blick zu haben. Allerdings gibt es Situationen, bei denen dies nicht der Fall ist, z.B. wenn die Schüler Stillarbeit machen und die Lehrkraft den Schülern vereinzelt Hilfe gibt. Die Kamera ist zwar dann auf die Klasse zu richten, aber die Lehrkraft sollte trotzdem dabei im Blickfeld sein, damit ihre

Instruktionen gefilmt werden.

Die Position der ZOI-Kamera

Die Position, die in den meisten Situationen einsetzbar ist, ist die 1/3 Position. Von dieser Position aus können die Tafel (von der Seite) und die Lehrkraft videographiert werden, also das vordere Drittel des Klassenraumes. Die Kamera kann aber mit Leichtigkeit auch die anderen 2/3 Drittel der Klasse filmen, wenn dies erwünscht ist.

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Es kann aber auch sein, dass die 1/3-Position nicht möglich oder ungünstig ist. Man sollte sich deswegen vor dem Filmen Informationen über die Einrichtung der Klassenräume (U-Form, Tischgruppen usw.) und über die Aktivitäten während der Stunde einholen, um die beste Kameraposition herauszufinden.

Wichtig ist dabei, dass die Tafel oder andere Hilfsmittel, die Lehrkraft und einige von den Schülern gleichzeitig gefilmt werden können. Ebenso sollte die Möglichkeit bestehen, andere Gebiete des Klassenraums zu filmen. Auf keinen Fall ist die Kamera mitten im Raum zu platzieren. Eine Ablenkung der Schüler und der Lehrkraft durch die Kamera sollte möglichst vermieden werden.

Das Licht und die Sicht

Die Kamera wird normalerweise auf der Fensterseite aufgestellt. Wenn der Raum auf beiden Seiten Fenster hat, ist auf den Lichteinfall zu achten, damit nicht gegen die Sonne gefilmt wird.

Es ist auch zu vermeiden, dass die Sicht durch einzelne Schüler eingeschränkt wird. Sitzen einige Schüler direkt vor der Kamera, kann man unter Umständen einige Schüler umsetzen.

Die Einstellung der Kamera sollte sicherstellen, dass die Gesichter von zumindest einigen Schülern im Bild zu sehen sind.

Es ist vorteilhaft, wenn man vor der Stunde erfährt, ob die Lehrkraft Rechts- oder Linkshänder ist. So kann man sich mit der Kamera soweit wie möglich darauf einstellen und vermeiden, dass die Lehrkraft die Tafel mit ihrem Körper abdeckt.

Kameraeinstellung

In der Regel werden die Aufnahmen möglichst mit maximalem Weitwinkel aufgenommen. Mit dieser Weitwinkel-Einstellung erhält man die umfangreichste Information über das Klassengeschehen.

Nahaufnahmen kommen nur dann in Frage, wenn kleinere Objekte (Tafelbild etc.) erfasst werden sollen. Wenn die Schrift oder Bilder an der Tafel sehr klein sind, kann es sogar vonnöten sein, die Inhalte ganz nah heranzuzoomen und dabei auf die Lehrperson zu verzichten. Oft reicht aber ein mittlerer Zoom aus, um die Inhalte zu erfassen.

Tafelbild

Beim Zoomen eines Tafelbildes muss man als filmende Person Geduld aufbringen. Das Tafelbild sollte erst dann gefilmt werden, wenn die Inhalte fertig geschrieben oder gezeichnet sind. Bis dahin wird im Normalfall der Weitwinkel beibehalten.

Ausnahme: Wenn das Anfertigen des Tafelbildes bedeutsam für das Verständnis der Inhalte sein sollte, ist ein Zoomen gerechtfertigt. Auf jeden Fall muss das fertig gestellte, vollständige Tafelbild festgehalten werden! Um sicher zu gehen, dass die Tafelinhalte lange genug gefilmt werden und die Informationen für den späteren Beobachter lesbar sind, ist eine gute Daumenregel, die Kamera so lange auf das Tafelbild gerichtet zu halten, bis man selbst die Information gelesen hat oder sie sich mental vorstellen kann. Aber Vorsicht! Ein gängiger Fehler beim Filmen ist, zu häufig, zu nah und zu lange zu zoomen.

Overheadprojektor

Generell sollte man sich beim Filmen im Falle eines Overheadprojektors an die gleichen Regeln wie für das Filmen des Tafelbildes halten. Allerdings stellt das Filmen in diesem Fall eine größere Herausforderung für die Kamera dar. Die Blende braucht mehr Zeit, um sich auf die an die Wand projizierten Inhalte einzustellen. Deswegen empfiehlt es sich, die Kamera während des Filmens statisch zu halten und unnötiges Zoomen zu vermeiden. Wenn vorausgesehen werden kann, dass bald die nächste Folie aufgelegt wird, belässt man die Kamera in der Stellung. So muss die Blende nicht ständig angepasst werden.

Bewegungen mit der ZOI-Kamera

Während des Filmens wird möglichst der maximale Weitwinkel behalten. Zum einen, weil dann eine Aufnahme mit gutem Informationsgehalt gewährleistet ist, und zum anderen, weil man dadurch eine Ablenkung der Personen durch das Zoomen und die Bewegungen vermeidet. Ist die Kamera auf Weitwinkel eingestellt, sind nur geringe Kamerabewegungen nötig, um das Klassengeschehen

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„einzufangen“. Ist die Kamera auf Nahaufnahme eingestellt, muss man sie oft wesentlich mehr schwenken, was sich auf dem Video störend auswirkt. Deswegen sollte man in vielen Fällen erst die Kamera zurück in Weitwinkelposition bringen, bevor sie anschließend geschwenkt wird.

Langsames Zoomen wirkt ebenfalls weniger lästig als schnelles Zoomen. Um ein wichtiges Geschehen nicht zu verlieren, ist aber ein schnelles Zoomen manchmal nötig.

Um eine weiche Kameraführung zu erreichen, ist es wichtig, dass die Bewegung der Kamera von Seite zu Seite oder auf- und abwärts mit dem Zoomen koordiniert wird:

 Wird eingezoomt muss gleichzeitig die Kamera aufwärts gerichtet werden, um die Inhalte im Bild zu behalten.

 Wird von der Nahaufnahme wieder auf Weitwinkel eingestellt, muss die Kamera dabei abwärts gerichtet werden.

 Zudem kann es sein, dass die Kamera zusätzlich horizontal bewegt werden muss.

Achtung! Die Koordination von Kamerabewegung und Zoomen könnte insbesondere beim Unterricht im Hörsaal problematisch sein. Zum einen ist dort der Abstand zwischen der ersten Schülerreihe und der Lehrkraft gewöhnlich größer als im normalen Klassenzimmer, und zum anderen ist die

Ausrichtung der Sitzreihen meist schräg nach oben verlagert.

Filmen per Hand

Generell sollte die Kamera auf dem Stativ bleiben. Wenn die Schüler aber beispielsweise auf dem Fußboden arbeiten, sich vor einem PC versammeln o.Ä. kann es notwendig sein, per Hand zu filmen.

Dann sollte man vorsichtig die Kamera von dem Stativ lösen, ohne das Filmen zu unterbrechen. Diese Lösung sollte freilich nur dann gewählt werden, wenn absehbar ist, dass die Situation von gewisser Dauer ist, denn diese Art von Videographieren ist sehr störanfällig und kann zusätzlich in der Klasse lästig wirken.

Die Tonaufnahme

Zu einer guten Aufnahme gehört auch ein guter Ton. Die Kameraausrüstung in der Studie „Lehr-/

Lernprozesse im Physikunterricht“ umfasst beispielsweise zwei Klassenmikrophone und ein Lehrermikrophon, die bei richtiger Positionierung für eine gute Tonqualität sorgen. Die zwei Klassenmikrophone werden ebenfalls nach dem 1/3 Prinzip so an der Seite aufgestellt, dass sie möglichst weit nach oben und in den Raum hinein reichen, ohne den Kamerablick oder die Schüler bzw. die Lehrkraft zu stören.

Ein Klassenmikrophon wird zusammen mit einem weiteren Lehrermikrophon an die ZOI-Kamera gekoppelt. Das andere Klassenmikrophon wird an die Ü-Kamera angeschlossen.

Die Kabel sollten möglichst so ausgelegt sein, dass sie keine Stolperfallen bereiten. Gegebenenfalls sollten sie auf dem Fußboden mit Klebeband befestigt werden.

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Beobachtungsmethoden – Evaluation mit Videoaufzeichnungen

Was macht man nun mit einem Regal voller Unterrichtsaufzeichnungen? Grundlage für jegliche Auswertungen von Videoaufzeichnungen bildet die Beobachtung, schließlich wollen wir etwas sehen, den Unterricht beobachten.

Im Folgenden werden drei Vorgehensweisen für Auswertungen von Unterrichtsaufzeichnungen vorgestellt. Zum ersten die Selbstevaluation, zweitens die halbstandardisierte Beobachtung und drittens die standardisierte Beobachtung. Für alle drei Vorgehensweisen wird dargestellt, was man darunter zu verstehen hat, wie man diese Form derAuswertung durchführt, wann diese

Auswertungsform günstig erscheint und welche Aussagen jeweils getroffen werden können.

Beobachten – Was bedeutet das?

In der deutschen Sprache sind z.B. eine Reihe von Begriffen mit dem Wort „Beobachten“ verbunden:

etwas wird „angestarrt“, „betrachtet“, „im Auge behalten“, „fixiert“, „erspäht“, „beäugt“, „unter die Lupe genommen“, „angeglotzt“, „erblickt“, usw. Diese Begriffe unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Zielgerichtetheit und Aufdringlichkeit. Mit Beobachtung verbinden wir etwas aktives, also nicht beiläufiges. Beim Beobachten lenken wir unsere Aufmerksamkeit zielgerichtet auf ein Objekt, in diesem Falle auf den Unterricht.

Beobachten an sich stellt für Videoanalysen in der Unterrichtsforschung eine wichtige Grundlage dar.

In der Forschung bedeutet Beobachten nicht, einfach „irgendwie“ zu beobachten, vielleicht rein zufällig etwas zu beobachten oder planlos zu beobachten. Vielmehr bemüht man sich, die

Beobachtungen so systematisch wie möglich durchzuführen, also zielgerichtet, methodisch kontrolliert und reflektiert. Die Wahrnehmung des Menschen erleichtert die Systematische Beobachtung nicht unbedingt. Vielmehr müssen wir uns darüber im Klaren sein, daß jegliche menschliche Wahrnehmung subjektiv ist.

Mit dem Begriff des Beobachtens verbinden sich automatisch Gesetze der

Wahrnehmungspsychologie. Auf uns strömen in jedem Moment tausende von Sinneseindrücken ein, so daß wir aus diesem Übermaß an Informationen Wesentliches herausfiltern müssen. Schon allein aus diesem Grund ist Wahrnehmung an sich sehr subjektiv. Unsere Absichten steuern die

Aufmerksamkeit, und durch unsere Absichten wird die Selektion bestimmt. Dieser Bereich ist von verschiedenen Forschungsrichtungen der Allgemeinen Psychologie intensiv untersucht worden.

Aus der Subjektivität der Wahrnehmung läßt sich für Beobachtungsmethoden ein wichtiger Schluß ziehen: daß eine Beobachtung so gut wie nie einer „realitätsgenauen Abbildung“ des zu

Beobachtenden entspricht. Für die Nutzung von Videodaten bedeutet dies, daß man bei jeder

Beobachtung Entscheidungen darüber trifft, was ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt und wie das Beoachtete zu interpretieren und zu deuten ist. Die „Systematische Beobachtung“ hat zum Ziel, genau zu erkennen und festzuhalten, was ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken soll und wie man

beobachtete Dinge zu interpretieren hat. Dabei versucht man, die Subjektivität der Beobachtung möglichst einzuschränken und zu kontrollieren (Bortz & Döring, 1995).

Ich will selbst meinen Unterricht evaluieren - Selbstbeobachtung

Was versteht man unter einer Selbstbeobachtung?

Will man den eigenen Unterricht selbst evaluieren, handelt es sich meist um die Situation, daß man als Lehrkraft den eigenen Unterricht aufgezeichnet hat und nun die eigenen Aufnahmen auswerten bzw.

analysieren möchte. Die Auswertung wird darauf beziehen, wie man selbst den eigenen Unterricht wahrnimmt und wie man die Ereignisse aus eigener, subjektiver Sicht bewertet.

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Wie führt man eine Selbstbeobachtung durch?

Die Selbstbeobachtung sollte, wenn möglich, systematisch, also mit gezielten Fragen für die Beobachtung durchgeführt werden. Das kann beispielsweise bedeuten, daß man sich Gedanken darüber macht, welche Ziele man in dieser Stunde erreichen wollte, ob man sie umsetzen konnte, an welchen Stellen Schwierigkeiten aufgetreten sind, an welchen Stellen man eigene Ziele gut umsetzen konnte, usw. .

Man kann sich also grundsätzlich sehr viele Fragen stellen. Wichtig ist nur, daß man sich Fragen stellt.

Ansonsten verläuft eine Selbstbeobachtung wenig zielorientiert. Gerade wenn man den eigenen Unterricht häufiger analysieren möchte, kann man durch genaue Fragen eine bessere Vergleichbarkeit erreichen und somit auch Entwicklungen an sich entdecken. Von Bedeutung ist hierbei auch, daß man eigene Beobachtungen anhand der Fragen, mit denen man an die eigene Videoaufzeichnung herantritt, dokumentiert.

Zusammenfassend: Welche Schritte sollte man beispielsweise bei der Durchführung einer Selbstbeobachtung beachten?

 Nehmen Sie sich eine feste Beobachtungseinheit vor (z.B. eine Unterrichtsstunde)

 Stellen Sie gezielte Fragen (z.B. „Welche Art von Rückmeldungen erhalte ich von meinen Schülern?“)

 Analysieren Sie die Videoaufzeichnung anhand einzelner Fragen

 Dokumentieren Sie Ihre Wahrnehmung, ihre Eindrücke und Empfindungen Wann bietet sich diese Form der Auswertung an?

Diese Form von Unterrichtsevaluation bietet sich beispielsweise an, wenn man noch nie Aufnahmen vom eigenen Unterricht gemacht hat und einen ersten „Versuch“ unternehmen möchte, sich selbst zu evaluieren. Aufnahmen von sich zu machen, sich selbst auf dem Video zu sehen und die Aufnahmen zu evaluieren, kostet für die meisten Menschen Überwindung. Allerdings gilt auch hier eine alte Weisheit: „Übung macht den Meister“. Je häufiger man den eigenen Unterricht aufzeichnet und sich selbst im Unterricht „sieht“, desto routinierter werden die Aufnahmen und desto mehr gewöhnt man sich daran, sich selbst im Video zu sehen.

Welche Aussagen kann ich mit dieser Auswertung treffen?

Führt man eine Selbstbeobachtung zielorientiert, also anhand präziser Fragen, die man an den eigenen Unterricht stellt, durch, bietet sich dadurch eine sehr gute Möglichkeit, Entwicklungen an sich selbst, an der Klasse und an den gemeinsamen Interaktionen festzustellen.

Der Nachteil der Selbstbeobachtung liegt allerdings darin, daß Dokumentationen und Analysen subjektiv und damit weniger kontrollierbar sind. Die Frage nach der Objektivität der Beobachtung stellt sich in jedem Fall. Selbstbeobachtungen sind „störanfällig“, sie können zum Beispiel von aktuellen Gefühlen und Erlebnissen beeinflusst werden. Sie sind um so mehr störanfällig, je unsystematischer sie durchgeführt werden. Das bedeutet, daß die Aussagen, die durch eine

Selbstbeobachtung über den Unterricht getroffen werden, auf die Wahrnehmung und die Bewertung einer einzigen Person beschränkt bleiben und keine allgemeine Gültigkeit besitzen.

Aus diesem Grund bietet es sich an, den eigenen Unterricht zusätzlich von „außenstehenden“

Personen, seien es Kolleginnen und Kollegen an der eigenen Schule oder Forschergruppen, evaluieren zu lassen. Diese Evaluation kann dann systematisch durchgeführt werden, so daß weitergehende Aussagen über den Unterricht getroffen werden können.

Wir wollen unseren Unterricht in der Gruppe evaluieren – in Form einer halbstandardisierten Beobachtung

Was versteht man unter einer halbstandardisierten Beobachtung?

Bei dieser Form der Beobachtung von Unterricht kann es sich beispielsweise um die Situation handeln, daß eine Gruppe von Lehrkräften eigene Unterrichtsaufzeichnungen besprechen und evaluieren möchte. Das Ziel der Gruppe kann sein, daß man an einem gemeinsamen Projekt, zum

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naturwissenschaftlichen Unterrichts“ (BLK-Kommission für Bildungplanung, 1997) arbeitet und in Zuge dieser Projektarbeit Entwicklungen evaluieren möchte.

Im Gegensatz zu einer standardisierten Beobachtung verzichtet man bei dieser Form der Beobachtung auf exakte Richtlinien, wie der Unterricht zu analysieren und zu werten ist. Das bedeutet, daß man mit relativ „offenen“ Fragen an das Videomaterial herantritt, ohne exakte Anweisungen, nach welchen Kriterien und Kategorien man den Unterricht evaluiert. Für unterrichtende Personen kann diese Form der Beobachtung sinnvoll sein, wenn man den Zeitaufwand für die Unterrichtsanalysen gering halten möchte.

Im Gegensatz zur Selbstbeobachtung sind in diesem Fall immer mehrere Personen an der Evaluation der Unterrichtsaufzeichnungen beteiligt. Grundlegend ist, daß man durch den Einsatz mehrerer Beobachter versucht, die Wahrnehmung und Bewertung des Unterrichts zu „objektivieren“, sie also nicht mehr von der Wertung einer einzigen Person „färben“ zu lassen.

Wie führt man diese Form der Beobachtung durch?

Will man Unterrichtsaufzeichnungen in der Gruppe evaluieren, eröffnen sich für die Aufzeichnungen des Unterrichts neue Möglichkeiten. Man kann zum einen, ähnlich wie bei einer Selbstbeobachtung, eine statische Kamera einsetzen. Statisch bedeutet, daß die Kamera an einem Ort im Klassenzimmer platziert und das Bild fixiert wird. Die Kamera wird also von keiner Person geführt. Zum anderen kann man, wenn man sich dazu entschließt, weitere Personen den eigenen Unterricht beobachten zu lassen, eine bewegliche Kameraführung zur Aufzeichnung des Unterrichts einsetzen. Dies hat den Vorteil, daß man das Klassengeschehen detaillierter erfassen kann. (Es sei natürlich erwähnt, daß man auch bei der Selbstbeobachtung eine weitere Person bitten kann, den Unterricht aufzuzeichnen, die Auswertungen des Videomaterials aber alleine, selbstbeobachtend durchführt.)

Grundlage für die Auswertungen sollte wiederum sein, daß man möglichst zielorientiert vorgeht. Das bedeutet, daß man sich innerhalb der Gruppe abspricht, welche Fragen man durch die Aufzeichnungen des Unterrichts beantworten möchte und alle Aufzeichnungen der beteiligten Lehrkräfte anhand dieser Fragen auswertet.

Für das Vorgehen ergeben sich beispielsweise drei Möglichkeiten:

 Man zeichnet Unterrichtsstunden mit einer Kamera auf, evaluiert sich zunächst selbst im Sinne der Selbstbeobachtung und greift einzelne Situationen und Fragen heraus, die man gerne in der Gruppe besprechen möchte. Durch das Gruppengespräch kann man sich vergewissern, wie Kollegen oder „außenstehende“ Personen die Situation wahrnehmen und bewerten.

 Man zeichnet Unterrichtsstunden der beteiligten Lehrkräfte auf und evaluiert diese Aufzeichnungen gemeinsam in der Gruppe anhand präziser Fragestellungen.

 Man zeichnet die Unterrichtsstunden auf, jedes Gruppenmitglied wertet die einzelnen Aufzeichnungen alleine anhand der Fragen, auf die man sich zuvor geeinigt hat, aus. Danach bespricht man die Auswertungen in der Gruppe.

Wann bietet sich diese Form der Auswertung an?

Die halbstandardisierte Beobachtung bietet sich unter Umständen an, wenn mehrere Lehrkräfte ihren Unterricht gemeinsam evaluieren wollen. Gleichzeitig besteht aber nicht die Möglichkeit, die Aufzeichnungen standardisiert, d.h. anhand von genauen Beoachtungsrichtlinien und

Auswertungsschemata, auszuwerten. Einen Vorteil stellt die Situation dar, wenn mehrere

Lehrpersonen an einem gemeinsamen Unterrichtsprojekt arbeiten, zum Beispiel an einem Modul des BLK Programms „Effizienzsteigerung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts“. Durch die Aufzeichnungen der Unterrichtsstunden kann man die Entwicklungen der Gruppe verfolgen und vor allem sehen, wie die Umsetzung der geplanten Ideen und Vorhaben bei jedem einzelnen

Gruppenmitglied gelungen ist. Häufig entwickelt man in der Gruppe gute Ideen und Vorschläge, die man dann im Unterricht umsetzen möchte. Nicht selten kann es passieren, dass man Schwierigkeiten mit der Umsetzung der Ideen und Vorhaben im Unterricht hat. Das Medium der

Unterrichtsaufzeichnungen bietet in diesem Fall eine gute Möglichkeit, gerade diese Schwierigkeiten anhand der Videos mit den Kolleginnen und Kollegen zu besprechen. Grundlage für die

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Auswertungen sollten, ebenso wie bei der Selbstevaluation, gezielte Fragen darstellen, mit denen man an die Aufzeichnungen herantritt.

Welche Aussagen kann ich mit dieser Auswertung treffen?

Die Evaluation von Unterrichtsaufzeichnungen innerhalb einer Gruppe von Lehrkräften bietet im Vergleich zur Selbstbeobachtung die Möglichkeit, die „Objektivität“ der Auswertungen und damit die Aussagekraft der Bewertungen zu verbessern. Durch die Beteiligung mehrerer Personen an der Evaluation entbindet man die Wahrnehmung und Bewertungen der Ereignisse im Unterricht von einer einzelnen Person. Die Aussagen, die man auf diese Weise übe den Unterricht trifft, werden nicht nur von einer einzelnen Person festgestellt, sondern innerhalb einer Gruppe von Lehrkräften geteilt. Dies erhöht die Aussagekraft der Unterrichtsevaluation.

Zur Durchführung einer halbstandardisierten Beobachtung haben wir drei Varianten beschrieben, wobei jede Variante in unterschiedlichem Maße der Objektivität gerecht wird:

Vorgehen 1 stellt sozusagen eine Variante der Selbstbeobachtung dar. Im Wesentlichen evaluiert sich die Lehrperson selbst, vergewissert sich aber innerhalb der Gruppe, ob die Wahrnehmung und Bewertung auch von anderen „außenstehenden“ Personen geteilt wird.

Beim Vorgehen 2 versucht man der Objektivität gerecht zu werden, indem nicht einzelne Personen alleine die Auswertungen vornehmen, sondern man sich innerhalb der Gruppe darauf einigen muss, welche Ereignisse man für die Fragestellungen als bedeutsam ansieht und wie man sie zu bewerten hat.

Vorgehen 3 bietet eine Annäherung an eine systematisiertere Evaluation der

Unterrichtsaufzeichnungen. Man trägt dabei dem Problem Rechnung, daß man sich innerhalb der Gruppe auch auf Ereignisse „einigen“ kann. Beim Vorgehen 3 versucht jeder Beobachter alleine anhand der vorher festgelegten Fragestellungen die Aufzeichnungen zu analysieren. Danach wird verglichen, ob die einzelnen Beobachter unabhängig voneinander die gleichen Ereignisse als

bedeutsam gewertet haben. Dieses Vorgehen bietet die beste Möglichkeit, den Unterricht so „objektiv“

wie möglich zu evaluieren.

Die Durchführung dieser Form der Beobachtung hat allerdings auch Nachteile. Erstens bezieht man bei den Auswertungen zwar mehrere Personen hinzu, allerdings handelt es sich bei gemeinsam an einem Projekt arbeitenden Lehrkräften meist um „involvierte“ Personen. Das bedeutet, daß alle Lehrkräfte an einer gemeinsamen Zielstellung arbeiten und somit ihre Arbeit im Projekt oder in der Gruppe weniger „objektiv“ wahrnehmen als außenstehende Personen, die in diese Aktivitäten nicht eingebunden sind. Den zweiten Punkt betrifft die Genauigkeit der Auswertungen, die in der Form der halbstandardisierten Beobachtung und der Selbstbeobachtung erreicht werden. Man arbeitet in beiden Fällen mit offenen Fragen, anhand derer man die Wahrnehmungen, Eindrücke und Empfindungen dokumentiert. Im wissenschaftlichen Bereich versucht man, die Genauigkeit der Auswertungen zu verbessern, indem man Unterrichtsaufzeichnungen standardisiert, d.h. anhand genauer

Auswertungsschemata und Beobachtungsrichtlinien, evaluiert. Diese Evaluationsmöglichkeit wird nun im folgenden dargestellt.

Wir wollen unseren Unterricht systematisch evaluieren - in Form einer standardisierten Beobachtung

Was versteht man unter einer standardisierten Beobachtung?

Am Anfang dieses Kapitels zu Beobachtungsmethoden wurde hervorgehoben, daß Beobachten von Unterricht schon allein aufgrund der menschlichen Wahrnehmung subjektiv ist. Im wissenschaftlichen Bereich versucht man deshalb, genau zu erkennen und festzulegen, was man beobachten will und wie man beobachtete Ereignisse wertet. Durch eine standardisierte Beobachtung soll sichergestellt werden, daß auch Außenstehende, nicht an der Beobachtung teilnehmende Personen, die Beobachtung und deren Interpretation zumindest theoretisch nachvollziehen können.

Wie führt man eine standardisierte Beobachtung durch?

Führt man eine standardisierte Beobachtung durch, stützt man sich auf genaue Vorschriften, was

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wird in einzelne Segmente oder Ereignisse zerlegt, die im Fokus der Beobachtung stehen. In Segmente gliedert man das Videomaterial dann, wenn man sich auf einen Zeitstichprobenplan festgelegt hat. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, das Material in 10-Sekunden Segmente zu zerlegen. Bei einem Ereignisstichprobenplan wird das Material nach einzelnen Ereignissen („events“) eingeteilt und diese dann weiter analysiert (Wild, 1999).

Bei beiden Stichprobenarten („time-sampling“ oder „event-sampling“) müssen Interpretationen und Deutungen durch Vorgabe von (1) Zeichensystemen, (2) Kategoriensystemen oder (3) Schätz-Skalen erleichtert werden.

 Zeichensysteme

Man registriert eines oder mehrere bestimmte Ereignisse und evtl. deren Dauer. Der andere Teil des Verhaltens ist für die Analyse irrelevant (Ereignisstichprobe) (z. B. Experimentalsituationen: ja/nein + Dauer in Minuten)

 Kategoriensysteme

Jedes auftretende Verhalten wird nach festgelegten Kategorien klassifiziert. Für einzelne

Verhaltensweisen existiert eine Kategorie. Das gesamte Video wird entsprechend der aufgestellten Kategorien klassifiziert.

 Schätz-Skalen (Rating-Verfahren)

Die Beobachter stellen ein relevantes Verhalten fest und beurteilen den vorher festgelegten Ausprägungsgrad (z.B. Klassenklima negativ – neutral – positiv).

(Rost, Vorlesung 90/91)

Beispiel für ein Kategoriensystem aus der TIMS-Videostudie (Stigler et al., 1996)

Kategorien Kodierungen Kürzel

Klassenorganisation  Vor Unterrichtsbeginn

 Unterricht

 Nach dem Unterricht

Pre-LA LA Post-LA Organisation der

Interaktion

 Klassengespräch

 Stillarbeit

 Gruppenarbeit

CW SW: I SW: G Aktivitäten  Vorbereiten

 Aufgaben bearbeiten

 Bearbeitete Inhalte werden ausgetauscht

 Lehrervortrag/ -demonstration

Setting up Working on Sharing Teacher talk / demonstration Mathematischer Inhalt  Prinzipien / Eigenschaften /

Definitionen

 Situationen

 Aufgaben

 Alternative Lösungsmethoden von Seiten der Schüler

 Alternative Lösungswege von Seiten der Lehrkraft

 Hausarbeiten

PPD S T SGSM TASM HS

Grundlage einer standardisierten Beobachtung bildet die Objektivität der Unterrichtsauswertungen.

Dazu müssen mindestens zwei Beobachter gleiche Kategorisierungen und Bewertungen des

Unterrichts vornehmen. Dabei ist zumeist eine Schulung der beteiligten Beobachter unerlässlich. Zur Entwicklung und Erprobung von Beobachtungsrichtlinien verweist Pinther (1980) auf folgendes Vorgehen:

 Ohne Vorkenntnisse Videoaufzeichnungen beobachten (Freie Beobachtung).

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 Darstellung der zu verwendenden Beobachtungsindikatoren und Kategorien, Begründung und Diskussion.

 Brauchbarkeit der Beobachtungskategorien und Indikatoren dann an Probeaufnahmen überprüfen.

Ursachen unterschiedlicher Kategorisierungen sind zu klären.

 Abschließende Generalprobe unter „Ernstbedingungen“. Falls erforderlich, die Beobachtungskategorien und -schemata neu überarbeiten.

Zumeist werden der Stellenwert und der Aufwand des Beobachtungstrainings unterschätzt. Das Beobachtertraining ist allerdings die notwendige Grundlage für zufriedenstellende

Beobachterübereinstimmungen (Bortz & Döring, 1995).

Wann bietet sich diese Form der Auswertung an?

standardisierte Beobachtungen werden hauptsächlich im wissenschaftlichen Bereich angewandt.

Durch diese Form der Auswertungen können allgemeingültigere Aussagen über Unterricht getroffen werden als durch die Selbstbeobachtung oder der halbstandardisierten Beobachtung. Standardisierte Beobachtungen sind allerdings mit einem erhöhten Zeitaufwand verbunden, die

Beobachtungsrichtlinien müssen entwickelt, erprobt und angewandt werden, die Beobachter sollen geschult sein, die Unterrichtsaufzeichnungen wollen systematisch ausgewertet werden.

Will man die Unterrichtsaufzeichnungen standardisiert auswerten, bietet es sich unter Umständen auch an, Kontakt mit einer Forschergruppe aufzunehmen. Auf diese Weise haben beide Seiten einen Vorteil: Forschergruppen, indem Untersuchungen zu Unterrichtsprozessen durchgeführt werden können. Gruppen von Lehrpersonen, die durch das Forscherteam meist hochwertige Aufzeichnungen des Unterrichts erhalten und diese für interne Auswertungen weiter nutzen können. Zudem sind Forschergruppen meist theoretisch und konzeptionell in ein bestimmtes Gebiet eingearbeitet (z.B. in die Interessenförderung von Mädchen im Physikunterricht) und können dadurch spezifischere Auswertungen vornehmen. Diese Auswertungen können für Lehrkräfte neue Einblicke in das Unterrichtsgeschehen eröffnen, die ohne Beteiligung dieser Personen nicht erreicht worden wäre.

Welche Aussagen kann ich mit dieser Auswertung treffen?

Im Vergleich zur Selbstbeobachtung und auch zur freien Beobachtung gewährleistet eine standardisierte Beobachtung am ehesten, daß Unterrichtsaufzeichnungen möglichst objektiv durchgeführt werden.

Objektivität meint dabei nicht „höhere Wahrheit“, sondern eine Konsensbildung zwischen zwei oder mehreren Personen. Als Instrument für die Objektivität dient die Beobachterübereinstimmung (Bortz

& Döring, 1995). Meist wird unterschätzt, wie schwer es sein kann, daß zwei Beobachter eine Unterrichtsstunde exakt gleich beurteilen. Um dies zu erreichen, ist, wie schon erwähnt, die Beobachterschulung eine wichtige Grundlage. Außerdem erleichtern möglichst präzise formulierte Beobachtungsschemata die Auswertungen, weil sich dadurch mehrere Beobachter auf ein

gemeinsames Raster stützen.

Abschließende Bemerkungen

In diesem Kapitel wurden verschiedene Möglichkeiten und Herangehensweisen dargestellt, wie man Unterrichtsaufzeichnungen auswerten kann. Die drei Auswertungsverfahren unterscheiden sich nach der Anzahl der beteiligten Beobachter und dem Grad der Objektivität, der durch die Auswertungen erreicht wird. Allen drei Verfahren ist allerdings gemeinsam, daß präzise Fragen die Grundlage für jegliche Auswertungen bilden.

Videoaufzeichnungen bieten ein großes Potential an Informationen. Dieses Potential bietet viele Möglichkeiten, aber auch etliche Schwierigkeiten im Umgang mit der Informationsmenge.

Forschungsprojekte, die sich der Methoden der Videoaufzeichnungen bedienen, stehen häufig vor dem Problem, nur einen kleinen Anteil der Aufzeichnungen systematisch und standardisiert aufgewertet zu haben. Dies mag zum einen an der zeitlichen Begrenzung der Projektdauer liegen, zum anderen auch daran, daß Fragestellungen und Auswertungsschemata wenig präzise formuliert wurden. Ungenaue Fragestellungen und Auswertungsschemata verleiten dazu, anhand einer Videoaufzeichnung „alles auf einmal“ auswerten zu wollen. Stellt man sich nun vor, daß man ein Regal voller Videoaufzeichnungen

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Auswertungen, sprichwörtlich das gesamte Regal, analysieren und sich dann die nächste Fragestellung vornehmen. Auch wenn man nur eine einzige Unterrichtsstunde auswerten möchte, kann man ohne präzise Fragen in die Situation geraten, daß sich diese einzige Stunde in ein ganzes Regal verwandelt.

Man ist auch bei einer einzigen Aufnahme nicht davor geschützt, sich nicht in Einzelheiten zu verlieren.

Insgesamt bietet die Methode der Videoaufzeichnung von Unterricht allerdings eine gute Möglichkeit, sich selbst im Unterricht oder den Unterricht anderer Kolleginnen und Kollegen zu evaluieren.

Während des Unterrichts ist es sehr schwierig, sich neben der Unterrichtsführung auch noch auf sich selbst und auf die Evaluation des Unterrichts zu konzentrieren. Aufzeichnungen vom eigenen Unterricht erlauben es, daß man den Unterricht in Ruhe selbst oder zusammen mit anderen

Kolleginnen und Kollegen evaluieren kann. Auf alle Fälle bieten die Aufzeichnungen die Möglichkeit, eigene Entwicklungen an sich als unterrichtende Person zu beobachten: Zu sehen, welche

Schwierigkeiten man in der Umsetzung eigener Vorhaben hatte. Zu beobachten, was man in der Stunde gut umsetzen konnte. Festzustellen, an welchen Stellen es den Schülerinnen und Schülern richtig Spaß gemacht hat, im Unterricht zu sein und zu lernen.

Literatur

Bortz, J., & Döring, N. (1995). Forschungsmethoden und Evaluation für Sozialwissenschaftler. Berlin:

Springer.

Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung. (1997). Gutachten zur Vorbereitung des Programms "Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts". Bonn: Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung.

Pinther, A. (1980). Beobachtung. In W. Friedrich & W. Hennig (Eds.), Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß . Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften.

Prenzel, M., Duit, R., Euler, M., & Lehrke, M. (1999). Lehr-Lern-Prozesse im Physikunterricht. Eine Videostudie. Projektantrag an die DFG . Kiel: IPN.

Stigler, J., Fernandez, C., (1995). TIMSS Videotape Classroom Study – Field Test Report.

Unpublished Manuskript.

Wild, K., -P. (1999). Catmovie 3. Eine Software zur Unterstützung der Kodierung digitalen Videomaterials (Gelbe Reihe: Arbeiten zur Empirischen Pädagogik und Pädagogischen Psychologie, Nr. 40). Neubiberg: Universität der Bundeswehr, Institut für Psychologie und Erziehungswissenschaft.

Referenzen

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