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Archiv "Weltärztebund: Ethik contra Gesetz?" (06.06.1994)

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POLITIK

Steht Deutschland (einmal wie- der) gegen den Rest der Welt? Bei der 138. Vorstandssitzung des Welt- ärztebundes, die im April in Sydney stattfand, blieb jedenfalls der Vertre- ter der Bundesärztekammer, Haupt- geschäftsführer Prof. Dr. med. Chri- stoph Fuchs, bei der Diskussion über Deklarationsentwürfe zur heterolo- gen künstlichen Insemination (extra- korporale Befruchtung und Leihmut- terverfahren eingeschlossen) mit sei- ner Ansicht allein. Es handelt sich zwar um unterschiedliche Entwürfe, aber das Problem ist in allen das glei- che: Sollen Samenspender oder Ozy- tenspenderinnen gegenüber der Empfängerin und anderen Betroffe- nen anonym bleiben?

Anonymität

In Deutschland sind die rechtli- che Lage und die Grundauffassung der Ärzteschaft die, daß ein Kind ein Recht darauf hat, seine biologische Herkunft zu kennen — ein Persön- lichkeitsrecht, das sich aus dem Grundgesetz ableiten läßt. Dem deutschen Vertreter wurde die davon abweichende Situation bei Adoptio- nen vorgehalten. Aber hier ist die rechtliche Ausgangslage eine andere.

Dies alles wäre kein Problem ge- wesen, wenn der Weltärztebund- Vorstand bei der ursprünglichen Fas- sung der Vorlagen geblieben wäre.

Die enthielten nämlich eine Klausel, daß gesetzliche Regelungen in den einzelnen Ländern zu berücksichti- gen seien. Diese Sätze wurden jedoch vom Vorstand gestrichen — die Fol- ge wäre, daß die ethischen Anforde- rungen an die Ärzte mit ihren gesetz- lichen Verpflichtungen zumindest in Deutschland kollidieren. Prof. Fuchs mußte deshalb im Vorstand mit

„nein" stimmen. Das letzte Wort hat jedoch die Generalversammlung im Herbst in Stockholm. Vielleicht wer- den Delegationen wie beispielsweise die der American Medical Associati- on sich bis dahin daran erinnern, daß

TAGUNGSBERICHTE

sie bei anderen Gelegenheiten — wie etwa beim Komplex der Todesstrafe

— Beschlüsse des Weltärztebundes mit Hinweisen auf US-Gesetze ver- hindert haben.

Daß die französischen Vertreter für die Anonymität plädieren, ist hi- storisch begründet: In Frankreich gilt nach wie vor die Vorschrift des Code Napoleon: La recherehe de la pater- nite est inderdite. Kaiser Napoleon wollte damit erreichen, daß Solda- tennachwuchs auch durch uneheliche Söhne vermehrt wurde. Und erst vor wenigen Jahren wurde in Luxemburg

„la recherche de la maternite" verbo- ten — die damalige Gesundheitsmi- nisterin erhoffte sich eine Verminde- rung der Zahl der Abtreibungen da- durch, daß uneheliche Mütter nach der Entbindung anonym bleiben durften. Pragmatisch sehen das Pro- blem die Skandinavier oder Ameri- kaner: Falls beispielsweise ein Stu-

Aufräumarbeiten

Der Nachkriegs-Weltärztebund besteht seit 1947, das sind inzwischen 47 Jahre. Er hat in dieser Zeit 65 De- klarationen, Entschließungen oder

„statements" — wie man dieses Wort ins Deutsche übersetzt, ist ein Preis- ausschreiben wert — beschlossen und viele davon mehrfach revidiert.

Um eine Übersicht und möglichst ei- ne Vereinfachung zu erreichen, wur- de eine Arbeitsgruppe eingesetzt.

Bei einigen Dokumenten hat jedoch der Vorstand in Sydney schon Vor- schläge gemacht: Vielfach gibt es An- weisungen darüber, daß bestimmte ärztliche Tätigkeiten unabhängig von Geschlecht, Rasse, Hautfarbe und noch vielen weiteren nicht zu dis- kriminierenden Eigenschaften eines Patienten ausgeführt werden müs- sen. Frau Prof. Kinckaid-Smith, künftige Präsidentin des Weltärzte- bundes aus Australien, wollte in ei- nem Dokument auch die „sexual ori- entation" hinzufügen. Keiner hatte etwas dagegen einzuwenden, aber

dent sich als Samenspender ein Ho- norar hinzuverdienen will, dann ist er auf Anonymität angewiesen. Wenn er nämlich damit rechnen muß, daß Jahre später ein junger Mann vor sei- ner Tür steht und verlangt: „Vater — jetzt bezahle mir mal bitte die Aus- bildung!", würde die Bereitschaft zur Samenspende eher nach Null tendie- ren.

Streikaktion

Bei einem „statement" über das Recht der Ärzte zu streiken und wie dieses Recht ethisch eingegrenzt und möglichst patientenunschädlich ge- handhabt werden kann, hatte die südafrikanische Delegation viel Mü- he darauf verwandt, ein ausgewoge- nes und gut begründetes Dokument vorzulegen. Mit dem Hinweis der amerikanischen Delegation darauf, daß eine Streikaktion freiberuflich tätiger Ärzte in den Vereinigten Staaten gegen das Wettbewerbsge- setz (Anti-trust-law) verstieße, wurde die weitere Behandlung der Vorlage abgeblockt.

plötzlich tauchte die Idee auf: Wieso diese unendliche Aufzählung — und wen haben wir noch immer verges- sen, der diskriminiert werden könn- te? Daraufhin wurden in dem gerade anstehenden Dokument alle Dis- kriminierungstatbestände gestrichen und durch eine aus drei Wörtern be- stehende Formulierung ersetzt, die schlicht und einfach ausdrückt, daß für den Arzt alle Menschen gleich sind. Die Arbeitsgruppe wird das bei ihrer Redaktionsarbeit zu berück- sichtigen haben. Eine „Komplizie- rung," kam allerdings neu hinzu: Im

„Genfer Gelöbnis" heißt es in Num- mer 7: „Meine Kollegen sind meine Brüder." Wenn die Stockholmer Ge- neralversammlung dem zustimmt, werden sie nicht nur Brüder, sondern auch Schwestern sein.

Der Vorstand hat schließlich, vorbehaltlich der Zustimmung der Generalversammlung, die Neuauf- nahme von vier Ärzteorganisationen gebilligt: aus Litauen, aus Lettland, aus Äthiopien und aus Nigeria.

Walter Burkart

Weltärztebund

Ethik contra Gesetz?

A-1602 (38) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 22/23, 6. Juni 1994

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