Verschränkte Zustände:
Von Einsteins spukhafter Fernwechselwirkung bis zur Anwendung in der Quantenkryptographie
Die Quantenmechanik ist eine der am besten getesteten physikalischen Theorien Also wo ist das Problem?
Die Vorhersagen der Quantenphysik stehen oft im eklatanten Widerspruch zu unserer Intuition und Erfahrung. Das hat z.B. R. Feynman veranlasst zu sagen:
” I think I can safely say that nobody today understands quantum physics”
oder Rodger Penrose: “..the theory makes absolutely no sense”
Was haben Pioniere der Quantenphysik dazu gesagt?
F.Eisele 6.2.10
Niels Bohr
Paul Dirac
Einstein + Bohr
Diese Überzeugung hat Einstein bis zu seinem Tode nicht aufgegeben – und es gab für ihn auch keinen Grund dafür.. experimentell war nichts entschieden
A. Einstein
Einstein beweist hier mit einem Gedankenexperiment unter sehr ‘vernünftigen’
Annahmen, dass die Voraussagen der Quantenmechanik für verschränkte Zustände zu einem Widerspruch führen. Er schliesst daraus, dass die
Quantenmechanik nicht ‘vollständig’ sein kann… d.h. es muss eine
grundlegendere Theorie geben, welche diese Widersprüche löst und die Quantenmechnik als Teilantwort enthalten muss.
Erwin Schrödinger (1935): verschrӓnkte Systeme mit grossen Objekten
„
Man kann auch ganz burleske Fälle konstruieren. Eine Katze wird in eine Stahlkammer gesperrt, zusammen mit folgender Höllenmaschine (die man gegen den direkten Zugriff der Katze sichern muß): in einem Geigerschen Zählrohr befindet sich eine winzige Menge radioaktiver Substanz, so wenig, daß im Laufe einer Stunde vielleicht eines von den Atomen zerfällt, ebenso wahrscheinlich aber auch keines; geschieht es, so spricht das Zählrohr an und betätigt über ein Relais ein Hämmerchen, das ein Kölbchen mit Blausäurezertrümmert. Hat man dieses ganze System eine Stunde lang sich selbst überlassen, so wird man sich sagen, daß die Katze noch lebt, wenn inzwischen kein Atom zerfallen ist.
Der erste Atomzerfall würde sie vergiftet haben. Die Psi- Funktion des ganzen Systems würde das so zum Ausdruck bringen, daß in ihr die lebende und die tote Katze (s. v. v.) zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert sind. Das Typische an solchen Fällen ist, daß eine ursprünglich auf den Atombereich beschränkte Unbestimmtheit sich in
grobsinnliche Unbestimmtheit umsetzt, die sich dann durch direkte Beobachtung entscheiden läßt. Das hindert uns, in so naiver Weise ein „verwaschenes Modell“ als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen“
E. Schrödinger, "Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik", Naturwissenschaften 23: pp.807-812; 823-828; 844-849 (1935)
Wo sind die Grenzen der Quantenwelt?
Beispiel : Bohm, Aharanov (1957)
Vorausetzung der Lokalität der Naturgesetze
Hier wird ganz
selbstverständlich die Lokalität der Wechselwirkung vorausgesetzt!
Dies scheint eine Forderung der
Relativitätstheorie
zu sein, wenn beide
Teilchen raumartig
getrennt sind.
Schlussfolgerung des Papiers
Wenn Einsteins Voraus- setzungen stimmen, dann sind seine
Schlussfolgerungen unausweichlich
Wie könnte dann die vollständige Theorie aussehen?
Einschub:
In den 50’er Jahren entwickelt David Bohm eine ‘deterministische Quantenmechanik’, in der die Eigenschaften jedes Teilchens
vollständig determiniert sind – allerdings abhängig von seinen nicht exakt bekannten Anfangsbedingungen, die hier die Rolle der
‘verborgenen Variablen’ spielen.
Es ist also möglich eine Theorie mit verborgenenVariablen zu formulieren, die das Messproblem löst.
Allerdings ist auch die Bohmsche Quantenmechanik nicht lokal!
Sie liefert auch in einem EPR Experiment dieselben
Vorhersagen wie die herkömmliche Formulierung der
Quantenmechanik.
Die Reaktion von Niels Bohr auf das EPR Papier war:
“ dann muss die Quantenmechanik eine nicht lokale Theorie sein!” -- was Einstein mit “spukhafter Fernwechselwirkung”
bezeichnete, an die er nicht glauben konnte.
Die Frage ist also:
Werden Physikalische Prozesse in der Natur durch eine nicht lokale Theorie beschrieben?
Darüber liessen sich lange Zeit philosophische Diskussionen
führen … man konnte an das Eine oder Andere glauben…
John Bell (1964, CERN):
die Frage ob das Lokalitätsprinzip gilt kann experimentell entschieden werden!
J. Bell betrachtet lokale, deterministische Theorien, die durch
verborgene Variable die physikalischen Messgrössen eines Teilchens jederzeit exakt festlegen und vergleicht sie mit der Quantenmechanik.
Er zeigt in seinen berühmten “Bell’schen Ungleichungen”, dass in Korrelations-Experimenten mit 2 verschränkten Teilchen die
Quantenmechanik höhere Korrelationen der Messergebnisse an
beiden Teilchen vorhersagt als jede Theorie mit ‘verborgenen Variablen’.
Später wurde auch noch bewiesen, dass durch die ‘instantane Fern-
Wechselwirkung’ der Quantenmechanik keine Information übertragen
werden kann .. Sie wäre damit keine Verletzung der Relativitätstheorie.
Bellsche Ungleichungen für ein praktisches Experiment mit Photonpaaren
Wir erzeugen in einem Experiment gleichzeitig ein Paar verschränkter Photonen gleicher Energie aber unterschiedlicher Polarisation |V> (vertikal) oder |H>
(horizontal) die in unterschiedliche Richtungen fliegen ohne weiter miteinander zu wechselwirken.
Die Wellenfunktion dieses verschränkten Zustands kann dann z.B.
folgendermassen geschrieben werden:
Beide Photonen sind linear polarisiert. Die Polarisationsrichtungen beider Photonen stehen immer senkrecht aufeinander, sind aber ansonsten
vollkommen zufällig verteilt!
Phys. Rev. Lett.
81 ,5039 (1998)
EPR-Lichtquelle
Dreht die Polarisatorrichtung durch Spannung U
V V
H
H
351 nm 702 nm 702 nm
H H V V H
Wählt zufällig einen von
2 Polarisatorwinkeln (kodiert als 0,1)
Entscheidung des Polarisatorwinkels und Messung der Polarisation erfolgt innerhalb von 100 ns am Ende des Laufwegs.
Es kann keine Information von Alice zu
Bob gelangen, wenn diese durch c beschränkt Ist. (Licht bräuchte 1.33 μs von Alice zu Bob)
Die Registrierung der Messergebnisse erfolgt unabhängig an jedem Detektor
mit Hilfe eines ‘time tags’ synchronisierter Uhren. Korrelationen werden erst nach Abschluss des Experiments berechnet.
“Gleichzeitig” heisst dann z.B innerhalb von 5 ns!
Polarisator1
Polarisator2 γ1
γ2
θ
γ2’ QM γ1’
Wahrscheinlichkeit, beide Photonen parallel zur Durchlassrichtung zu messen:
w
γ2~ sin
2θ θ
Quantenmechanik: wVV = wHH = sin2θ Lokale Theorie ohne verborgene Variable: wVV = wHH = 0.5
Bell : wie gross ist die Korrelation zwischen den beiden Polarisationsmessungen?
90o 67,5o 450 22,5o 0o Winkel θ zwischen den Polarisatoren
90o 450 0o Winkel θ zwischen den Polarisatoren
Lokale, determins- tische Theorie
Quantenmechanik NVV ~ sin2θ
Bell beweist ganz allgemein, dass in einer Lokalen, deterministischen Theorie mit ‘verborgenen Variablen’ maximal eine lineare Korrelation erzeugt werden kann, welche den Unterschied zur Quantenmechanik minimiert.
Ergebnis des Experiments: misst 16 Korrelationen
Messergebnis für Bellsche Ungleichung:
M = 2.73 ± 0.02
Quantenmechanik sagt voraus M= 2*√2 = 2.83
Für Lokale Theorien gilt nach Bell:
M ≤ 2
Messergebnis ist 35 Standard- abweichungen von M=2 entfernt
Ist damit die Nichtlokalität dieses Physikalischen Prozesses über alle begründeten Zweifel hinaus bewiesen?
Die Antwort ist definitv NEIN!
Es gibt ‘loopholes’.
Am Wichtigsten: die Effizienz zum Nachweis eines Photonpaares ist nur 5%. Ist das gemessene Sample repräsentativ?
Voraussagen von J. Bell:
Betrachte folgende Messgroessen: (α, β) Winkel der Polarisatoren E(α, β)= 1/N [N
VV(α, β) +N
HH(α, β) - N
VH(α, β) - N
HV(α, β) ]
Zwischen der Quantenmechanik und lokalen Theorien tritt der maximale Effekt auf für z.B. folgende Winkel:
α={90
o, 45
o} und β=(22.5
o, 67.5
o} Bellsche Ungleichung:
M=|E(90
o,67.5
0)-E(45
0,67.5
o)|+|E(90
o,22.5
o)+E(45
o,22.5
o)|
Alle moderneren Experimente liefern dasselbe Ergebnis, inzwischen gibts auch die ersten mit Atomen statt Photonen…. Loopholes
bleiben .. wenn man unbedingt darauf bestehen will..
Wien: Maximale Entfernung liegt inzwischen bei 144 km (Gran Canaria aufs Spanische Festland.. )
Verschränkung in Energie und Zeit !
Die Zielrichtung dieser Experimente ist inzwischen mehr und mehr die Anwendung verschränkter Zustände für die Informationstechnik:
… Quantenkryptographie, Teleportation, Quantencomputing…
Alle diese Techniken, von denen wohl jeder schon mal gehört hat beruhen darauf, dass die Quantenmechanik nicht lokal ist und Informationen in verschränkten Zuständen gespeichert werden können!
08.10.2008
Zusammenfassung
• Experimente zeigen, dass die Voraussagen der Quantenmechanik auch für verschränkte Systeme richtig sind und dass die
Wechselwirkung nicht lokal ist . Quantenzustände ändern in der Tat instantan ihren Zustand auch wenn sie weit
voneinander entfernt sind. ( Das steht nicht im Widerspruch zur Relativitätstheorie.)
• Wir sind gezwungen die Forderung der Lokalität aufzugeben, was unserer Intuition und Erfahrung widerspricht. Hier hatte Einstein nicht recht …
…es sei denn, die verbleibenden ‘loopholes’ sorgen doch noch für eine Überraschung.
Sehr viele Quantenphysiker arbeiten an der praktischen Nutzung der
merkwürdigen Eigenschaften verschränkter Systeme.
Unsere wesentlichen Probleme heute sind:
• wo liegen die Grenzen der Quantenwelt… schliesslich besteht alles aus Atomen, Photonen, …. die
Quantenmechanik sollte universell gültig sein. Was
verursacht das Fehlen von Quanteneffekten auf makros- kopischer Basis?
• Gibt es die deterministische klassische Physik
überhaupt?
Prinzip der Quantenkryptographie
1. Es wird ein Einmalschlüssel angewandt, den NUR die beiden Kommunikationspartner haben und der genau so lang ist wie die Nachricht
2. Für jede Nachricht wird ein neuer Schlüssel erzeugt
3. Wenn der Schlüssel rein zufällig gewählt wird, dann kann die Nachricht prinzipiell nicht entschlüsselt werden
Einziges Problem: Der Schlüssel darf auf keinen Fall in die Hände eines
Spions gelangen, er muss ‘abhörsicher’ übertragen werden.
Die Quantenphysik wird nur
benötigt um einen rein zufälligen Schlüssel abhörsicher mit
verschränkten Photonen zu verteilen Die Verteilung ist abhörsicher, weil jedes
‘Lesen’ eines Bits (Messung) den Zustand irreversibel ändert. Daher lässt sich mit Sicherheit sagen ob abgehört wurde. Der Schlüssel wird dann nicht genutzt.
Erzeugung des Schlüssels
• Alice erzeugt ein zufälliges Bitmuster {0,1} mit Hilfe zweier
zufällig gewählter Polarisationsbasen {H/V ; +45/-45} durch Messung des 1. Photons.
• Bob empfängt das 2. verschränkte Photon und misst die Polarisation ebenfalls zufällig in den beiden Basen
• Sie messen dieselben Bits wenn sie zufällig dieselbe Basis gewählt haben (in 50%)
• Alice und Bob schicken sich (offen) ihre Basiseinstellung für jedes Bit. Sie behalten die Bits für dieselbe Basiseinstellung als Schlüssel.
Zeilinger benutzte
verschränkte Photonen aus einer EPR Quelle Das BB84 Protokoll funktioniert aber auch ohne Verschränkung.
Sicherung gegenüber einem Spion
Jedes Abhören des Schlüssels erfordert eine Messung des Photons und ändert damit zwangsweise dessen Zustand. Dies stellen Alice und Bob fest indem sie einen Teil des Schlüssels offen vergleichen. Wenn jemand abgehört hat stellen sie eine hohe Fehlerrate fest und werden den
Schlüssel nicht verwenden. Praktische experimentelle Fehlerraten sind
< 5%. Abhören gibt eine Fehlerrate von 25% , die leicht festgestellt werden kann.
Es gibt keine prinzipielle Hürde mehr um solche Systeme zu bauen. Zur Zeit wird die Technik in einem EU-Innovationsprojekt gefördert – Wissenschaft und
Industrie.
Die Frage ist wer’s braucht und wer dafür bezahlt. Im Moment krankt es noch daran, dass die Uebertragungsraten klein sind (~ 10 kbit/s) und die maximalen Übertragungsstrecken kurz.
Umsetzung in der Praxis: Wahl der Basis durch 50% Strahlteiler und Drehung der Polarisationsrichtung um 45o in einem Arm.